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verletzung führen wird“. Dem ist zu- zustimmen, allerdings heißt es wenig später: „Arztgespräche können im Einzelfall dem unantastbaren Kern- bereich privater Lebensgestaltung zu- zuordnen sein“ (BVerfGE 1 BvR 2378/98 vom 3. 3. 2004). Hier irren das Bundesverfassungsgericht und die Bundesjustizministerin, die sich auf das Urteil und letzteren Satz be- ruft (und es durch das Einfügen des Wortes „nur“ verfälscht), gewaltig.
Bei ärztlichen und Psychologischen Psychotherapeut(inn)en, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut(inn)en, Psychiater(inn)en, Nervenärzt(inn)en, Ärzt(inn)en für psychotherapeutische Medizin u. a. sind Gespräche, die den Kernbereich privater Lebensgestal- tung umfassen, die Regel – anders würde ihre Inanspruchnahme keinen Sinn machen. Bei allen anderen Ärzt(inn)en (z. B. Gynäkolog[inn]en, Urolog[inn]en, Ärzte mit Zusatzbe- zeichnung Psychotherapie, Haus-
ärzt[inn]en) sind sie jedenfalls keine Seltenheit – selbst wenn das den Pati- ent(inn)en (und vielleicht auch zu- weilen den Ärzt[inn]en) nicht klar ist, weil sie glauben, es ginge nur um ei- nen Schnupfen. Dass Abgeordnete gegen Ermittlungsmaßnahmen um- fassend geschützt werden, ist im Hin- blick auf die Funktionsfähigkeit der Institutionen des Rechtsstaats sinn- voll und notwendig. Ich kann jedoch nicht erkennen, weshalb ein Unter- schied zwischen Verteidiger(inne)n und Seelsorger(inne)n auf der einen und Ärzt(inn)en/Psychotherapeut- (inn)en auf der anderen Seite besteht.
Der Schutz beruflicher Vertrauens- verhältnisse ist, wie Frau Zypries be- tont, „ein wichtiger Eckpfeiler des Rechtsstaats“. Insofern muss das ab- solute Verbot der Erhebung und Ver- wertung von Informationen für alle in
§ 203 StGB genannten Berufsgrup- pen gelten. Andernfalls, wenn nur einzelne ärztliche und/oder psycho-
therapeutische Gespräche unter das Verbot fielen, würde der primäre Schutzzweck der strafrechtlich ge- schützten Schweigepflicht außer Kraft gesetzt . . . Das Vertrauen zu Angehörigen ärztlicher und therapeu- tischer Berufsgruppen kann da nicht entstehen, wo wir (Patient[inn]en) je- derzeit befürchten müssen, dass der geschützte Raum jederzeit zur Dispo- sition von Ermittlungsbehörden zum Zweck konkreter oder vorbeugender Ermittlungsmaßnahmen steht . . .
Jürgen Thorwart,Dipl.-Psychologe, Johann-Sebastian-Bach-Weg 9, 82223 Eichenau
Schlechtes gut verpackt
Frau Zypries versteht es ebenso wie ihre Kollegen, Schlechtes gut zu ver- packen. In nicht enden wollenden Zeilen erklärt sie weiter nichts, als dass bei der Regelung der Telekom- munikationsüberwachung eine Gü- terabwägung notwendig ist. Dabei ist
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selbst die Ärzteschaft nicht so be- griffsstutzig. Allerdings versagt sie, wenn es darum geht, den Unter- schied zwischen der ärztlichen und z. B. der seelsorgerischen Tätigkeit zu erklären. Der Hinweis auf den ba- nalen Schnupfen greift nicht, denn über Belanglosigkeiten kann ich mich auch im Ehebett unterhalten.
Letztendlich wird die ärztliche Tätig- keit, die eben doch immer wieder dem unantastbaren Kernbereich pri- vater Lebensgestaltung zuzuordnen ist, passend zum Mainstream der Zeit erneut herabgewürdigt. Man muss die Justizministerin fragen:
„Sind Sie glücklich darüber, dass über die Zulässigkeit einer Überwa- chungsaktion erst im Nachhinein, je nach Inhalt des abgehörten Ge- sprächs, entschieden wird?“ . . . Der Patient, also der Bürger spürt, dass die Ministerin für einen weiteren Mosaikstein auf dem Weg zum Über- wachungsstaat verantwortlich ist.
Dr. Michael Patten,Marienstraße 2, 34431 Marsberg
KORRUPTION
Die vom Gesetzge- ber geschaffenen Betrugsbekämp- fungsstellen der Selbstverwaltung zeigen Wirkung (DÄ 39/2007: „Korrupti- onsbekämpfung im Gesundheitswesen:
Vertrauen ist gut – Kontrolle ist besser“
von Martina Merten und Samir Rabbata).
Suppe mit Einlage
Da bangen Ärzte in Deutschland um die Existenz ihrer Praxis, und unser Standesorgan schreibt seitenlang über die Kontrollbedürftigkeit ir- gendwelcher bestechlicher Medizi- ner. Der ärztliche Alltag sieht anders aus. Müde Ärzte setzen sich abends in stickige Räume, um ihr Wissen auf den neuesten Stand zu bringen.
Zugegeben, die Räume wurden von der Industrie angemietet. Und tatsächlich, nach zwei Stunden Vor- trag mit anschließender Diskussion, gibt es etwas zu essen: eine leckere Kartoffelsuppe. Da gelingt es kaum, dem Produkt der Pharmaindustrie gegenüber neutral zu bleiben. Noch
schwerer hatte es da ein mir bekann- ter Neuroradiologe, sich nicht auf- grund der Bewirtung korrumpieren zu lassen: Er fand in seiner Kartof- felsuppe – ein Würstchen!
Dr. med. Dr. phil. Reinhard Platzek,
Vorsitzender des Hartmannbundes für Unterfranken, Keplerstraße 23, 63741 Aschaffenburg
QUALITÄTSSICHERUNG
Pragmatische und zielorientierte Vorge- hensweise empfeh- lenswert (DÄ 38/
2007: „Nach wie vor ,nebulöse‘ Qualität“
von Dr. med. Maria Eberlein-Gonska).
Frommer Wunsch
Viele der kritischen Standpunkte des oben genannten Artikels sprechen mir aus der Seele. Die Hoffnung der Autorin, die Ärzte mögen dennoch nicht das Vertrauen in den Begriff des Qualitätsmanagements verlieren, scheint mir allerdings eher ein from- mer Wunsch zu sein. Nahezu alle kli- nisch tätigen Ärzte werden bemüht sein, ihren Patienten eine qualitativ hochwertige und leitliniengerechte Behandlung zukommen zu lassen.
Wenn die Zeit der Dokumentation al- lerdings die Minuten am Patienten- bett übersteigt, so liegt der Fehler im System und ist wahrscheinlich auch nicht durch (zusätzliche) Qualitätssi- cherung zu kompensieren. Mir per- sönlich erscheint es grotesk, meine jungen Kollegen am Beginn ihrer Klinikkarriere zunächst in die Ge- heimnisse der Qualitätssicherungs- bögen und der DRG-Codierung ein- weihen zu müssen. Da den Studenten durch das bereits in diesem Blatt mehrfach diskutierte „Hammerex- amen“ auch noch die Möglichkeit genommen wurde, während des praktischen Jahres unbelastet klini- sche Erfahrung zu sammeln, fällt es mir schwer, neben der Begeisterung für das Fach auch noch die Motivati- on zur Bewältigung der stetig stei- genden Dokumentationsflut zu ver- mitteln.
Dr. Tomislav Miljak,Klinik für Innere Medizin III, Schwarzwald-Baar Klinikum
Villingen-Schwenningen GmbH, Vöhrenbacher Straße 23, 78050 Villingen
Aus der Seele gesprochen
Frau Eberlein-Gonska spricht mir aus der Seele! Seit 1990 befasse ich mich als ehemaliger Leiter der Kommissi- on für Qualitätssicherung der Deut- schen Gesellschaft für Gefäßchirur- gie mit dieser Problematik. Leider greift die in unserem Fachbereich eingeführte, externe, vergleichende Qualitätssicherung nicht. Die Qua- litätssicherungsdaten der BQS für die Karotis-TEA unterliegen keiner „Vor- Ort-Kontrolle“ über die Richtigkeit der eingesandten Daten. Der soge- nannte strukturierte Dialog findet statt, wenn ein Krankenhaus auffälli- ge Zahlen meldet. Was ist die Folge?
Es wird in der Regel mitgeteilt, dass ein Codierungsfehler vorliegt. Ein vorgesetzter Arzt übernimmt die Co- dierung dann selbst, und plötzlich sind die Daten wieder in Ordnung.
Kontrollierte randomisierte Studien zeigen z. B. für die Karotis-TEA (für die PTA genauso) zwei- bis dreimal höhere Komplikationsraten als das Qualitätsregister. Zusammenfassend handelt es sich in unserem Fachge- biet bei der externen vergleichenden Qualitätssicherung der BQS um eine ungeprüfte Statistik von begrenztem Aussagewert, die mit hohem Arbeits- aufwand und hohen Geldausgaben verbunden ist . . .
Prof. Dr. med. Stefan von Sommoggy, Klinik für operative und interventionelle Gefäßchirurgie, Behandlungszentrum Vogtareuth, Schön-Kliniken, Krankenhausstraße 20, 83569 Vogtareuth
KRANKENPFLEGE
Der Personalabbau gefährdet die Pfle- gequalität (DÄ 33/
2007: „Nebensache Patient“ von Dr. med.
Birgit Hibbeler).
Klare Analyse
Frau Hibbeler muss man für ihre kla- re Analyse danken. Die menschen- verachtende Einstellung, welche dem zunehmenden Personalabbau immanent ist, überträgt sich auf die gesamte Atmosphäre eines Kranken- hauses.
Dr. med. Petra Reimann,Bieselheider Weg 24 b, 13465 Berlin