Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 274. Juli 2008 A1515
G E L D A N L A G E
S
eit gut zwei Jahren wollen die Notenbanken der Welt ei- gentlich nur eines: hoch mit den Zinsen. Doch sie durften es nicht, so schwer es ihnen auch fiel. Die glo- bale Finanzkrise, ausgehend von dem US-Suprime-Debakel und ver- stärkt durch hierzulande unglaub- lich wilde Darlehens-Verbriefungs- konstruktionen (IKB, UBS, Société Générale), setzte vor allem die Fi- nanzdienstleistungsindustrie exis- tenzbedrohlich unter Druck.Gehen Banken oder auch Rück- versicherer pleite, folgt die Real- wirtschaft auf dem Fuße. Diese Zwangsläufigkeit mussten die Stabi- litätshüter mit aller Macht verhin- dern, und so öffneten sie allerorts die Geldschleusen. Andererseits trieben aber dramatisch steigende Ölpreise und ebenso exorbitant an- springende Rohstoffkosten die In- flationsraten drastisch nach oben.
Welch ein Irrwitz. Mit Geld, das eigentlich in der Menge hätte gar
nicht zur Verfügung stehen dürfen, wurde die Inflation erst recht ange- heizt. Anders gesagt: Die Volkswirt- schaften finanzierten ihre eigene In- flation selbst, wenigstens zu einem gehörigen Anteil. Aber Energie und Treibstoff etwa spart nur der, der wirklich sparen muss, indem er das knappe Gut Kapital gezielt einsetzt.
Fachleute sagen hierzu Faktorallo- kation. Ist Kapital aber nicht wirk- lich knapp, wird die Inflation mehr angeheizt, als es die volkswirtschaft- lichen Rahmendaten vorgeben. Am Ende sind wir die eigenen Preistrei- ber durch ungezügelte Nachfrage.
Damit soll jetzt endlich Schluss sein, signalisieren die Notenbanken.
Um das immer bedrohlichere Infla- tionsgespenst zu verjagen, manche reden sogar schon von „Stagflation“
(Preisanstieg bei anhaltender Kon- junkturschwäche), wird nun auf die Bremse getreten. Im Ergebnis heißt das, die Zinsen werden steigen, und zwar nicht zu knapp.
Die Kehrtwende der Notenban- ken ist freilich auch ein Ritt auf der Rasierklinge. Wird zu sehr auf die Bremse getreten, kann die Konjunk- tur sehr leicht empfindlichen Scha- den nehmen. Dann aber stünden auch die Aktienmärkte vor Einbußen. Per- sönlich glaube ich aber, dass die meisten Volkswirtschaften robust ge- nug sind, zumal viele Unternehmen in den letzten Jahren ihre bilanziellen Hausaufgaben gemacht haben und auch rauere Phasen verkraften kön- nen. Die Globalisierung kann hier ei- ne segensreiche Wirkung entfalten.
Gleichwohl bleiben Zinsjäger bis auf Weiteres die Gewinner dieser Entwicklung. Für renditeorientierte Anleger beginnt jetzt eine fruchtbare Erntezeit, allerdings nur dann, wenn sie sich auf Tagesgeld und kurze Laufzeiten konzentrieren. Bei länger laufenden Anleihen drohen sogar Kursverluste. Das gilt auch für Ren- tenfonds mit mittlerem und lang- fristigem Anlagehorizont. Ganz klar, kurzes Geld hat den meisten Char- me. Ob die Börsianer mit ihren Akti- en allerdings zweiter Sieger bleiben oder sich doch noch ganz oben auf dem Treppchen wiederfinden: Die- ses Rennen ist noch offen. I BÖRSEBIUS