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Archiv "Regresse: Reiche Erben gesucht" (03.06.2011)

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 108

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Heft 22

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3. Juni 2011 A 1231

Das Leser-Forum

Beiträge im Deutschen Ärzteblatt sollen zur Diskussion anregen. Deshalb freut sich die Redaktion über jeden Leserbrief. Wir müssen aus der Vielzahl der Zuschriften aber auswählen und uns Kürzungen vorbehalten. Leserbriefe geben die Meinung des Autors, nicht die der Redaktion wieder. E-Mails richten Sie bitte an leserbriefe@aerzteblatt.de, Briefe an das Deutsche Ärzteblatt, Ottostraße 12, 50859 Köln.

REGRE SSE

Die Angst vor mögli- chen Arzneimittelre- gressen verleidet vielen niedergelas- senen Ärztinnen und Ärzten die Freude am Beruf (DÄ 18/

2011: „Wirtschaftlichkeitsprüfung: ,Kein Arzt wird für seine teuren Patienten be- straft‘“ von Heike Korzilius).

Psychoterror

Es mag ja sein, dass die offiziellen Statistiken nahelegen, „dass die ge- fühlte Bedrohung größer ist als die wirkliche“. Was dabei aber ver- schwiegen wird, ist, dass diese „ge- fühlte Bedrohung“ durch die Prakti- ken der Wirtschaftlichkeitsprüfun- gen sehr real ist. Denn selbst wenn viele der Betroffenen letztlich dann doch mehr oder weniger glimpflich davonkommen, so sind diese Ver- fahren immer mit massiver psy- chischer Belastung, dem Gefühl der Hilflosigkeit und Existenzbedro- hung und nicht zuletzt auch mit um- fangreicher und zeitraubender Zu- satzarbeit für die Betroffenen ver- bunden, und das hat nachhaltige Folgen. Zwei Hauptübel dieser Prüfverfahren sind meines Erach- tens, dass diese

a) aufgrund rein statistischer Krite- rien erfolgen und

b) dem aufgegriffenen Arzt in Be- weislastumkehr den Nachweis von

„Praxisbesonderheiten“ auferlegen, welche aber nirgends explizit defi- niert sind und letztlich vom Ermes- sen der Beschwerdeausschüsse ab- hängen.

Viele Betroffene erleben dies . . . als willkürliche Kriminalisierung oder gar als Psychoterror. Ich unterstelle, dass diese „gefühlte Bedrohung“

durchaus auch die Absicht des Ge- setzgebers sein dürfte, um die Ärz- teschaft im Sinne der Kostendämp- fung zu disziplinieren . . .

Grundsätzlich sind Wirtschaftlich- keitsprüfungen im SGB-V-System der gesetzlichen Krankenversiche- rung natürlich legitim und auch not- wendig. Mit Recht kann der Gesetz- geber von uns „Vertragsärzten“ ver- langen, die Wirtschaftlichkeit der Behandlung zulasten der Versicher- tengemeinschaft zu verantworten und bei nachgewiesenen groben Ver- stößen gegen das Wirtschaftlich- keitsgebot des § 12 SGB V auch da- für zu haften. Aber diese Verfahren sollten meines Erachtens in rechts- staatlich fairer Weise entsprechend zivilrechtlichen Grundprinzipien er- folgen – zumal die drohenden Kon- sequenzen solcher Prüfverfahren ja auch die materielle Existenz der Fa- milienangehörigen mitbetreffen und darüber hinaus auch die Arbeitsplät- ze der Praxisangestellten. Elemen- taren zivilrechtlichen Grundsätzen entspricht es aber, dass ein Kläger den behaupteten Schaden beweisen muss und nicht umgekehrt der Be- klagte beweisen muss, einen be- haupteten Schaden nicht verursacht zu haben. Eine Beweislastumkehr greift normalerweise nur bei offen- sichtlich grober Fahrlässigkeit oder böser Absicht. Letzteres scheint der Gesetzgeber aber den Ärzten a priori zu unterstellen, indem er ihnen al- lein bei statistischer Auffälligkeit die Beweislast umkehr aufbürdet. Mei- nes Erachtens ist dieses markante Beispiel rechtlicher Sonderbehand- lung von Ärzten im SGB V diskri- minierend und auch durch Gemein- wohlerwägungen nicht zu rechtfer - tigen.

Wenn die Politik vielfache Anregun- gen seitens der Ärzteschaft zum Pro-

blem der Wirtschaftlichkeitsprüfun- gen jetzt weder im AMNOG noch in den Eckpunkten zum „Versorgungs- gesetz“ aufgegriffen hat – nicht ein- mal die Vorschläge seitens der KBV – so lässt dies leider den Verdacht aufkommen, dass die . . . Abschre- ckung vor der Niederlassung in den Augen der politischen Entschei- dungsträger von eher geringer Rele- vanz ist. Sollte dies etwa deshalb so sein, weil die ärztliche Freiberuf- lichkeit – manchen Lippenbekennt- nissen zum Trotz – von der Poli- tik schon längst zum Auslaufmodell bestimmt und die zukünftige Rol- le der Ärzte im deutschen Gesund- heitswesen nur noch im Angestell- tenverhältnis gesehen wird?

Dr. med. Karl Ebertseder, 86150 Augsburg

Reiche Erben gesucht

Der oben genannte Artikel sollte uns Ärzten eigentlich Mut machen . . . Ich denke, das Gegenteil ist der Fall . . . Da wird der Kollege Dr.

Ehleben zitiert, der meint, dass dro- hende Regresse keinen Kollegen von der Niederlassung abschre- cken sollten. Derselbe Kollege habe aber schon 65 000 Euro an Regres- sen bezahlt. Ich weiß ja nicht, wel- che Rücklagen der Kollege so hat – ich als Vater von vier Kindern verfüge nicht über ein solches Ver- mögen, obwohl (oder weil?) ich bald 20 Jahre niedergelassen tä- tig bin . . .

Unter diesen Kautelen werden sich nur noch reiche, sorglose Er- ben niederlassen können, die in der Lage sind, die Medikamente der Patienten den Krankenkassen zu finanzieren.

Aus der Praxis: Seit mehreren Jah- ren werde ich als diabetologisch tä- tiger hausärztlicher Internist mit

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D c g v s Ä a 2011: Wirtschaftlich

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3. Juni 2011 Regressforderungen bis in den weit

sechsstelligen Bereich hinein be- drängt. Jedes Jahr pünktlich zur Weihnachtszeit sitze ich dann tage- und wochenlang an ausführli- chen Rechtfertigungsschrei- ben an das entsprechende Prüfgre- mium, um danach nochmals wo- chenlang, meist über das freudige Weihnachtsfest hinweg, bangen zu dürfen, ob nun ein Regress aus- gesprochen wird oder nicht.

Bis jetzt ist es mir immer gelun- gen, Regresszahlungen abzuweh- ren. Aber jeder normale Kolle- ge kann sich die Angst und die Panik vorstellen, die das ganze Team und deren Familien ergreift in dieser Zeit. Nicht die existenzver- nichtende Regresszahlung, son- dern auch schon die Panik, eventu- ell seine Existenz vernichtet zu be- kommen, reicht aus, um die Freude an einer Niederlassung zu verlie- ren. Ich verstehe gut die Kollegen, die sich lange vor Erreichen des Rentenalters aus der Arbeit als Kas- senarzt zurückziehen, und ich ver- stehe auch gut die jungen Ärzte, die angesichts dieser Angst ma- chenden Praktiken erst gar nicht in eine Niederlassung gehen wollen.

Von dem bürokratischen Bestiarium der täglichen Arbeit als Abschre- ckungswaffe hier mal ganz abgese- hen. All die schönen Erörterungen der Verantwortlichen zur Bekämp- fung des Ärztemangels sind ein Hohn vor diesen Tatsachen . . .

Dr. med. Jörg Gloyer, 71634 Ludwigsburg

Helden, wo seid ihr?

Die Helden der Nation haften für veranlasste Arzneimittel- und Thera- piekosten. Kein Bankvorstand wäre je so vermessen mit seinem Privat- vermögen für die Bankbilanz gerade- zustehen, kein Politiker würde ein Amt antreten, in dem er für ein Defi- zit eines öffentlichen Haushalts bür- gen müsste. Ein dank AMNOG ver- abschiedeter Höchstbetrag von 25 000 Euro nebst Anwalts- und EDV-Kosten in gleicher Höhe, 100 Stunden unentgeltlicher Dokumenta- tionsarbeit und ein halbes Jahr durch- wachter Nächte werden doch wohl niemanden mehr von der Niederlas- sung abhalten! Helden, wo seid ihr?

Wir finden wohl keine Deppen mehr und müssen die Haftung da- her abschaffen.

Dr. med. Stefan Scheffczyk, 71634 Ludwigsburg

In der Praxis

. . . Die Rechtslage – wie in dem Arti- kel beschrieben – lässt die KV mit ihren Prüfgremien unangreifbar in bestem Licht erscheinen. Die Praxis jedoch sieht völlig anders aus. Es be- ginnt mit der Verweigerung der KV, für die Beweisführung und damit den Vergleich mit der Fachgruppe Statis- tiken zur Verfügung zu stellen mit dem Hinweis, diese gebe es nicht.

Eine Beratung findet nicht statt. In der Verhandlung winkt der Prüfarzt alle Argumente ab. Schwere Fälle als Praxisbesonderheit, wie zum Bei- spiel vermehrt Parkinsonpatienten (die ich wegen meiner Zusammenar- beit mit der hiesigen Selbsthilfegrup- pe hatte), wurden grundsätzlich nicht anerkannt mit dem pauschalen Hin- weis, solche Klientel hätten er und andere Kollegen auch. Es wurden Einzelverordnungen, die noch nicht für eine bestimmte Indikation zuge- lassen waren, herausgepickt und auf die Scheinzahl hochgerechnet, als würde ich systematisch solche Ver- ordnungen regelmäßig durchführen.

Nach meinen Erfahrungen ist es Ziel jedes Regressantrags, vom verordnenden Arzt Schadensersatz – so die juristische Bezeichnung – einzutreiben, das Drumherum ist reine demokratische Spiegelfechte- rei. Bereits der Regressantrag kommt einer Vorverurteilung gleich . . . Ich habe wegen jahrelanger Re- gressverfolgungen meine Vertrags- arzttätigkeit zum frühestmöglichen Zeitpunkt aufgegeben, obgleich ich die Sorge um meine Patienten im- mer als eine echte Berufung emp- funden habe, sieaber unter den ge- gebenen Bedingungen nicht mehr optimal erfüllen konnte.

Dr. med. Anton Osmialowski, 65207 Wiesbaden

Die Betroffenen

Dieser Artikel verharmlost die Re- gressproblematik in unzumutbarer Weise: Es bleiben ja „nur“ ein bis zwei Prozent Betroffene! Aber wer sind die?

Es sind – wie ich – Landärzte, die für die Fachärzte die Medikamente rezeptieren, statt die Patienten quar- talsmäßig in weit entfernte Fach- arztpraxen zu schicken . . . Praxis- besonderheit Landarzt.

Es sind – wie ich – psychothera- peutisch tätige Ärzte, die in einer Hand Krisen abfangen, keine Ter- minnöte entstehen lassen, integrativ arbeiten, Gruppen bilden, keine Halbjahreswartezeiten für Erstkon- takte anbieten, sondern eine

„Sprechstunde“ als Erstkontakt.

Und natürlich auch Psychopharma- ka verschreiben. Praxisbesonderheit Psychotherapie anerkannt als QZV – aber nicht für zusätzliche Medi- kamente.

Es sind alte Hausärzte, . . . die ihre Patientenfamilie betreuen, vor Ort, ansprechbar. Mit Zehn- bis Zwölf- stundentagen.

Diese müssen – wie ich – für fünf Jahre ihre Patienten nachdokumen- tieren, um fünfmal 100 000 Euro Regress zu entkommen. Das ist existenziell nach 30 Jahren Freibe- ruflichkeit. Da die Sozialgerichts- klage keine aufschiebende Wirkung hat, muss ich zahlen! Für 2002 er- folgt, 2003 beschlossen vom Be- schwerdeausschuss, die anderen Jahre noch offen.

Aber: In keiner Regressverhand- lung ist auch nur ein Patient in sei- ner speziellen Dokumentation ver- handelt worden. Nur Statistik – kei- ne einzige Patientenakte . . . So kommt kein einziger neuer Arzt in eine Landarztpraxis.

Dr. Wolfgang Baur, 38690 Vienenburg

Unwürdig

Als angehende Allgemeinärztin, noch dazu eine, die auf dem Land wohnt, stellt sich für mich schon die Frage, ob ich mich irgendwann niederlassen möchte, der Landärz- temangel wird ja so beschrien.

Aber solange es Regresse gibt, werde ich das gewiss nicht tun.

Und dabei ist für mich völlig gleichgültig, ob mich die KV vor- warnt, dass ich mein Budget über- schreite.

Oder wie unwahrscheinlich ein Re- gress ist. Ich finde das Instrument an sich eine Unverschämtheit und

B R I E F E

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