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Archiv "Körperbilder: Tizian (um 1488–1576) – Bei lebendigem Leib" (12.04.2013)

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[56] Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 110

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Heft 15

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12. April 2013

S C H L U S S P U N K T

KÖRPERBILDER: TIZIAN (UM 1488–1576)

Bei lebendigem Leib

S

eine einzigartige Darstellung des Marsyas-Mar- tyriums malte der greise Tizian nach einem anti- ken Mythos: Der Satyr Marsyas, ein Mischwesen zwi- schen Mensch und Tier, hatte eine Flöte gefunden, die die Göttin Athene weggeworfen hatte. Damit forderte er den Meister der Leier und Gott der Weisheit, Apoll, zum musikalischen Wettstreit auf. Unter der Bedin- gung, dass der Gewinner mit dem Verlierer tun dürfe, was er wolle, stimmte Apoll zu. Er siegte und hängte den Rivalen für seine Anmaßung mit den Bocksfüßen nach oben an einer Fichte auf und häutete ihn bei leben- digem Leib. Vor Tizian hatten zwar schon andere Maler Großformate der Gewaltszene geschaffen, aber nie zu- vor waren der wie ein Tierkadaver herabhängende Kör- per und die fast unerträgliche Grausamkeit der Folter so eindrucksvoll visualisiert wie hier.

Zum ersten Mal steht der Gequälte, die Verkörpe- rung der Natur, im Mittelpunkt des Geschehens, wäh- rend sich die anderen Gestalten des Mythos um Mar - syas Leib gruppieren. Kniend legt der junge, schöne Apoll mit dem Messer Hand an den Besiegten an, aller- dings nicht wie ein brutaler Schlächter, sondern eher wie ein hochkonzentrierter Präparator. „Gleich einem verkehrten Pygmalion scheint er aus dem lebenden

Körper ein Kunstwerk zu machen“, schreibt die Kunst- historikerin Dr. Daniela Bohde. Einzigartig ist auch die Freiheit, die sich Tizian beim Malen des gepeinigten Leibs nahm. Der Renaissancekünstler scherte sich nicht um Anatomie und korrekte Proportionen, die seinen Zeitgenossen so wichtig waren. Kein Muskel, kein Or- gan des Marsyas ist sichtbar, nur pastos gemalte rohe, blutige Haut und ein fast schon abstrakter Körper, die eine Atmosphäre des Grauens evozieren.

Tizian orientierte sich bei seiner Interpretation der düsteren Fabel an der ausführlichen dichterischen Fas- sung in Ovids Metamorphosen. Beim Wettstreit zwi- schen Apoll und Marsyas soll auch König Midas unter den Zuschauern gewesen sein. Dieser plädierte für den Sieg des Tiermenschen, jedoch ohne Erfolg. In Person des nachdenklichen Midas setzte sich der über 80-jähri- ge Tizian selbst ins Bild: Neben dem gefolterten Mar- syas grübelt er über das Mysterium von Leid und Tod.

Sabine Schuchart

Tizian, „Die Schindung des Marsyas“, circa 1570–1576, Öl auf Leinwand, 212 cm × 207 cm: Der Leib des Tiermenschen Marsyas hängt kopfüber an den Ästen eines Baums. Seitlich von ihm kniet Apoll und zieht ihm als Strafe für einen verlorenen Wettstreit mit einem Messer die Haut ab. Oberhalb davon ist ein weiterer Schinder, begleitet von makabrem Violinenspiel, am Werk. Rechts im Bild nähert sich ein dämonisch aussehender Satyr mit einem Eimer. Davor sitzt König Midas, den Kopf auf die Hand gestützt. Das mythologische Meisterwerk, das Tizian am Ende seines Lebens schuf, wird derzeit in Rom ausgestellt.

Foto: National Museum, Kromìøíž

LITERATUR

1. Sheila Hale: „Titian: His Life“, Sprache: Englisch, 832 Seiten, Harper Collins, November 2012, 32,52 Euro (TB-Ausgabe ab September 2013).

2. Wilhelm Schlink, „Tizian. Leben und Werk“, 127 Seiten, Beck 2008, 8,95 Euro.

AUSSTELLUNG

„Tizian“

Scuderie del Quirinale, Via XXIV Maggio 16, Rom

www.scuderiequirinale.it So.–Do. 10–20 Uhr, Fr./Sa. 10–22.30 Uhr bis 16. Juni

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