A2898 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 42⏐⏐19. Oktober 2007
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s ist diese ganz eigene Duft- mischung von Kräutern und Blüten aus der Umgebung von Flo- renz, die den Besucher schon am Portal der Farmacia di Santa Maria Novella umfängt – in einer der ältes- ten Apotheken Europas. Am Ende eines im Halbdunkel liegenden Kor- ridors bietet sich dem Kunden nach Eintritt in den ersten Verkaufssaal eine fast weihevolle Atmosphäre dar; unverkennbar weist die goti- sche Architektur auf einen Sakral- raum. In den aus dem 19. Jahrhun- dert stammenden Holzvitrinen la- gern Hunderte von Parfumflakons, Seifenschächtelchen und edle Ka- raffen – alle versehen mit der Auf- schrift „Officina Profumo Farma- ceutica di Santa Maria Novella“ und dem Wappen des Dominikaneror- dens von Santa Maria Novella.Touristen aus der ganzen Welt studieren die Auslagen, riechen hier und da an einem Stück Seife oder schnuppern an den mehr als 30 ver- schiedenen Duftwässerchen. Umso erstaunlicher ist es, dass dieser so
stimmungsvolle Ort nicht zu einer rein touristischen Stätte verkommen ist. Für viele Florentiner ist es selbstverständlich, ein Stück Seife als Mitbringsel für Freunde oder ein Potpourri für die eigenen vier Wän- de in der „Farmacia“ zu kaufen.
Zwar gleicht die „Farmacia di Santa Maria Novella“ heute mehr einer edlen Parfümerie als einer Apotheke. Doch genau in diesen Sälen haben die Dominikanermön- che einst Kräuterkunde und Kran- kenpflege betrieben. Allerdings gibt es an diesem Ort auch eine jahrhun- dertealte Tradition, Liköre, Essen- zen und Schönheitsmittelchen zu verkaufen. Diese überlebte bis heu- te, auch nachdem längst die Cara- binieri in das alte Dominikanerklos- ter von Santa Maria Novella einge- zogen sind. Ihre Einzigartigkeit ver- dankt die Apotheke auch dem Um- stand, dass sie seit dem 14. Jahrhun- dert ohne Unterbrechungen fortbe- stand.
Im ausgehenden Mittelalter, in dem immer wieder verheerende Pest-
epidemien ganz Europa überzogen, begannen die Mönche von Santa Maria Novella mit der Herstellung und dem Verkauf von Rosenwasser, das als wirksames Desinfektions- mittel galt. Der älteste Verkaufs- raum der „Farmacia“, die Erboriste- ria, der „Kräuterladen“, ist durch ei- ne Tür direkt mit dem Kreuzgang und dem Klostergarten verbunden, wo man einst Heilkräuter, aber auch Orangenbäume kultivierte. Hier ser- vierten die Mönche ihren zumeist adligen Kunden auch ihre selbstge- brauten Elixiere, wie den Alcher- mes, einen Likör aus exotischen Ge- würzen, Rosenwasser und Orangen- schalen, oder heiße Schokolade, das damalige „Modegetränk“ aus der Neuen Welt.
Der Ruf der „Farmacia“ reichte bald über die Grenzen der Toskana hinaus. Im Jahr 1612 machten die Mönche ganz offiziell ein Unterneh- men daraus. Ein weltlicher Verwalter sorgte dafür, dass sich die Mönche ganz ihrem Studium der Kräuterheil- kunde widmen konnten. Besonders der Dominikaner Angiolo Marchissi (1592 bis 1659) tat sich als Gelehrter hervor, darüber hinaus pflegte er Kontakt mit dem Großherzog der Toskana, Ferdinand II. Damit wurde die „Farmacia“ auch offiziell zum Hoflieferanten der Medici.
Mit dieser bedeutendsten Familie von Florenz verbindet die „Farma- cia“ ihre berühmteste Kreation: Das
„Acqua della Regina“ war ein ei- gens für Katharina von Medici, die spätere Königin von Frankreich, er- sonnenes Duftwasser. Sie brachte das Parfum an den französischen Hof, wo man es das „Wasser der Kö- nigin“ nannte. Genau auf dieses Produkt lässt sich das heutige Eau de Cologne zurückführen: Die For- mel für das Parfum hatte im 18. Jahr- hundert der Italiener Giovanni Pao- lo Feminis in seinen neuen Wohnort Köln mitgebracht. Dort benannte er den Duft zu Ehren der Stadt in
„Kölnisch Wasser“ um. I Ariane Wirth-Piller
FARMACIA DI SANTA MARIA NOVELLA
Der Duft von Florenz
Die berühmteste Apotheke von Florenz lockt Einheimische und Touristen und blickt auf eine jahrhundertealte Tradition zurück.
IInnffoorrmmaattiioonn: Officina Profumo Farmaceu- tica di Santa Maria Novella, Firenze, Via del- la Scala 16, Telefon: 03 90 55/21 62 76, Internet: www.smnovella.com, E-Mail: officina@smnovella.com
Fotos:Ariane Wirth-Piller
Hunderte von Parfumflakons, Seifenschächtel- chen, Gläsern und edlen Karaffen lagern in den aus dem 19. Jahrhun- dert stammenden Holzvitrinen.