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Archiv "Telemonitoring und Smart Home Care: Hohe Akzeptanz bei den über 50-Jährigen" (12.12.2003)

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elemonitoring und Smart Home Care bieten viele Vorteile. Sie kön- nen zu einer qualitativ besseren Versorgung und Betreuung, zur Er- höhung der Selbstständigkeit und Un- abhängigkeit des Patienten sowie zu mehr Effizienz im Gesundheitswesen beitragen. Wesentlich für die Verbrei- tung der neuen Technologien werden neben dem technisch Machbaren die Akzeptanz der Anwender und Patien- ten sein.

Das BIS – Berliner Institut für Sozi- alforschung beschäftigt sich seit vielen Jahren mit innovativen Technologien und deren Akzeptanz durch potenzielle Nutzer. Im Zentrum der Forschungs- tätigkeit stehen ältere Menschen, die als Zielgruppe besonders relevant sind:

Der Anteil Älterer an der Bevölkerung der Industriestaaten wächst, die Le- benserwartung steigt, im Alter nehmen Behandlungshäufigkeit und -dauer zu.

Nicht zuletzt im Hinblick auf die Ko- stenentwicklung stellen sich hier neue Anforderungen an das Gesundheits- und Versorgungssystem. Bislang liegen kaum Daten zur Akzeptanz von Smart Home Care aus Nutzersicht vor.

Erste Ergebnisse liefert die Untersu- chung „Smart Home – Smart Aging, Akzeptanz und Anforderungen der Ge- neration 50+“ des BIS (1). Die Untersu- chung umfasst ein Sample von 307 Per- sonen ab 50 Jahren, die detailliert zu ihren Einstellungen zum Einsatz inno- vativer Technik im Wohnbereich und im Gesundheitsbereich sowie zu ihren Nutzungsabsichten für Anwendungen aus den Bereichen Telemonitoring und Smart Home Care befragt wurden. Den Probanden wurden die Anwendungen

im Rahmen von Studiogesprächen vor- gestellt und erläutert. Im Anschluss dar- an erfolgte eine standardisierte Frage- bogenerhebung.

Für chronisch Kranke besonders interessant

Gesundheit hat eine hohe Priorität, vor allem im fortgeschrittenen Lebensal- ter. Für 82 Prozent der über 55-Jähri- gen handelt es sich um den Lebensbe- reich, dem die meiste Bedeutung beige- messen wird (2). Darauf ist auch zurückzuführen, dass Telemonitoring und Smart Home Care weitgehend ak-

zeptiert sind (Grafik 1). Antizipierte Vorteile überwiegen gegenüber den geäußerten Vorbehalten. Besonders at- traktiv erscheinen Anwendungen im häuslichen Bereich für chronisch Kran- ke. Gründe für die positive Bewertung sind erhöhte Sicherheit, Zeitersparnis sowie mehr Selbstständigkeit und Mo- bilität für Patienten. Verglichen mit an- deren angenommenen Vorteilen, wer- den in der Verringerung der Kosten im Gesundheitswesen durch den Einsatz neuer technischer Anwendungen die geringsten Möglichkeiten gesehen. Un- ter den Vorbehalten rangiert die Be- fürchtung einer Störanfälligkeit der Technik an erster Stelle. Relativ starke Bedenken bestehen auch hinsichtlich der Bedienung, die insbesondere für technisch unerfahrene oder hochbetag- te Patienten als zu kompliziert er- scheint. Nur knapp einem Fünftel der Befragten macht die Technik Angst.

Lediglich rund elf Prozent halten sie für unnötig.

Männer bewerten die vorgestellten technischen Anwendungen etwas posi- tiver als Frauen. Sie betonen sämtliche Vorteile stärker, wohingegen Frauen kritischer sind.Auch altersabhängig zei- gen sich Unterschiede. 50- bis 65-Jähri- ge sehen in Smart Home Care größere Vorteile als ältere Befragte.

T H E M E N D E R Z E I T

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A3294 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 5012. Dezember 2003

Telemonitoring und Smart Home Care

Hohe Akzeptanz bei den über 50-Jährigen

Eine Studie hat untersucht, wie ältere Patienten aus Nutzersicht den Einsatz neuer

Technologien im Gesundheitswesen bewerten.

Uta Böhm, Anne Röhrig, Bert Schadow

Grafik 1

Vorteile von und Vorbehalte gegen Telemonitoring und Smart Home Care

interessant für chronisch Kranke erhöht die Sicherheit erspart Patienten Zeit erhöht Selbstständigkeit im Alter unterstützt Mobilität anfällig für Störungen Patienten unabhängiger ist kompliziert reduziert Kosten macht Angst ist unnötig

96,2 83,0 73,3 70,8 70,4 67,8 66,5 48,1

40,9 19,5

11,7

0% 20% 40% 60% 80% 100%

Zustimmung zusammengefasst aus den Kategorien „stimmt eher“, „stimmt“, „stimmt voll und ganz“.

Quelle: Smart Home-Survey, BIS 2003, N = 307, 50+

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Den Studienteilnehmern wurden acht technische Anwendungen aus dem Gesundheitsbereich vorgestellt (Text- kasten). Die Daten zeigen eine hohe Akzeptanz von Features, die geeignet sind, die persönliche Sicherheit durch Überwachung gesundheitsbezogener Daten zu gewährleisten (Grafik 2). 70 Prozent der Befragten würden zum Schutz vor unentdecktem Liegenblei- ben einen sturzmeldenden Bodenbelag nutzen. Bisherige Sturzmeldesysteme sind jedoch noch recht fehleranfällig.

Eine Untersuchung zur Notfallerken- nung anhand der am Tagesablauf orien- tierten Aktivitäten mit 19 Probanden (3) kommt zu dem Schluss, dass mög- lichst viele Parameter in die Notfallent- scheidung einfließen müssen. Dies kön- nen einerseits Vitalparameter wie Puls, EKG, Atmung und Sauerstoffsättigung des Blutes sein, die möglichst nichtinva- siv gemessen werden. Andererseits sind auch Parameter denkbar, die sich am Tagesablauf orientieren (zum Beispiel

„Wurde heute schon Wasser ver- braucht?“ oder „Befindet sich die Per- son liegend im Flur oder im Bad?“). Bei dem untersuchten Sample gab es keine Akzeptanzprobleme bei der Benutzung eines mobilen Vitalparametermessge- rätes (Vitaguard, Firma getemed AG).

Ähnliches zeigt sich auch in folgen- dem Ergebnis des BIS-Surveys: 70 Pro- zent der Probanden haben Interesse an Patientenüberwachung für chronisch Kranke in Form eines mobilen Klein- gerätes, über das Patientendaten ermit-

telt und zur Kontrolle an medizinisches Fachpersonal gesendet werden können.

Jeweils mehr als 50 Prozent können sich vorstellen, intelligente Kleidung zu tragen, die in Notfällen professionelle Hilfe alarmiert, oder gesundheitsbezo- gene Daten von zu Hause an den behan- delnden Arzt zu übertragen. 60 Prozent haben Interesse an einem Gesundheits- portal im Internet. Attraktiv ist ein sol- ches Angebot unter anderem zur Vorbe- reitung eines Arztbesuches und zur Klärung offener Fragen nach einer Kon- sultation. Teilweise werden entspre- chende Angebote bereits genutzt. Für rund 40 Prozent käme ein Videokonfe- renzsystem infrage, um Kontakt mit ei- nem Arzt oder Therapeuten aufzuneh- men. Die Ergebnisse machen deutlich, dass den persönlichen Kontakten zu Ärzten, Therapeuten oder Pflegenden eine hohe Bedeutung beigemessen wird. Mehrheitlich ziehen die Befragten einen persönlichen Kontakt vor. Falls je- doch gravierendere Einschränkungen vorliegen, die zum Beispiel zu einer star- ken Mobilitätseinbuße führen, kommen auch technische Lösungen in Betracht.

Die Befragten wägen also gezielt ab zwi- schen der Aufgabe der selbstständigen Lebensführung und einer ablehnenden Haltung gegenüber bestimmten Tech- nologien und Einsatzfeldern. An der Nutzung von Servicerobotern, die Bild- kommunikation mit Verwandten und medizinischem Personal ermöglichen, an wichtige Dinge erinnern und in Not- fällen Hilfe alarmieren, besteht geringe-

res Interesse. Sie erscheinen im eigenen Wohnumfeld zu inflexibel. Die Befrag- ten nehmen an, dass die Roboter viel Platz benötigen, im Weg stehen und – so- fern sie mobil sind – Schwierigkeiten bei der Bewältigung von Hindernissen ha- ben und die Einrichtung beschädigen könnten.

Männer und Frauen bewerten die Anwendungen relativ ähnlich. Deutli- chere Unterschiede bestehen alters- gruppenspezifisch. Bis auf die Nutzung eines sturzmeldenden Bodenbelages, der für über 65-Jährige aufgrund eines selbst wahrgenommenen erhöhten Sturzrisikos interessanter ist, äußern jüngere Befragte (50 bis 65 Jahre) gene- rell mehr Interesse, die vorgestellten Anwendungen selbst zu nutzen.

Aus Sicht älterer Techniknutzer bie- ten Telemonitoring und Smart Home Care Vorteile und einen praktischen Nutzen für das eigene Leben. Entspre- chend positiv ist die grundsätzliche Hal- T H E M E N D E R Z E I T

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A3296 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 5012. Dezember 2003

Präsentierte Einzelanwendungen

>Gesundheitsportal: Informationen für Patienten zu Medizin und Gesundheit im Internet.

>Intelligente Kleidung: Sicherheit durch Klei- dungsstücke, die in gesundheitlichen Notfällen professionelle Hilfe alarmieren, wobei der Auf- enthaltsort des in Not Geratenen übermittelt wird.

>Übertragung medizinischer Daten: von zu Hau- se aus werden Daten wie Temperatur, Blut-, Urinwerte, Blutdruck an einen Arzt oder ein Ser- vicezentrum übertragen.

>Mobile Patientenüberwachung: mobile Kon- trollmöglichkeit gesundheitsrelevanter Daten (Blutzucker, EKG) durch den Patienten und Übermittlung an medizinisches Fachpersonal (zum Beispiel durch Herzhandy, mobile Diabe- teskontrolle).

>Serviceroboter: Ein beweglicher Roboter er- möglicht die Bildkommunikation mit Angehöri- gen und medizinischem Fachpersonal, erinnert an wichtige Dinge und Termine (Arztbesuche, Medikamenteneinnahme) und alarmiert in Not- fällen professionelle Hilfe.

>Sturzmeldender Boden: Vermeidung unent- deckten Liegenbleibens nach einem Sturz durch Auslösen eines Notrufs in einer rund um die Uhr besetzten Zentrale (zum Beispiel über den Bo- denbelag des Badezimmers).

>Teletherapie:Therapie zu Hause mit Bildkontakt zu einem Therapeuten, der den Patienten anlei- tet und das korrekte Ausführen der Übungen begleitet und kontrolliert.

>Videokonferenz mit dem Arzt: per Bildkommu- nikation von zu Hause den Arzt konsultieren.

Grafik 2

Nutzungsabsichten für verschiedene Anwendungen

sturzmeldender Boden mobile Patientenüberwachung Gesundheitsportal intelligente Kleidung medizinische Daten übertragen Videokonferenz mit dem Arzt Teletherapie Serviceroboter

70,4 70,2 60,5 53,0 51,8 42,0 40,3 26,7

0% 20% 40% 60% 80%

Zusammenfassung der Kategorien „eher nutzen“, „wahrscheinlich nutzen“, „auf jeden Fall nutzen“.

Quelle: Smart Home-Survey, BIS 2003, N = 307, 50+

Textkasten

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tung gegenüber technischen Anwen- dungen zum Einsatz im häuslichen Be- reich. Auch wenn unterschiedlichste Vorbehalte formuliert werden – Tele- monitoring und Smart Home Care sind aus Nutzersicht sehr interessant, insbe- sondere wenn die Anwendungen die Sicherheit des Patienten erhöhen und ihm gleichzeitig mehr Unabhängigkeit und Mobilität ermöglichen. Allerdings werden auch Vorbehalte deutlich, vor allem im Hinblick auf die Störanfällig- keit der Technik und bei der Bedienung, die aufgrund bisheriger Erfahrungen als kompliziert eingeschätzt wird.

Hilfe in Notfällen

Nutzungsinteresse besteht bei den Pati- enten vor allem für Anwendungen zur Übermittlung von Daten und zur Über- wachung beziehungsweise schnellen Alarmierung von Hilfe in Notfällen.

Auch Lösungen, die dem Patienten ge- sundheitsbezogene Informationen kom- fortabel zugänglich machen, sind attrak- tiv. Deutlich geringer ist dagegen das In- teresse an Anwendungen, durch die di- rekte soziale Kontakte zwischen Arzt oder Therapeut und Patienten verringert werden. Die Ergebnisse beziehen sich auf ein Sample über 50-jähriger Proban- den. Aufgrund bisheriger Erfahrungen kann für jüngere Personen von einer mindestens ebenso starken, eher jedoch noch höheren Akzeptanz von Smart Home Care ausgegangen werden.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2003; 100: A 3294–3298 [Heft 50]

Literatur

1. Meyer S, Böhm U, Röhrig A: Smart Home – Smart Aging. Akzeptanz und Anforderungen der Generation 50+. Vierter Smart Home Survey des BIS. Berlin 2003 2. Kaspar R, Becker S, Mollenkopf H: Technik im Alltag

von Senioren, Arbeitsbericht zu vertiefenden Auswer- tungen der sentha-Repräsentativerhebung. Berliner Institut für Sozialforschung/Deutsches Zentrum für Al- ternsforschung an der Universität Heidelberg. Ber- lin/Heidelberg 2002

3. Ross D: Untersuchung und Auswertung von Vitalpara- metern zur Notfallerkennung anhand der am Tagesab- lauf orientierten Aktivitäten. Diplomarbeit am Institut für Medizintechnik der TU-Berlin. Berlin 2003 Anschrift für die Verfasser:

Dipl.-Soz. Uta Böhm Berliner Institut für Sozialforschung Ansbacher Straße 5, 10787 Berlin www.bis-berlin.de

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A3298 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 5012. Dezember 2003

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us dem fast unüberschaubaren Arzneimittelangebot – mit 2 500 Arzneimittel-Neuzulassungen im Jahr 2001 durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, Bonn – interessieren antimikrobielle Substanzen, da sie die größte Einzel- gruppe mit 25 Prozent der Arzneimittel- kosten am Ulmer Klinikum darstellen.

In einem Zeitraum von fünf Jahren (1997 bis 2001) hat das Universitätskli- nikum Ulm mit 1 000 Betten, konstan- ter Auslastung (85 Prozent), bei circa 246 000 Pflegetagen den Antibiotika- Verbrauch hinsichtlich Menge und Ko- sten recht konstant gehalten (Tabelle 1).

Eine sehr gut funktionierende Arz- neimittelkommission, in der alle Abtei- lungen vertreten sind, schafft diese Ko- stenkonstanz. Das ist auf Bundesebene nicht die Regel, wie die Daten aus der Bundesgesundheits-Berichterstattung (Stand: August 2002) im Überblick zei- gen. Die zulasten der Gesetzlichen

Krankenversicherung (GKV) verordne- te Arzneimittel-Subgruppe Antibiotika/

Antiinfektiosa erfuhr in einem Sechs- jahreszeitraum (gegenüber den Ulmer Daten um circa zwei Jahre versetzt) eine deutliche Steigerung (Tabelle 2).

Ständige Richtlinien-Institution

Der Einsatz von Antibiotika in richtiger Dosierung, Applikation und Dauer bei richtiger Indikation wird am Ulmer Universitätsklinikum von einer Un- tergruppe der Arzneimittel-Kommissi- on überprüft. Sie aktualisiert jährlich die Leitlinie „Antimikrobielle Therapie und Prophylaxe“ (7. Auflage 2002).

Eine wirksame und kostenbewusste an- tibiotische beziehungsweise antimikro- bielle Konzeption wurde als Taschen- buch vom Vorstand des Klinikums zur Dienstanweisung erklärt. Dieses hat da- mit hohe Verbindlichkeit.

Arzneimittel

Ausgaben im Griff

Beispiel Universität Ulm:

Verbrauch an antimikrobiellen Substanzen

J. Matthias Wenderlein

´ Tabelle 1CC´

Antibiotika-Verbrauch 1997 bis 2002 am Universitätsklinikum Ulm

1997 1998 1999 2000 2001 2002

Menge in T 403 402 406 398 373 401

Wert Euro in T 2 149 2 099 2 241 2 119 1 870 2 215

In einem Zeitraum von fünf Jahren (1997 bis 2001/für 2002 hochgerechnet) hat das Ulmer Klinikum mit 1 100 Betten und konstanter Auslastung (85 Prozent) den Antibiotikaverbrauch hinsichtlich Menge und Kosten konstant gehalten (246 000 Pflegetage jährlich).

´ Tabelle 2CC´

Antibiotika-Verbrauchsdaten aus der Gesundheitsberichterstattung des Bundes (August 2002)

1995 2000 Steigerung

Kosten je verordneter Packung 20 Euro 25 Euro +25 %

Umsatz in Millionen Euro 897 1 167 +30 %

verordnete Tagesmengen DDD 5,1 5,6 +10 %

Zulasten der Gesetzlichen Krankenversicherungen verordnete Arzneimittel der Subgruppe Antibiotika, Antiinfektiva erfuhren im Sechsjahreszeitraum eine deutliche Steigerung. Wie ist diese bundesweite Umsatzsteigerung um 30 Prozent beziehungsweise 25 Prozent Mehrkosten je Packung zu erklären? Weshalb werden zehn Prozent mehr Antibiotika verordnet?

(4)

Abweichungen aus medizinischer In- dikation sind möglich, aber unverzüg- lich den Ärzten, die für die Infektiolo- gie zuständig sind, zu melden.

Dynamik bekommt dieses Konzept durch ein E-Mail-Forum: Sämtliche AMK-Mitglieder stellen aktuelle Thera- pie-Richtlinien zur Diskussion. Solche Aktivitäten sind auch von anderen Insti- tutionen bekannt, zum Beispiel das

„Weißbuch“ der Paul-Ehrlich-Gesell- schaft. Das Besondere am Ulmer Modell ist der nachweisliche Kostenkonstanz- Effekt bei Antibiotika in den letzten fünf Jahren, also zwischen 1997 und 2001.

Controlling-Aufgaben

Zur praktizierten Pharma-Ökonomie in der Arzneimittel-Kommission – re- gelmäßige Treffen je Quartal – werden alle Entscheidungsträger der einzelnen Abteilungen angehört. Beachtlich ist, dass es keine unlösbaren Konflikte zwi- schen Klinik und Ökonomie gibt. Alle sind sich einig, dass es keine Trennung zwischen Rationalisierung und Verant- wortung für die Patienten geben darf.

So wird vor jeder Neueinführung kri- tisch überprüft, ob das bisherige Medi- kament gestrichen werden kann – was in der Regel gelingt.

Dies basiert auf der Erkenntnis, dass der GKV circa 120 Milliarden Euro (2000) zur Verfügung standen und circa ein Viertel davon in der Krankenhaus- pflege verbraucht wurde. Eine Klinik- AMK stellt sicher nur einen Mosaikstein im Sparkonzept eines Klinikums dar.

Die Aufwendungen für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel betragen in deutschen Krankenhäusern circa vier Prozent der Kosten bei 68 Prozent Personalkosten.

Die AMK-Arbeit hat über ärztliche Entlassungsbriefe nach Hospitalisie- rung auch Außenwirkung auf Haus- ärzte und Apotheken. Das Arznei- mittel-Ausgabenbegrenzungsgesetz vom 15. Februar 2002 fordert eine ökonomi- sche Arzneimitteltherapie nach einer Hospitalisierung.

Die 21 500 Apotheken in Deutsch- land müssten in Aut-idem-Zeiten froh sein, wenn Kliniken kostengünstige Medikationen wählen, soweit die Preis- gestaltung der Pharmaindustrie bei Kli- nik- und Apothekenbelieferung über-

einstimmt. Wenn dies so wäre, könnten AMK-Aktivitäten einen Außenservice darstellen, der bisher kaum bedacht wurde. Würden bundesweit alle Klini- ken und Krankenhäuser so verfahren, so wären Spareffekte in einer beein- druckenden Dimension zu erwarten.

Unbekannt ist allerdings, wie viele der 1,8 Milliarden Arzneimittel-Packun- gen, die jährlich vertrieben werden (50 Prozent davon über Apotheken), von AMK-Einflüssen tangiert würden. Die AMK ist sicher kein betriebswirtschaft- lich orientierter „Sparverein“, sondern hat pharmako-ökonomische Zielset- zungen. Dazu zählen Fragen wie Anti- biotikagaben parenteral versus oral und deren rechtzeitige Umstellung auch un- ter Personalkosten-Aspekten.

Die Arbeit der Ulmer Arzneimittel- Kommission ist bei Antibiotika-Ent- scheidungen für chirurgische Fächer von größter Bedeutung, um Liegezei- ten zu verkürzen und Komplikationen zu vermeiden (Imagepflege in Bench- markingzeiten).

Die AMK beschäftigt sich selten mit volkswirtschaftlichen Aspekten wie bei- spielsweise indirekte Kosten durch zu lange Hospitalisierung und Komplikatio- nen. Die AMK berücksichtigt gelegent- lich die Belastung des Klinikpersonals, zum Beispiel bei der Frage: Heparin aus Durchstechflaschen oder Fertigspritzen?

Für Vollkosten-Analysen hat die Kommission weder Zeit noch Kompe- tenz-Kapazität. Bei Antibiotika-Thera- pien wäre der Zeitaufwand für Zuberei- tung und Applikation bis hin zur Abfall- entsorgung interessant. Weil andere Kliniken solchen Aufwand auch nicht betreiben, wird dies in der Ulmer AMK nur sporadisch diskutiert.

Zu den AMK-Aufgaben gehört es, die zügige mikrobielle Diagnostik für ratio- nale Antibiotikatherapie zu sichern.

Zur Qualität chirurgischer Fächer zäh- len wenige nosokomiale Infektionen.

Die AMK-Mitglieder haben vor Ort dar- über zu wachen und rechtzeitig ein in- fektiologisches beziehungsweise mikro- bielles Konsil anzufordern.

Bei AMK-Sitzungen ist es spannend zu hören, wie unbequeme Beschlüsse in den Nachbar-Abteilungen praktisch umgesetzt werden. Viele AMK-Mitglie- der praktizieren gutes Führen durch Delegieren.

Die klinische Relevanz optimaler An- tibiose zeigt sich bundesweit an 3,5 Pro- zent aller stationären Patienten, die In- fektionen im Krankenhaus erwerben. Es wird von circa 15 Prozent nosokomialen Wundinfektionen ausgegangen. Das be- stätigt zugleich die klinisch-ökonomi- sche Verantwortung einer AMK für das eigene Krankenhaus oder Klinikum.

Arzneimittelkosten müssen nicht zwangsläufig steigen. Die Arbeit einer Arzneimittel-Kommission lohnt für je- des große Krankenhaus. Kleine Kran- kenhäuser können von den Ergebnis- sen profitieren. Längerfristig könnte aus einer landesweiten Zusammen- führung der AMK-Ergebnisse eine kli- nisch validierte Positivliste für Kran- kenhäuser resultieren.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2003; 100: A 3298–3299 [Heft 50]

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. med. J. Matthias Wenderlein Universitätsfrauenklinik Ulm

Prittwitzstraße 41, 89075 Ulm T H E M E N D E R Z E I T

Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 5012. Dezember 2003 AA3299

Beispiel für erfolgreiche Arzneimittelkommission

Vor 50 Jahren wurde die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ), ein Fachaus- schuss der Bundesärztekammer, gegründet.

Dieses Jubiläum einer ausgezeichneten Idee soll Anlass sein, den Nutzen für ein Universitäts- Klinikum am Beispiel Antibiotika-Verbrauch dar- zustellen, der 25 Prozent der Arzneimittelkosten ausmacht.

Die universitätseigene Arzneimittel-Kommis- sion (AMK), die aus einem Vertreter jeder klini- schen Disziplin besteht, konnte von 1997 bis 2001 den Antibiotika-Verbrauch und deren Kosten kon- stant halten.

Dazu im Vergleich die Antibiotika-Verbrauchs- daten aus der Gesundheitsberichterstattung des Bundes (Stand: Februar 2002):

Von 1995 bis 2000 stiegen die Kosten je ver- ordneter Packung um 25 Prozent. Der Umsatz er- fuhr eine Steigerung um 30 Prozent. Die verordne- ten Tagesmengen (DDD) stiegen um zehn Prozent.

Die Ulmer Daten sprechen dafür, dass dies nicht als zwangsläufige Entwicklung für die näch- sten Jahre hinzunehmen ist.

Damit die Kosten für Arzneimittel nicht höher werden als die der ärztlichen Leistungen, ist effek- tive AMK-Arbeit nötig – auch vor Ort.

Berücksichtigt werden sollte, dass nach den AkdÄ-Kriterien für Analog- und Innovations- Präparate nur ein Drittel der auf dem Markt ver- fügbaren Wirkstoffe das Prädikat „empfehlens-

wert“ erhielt. J. M. W.

Textkasten

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