DEUTSCHES ARZTEBLATT
Notfalldienst-Leistungen
Aus den vorstehenden Erwägun- gen ergibt sich auch, daß entge- gen der Ansicht des Klägers eine Verletzung des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) mit der Notfall- dienstregelung nicht verbunden ist. Die unterschiedslose Ver- pflichtung der Kassen- und Privat- ärzte zum Notfalldienst führt le- diglich dazu, daß der Privatarzt im Gegensatz zum Kassenarzt sich für die Notfalldienstleistungen ei- ner anderen Vergütungsregelung unterziehen muß, als sie seiner übrigen beruflichen Tätigkeit zu- grunde liegt. Daß der Gesetzge- ber und der berufsständische Sat- zungsgeber diesem Unterschied keine Rechnung getragen haben, ist nach den vorstehenden Aus- führungen durch sachgerechte und vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls gerechtfertigt.
Die Ansicht des Klägers, die Not- falidienstregelung führe für ihn als Privatarzt zu einem Sonderop- fer und verstoße daher gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG, ist unzutreffend. Der Schutz- bereich der Eigentumsgarantie wird durch die Notfalldienstrege- lung nicht berührt. Die Tätigkeit des Arztes im Notfalldienst betrifft den von Art. 12 Abs. 1 GG erfaßten Bereich der „individuellen Er- werbs- und Leistungstätigkeit", nicht aber die durch Art. 14 GG geschützten Eigentums- und Ver- mögensrechte (vgl. BVerwGE, Beschl. v. 16. 3. 1971 — 1 BvR 52, 665, 667, 754/66 —, BVerfGE, 30, 393 — 335 —; BVerwG, aaO, Buch- holz 418.00 Nr. 21).
Auch in seinem Grundrecht aus Art. 9 Abs. 1 GG wird der Kläger — entgegen seiner Auffassung — durch die Verpflichtung, Notfall- dienstleistungen nach kassen- bzw. vertragsärztlichen Honorar- bedingungen gegenüber der Kas- senärztlichen Vereinigung Nie- dersachsen abzurechnen, nicht verletzt. Auf Körperschaften des öffentlichen Rechts — wie die Kas- senärztliche Vereinigung Nieder- sachsen (vgl. § 368 k Abs. 3 RVO)
— ist Art. 9 Abs. 1 GG nicht an- wendbar (vgl. Maunz-Düring, aaO,
RdNr. 66, 77, 74, 90 m.w.N.). Im üb- rigen wird der Kläger aufgrund der Vergütungsregelung nicht Mitglied der Kassenärztlichen Vereinigung. Der Privatarzt hat gegenüber der kassenärztlichen Vereinigung hinsichtlich der ab- zurechnenden Notfalldienstlei- stungen einen eigenen Honorar- anspruch, den er nach den für Kassen- und Vertragsärzte gelten- den Honorarregelungen geltend macht (vgl. Narr, Ärztliches Be- rufsrecht, 2. Aufl., RdNr. 1157, 1159). Er wird daher lediglich ver- pflichtet, bestimmte Honoraran- sprüche in bestimmter Weise ei- ner Körperschaft des öffentlichen Rechts gegenüber geltend zu ma- chen."
Dr. jur. Jürgen W. Bösche Haedenkampstraße 3 5000 Köln 41 (Lindenthal)
Wenn ein Tierarzt als Heilpraktiker auch noch
Psychotherapie betreibt ...
Ein als Heilpraktiker nie- dergelassener promovierter Tierarzt kann im Rahmen der kassenärztlichen Ver- sorgung für die Ausübung der Psychotherapie weder selbständig ermächtigt noch im Delegationsverfahren tä- tig werden.
Ein seit 1975 als Heilpraktiker nie- dergelassener Tierarzt, welcher nach einer Bescheinigung der
„Deutschen Heilpraktikerschaft e. V." den „Befähigungsnachweis auf dem Fachgebiet der Psycho- therapie" und nach der Berufs- ordnung der Heilpraktiker die Zu- satzbezeichnung „Psychothera- pie" führen darf, erstrebte zuerst die Ermächtigung zur selbständi- gen Ausübung der Psychothera- pie im Rahmen der kassenärzt-
lichen Versorgung, welche ihm in allen Instanzen — zuletzt durch Entscheidung des BSG vom 1. 3. 1979 — 6 RKa 13/77 (BSGE 48, 47) — endgültig verweigert wurde.
Nunmehr begehrte er in einem Verfahren, an der kassenärzt- lichen Versorgung im Delega- tionsverfahren nach der Psy- chotherapie-Vereinbarung i. d. F.
vom 8. 8. 1972 beteiligt zu wer- den. Nach Ablehnung seines An- trages und erfolgloser Klage beim Sozialgericht hat das BSG durch Urteil vom 30. 9. 1983 — 6 RKa 14/82 — die von ihm eingelegte Sprungrevision im wesentlichen aus folgenden Gründen zurückge- wiesen:
Für die vom Kläger nun begehr- te Ermächtigung kommen als Rechtsgrundlagen nur die zwi- schen den Parteien des Bundes- mantelvertrages (BMV-Ärzte) als Anlage zu diesem Vertrag ge- schlossenen Vereinbarungen über die Ausübung von tiefenpsy- chologisch fundierter und analyti- scher Psychotherapie in der kas- senärztlichen Versorgung in Be- tracht. Sowohl die Psychoth.-Ver- einbarung 1972 — gültig vom 1.
April 1972 bis 30. Juni 1976 — als auch die Psychoth.-Vereinb. 1976
— gültig ab 1. Juli 1976 — enthalten Bestimmungen darüber, unter welchen Voraussetzungen, auf welche Weise und in welchem Umfange nichtärztliche Psycho- therapeuten zur Teilnahme an der kassenärztlichen Versorgung be- rechtigt sind. Diese vertraglichen Bestimmungen, die sich auf § 368 Abs. 1, § 368g Abs. 1 bis 3 und
§ 368n Abs. 1 RVO stützen kön- nen, ermöglichen und begrenzen die Mitwirkung nichtärztlicher Psychotherapeuten an der kas- senärztlichen Versorgung.
Weitergehende Mitwirkungsbe- fugnisse lassen sich, wie der Se- nat am 1. März 1979 entschieden hat, aus dem geltenden Recht nicht herleiten. Den dagegen zum Teil erhobenen verfassungsrecht- lichen Bedenken wird keine durchgreifende Bedeutung beige- messen (vgl. BSGE 53, 144, 147 =
536 (100) Heft 8 vom 24. Februar 1984 81. Jahrgang Ausgabe A
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Tierarzt als Heilpraktiker
SozR 2200 § 182 RVO Nr. 80; BSG vom 2. Februar 1983 — 3 RK 37/
81 —).
Die Entscheidung der Beklagten ist nicht schon deshalb zu bestäti- gen, weil die Beteiligungsform der Ermächtigung, die nur für Ärz- te ausdrücklich geregelt ist (§ 368c Abs. 2 Nr. 12 RVO iVm § 31 der Zulassungsordnung für Kas- senärzte und §§ 14 ff BMV-Ärzte), nicht auch für nichtärztliche Psy- chotherapeuten vorgesehen ist.
Der Antrag des Klägers ist nämlich in einem weiteren Sinne dahinge- hend zu verstehen, daß mit ihm die nach den maßgeblichen ver- traglichen Bestimmungen in Fra- ge kommende Berechtigung zur Teilnahme an der kassenärzt- lichen Versorgung im Delega- tionsverfahren geltend gemacht wird. Ein nichtärztlicher Psycho- therapeut, der die geforderten Voraussetzungen erfüllt, kann von einem dazu berechtigten Arzt zu einer psychotherapeutischen Be- handlung hinzugezogen werden (§ 2 Abs. 1 Psychoth.-Vereinb.
1976 und § 3 Abs. 1 Psychoth.-Ver- einb. 1972). Die Berechtigung des hinzugezogenen nichtärztlichen Psychotherapeuten, im Delega- tionsverfahren an der Behandlung teilzunehmen, hat der heranzie- hende Arzt der KÄV gegenüber nachzuweisen, und die KÄV erfaßt die berechtigten nichtärztlichen Psychotherapeuten in einer Liste (§ 2 Abs. 3 Psychoth.-Vereinb.
1976). Letztlich hat also die KÄV über die Berechtigung zu ent- scheiden.
Die Beklagte hat den Antrag des Klägers jedoch zu Recht mit der Begründung abgelehnt, daß die Voraussetzungen für die Teilnah- me an der kassenärztlichen Ver- sorgung im Delegationsverfahren nicht erfüllt sind. Nach der Psy- choth.-Vereinb. 1976 darf grund- sätzlich nur ein solcher nichtärzt- licher Psychotherapeut zur Be- handlung hinzugezogen werden, der die akademische Ausbildung als Diplom-Psychologe und dane- ben eine Ausbildung an einem anerkannten psychotherapeuti-
schen Institut abgeschlossen hat (§ 2 Abs. 2). Die Psychoth.-Ver- einb. 1972 enthielt eine nahezu gleichlautende Bestimmung; le- diglich hinsichtlich der geforder- ten akademischen Ausbildung be- schränkte sie sich darauf, daß es sich bei dieser nur in der Regel um die eines Diplom-Psychologen handeln mußte (§ 3 Abs. 2). Der Kläger behauptet nicht, daß er diese Voraussetzungen erfüllt.
Vielmehr beruft er sich auf die Ausnahmeregelung des § 3a der Psychoth.-Vereinb. 1972 idF vom 8. August 1972 (aaO). Auf Rege- lungen der Psychoth.-Vereinb.
1972 könnte er seinen Antrag aber nur stützen, wenn er aufgrund dieser im Zeitpunkt des Inkrafttre- tens der Psychoth.-Vereinb. 1976 zur Durchführung tiefenpsycholo- gisch fundierter und analytischer Psychotherapie berechtigt gewe- sen wäre (§ 18 Abs. 2 Satz 2 Psy- choth.-Vereinb. 1976). Nach § 3 a Psychoth.-Vereinb. 1972 durfte je- doch ein nichtärztlicher Psycho- therapeut, der die sonst erforder- liche abgeschlossene Ausbildung an einem anerkannten Institut nicht nachweisen konnte, nur dann zur Behandlung hinzugezo- gen werden, wenn er am 1. April 1972 — Zeitpunkt des Inkrafttre- tens der Psychoth.-Vereinb. 1972
— das 45. Lebensjahr vollendet hatte und durch eine analytische Selbsterfahrung sowie eine min- destens 5jährige, teilweise unter Kontrolle ausgeübte praktische Tätigkeit in tiefenpsychologisch fundierter und analytischer Psy- chotherapie vor diesem Zeitpunkt nachweisen konnte, daß er über hinreichende Kenntnisse und Er- fahrungen auf diesem Gebiet ver- fügte. Daß der Kläger im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Psychoth.- Vereinb. 1976 aufgrund des § 3 a Psychoth.-Vereinb. 1972 zur Teil- nahme an der kassenärztlichen Versorgung berechtigt gewesen wäre, wird jedoch von ihm selbst nicht behauptet.
Der Kläger macht aber geltend, diese Voraussetzungen der Psy- choth.-Vereinb. 1972 mindestens seit Ende 1981 zu erfüllen. Er be-
anstandet, die im Jahre 1976 vor- genommene Verschärfung ste- he mit verfassungsrechtlichen Grundsätzen nicht in Einklang. Er übersieht dabei, daß es sich bei der hier in Frage stehenden Be- stimmung des § 3 a Psychoth.- Vereinb. 1972 um eine Ausnahme- (Übergangs-)regelung für solche nichtärztlichen Psychotherapeu- ten gehandelt hat, denen auf- grund ihres Alters und ihrer be- reits langjährigen beruflichen Tä- tigkeit nicht mehr zumutbar war, die sonst für erforderlich gehalte- ne Ausbildung nachzuholen. Es begegnet keinen verfassungs- rechtlichen Bedenken, wenn die Teilnahme an der kassenärzt-
lichen Versorgung von einer für diese berufliche Tätigkeit erfor- derlichen Ausbildung abhängig gemacht wird und eine Ausnah- me- bzw. Übergangsregelung sich auf solche Fälle beschränkt, für die in Anbetracht des Lebensal- ters und der bisherigen beruf- lichen Tätigkeit der Betroffenen eine Sonderregelung geboten und vertretbar erscheint.
Da der Kläger keine abgeschlos- sene Ausbildung an einem aner- kannten psychotherapeutischen Institut nachweisen kann, findet auf ihn auch nicht die Übergangs- bestimmung des § 18 Abs. 3 Psy- choth.-Vereinb. 1976 Anwendung.
Nach dieser Bestimmung können nichtärztliche Psychotherapeu- ten, die nicht Diplom-Psycholo- gen sind, aber eine abgeschlosse- ne akademische Ausbildung an ei- ner deutschen Universität oder anderen vergleichbaren wissen- schaftlichen Hochschulen absol- viert haben, zur Ausübung tiefen- psychologisch fundierter und ana- lytischer Psychotherapie hinzuge- zogen werden, sofern sie eine ab- geschlossene Ausbildung an ei- nem anerkannten psychothera- peutischen Institut nachweisen können und diese Ausbildung vor dem 1. April 1976 begonnen ha- ben.
Dr. jur. Jürgen W. Bösche Haedenkampstraße 3 5000 Köln 41
538 (102) Heft 8 vom 24. Februar 1984 81. Jahrgang Ausgabe A