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Archiv "Weltärztebund: Menschenrechte und Tabakrauchen" (22.11.1990)

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AKTUELL POLITIK

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

F

ür den ungeübten Beob- achter konnte die 42. Ge- neralversammlung des Weltärztebundes Ende Oktober im kaliforni- schen Rancho Mirage eher unbedeu- tend erschienen sein. Auf der Tages- ordnung standen nur die Berichte der beiden wichtigsten Ausschüsse, des sozialmedizinischen und des Ethik-Komitees, und deren Vorla- gen wurden ohne große Diskussion einstimmig abgesegnet. Die wirkli- chen Diskussionen waren in den Ausschüssen und im Vorstand ein halbes Jahr zuvor in Jerusalem abge- laufen; die Mitgliedsorganisationen hatten dazu ihre Meinung sagen können — und diese „Ausschußbe- richte" enthielten die tatsächlichen Themen, über die nunmehr kaum noch gesprochen zu werden brauch- te• immerhin sieben Deklarationen oder Resolutionen zu politischen, gesundheitspolitischen und ärztlich praxisrelevanten Themen.

Da gab es zum Beispiel eine Re- solution über die Menschenrechte, die von der Tatsache ausgeht, daß es überaus häufig Ärzte sind, die von Menschenrechtsverletzungen als er- ste Kenntnis bekommen Sie fordert unter anderem, daß Ärzte verpflich- tet seien, jedermann bestmögliche Hilfe angedeihen zu lassen, ohne Rücksicht auf Rasse, Farbe oder po- litische oder religiöse Überzeugung, und sich für die humane Behandlung von Gefangenen einzusetzen. Es ste- hen auch noch andere Allgemeinhei- ten über Menschenrechte in dieser Resolution, aber daß die genannten Grundsätze der Kernpunkt sind, ging aus einer Erklärung philippini- scher Delegierter hervor: Sie waren für diese Resolution dankbar, weil sie damit gegen ein Gesetz ihrer „de- mokratischen" Regierung Aquino vorgehen können, das sie verpflich- tet, Schußverletzte den Behörden namentlich zu melden.

Eine Deklaration wendet sich gegen biologische und chemische Waffen — im Oktober 1990 durchaus aktuell, aber auch aktuell für die deutsche Rechtsprechung. Denn mitten in der allgemeinen Verdam- mung solcher Waffen steht dieser Absatz (unoffizielle Übersetzung des Berichterstatters): „Deshalb ist der

Weltärztebund der Auffassung, daß es für einen Arzt, dessen Aufgabe die Sorge für die Gesundheit ist, un- ethisch ist, an der Forschung für und an der Entwicklung von chemischen und biologischen Waffen teilzuneh- men und seine persönlichen und wis- senschaftlichen Fähigkeiten in die

MIN

Weltärztebund

Menschenrechte und

Tabakrauchen

Entwicklung und Herstellung solcher Waffen einzubringen."

Für die deutsche Gesundheits- politik ebenso bedeutsam ist ein

„Statement" über die Schmerzbe- handlung von unheilbar Kranken. Es stellt die Möglichkeiten einer sol- chen Behandlung dar, erörtert die möglichen Kombinationen von „ge- wöhnlichen" Schmerzmedikamenten und Opiaten, weist darauf hin, daß bei Wirkungsverlusten nach längerer Anwendung auch ein Opiatwechsel hilfreich sein kann — so weit sind es medizinische Erörterungen. Aber dann kommen zwei Sätze, die Leitli- nie nicht nur für Ärzte sind: „Iatro- gene Drogenabhängigkeit sollte nicht als wesentliches Problem bei der Behandlung von starken Schmer-

zen bei neoplastischen Erkrankun- gen angesehen und nicht als Vor- wand benutzt werden, den Patien- ten, die davon profitieren könnten, starke Analgetika zu verweigern."

Und: „Die Regierungen sollten prü- fen, wie weit ihre Vorschriften den ärztlichen Einsatz von Opioiden er- möglichen; sie sollten Hindernisse dafür beseitigen und ihren Einsatz, wo er medizinisch sinnvoll ist, er- leichtern." Es sieht fast so aus, als ob die Autoren dieses Statements das deutsche Betäubungsmittelge- setz kennen...

Über eine weitere Resolution gab es eine Diskussion — mit einem Gast. Es handelte sich um einen Vertreter des internationalen Apo- thekerverbandes. Und die Resoluti- on betrifft die „Therapeutische Sub- stitution" — das heißt: die Substituti- on eines verschriebenen Medika- ments durch ein chemisch unter- schiedliches durch den Apotheker;

also zum Beispiel Phenazetin durch Aspirin oder Penicillin durch Tetra- cyklin. Dies wird — anders als bei der Substitution von Markenpräparaten durch „Generics" — auf das strikteste abgelehnt. Der Gast meinte, die Apotheker wollten ja bloß (und das läßt sich auf deutsch kaum ausdrük- ken) einen „therapeutic interchan- ge", also die Möglichkeit, sich mit dem verschreibenden Arzt in ein Ge- spräch über dessen Verschreibungen einzulassen. Aber der Einwand des Apothekers prallte ab: In dem Be- gründungsteil der Entschließung steht (und das ist nicht mehr wörtlich übersetzt, sondern verstärkt ausge- drückt): Die Apotheker haben keine Ahnung von Anamnese, klinischer Untersuchung, Laborergebnissen, Differentialdiagnose und Behand- lungskonzepten. Also dürfen sie in diese Behandlungskonzepte auch nicht eingreifen.

Nur 14 Zeilen lang ist ein State- ment gegen den Tabak: Verbote oder Einschränkungen der Herstel- lung, des Imports, des Exports, des Verkaufs von Tabakprodukten oder der Werbung für sie sollten von den Staaten ergriffen und von den ärztli- chen

Organisationen unterstützt

werden (Pausengespräch in kalifor- nischer Sommerhitze bei etwa 40 Grad Celsius — weil in Kalifornien Dt. Ärztebl. 87, Heft 47, 22. November 1990 (17) A-3701

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das Rauchen innerhalb von klimati- sierten öffentlichen Gebäuden wie dem Tagungslokal prinzipiell verbo- ten ist: Raucher sind die einzige Minderheit, die diskriminiert wird —

„das ist verfassungswidrig!").

Zwei weitere Entschließungen beziehen sich auf Verletzungen durch den Straßenverkehr und auf

„injury control", also die Traumato- logie und die Unfallverhütung allge- mein. Sie gehen zurück auf die wis- senschaftliche Sitzung innerhalb der Generalversammlung des vorigen Jahres in Hongkong. Diese beiden Entschließungen waren von der Ärz- tegesellschaft Israels vorgelegt wor- den (dort ist der Autoverkehr beson- ders chaotisch!). Den hochentwik- kelten Autogesellschaften West- europas bringen sie kaum etwas Neues, höchstens den Hinweis, daß der Ausbau von kreuzungsfreien, mehrspurigen Schnellstraßen for- ciert werden müßte, allen Grünen und Roten zum Trotz.

Die Entschließung über „Injury Control" stellt vor allem Grundsätze für die Rettungsdienste und die trau- matologische Versorgung auf — man darf nicht vergessen, daß dem Welt- ärztebund eine größere Anzahl von Organisationen aus Ländern ange- hört, in denen diese Einrichtungen noch lange nicht selbstverständlich sind.

Übrigens gab es im Vorfeld hier noch eine eher erheiternde Diskussi- on: Im Vorstand stellte die französi- sche Delegation den Antrag, den Autolenkern das Rauchen zu verbie- ten. Keiner erwähnte, daß es ein Land mit einer solchen Bestimmung gibt (Norwegen), und ob das dort funktioniert. Die Forderung wurde schließlich als Beispiel für mögliche Verhaltensänderungen in den Text aufgenommen.

Der Weltärztebund wächst: Es gab drei Neuaufnahmen. Einer ist der „Ordre des Wdecins Tuni- siens", der so eng mit Frankreich verbunden ist, daß es ein gegenseiti- ges Niederlassungsrecht gibt. Aufge- nommen wurde ferner die „Czech Medical Society" — in einem anderen Dokument hieß es „Chechoslo- vak . .". Um was es sich nun wirklich handelt, blieb offen. Und die Sowjet- union ist jetzt Mitglied. Nicht mit der

Gesundheitsgewerkschaft, die sich seit Jahren darum bemüht hat, son- dern mit einer Vereinigung medizi- nischer Fachgesellschaften, die seit Zarenzeiten besteht, inzwischen un- terdrückt wurde und jetzt wieder auferstanden ist. Sie umfaßt bis jetzt ein Promille der sowjetischen Ärzte- schaft, aber immerhin . . . So, wie es im Osten Europas und hinter dem Ural aussieht, kann man alles nur als vorläufig ansehen. — Weitergescho- ben auf die nächsten Sitzungen wur- de ein glühendheißes Eisen: der Aufnahmeantrag des Ärzteverban- des des türkisch besetzten Teiles von Zypern.

Womit wir bei der Frage der Re- präsentativität des Weltärztebundes überhaupt wären: wieder einmal.

1981 hatte der Weltärztebund mit guten Gründen die Südafrikaner wieder aufgenommen, die 1975 we- gen einer (wichtigen!) Formalie aus- getreten waren. Darauf traten die Engländer, die Kanadier, die Skan- dinavier aus, indem sie die „reine Lehre" über ärztliche Solidarität setzten. Jetzt wollen sie wieder zu- rück kommen, aber nicht, ohne et- was durchzusetzen. Ihnen ist das Übergewicht der drei größten — USA, Japan, Deutschland — zu hoch.

Das läßt sich durch eine Verringe- rung der Delegiertenzahl machen, und so wurde beschlossen: Nicht 5000, sondern 10 000 Mitglieder bringen einen Delegierten. Und wenn es um „ethische" Deklaratio- nen geht, muß eine Zweidrittel- Mehrheit zustimmen. Pas de pro-

Und daß man sich hinsichtlich Südafrikas in eine unmögliche Positi- on verrannt hatte, das ließ sich jetzt auch lösen: Die Generalversamm- lung verabschiedete eine Resolution, die die MASA, die Medical Associa- tion of South Africa, wegen ihres Einsatzes gegen die Apartheid aus- drücklich lobt. Das heißt, daß die Briten, die Kanadier, die Skandina- vier demnächst wiederkommen. Und damit wird der Weltärztebund die Krise überwunden haben, in der ihm vorgeworfen werden konnte, er sei nicht weltweit repräsentativ. Wenn er wieder mehr als die Hälfte der in der UNO vertretenen Staaten um-

faßt, ist er es. bt

Zur Bundestagswahl am 2.

Dezember bringt die Redaktion eine Reihe informierender Bei- träge: Vorgestellt werden die gesundheits- und sozialpoliti- schen Aussagen der Wahlpro- gramme der im Bundestag ver- tretenen Parteien.

Eine Durchsicht der Wahl- programme zeigt schon auf den ersten Blick, daß die gesund- heits- und sozialpolitischen Aus- sagen zumeist recht allgemein gehalten sind. Immerhin - der

Themenkreis wird relativ aus- führlich behandelt; das ist nicht immer so gewesen. Glaubt man den Wahlprogrammen, so rückt die Gesundheit und Soziales im- mer mehr in den Mittelpunkt po- litischen Interesses. Das ist nicht zuletzt eine Folge der Vereini- gung Deutschlands, die ja auch verbunden ist mit gewaltigen so- zialpolitischen Problemen.

Damit beschäftigen sich auch Vertreter der Bundestags- fraktionen, die Gelegenheit er- halten, die Auffassungen ihrer Fraktionen zur Gesundheits- und Sozialpolitik darzustellen. Dabei sollen sowohl die Aktivitäten in der ablaufenden Legislaturperi- ode bewertet wie Ausblicke auf Vorhaben in der kommenden.

Legislaturperiode geboten wer- den - das alles unter der beson- deren Berücksichtigung der Be- lange der Ärzteschaft.

In diesem Heft äußern sich Vertreter der beiden Koalitions- fraktionen CDU/CSU und FDP.

Hinzu kommen Berichte über die Wahlaussagen der die Koali- tion tragenden Parteien. Für das nächste Heft sind Beiträge aus den Oppositionsparteien vorge- sehen. DÄ

A-3702 (18) Dt. Ärztebl. 87, Heft 47, 22. November 1990

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