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Kinetik des monozytären HLA-DR nach Polytrauma im Hinblick auf Sepsis und MODS

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Academic year: 2022

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(1)

Aus der Experimentellen Unfallchirurgie der Unfallchirurgischen Klinik

der Medizinischen Hochschule Hannover (Leiter: Univ.-Prof. Dr. M. van Griensven)

_______________________________________________________

Kinetik des monozytären HLA-DR nach Polytrauma

im Hinblick auf Sepsis und MODS

Dissertation

zur Erlangung des Doktorgrades der Medizin in der Medizinischen Hochschule Hannover

vorgelegt von Philip Dargatz aus Hannover

______________________________________________________

Hannover, 2006

(2)

Angenommen vom Senat der Medizinischen Hochschule Hannover am 02.05.2007

Gedruckt mit Genehmigung der Medizinischen Hochschule Hannover Präsident: Prof. Dr. Dieter Bitter-Suermann

Betreuer: Prof. Dr. Martijn van Griensven Referent: PD Dr. Ulrich Baumann

Korreferent: Prof. Dr. Marius Höper Tag der mündlichen Prüfung: 02.05.2007

Promotionsausschussmitglieder: Prof. Dr. Tobias Welte Prof. Dr. Carlos Guzmán PD Dr. Frank Gossé

(3)

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung 1

1.1 Historischer Hintergrund 3

2. Kenntnisstand 5

2.1 Sepsis 5

2.2 SIRS 8

2.3 MODS 10

2.3.1 Beschreibung MOV / MODS 10

2.3.2 GORIS-Score 11

2.3.3 Pathophysiologie und Ätiologie des MODS 13

2.4 Die Rolle von Sepsis und SIRS in MODS 16

2.5 Immunsystem 17

2.6 Monozyten und Makrophagen 20

2.6.1 Monozyten und Makrophagen im Polytrauma 22

2.7 Humane Leukozytenantigene (HLA) 23

2.7.1 HLA-DR 26

2.7.2 HLA-DR auf Monozyten bei Trauma und Sepsis 27

3. Fragestellung 29

4. Material und Methodik 31

4.1 Patientenkollektiv 31

4.1.1 Hannover Polytraumascore (PTS) 32

4.2 Versuchsprotokoll 35

4.2.1 Gruppe der polytraumatisierten Patienten 35 4.2.2 Gruppe der elektiv operierten Patienten 35

(4)

4.2.3 Gruppe der gesunden Probanden 36

4.2.4 Markierung des monozytären HLA-DR 36

4.2.5 Durchflusszytometrie 37

4.2.6 Quantifizierung des monozytären HLA-DR 39 4.2.7 Ermittlung der Diagnosen MODS, SIRS und Sepsis 39

4.2.8 Statistik 40

5. Ergebnisse 41

5.1 Versuchsgruppe: Patienten mit Polytrauma 41 5.1.1 Messergebnisse aller Patienten mit Polytrauma 46 5.1.2 Messergebnisse in Hinsicht auf MODS 48 5.1.2.1 Vergleich der Messergebnisse von Polytraumapatienten 51

mit MODS und ohne MODS

5.1.3 Messergebnisse in Hinsicht auf SIRS 53 5.1.3.1 Vergleich der Messergebnisse von Polytraumapatienten 56

mit SIRS und ohne SIRS

5.1.4 Messergebnisse in Hinsicht auf Sepsis 57 5.1.4.1 Vergleich der Messergebnisse von Polytraumapatienten 60

mit Sepsis und ohne Sepsis

5.2 Kontrollgruppe: Patienten mit elektiver Operation 62

5.2.1 Messergebnisse 62

5.3 Gruppe der gesunden Probanden 64

5.3.1 Messergebnisse 64

5.4 Vergleich der Messergebnisse zwischen den Gruppen 65

5.4.1 Versuchsgruppe und Kontrollgruppe 65

5.4.2 Versuchsgruppe und gesunde Probanden 67 5.4.3 Kontrollgruppe und gesunde Probanden 69 5.4.4 Versuchsgruppe, Kontrollgruppe und gesunde Probanden 71

6. Diskussion 73

6.1 MODS 73

(5)

6.3 Sepsis 76

6.4 Abschließende Diskussion 80

7. Zusammenfassung 86

8. Literaturverzeichnis 88

9. Abkürzungen 103

(6)

1. Einleitung

Die häufigste Todesursache junger Menschen stellt in Industrienationen das Trauma dar 1,2. Hierbei steht das Versterben nach Verkehrsunfall an erster Stelle.

Bis zum Jahr 2020 wird weltweit mit einem Anstieg der Verletztenzahlen und Unfalltoten von 5,1 auf 8,4 Millionen gerechnet, bedingt durch die rasante technische Entwicklung in der Dritten Welt 3. Im Jahr 2001 kamen 55% aller durch Trauma getöteten Menschen unter 25 Jahren in Deutschland bei Transportmittelunfällen ums Leben, wovon 63% als Fahrzeuginsassen starben

4,5. Meistens handelt es sich dabei um Patienten, die ein Polytrauma, d.h. eine Mehrfachverletzung, erleiden. Der Begriff Polytrauma ist definiert als gleichzeitig entstandene Verletzung von mindestens zwei Körperregionen oder Organsystemen, wobei wenigstens eine Verletzung oder die Kombination mehrerer lebensbedrohlich ist 6.

Der Unfalltod ist nach dem Zeitpunkt des Eintritts in drei Gruppen klassifizierbar und wird in sofortigen, frühen und späten Tod nach schwerem Trauma unterteilt

7. Sofortige Todesfälle treten in den ersten zwei Stunden nach Trauma auf und sind durch das Ausmaß der Schwere der Verletzungen (z.B. Schädelhirntrauma III°, SHT) medizinisch kaum abwendbar. Der frühe Tod innerhalb mehrerer Stunden nach Unfallgeschehen hat große Blutungen von Organen oder die Kombination vieler kleiner innerer Blutungen als Ursache. Durch verbesserte präklinische, operative und intensivmedizinische Versorgung ist er heute jedoch gut beherrschbar. Hierbei wird der Zeitfaktor zwischen Verletzung und deren klinischer Versorgung als wesentlich betrachtet. Als späten Tod werden alle Todesfälle definiert, die Tage oder Wochen nach einem Traumageschehen auftreten. Dieser Zeitraum ist dadurch gekennzeichnet, dass die Verletzungen anfangs therapierbar sind, es jedoch im weiteren Verlauf zu Komplikationen kommen kann, die letztlich oft einen letalen Ausgang haben. Als häufigste Todesursachen werden in dieser Gruppe in 80% der Fälle entweder eine schwere Sepsis oder das Versagen eines oder mehrerer Organsysteme angegeben 1,7,8.

(7)

Abb. 1.1: Darstellung von 862 an schwerem Trauma verstorbenen Patienten über einen Zeitraum von zwei Jahren. Die Verläufe sind an das entsprechende Histogramm angeglichene weiche Linien. Je nach Zeitpunkt und Verletzungsmuster erfolgt die Klassifizierung in sofortigen, frühen und späten Tod (aus 7).

Die Letalität der an diesem Multiple Organ Dysfunction Syndrome (MODS) erkrankten Patienten konnte in den letzten Jahren trotz rascher Entwicklung und Anwendung modernster medizinischer Verfahren kaum gesenkt werden 9,10. Das seit 25 Jahren unverändert bestehende Niveau zeigt, dass bisherige Therapiemöglichkeiten schwer traumatisierter Patienten ausgeschöpft sind. Eine weitere Reduktion ist zukünftig nur durch eine Kausaltherapie des posttraumatischen Organversagens möglich. Das genauere Verständnis der Pathomechanismen des MODS erscheint deshalb heute als erfolgversprechendster Weg, die Sterblichkeitsrate schwer verletzter Patienten weiter zu senken. Somit stellt das schwere Trauma, insbesondere MODS als limitierender Faktor aller therapeutischen Bemühungen 11,12, weiterhin eine hohe Herausforderung an die Medizin dar.

0 50 100 150 200 250

0 1 2

Stunden

3 4 1 3

Wochen 5 Todeszeitpunkt

Absolute Anzahl Unfalltoter sofortiger Tod

früher Tod später Tod

(8)

1.1 Historischer Hintergrund

Bereits in den vergangenen Jahrhunderten stellte die Behandlung des schwer traumatisierten Patienten eine anspruchsvolle Aufgabe für die Medizin dar.

Während in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts das Patientenkollektiv des Polytraumas noch hauptsächlich aus verletzten Soldaten bestand, betreffen heute in den Industrieländern solche Verletzungen meistens Patienten als Opfer von Verkehrsunfällen. Bis in die fünfziger Jahre hinein war der größte limitierende Faktor einer erfolgreichen Behandlung schwerer Verletzungen der Schock durch Verbluten. Durch Einführung der Volumentherapie unter Anwendung von Infusionen und Bluttransfusionen konnte der frühe Tod häufig überwunden werden 13,14. Nach Beginn dieser lebensrettenden Maßnahmen begannen sich häufende Spätkomplikationen den Erfolg der Therapie zu begrenzen. Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges und während des Korea-Krieges trat bei Patienten vermehrt das akute Nierenversagen auf 11,15,16. Nach Verkürzung der Rettungstransportzeiten und konsequenter Anwendung der Volumentherapie sowie Entwicklung der Dialyse konnte zwar das Nierenversagen therapiert werden, jedoch trat in den sechziger Jahren während des Vietnam-Krieges das progressive Lungenversagen an erste Stelle der Todesursachen. ASHBAUGH et al. beschrieben 1967 eine Dekompensation der Lungenfunktion 17 und schufen 1971 den Begriff „Adult Respiratory Distress Syndrome“, abgekürzt ARDS 18. Die Inzidenz des Syndroms des Lungenversagens konnte im Laufe der Jahre durch verbesserte intensivmedizinische Behandlungsmethoden (z.B. kinetische Therapie und Positive Endexpiratory Pressure, PEEP) vermindert werden 19,20. Trotz dieses Fortschritts der Intensivmedizin konnte der letale Ausgang des Polytraumas in vielen Fällen nicht verhindert, sondern lediglich hinausgezögert werden. Es entstanden einzelne und multiple Organausfälle, die trotz aller medizinischen Interventionen nicht beherrschbar waren. SKILLMAN et al.

beobachteten 1969 bei Intensivpatienten Blutungen aus Stressulzera des Gastrointestinaltraktes in Kombination mit Lungen- und Kreislaufversagen sowie Sepsis und Ikterus 21. Vier Jahre später fassten TILNEY et al. den Ausfall dieser Organsysteme zusätzlich mit Pankreas-, Nieren- und ZNS-Versagen als klinisches Syndrom zusammen, nachdem sie ähnliche Beobachtungen bei 17 Patienten machten, die nach rupturierten Aortenaneurysmen starben 22. BAUE

(9)

erkannte schließlich das multiple Organsystemversagen als eine gemeinsame Endstrecke, verursacht durch verschiedene Grunderkrankungen, unter anderem auch das Trauma. Er beschrieb den Funktionsausfall der Einzelorgane als unabhängig von einer direkten Verletzung 13. In der folgenden Zeit beschäftigten sich mehrere Autoren mit dem Syndrom, wobei der Begriff Multiorganversagen (MOV) erstmals 1977 von EISEMAN et al. erwähnt wurde 23 und sich nach mehreren Jahren durchsetzte. 1983 differenzierten DITTMER et al. das Mehrfachorganversagen in zwei unterschiedliche Abläufe 24. Sie beobachteten einen Akuttyp, der in einer Phase verlief, und einen verzögerten Typ mit zwei Phasen. Das Ein-Phasen-MOV entstand innerhalb von 36 Stunden nach dem Trauma und hatte eine etwas bessere Prognose. Patienten mit Zwei-Phasen- MOV entwickelten zunächst eine pulmonale Insuffizienz, eventuell kombiniert mit einem Nieren- und Gerinnungsversagen, gingen aber anschließend in ein Intervall relativ stabilen Zustandes über. Kam in diesem Zeitraum der Stabilisierung eine Sepsis hinzu, folgte als zweite Phase eine rasche Verschlechterung der Gesundheitslage.

Durch die Fortschritte der Medizin in den letzten Dekaden konnte die Sterblichkeitsrate des schweren Traumas von etwa 90% in den dreißiger Jahren

25 auf heute 15-20% gesenkt werden 12,26-28. Seit Erstbeschreibung des MOV in den siebziger Jahren findet sich dagegen mit ungefähr 20% der Polytraumen eine nahezu unveränderte Inzidenz bzw. mit 50-70% eine nur gering verminderte Letalität der an MOV Erkrankten 9-12.

(10)

2. Kenntnisstand

2.1 Sepsis

Auf SCHOTTMÜLLER geht die infektiologisch-klinische Begriffsbestimmung der Sepsis aus dem Jahr 1914 zurück. Er definierte Sepsis als generalisierten Befall des Organismus mit pathogenen Bakterien, die von einem Herd innerhalb des Körpers periodisch oder konstant in den Blutkreislauf abgegeben werden. Durch diese Invasion werden subjektive oder objektive Krankheitserscheinungen ausgelöst 29. Diese Begriffsbestimmung wurde in den folgenden Dekaden mehrfach variiert, aber nicht im Wesentlichen verändert. Im August 1991 versammelte sich eine internationale Konsenskonferenz mit dem Ziel, neue Definitionen für verschiedene Begriffe und Syndrome rund um das Gebiet der Sepsis festzulegen. Die Flut neuer Erkenntnisse in den siebziger und achtziger Jahren über Pathomechanismen beobachteter klinischer Syndrome sowie die gleichzeitig entstandene Vielfalt neu geschaffener Ausdrücke zwang die internationale Ärzteschaft, eine Übereinstimmung bezüglich neuer Begriffserklärungen zu finden. Auf dieser Konferenz wurde Sepsis als systemische inflammatorische Antwort auf eine Infektion definiert. Der septische Patient ist also ein Patient mit einem SIRS (Systemic Inflammatory Response Syndrome) aus infektiöser Ursache 30. Im Dezember 2001 setzte sich die Konsenskonferenz in vergrößerter Form erneut zusammen 31. Dabei wurde der Begriff der Sepsis zwar nicht neu definiert, jedoch wurde auf die zukünftige klinische Bedeutung von Biomarkern hingewiesen, basierend auf deren wissenschaftlicher Erforschung der letzten Jahre. Gleichzeitig wurde allerdings bemerkt, dass eine klinische Diagnosestellung von Sepsis unter Zuhilfenahme von Biomarkern nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Stand noch nicht ausgereift war. Die Symptome der Sepsis als Antwort auf eine Infektion sind bedingt durch allgemeine, inflammatorische und hämodynamische Veränderungen. Von den folgenden erweiterten aktuellen Kriterien ist keiner spezifisch für Sepsis, jedoch dienen sie als Hinweise zur Diagnosestellung.

(11)

- Körperkerntemperatur <36,0°C oder >38,3°C

- Herzfrequenz >90/min oder >2 Standardabweichungen über normalem Alterswert

- Atemfrequenz >30/min - veränderter geistiger Status

- signifikante Ödeme oder positive Flüssigkeitsbilanz (>20ml/kg in 24h)

- Hyperglykämie (Plasmaglukose >110mg/dl oder >7,7mmol/l) bei nicht bekanntem Diabetes mellitus

- Leukozyten <4.000 Zellen/µl oder >12.000 Zellen/µl oder >10% unreife Formen

- C-reaktives Protein im Plasma >2 Standardabweichungen über normalem Wert

- Prokalzitonin im Plasma >2 Standardabweichungen über normalem Wert - arterielle Hypotonie:

Erwachsene: systolischer Blutdruck <90mmHg oder mittlerer arterieller Druck <70mmHg oder Abfall des systolischen Ausgangswertes >40mmHg;

Kinder: Blutdruck <70% der Ausgangswerte oder Blutdruckanstieg

>2 Standardabweichungen

- gemischt venöse O2-Sättigung >70% (gilt nicht für Kinder) - Herzindex >3,5l min-1 m-2

- arterielle Hypoxämie (PaO2/FIO2 <300)

- akute Oligurie: Urinausscheidung <0,5ml kg-1 h-1 oder 45mmol/l für mindestens 2h

- Kreatininanstieg ≥0,5mg/dl

- Gerinnung: INR >1,5 oder PTT >60s - Ileus

- Thrombopenie <100.000 Thrombozyten/µl

- Hyperbilirubinämie: Gesamtbilirubin >4mg/dl oder >70mmol/l - Hyperlaktatämie >3mmol/l

- abnehmende Kapillarfüllung

In einer Umfrage der European Society of Intensive Care Medicine unter Ärzten aus fünf europäischen Ländern und den USA konnten 71% der antwortenden Mediziner keine einheitliche Definition der Sepsis angeben 31. Im Verständnis der praktischen alltäglichen Medizin bedeutet die aktuelle Sepsisdefinition eine enorme Ausdehnung dieses Begriffs. Die bisherige Auffassung über Sepsis in Deutschland ähnelt allerdings der von der Konsenskonferenz beschriebenen

„severe sepsis“, also der schweren Sepsis. Diese ist assoziiert mit Organdysfunktion, Minderperfusion oder Hypotonie. Die Kriterien der Minderdurchblutung und Durchblutungsstörungen können vorhanden sein, sind aber nicht auf Laktatazidose, Azidose, Oligurie oder eine akute Änderung der Bewusstseinslage beschränkt.

(12)

Nach dem heutigen Wissensstand stützt sich die Definition der Sepsis auf fünf Grundpfeiler des septischen Prozesses:

- den Infektionsherd,

- die Invasion pathogener Keime und toxischer Keimprodukte, - die Bildung und Aktivierung von Mediatoren,

- die Zellschädigung (als Grundlage der Organdysfunktion), - die Multiorgandysfunktion.

Zusammengefasst kann Sepsis aus heutiger Sicht definiert werden als Gesamtheit der lebensbedrohlichen klinischen Krankheitserscheinungen und pathophysiologischen Veränderungen nach einer Infektion. Diese sind eine Reaktion auf die Aktion pathogener Keime und ihrer Produkte, welche aus einem Infektionsherd in den Blutstrom eindringen. Dadurch werden die großen biologischen Kaskadensysteme und speziellen Zellsysteme aktiviert und die Bildung und Freisetzung humoraler und zellulärer Mediatoren ausgelöst 32.

Auch der Begriff der Infektion wurde auf der ersten Konsenskonferenz definiert.

Demnach stellt die Infektion einen pathologischen Prozess dar, der durch die Invasion sterilen Körpergewebes mit pathogenen oder potenziell pathogenen Mikroorganismen verursacht wird. Diese Begriffsbestimmung wurde von der zweiten Konferenz revidiert, indem darauf hingewiesen wurde, dass auch gesunde unsterile Bereiche des Körpers, z.B. das Kolon, durch pathogene Keime wie z.B. Clostridium difficile infiziert werden können. Außerdem wurde ergänzt, dass neben der Besiedlung des Körpergewebes mit Bakterien auch zytopathische Effekte, ausgelöst durch Exotoxinsekretion von Mikroorganismen, eine Sepsis induzieren können.

Neben oben erläuterter Sepsis und schwerer Sepsis existiert als zusätzliche Komplikation der septische Schock, welcher eine ernste Bedrohung des Patienten darstellt. Der septische Schock induziert ein Stadium der akuten Kreislaufinsuffizienz mit fortbestehender arterieller Hypotension. Dieser Zustand ist durch keine anderen Ursachen außer der Sepsis erklärbar. Die Hypotension bei Erwachsenen ist definiert durch einen Blutdruckabfall des systolischen arteriellen Drucks unter 90mmHg oder einen mittleren arteriellen Druck unter

(13)

60mmHg oder eine Reduktion des systolischen Ausgangsdrucks um mehr als 40mmHg. Dieser Prozess läuft trotz adäquater Volumensubstitution ab. Der Organismus von Kindern und Neugeborenen kann jedoch höhere vaskuläre Drücke aufrechterhalten. Ein Blutdruckabfall des für das jeweilige Alter normalen systolischen Wertes um mehr als zwei Standardabweichungen entspricht einer Hypotension, signalisiert allerdings ein spätes Stadium, nämlich das des dekompensierten Schocks. Der septische Schock bei Kindern ist definiert als Tachykardie mit Zeichen der abnehmenden Perfusion, schwächerem peripheren Puls im Vergleich zum zentralen Puls, beginnender Eintrübung, verlängerter Kapillarfüllung über zwei Sekunden, fleckigen oder kühlen Extremitäten sowie nachlassendem Urinvolumen 33.

2.2 SIRS

In den vergangenen Dekaden wurden parallel zur Beschreibung des MODS mehrere Symptome registriert, die als systemische Entzündungszeichen denen einer Sepsis entsprachen. Sie traten bei Intensivpatienten auf, oft in Folge eines Traumas. In den siebziger Jahren wurden septische Foki als Ursache jenes generalisierten Entzündungssyndroms angenommen. In den achtziger Jahren kamen an dieser Theorie Zweifel auf, da bei einer Vielzahl von Patienten mit septischen Krankheitszeichen Sepsisherde nicht nachweisbar waren 34,35. GORIS et al. konnten 1985 bei 30% aller Patienten, die klinisch an einer Sepsis und einem Multiorganversagen verstorben waren, keinerlei Bakterien nachweisen 36. Diese Beobachtungen wurden als „septisches Syndrom“ 36, „Mediator-Krankheit“

37 oder „septischer Zustand“ 38 zusammengefasst beschrieben. Da bis Anfang der neunziger Jahre für das neue Syndrom keine Definition vorlag, wurde in der Klinik meistens der Begriff Sepsis synonym verwandt, obwohl keine Infektion stattfand.

Aus diesem Grund trat im August 1991 die American College of Chest Physicians / Society of Critical Care Medicine (ACCP/SCCM) Consensus Conference zusammen und stellte die Definition des Systemic Inflammatory Response Syndrome, kurz SIRS, auf. Die hier festgelegten Kriterien bedurften auch nach erneuter Sitzung der Konferenz im Dezember 2001 keiner Korrektur.

(14)

Das SIRS ist ein kontinuierlicher Prozess, der eine abnormale Immunantwort beschreibt, charakterisiert durch eine generalisierte Aktivierung einer inflammatorischen Reaktion in Organen, fern des initialen Traumas. Dieser Begriff ist dann zutreffend, wenn während dieser Reaktion keine Infektion abläuft oder die Inflammation nicht durch eine Infektion ausgelöst wird. Wenn während dieses Prozesses der Nachweis einer Infektion erbracht werden kann, liegt eine Sepsis vor 30.

Ein SIRS ist manifest, wenn mindestens zwei der folgenden Kriterien erfüllt sind:

- Körpertemperatur >38°C oder <36°C, - Herzfrequenz >90/min,

- Atemfrequenz >20/min oder PaCO2 <4,3kPa,

- Leukozyten >12.000 Zellen/µl oder <4.000 Zellen/µl oder 10% unreife Formen.

Das SIRS wird nicht nur in Zusammenhang mit Sepsis beobachtet, sondern steht mit vielen anderen Ursachen in Verbindung. Als Beispiele dienen Pankreatitis, Ischämie, Polytrauma, hämorrhagischer Schock 30 und Verbrennungen 31. Während die klinischen Manifestationen variieren, erscheinen biochemische Charakteristika des Syndroms konstant. Als Beispiele sind Interleukin-6 (IL-6) 39, Adrenomedullin 40, lösliches CD14, lösliches Endothelzellen- /Leukozytenadhäsionsmolekül 1, Makrophagen inflammatorisches Protein 1α 41, extrazelluläre Phospholipase A242 und C-reaktives Protein 43 zu nennen.

(15)

2.3 MODS

2.3.1 Beschreibung MOV / MODS

Das Multiorganversagen (MOV), englisch Multiple Organ Failure (MOF), beschreibt das gleichzeitige oder rasch aufeinanderfolgende Versagen von zwei oder mehr vitalen Organfunktionen 44. Die betroffenen Organsysteme sind hauptsächlich Kreislauf, Lunge, Niere, Leber, Gastrointestinaltrakt, Gerinnung und ZNS. Das MOV stellt den Zustand eines pathophysiologischen Ungleichgewichts dar, in dem die Organfunktion nicht im Stande ist, die Homöostase aufrechtzuerhalten. Außer nach Polytrauma tritt das MOV nach Operation, Sepsis, Schock, Pankreatitis, größeren Verbrennungen und Intoxikationen auf 11,32. In Hinsicht auf die Reihenfolge der versagenden Organe und der Ausprägung des Versagens der Einzelorgane gibt es unterschiedliche Verlaufsmöglichkeiten. Es muss nicht immer zu einem vollständigen Versagen aller Organe kommen. Bereits verschieden stark ausgeprägte Störungen der einzelnen Organsysteme können sich gegenseitig beeinflussen und wiederum verstärken. Dieser progrediente Ablauf kann zu irreversiblem Versagen aller Organe mit letalem Ausgang führen 10.

Die Ausprägung der Schwere des MODS wird durch Angabe der betroffenen Organsysteme erfasst. FRY et al. beobachteten einen Anstieg der Letalität mit der Anzahl der versagenden Organe. Diese dokumentierten sie bei ein bis vier versagenden Organsystemen mit 30 bis 100% 45. In einer weiteren Studie wurde ermittelt, dass die Mortalitätsrate nicht nur mit der Summe der versagenden Organe, sondern auch mit der Dauer der Organinsuffizienz zunimmt 46. Ein höheres Lebensalter der Patienten mit MODS stellt einen unabhängigen Risikofaktor dar, der ebenfalls mit einem Anstieg der Letalität belegt ist 47. Keine einheitliche Aussage konnte über die häufigste Kombination versagender Organsysteme getroffen werden 8,12,14,45. Jedoch wurde die Lunge von mehreren Autoren als das erste und am häufigsten versagende Organ beobachtet und somit als Triggerfaktor für MODS vermutet 8,10,12.

(16)

Die Komplexität des multiplen Organversagens macht eine standardisierte klinische Beurteilung schwierig. Trotz verschiedener Versuche ist es bisher nicht gelungen, eine allgemein akzeptierte Definition des Multiorganversagens zu entwickeln. Zur Objektivierbarkeit des MOV sind deshalb im Laufe der letzten 30 Jahre Scoringsysteme entwickelt worden, die sich an klinischen Symptomen und Laborparametern orientieren. Als Beispiele seien hier FRY (1980) 45, FAIST (1983) 12, MANSHIP (1984) 48, GORIS (1985) 36, MOORE (1993) 49 und MARSHALL (1995) 50 genannt. Die Systeme nach GORIS, MOORE und MARSHALL stellen heute die gängigsten Methoden zur klinischen Diagnose eines MOV dar 9,36,49,50. Zwischen diesen Scoringsystemen sind große Variabilitäten vorhanden. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Autoren den verschiedenen Organsystemen unterschiedliche Bedeutung in der Bewertung der Organinsuffizienzen beimessen. Da der Begriff MOV zu der Annahme verleitet, dass es zu einem kompletten Versagen der Organsysteme kommt, differenzierte man diesen 1991 im Rahmen der ACCP / SCCM Consensus Conference und ersetzte ihn durch den Begriff Multi Organ Dysfunction Syndrome, abgekürzt MODS 30. Dennoch existiert in einigen Fällen heute der Begriff Multiorganversagen weiter, da manche Autoren das MODS nur als Vorstufe des etablierten MOV betrachten.

2.3.2 GORIS-Score

In unserer Studie wurde zur Diagnose des MODS bei Polytrauma das Scoringsystem nach GORIS angewandt 36. Dieses liefert eine detaillierte Beschreibung der klinischen Symptomatik des Syndroms. GORIS et al.

entwickelten 1985 hiermit eine Methode, welche die sieben Organsysteme Lunge, Herz-Kreislauf, Niere, Leber, ZNS, Darm und Blutzellen einschließlich Gerinnung untersucht. Sie unterteilten die Organfunktionen in drei Stufen, wobei Stufe null der uneingeschränkten Organfunktion entspricht, während Stufe zwei als kompletter Organausfall zu werten ist.

(17)

Organfunk-

tionsstörung 0 1 2

Lunge keine mechanische mechanische Ventila- mechanische Ventila- Ventilation tion mit PEEP <10cm tion mit PEEP >10cm

H2O und FiO2 <0,4 H2O und FiO2 >0,4 Herz / normaler Blutdruck, Hypotensive Perioden Hypotensive Perioden Kreislauf keine Gabe von unter 100mmHg mit unter 100mmHg mit

vasoaktiven Gabe von Volumen Gabe von

Substanzen oder Dopaminhydro- Dopaminhydrochlorid erforderlich chlorid <10 µg/kg/min >10 µg/kg/min oder

oder Nitroglyzerin Nitroglyzerin <20 µg/min oder >20 µg/min oder Noradrenalin Noradrenalin 0,2-0,4 mg/h >0,4mg/h Nieren Serumkreatinin Serumkreatinin Hämo- oder

<2 mg/dl >2 mg/dl Peritonealdialyse erforderlich

Leber Serum-GOT <25 U/l Serum-GOT >25 und Serum-GOT >50 U/l und Gesamtbilirubin <50 U/l oder oder Gesamtbilirubin <2 mg/dl Gesamtbilirubin >6 mg/dl

>2 und <6 mg/dl

Blut normale Anzahl an Thrombozytenzahl Hämorrhagische Thrombozyten und <50.000/fl und/oder Diathese oder Leukozyten Leukozytenzahl Leukozytenzahl

>30.000 und <2.500 oder < 60.000/fl > 60.000/fl Gastro- Normalfunktion Cholezystitis oder Blutung aus intestinaltrakt Stressulzera Stressulzera mit

Bluttransfusion >2 Einheiten/24h;

nekrotisierende

Enterokolitis und/oder Pankreatitis und/oder Spontanperforation der Gallenblase Zentrales Normalfunktion deutlich verminderte schwer gestörte

Nerven- Reaktion Reaktion und/oder

system diffuse Neuropathie

Tab. 1: MODS-Score nach GORIS 36. Null Punkte bedeuten eine normale Organfunktion. Bei Funktionsdefizit werden je nach Schweregrad ein oder zwei Punkte pro Organ gegeben.

(18)

2.3.3 Pathophysiologie und Ätiologie des MODS

Seit Erstbeschreibung des MODS gilt das Interesse der Medizin der Erforschung von Ursachen und Pathomechanismen des Syndroms. Es existiert diesbezüglich eine große Anzahl an Studien und Hypothesen, welche aus Gründen der Komplexität des Themengebietes zum jetzigen Zeitpunkt noch kein einheitliches und vollständiges Bild ergeben. Auf der ACCP / SCCM Consensus Conference im August 1991 wurde vorgeschlagen, das MODS als ein Schema multipler und progressiver Symptome zu definieren, die pathogenetisch scheinbar miteinander korrelieren 30. Während dieser Konsenskonferenz wurde das MODS in eine primäre und eine sekundäre Form differenziert. Ein primäres MODS entsteht direkt im betroffenen Organ und kann einer bestimmten auslösenden Ursache zugeschrieben werden, z.B. Nierenversagen nach Rhabdomyolyse oder Koagulopathie nach Transfusionszwischenfall. Ein sekundäres MODS wird nicht durch den Insult selbst ausgelöst, sondern entsteht durch eine exzessive Ausschüttung inflammatorischer Botenstoffe und steht in engem Zusammenhang mit dem SIRS. Auch bei der primären Form gibt es eine inflammatorische Antwort. Diese scheint jedoch für die Entstehung des MODS nicht ursächlich und für den Verlauf nicht so entscheidend zu sein wie bei der sekundären Form 30.

(19)

Abb. 2.1: Pathogenese von Sepsis, SIRS und MODS. Bakterielle Toxine führen zur Freisetzung von Mediatoren aus Makrophagen (Ma.) und Granulozyten (Gr.).

Auch andere nichtinfektiöse Stimuli können zu einem SIRS führen (aus 32).

Als Pathomechanismus des MODS ist in den letzten Jahren die Bedeutung der unkontrollierten systemischen Reaktion als Antwort auf das Trauma in den Vordergrund des wissenschaftlichen Interesses getreten. Die Aktivierung inflammatorischer Zellen ist normalerweise limitiert und dient der Eradikation infektiöser Organismen, der Reinigung verletzten Gewebes von Zelldebris und der Bekämpfung eingedrungenen Fremdmaterials. Diese Abwehrreaktion kann jedoch bei schwerer Traumatisierung aus der Kontrolle der physiologischen Inhibitormechanismen geraten. In diesem Fall werden in unkontrollierter, überschießender Form nicht mehr nur die auslösenden Pathogene eliminiert, sondern ebenfalls autodestruktive Schädigungen körpereigener Zellsysteme und Organe verursacht. Die generalisierte, unkontrollierte Aktivierung betrifft mehrere humorale und zelluläre Kaskaden 11,51,52. Diese umfassen als inflammatorische Effektorzellen Makrophagen, Neutrophile und Lymphozyten, als Botenstoffe

(20)

proinflammatorische Zytokine, außerdem als humorale Abwehrmechanismen das Koagulations- und das Komplementsystem 11. Die Familie der Zytokine beinhaltet Interleukine (IL), Interferone (IFN), Kolonie-stimulierende-Faktoren (CSF) und Tumor-Nekrose-Faktor (TNF). Besonderes Augenmerk gilt aktuell IL-1β, IL-6, TNF-α und IFN-γ. Als proinflammatorischer Marker hat das Interleukin-6 eine besondere Aussagekraft 52-54.

Als Ursache der pathologischen überschießenden Reaktion, die das Gewebe des gesamten Organismus angreift, existieren mehrere Theorien:

Eine Hypothese ist, dass die inflammatorischen Zellen durch das Ausmaß der traumatischen Gewebeschädigung die lokale Umgebung verlassen und den gesamten Organismus besiedeln. Damit ist eine generalisierte Ausschüttung der Botenstoffe verbunden, welche nicht mehr limitiert werden kann.

Eine andere Vermutung beschäftigt sich mit der im Schock durch Hypotension verursachten Mikrozirkulationsstörung in versagenden Organen. Die Störung der Durchblutung in Gefäßen zieht eine Ischämie des Organgewebes nach sich und verursacht Endothelschäden der Gefäße. Endothelzellen sind aktive Teilnehmer der Blutflussregulation, Koagulation und Inflammation 55-58. In dieser Rolle als Regulatoren der Inflammation scheinen sie durch Interaktion mit zirkulierenden Neutrophilen die massive Zytokinausschüttung zu fördern 11.

Eine weitere Hypothese der Ursache der überreagierenden Immunantwort ist eine Insuffizienz der Barrierefunktion des Darms nach schwerem Trauma und somit gleichzeitiger Befall des Organismus mit Bakterien 59. Diese wären dann die Auslöser der systemischen Entzündungsreaktion mit massiver Ausschüttung inflammatorischer Zellen und proinflammatorischer Botenstoffe. Die bakterielle Translokation in den Organismus würde die paradoxen klinischen Befunde erklären, in denen bei Patienten mit MODS eine klinische Sepsis diagnostiziert wird, jedoch kein septischer Fokus identifiziert werden kann.

Die Aktivierung der verschiedenen Schädigungskaskaden kann durch mehrere Ereignisse ausgelöst und verstärkt werden. So wurde in klinischen Studien

(21)

belegt, dass Hypoxämie, Hypothermie, Volumenverlust und operative Maßnahmen für eine zunehmende Dysfunktion der Organe verantwortlich sind 60-

64.

2.4 Die Rolle von Sepsis und SIRS in MODS

In vielen Studien, die das Thema des Multiorganversagens nach Polytrauma behandeln, wird durch das oft parallele Auftreten von Sepsis oder SIRS eine enge Korrelation deutlich. Autoren, die sich mit Sepsis und den Syndromen der multiplen Organdysfunktion sowie der systemischen inflammatorischen Antwort beschäftigten, konnten in der Klinik und der Pathogenese dieser drei Krankheitsbilder Ähnlichkeiten erkennen 30,65.

In der Pathophysiologie konnten Gemeinsamkeiten in Hinsicht auf Metabolismus, hyperdynamischer Zirkulation und systemischer Inflammation nachgewiesen werden. Z.B. ist IL-6 sowohl beim MODS als auch bei Sepsis als proinflammatorischer Marker in beiden Pathomechanismen integriert 66,67.

Auch im klinischen Erscheinungsbild besteht zwischen Sepsis und MODS eine deutliche Verbindung 21,45,68-70. Dies wird ebenfalls offensichtlich bei Vergleich der von der Konsenskonferenz veröffentlichten Liste der Kriterien einer systemischen inflammatorischen Antwort auf eine Infektion und den zur Diagnose des MODS definierten Kriterien des GORIS-Score. Hier sind in beiden Systemen Gemeinsamkeiten der Parameter zur Beschreibung der Dysfunktionen von Kreislauf, Niere, Leber, Lunge und Gerinnung offensichtlich.

Wissenschaftler, die sich in den vergangenen Jahren mit Sepsis, SIRS und MODS auseinandersetzten, bewerten bestehende Zusammenhänge allerdings unterschiedlich. Einige Autoren betrachten Organinsuffizienzen bei Intensivpatienten als Folge einer Sepsis. Auch in der allgemeinen Definition der schweren Sepsis wird das Krankheitsbild durch Organdysfunktionen bestimmt.

Auf der ersten ACCP / SCCM Consensus Conference wurde gemutmaßt, dass

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MODS als repräsentatives Erscheinungsbild das Ende einer besonders schweren durch SIRS charakterisierten Krankheit sein könne, da es oft eine Komplikation einer bereits bestehenden Sepsis oder SIRS darstelle 30. Auch MARZI und BAUER beschreiben einen regelmäßigen Vorausgang einer generalisierten Entzündungsreaktion vor der Entwicklung eines Multiorganversagens 71. Letztendlich wird von vielen Autoren bei über der Hälfte aller Patienten mit MODS eine Sepsis als der auslösende Faktor der Organdysfunktion 30,32 oder der Todesursache angesehen 72-74.

Für andere Wissenschaftler stellt die Sepsis jedoch in der Pathophysiologie eines manifesten MODS einen fest integrierten Bestandteil dar. Als Beispiel dient das Erklärungsmodell der bakteriellen Translokation, also die Einschwemmung von Bakterien und deren Toxinen aus dem Darmlumen als Folge einer intestinalen Permeabilitätsstörung bei Intensivpatienten 59. Die bakterielle Translokation nach einem Trauma und die daraus resultierende Sepsis mit nachfolgendem MODS ergeben zusammen das Bild einer gemeinsamen Pathogenese.

2.5 Immunsystem

Das Immunsystem stellt die natürliche körpereigene Abwehr gegen Fremdsubstanzen dar. Hauptaufgabe ist die Erkennung und Eliminierung von Bakterien, Viren, Pilzen, ein- und mehrzelligen Parasiten sowie deren Produkten.

Zusätzlich werden körpereigene Zellen im Falle der Überalterung oder neoplastischen Transformation beseitigt 75,76.

Das Immunsystem ist in eine unspezifische und eine spezifische Abwehr gegliedert. Das unspezifische Immunsystem stellt den natürlichen, angeborenen Teil dar. Es schützt den Organismus durch verschiedene Faktoren. Die intakte Haut mit ihrem niedrigen pH-Wert sowie Magensäure, saurer Urin und Säure im Schweiß sind natürliche Barrieren für Keime. Als humorale Komponente dienen Plasmaproteine wie das Komplementsystem, Interferon-α, mannosebindendes Protein und Akut-Phasen-Proteine (z.B. C-reaktives Protein). Als zelluläre

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Komponente schützen Monozyten und Makrophagen, natürliche Killerzellen, dendritische Zellen sowie neutrophile, eosinophile und basophile Granulozyten 77. Die Wirkung dieser Abwehrzellen kann durch Mediatoren des spezifischen Immunsystems gesteigert werden. Die Zellen des unspezifischen Immunsystems phagozytieren eigene abgestorbene Körperzellen sowie eingedrungenes Fremdmaterial, welches im Zellinnern verarbeitet und auf der Oberfläche den Lymphozyten präsentiert wird 75,76,78. Dies ist notwendig, da CD4+- und CD8+- Lymphozyten Substanzen nur als Peptidfragmente in Assoziation mit Klasse-I- oder Klasse-II-Molekülen erkennen können 79,80. T-Zellen sind auf diese Form der Darstellung durch Antigen präsentierende Zellen angewiesen. B-Zellen sind jedoch dazu fähig, dem Körper angeborene Antigene durch B-Zell-Rezeptoren direkt zu binden 75. Der Antigenkontakt führt zur Differenzierung und Aktivierung der Lymphozyten 81,82. Hiermit tritt das spezifische adaptive Immunsystem in Aktion 76. Es antwortet langsamer, verstärkt die Immunantwort gegen die Fremdorganismen jedoch enorm. Diese Reaktion kommt mit einer hohen Variabilität an Rezeptoren auf B- und T-Lymphozyten zu Stande, wobei jeder Lymphozyt nur eine Antigenspezifität besitzt. Pro Lymphozytenpopulation werden über 109 verschiedene Rezeptoren erzeugt 77. Die Bindung des Antigens an den T- oder B-Zell-Rezeptor führt zu dessen Transformation und Teilung in zahlreiche identische Tochterzellen 81. Die aktivierten Lymphozyten setzen zytotoxische Moleküle oder Antikörper frei, die eingedrungene Mikroorganismen direkt angreifen, oder sie produzieren Zytokine, die wiederum andere Zellen des Immunsystems aktivieren 83. Nach der Expansion bilden sich die Lymphozyten entweder durch Apoptose zurück oder differenzieren zu Gedächtniszellen.

Dadurch normalisiert sich die Zahl der Lymphozyten wieder. Bei erneutem Kontakt mit dem gleichen Antigen folgt durch die Gedächtniszellbildung eine stärkere Reaktion und raschere Emigration dieser Zellen ins betroffene Gewebe

83.

Die Schwelle der spezifischen Immunaktivierung ist allerdings hoch, um Autoimmunität zu vermeiden. T-Lymphozyten erkennen und tolerieren dem Organismus angeborene Antigene 75. Außerdem werden Thymozyten mit zu hoher Affinität zu körpereigenen Antigenen im Thymus eliminiert 75.

(24)

Mikroorganismen können auch ohne Unterstützung durch T-Zellen von Phagozyten zerstört werden. In diesem Fall findet keine Präsentation von Antigenen auf den Makrophagen statt und eine erworbene Immunantwort bleibt aus.

Die Entzündung stellt eine Immunreaktion auf eine Infektion dar.

Entzündungsreaktionen sind durch Schmerz (Dolor), Rötung (Rubor), Wärme (Calor), Schwellung (Tumor) und Beeinträchtigung der Funktion (Functio laesa) an der Infektionsstelle gekennzeichnet. Der Beginn einer Entzündung wird im Wesentlichen durch zwei Zellarten initiiert. Zum einen ist ein signifikanter Zellanstieg der aktivierten polymorphnukleären neutrophilen Granulozyten (PMN) zu Entzündungsbeginn zu beobachten, welche eine Vielzahl an antimikrobiellen Substanzen und Entzündungsmediatoren freisetzen 84,85. Zum anderen geben aktivierte ortsständige Makrophagen unterschiedliche Zytokine in den Organismus ab. Nachfolgend wandern zeitlich etwas versetzt neutrophile Zellen, Monozyten, eosinophile Zellen und Lymphozyten in das Gewebe ein. Dieser Vorgang wird als Extravasation bezeichnet. Plasmaproteine dringen ebenfalls in das umliegende Gewebe ein, verursacht durch durchlässig gewordene Endothelzellen der Gefäße, wodurch sich Ödeme entwickeln. Außerdem werden das Kinin- und das Gerinnungssystem aktiviert, um ein Ausbreiten der Erreger zu verhindern. Drei entscheidende Funktionen besitzt eine Entzündung zur Bekämpfung einer Infektion: Durch den oben beschrieben Mechanismus gelangen eine Reihe unterschiedlicher Effektormoleküle und –zellen an den Infektionsherd, um die eingedrungenen Mikroorganismen abzutöten. Zweitens entsteht eine physikalische Barriere, die ein Ausbreiten der Infektion verhindert.

Drittens wird die Heilung des geschädigten Gewebes gefördert 86.

Die Komplexität des Immunsystems garantiert in den meisten Fällen eine ausgewogene Reaktion, stellt allerdings gleichzeitig auch einen Schwachpunkt dar. Die ausgeprägte Regulation des Immunsystems, bestehend aus Spezifität, Selbstlimitierung und Unterscheidung zwischen körpereigenem und –fremdem Gewebe, kann zu „Missverständnissen“ führen. Dies äußert sich z.B. in der Entwicklung von Autoimmunkrankheiten 87. Ein schweres Trauma kann ebenfalls

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eine überreaktive Immunantwort des Körpers erzeugen und fatale Konsequenzen für den Heilungsprozess nach sich ziehen.

2.6 Monozyten und Makrophagen

Monozyten und Makrophagen gehören dem unspezifischen Teil des Immunsystems an und bilden eine angeborene, antigenunspezifische erste Verteidigungslinie gegen Infektionen. Sie stammen aus der myeloiden Zellreihe und entstehen im Knochenmark. Monozyten stellen den zirkulierenden Teil dar und kommen im Blut, im Knochenmark und bei Infektion oder Entzündung im Exsudat vor. Sie haben eine Lebensdauer von sieben Tagen. Anschließend reifen sie zu Makrophagen heran, welche sich im Gewebe ansiedeln und dort mehrere Jahre leben 88. Neben Vorkommen in den Organen des Immunsystems wie Lymphknoten oder Milz sind sie in großer Zahl im Bindegewebe und im Verdauungstrakt, außerdem als Mikroglia im Gehirn, als Alveolarmakrophagen in der Lunge, als Kupffer-Sternzellen in der Leber und als Mesangialzellen in der Niere lokalisiert 88. Die Aufgaben der Monozyten und Makrophagen umfassen die Reinhaltung des Organismus von Bakterien, apoptotischen Zellen und Zelldebris durch Phagozytose und Bakterizidie 76. Des Weiteren aktivieren sie das spezifische Immunsystem durch Antigenpräsentation und initiieren die Wundheilung durch Zytokin- bzw. Chemokinfreisetzung.

In ihrer Funktion als Phagozyten nehmen Monozyten und Makrophagen Antigene und Mikroben größer als 0,5µm auf 76. Zur Erkennung der Bestandteile von Mikroorganismen und zur verbesserten Aufnahme dieser Antigene besitzen Monozyten und Makrophagen verschiedene Rezeptoren. Als Beispiele dienen CD14, CD11b/CD18 (CR3) 76, der Mannoserezeptor 76,89 und der Scavenger- Rezeptor 76,90. Sie alle binden bakterielle Kohlenhydrate. Der Mannoserezeptor existiert nur auf Makrophagen und nicht auf Monozyten. CD14 ist ein Rezeptor für bakterielles Polysaccharid und kommt hingegen sowohl bei Monozyten als auch bei Makrophagen in großer Zahl vor 91. Der niedrigaffine Rezeptor Fc-γ-RII

(26)

(CD32) ist ständig auf der Oberfläche der Zellen vorhanden. Nach deren Aktivierung wird der hochaffine Rezeptor Fc-γ-RI (CD64) vermehrt exprimiert 77.

Die Phagozytose ist ein aktiver Vorgang, bei dem das gebundene Pathogen zuerst von der Membran des Phagozyten umhüllt und dann in ein Vesikel aufgenommen wird, welches als Phagosom bezeichnet wird 76. Die Erkennung des fremden Antigens durch die Fresszelle initiiert die Polymerisation von Aktin und führt zur Internalisierung des Partikels über einen Aktin-abhängigen Mechanismus 76. Monozyten und Makrophagen enthalten Lysosomen, die mit Enzymen, Proteinen und Peptiden eine intrazelluläre antimikrobielle Reaktion bewirken können. Nach intrazellulärer Verschmelzung von Lysosomen mit den Phagosomen entstehen Phagolysosomen, in denen durch die Freisetzung des lysosomalen Inhalts die Eliminierung der Bakterien stattfindet. Während der Phagozytose werden eine Reihe weiterer toxischer Produkte erzeugt, die für die Abtötung aufgenommener Mikroorganismen mitverantwortlich sind. Die wichtigsten Produkte sind Wasserstoffperoxid (H2O2), das Superoxidanion (O2-) und Stickstoffoxid (NO), deren Freisetzung als „respiratory burst“ bezeichnet wird.

Diese Verbindungen werden durch lysosomale NADPH-Oxidasen und andere Enzyme produziert 92.

Eine andere Aufgabe der Monozyten und Makrophagen stellt die Aktivierung des spezifischen, erworbenen Immunsystems dar 76. Während der Phagozytose von Bakterien werden deren Peptide von MHC-Klasse-II-Molekülen auf der Oberfläche der Monozyten und Makrophagen in immunogener Form CD4+-T- Lymphozyten präsentiert 75,81,93. Durch diesen Vorgang werden die T- Lymphozyten stimuliert 75,78,82. Somit stellen Monozyten und Makrophagen die Auslöser der verstärkten und konzentrierten Immunreaktion dar. Nach entsprechender Aktivierung können sie außerdem durch Tragen von

„Zweitsignalmolekülen“ (z.B. CD80) auch ruhende Gedächtnis-T-Zellen aktivieren. Unter chronischer Stimulation wandeln sich die Makrophagen zu Epitheloidzellen um und unterstützen die Granulomformation 77.

Neben der Elimination fremder Mikroorganismen schütten Makrophagen proinflammatorische Zytokine und Wachstumsfaktoren aus, die zusätzlich zur

(27)

Makrophagen-T-Zell-Interaktion zur Anlockung und Aktivierung weiterer Phagozyten dienen. Hierzu zählen IFN-γ, IL-1 und IL-12 75,78,81,94. Drei Stunden nach Muskeltrauma sind wenige Makrophagen im Bereich des verletzten Muskels angesiedelt. Nach 48 Stunden beginnt ihre Zahl jedoch enorm anzusteigen, so dass sie die häufigste Blutzellpopulation im Wundgebiet darstellen 95-97. Zusätzlich zur Aktivierung der Entzündungsmechanismen scheinen Makrophagen andererseits aber auch ein Gegengewicht im Entzündungsprozess darzustellen.

Nicht nur durch pro-, sondern auch anti-inflammatorische Mechanismen, wie z.B.

die Ausschüttung von IL-10, bewirken Monozyten und Makrophagen somit eine ausgewogene Immunreaktion des Körpers 78.

2.6.1 Monozyten und Makrophagen im Polytrauma

Beim Polytrauma wird durch das großflächige Wundgebiet eine Vielzahl an Monozyten und Makrophagen aktiviert, um die zerstörten Körperzellen zu beseitigen und die Wundheilung in Gang zu bringen 97. Sie bewirken eine Freisetzung großer Mengen an Zytokinen und Wachstumfaktoren 98. Diese umfassen Tumor Nekrose Faktor (TNF), Transforming Growth Faktor-β (TGF-β), Fibroblast Growth Factor (FGF), Epidermal Growth Factor (EGF) und Platelet- Derived Growth Factor (PDGF) 99.

Unter normalen Umständen ist die Menge der beim Trauma freigesetzten Botenstoffe ausgewogen reguliert. Ein kompliziertes Mediatorennetzwerk, das Zytokine, Rezeptor-Antagonisten und Antikörper beinhaltet, hält die initiale Antwort des Körpers auf den Entzündungsreiz im Rahmen. Diese Mechanismen bewirken schließlich eine Reduktion der Zytokinproduktion und somit eine Neutralisation von deren Effekten. Die wenigen in die Blutbahn gelangenden Mediatoren werden vom Organismus toleriert, und die Homöostase wird wieder hergestellt 98.

Beim schweren Trauma beschränken sich die freigesetzten Botenstoffe nicht mehr auf den Wundbereich, sondern breiten sich über den gesamten Körper aus.

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Nach drei bis fünf Tagen besiedeln neu rekrutierte Monozyten und Makrophagen die Wundgebiete. Sie besitzen allerdings nicht das komplette Aktivitätsspektrum, verursacht durch ihre Unreife 100. Eine erneute Stimulation der Makrophagen wird durch Episoden gram-negativer Infektionen ausgelöst, welche eine weitere Synthese inflammatorischer Mediatoren bewirken. Die Makrophagen-T-Zell- Interaktion als Basis einer kompetenten Immunantwort zerfällt. Die Verschwendung der Botenstoffe und die damit verbundene Ineffizienz des endogenen anti-inflammatorischen Mechanismus stellt die kritische Stufe zum späteren multiplen Organversagen dar.

2.7 Humane Leukozytenantigene (HLA)

Das Humane-Leukozytenantigen-System (HLA-System) ist ein komplexes, autosomal-kodominant erbliches System von membranassoziierten Gewebeantigenen, das die immunologische Individualität des Menschen kennzeichnet. Humane Leukozytenantigene kommen auf den Zellen fast aller Gewebe mit quantitativen Unterschieden vor. Sie sind membrangebundene Moleküle, an denen Antigene in immunogener Form haftend den T-Lymphozyten präsentiert werden. Die genetische Region, die für diese Proteine kodiert, wird als Major Histocompatibility Complex (MHC, Haupthistokompatibilitätskomplex) bezeichnet und liegt auf dem sechsten Chromosom 87. Sie umfasst etwa ein Tausendstel des menschlichen Genoms und enthält zahlreiche eng gekoppelte Genloci mit multipler Allelie 79,101. Im HLA-Genkomplex wird zwischen den HLA- Hauptregionen unterschieden. Daneben liegen die Genregionen für MHC-Klasse- III-Antigene, die dem Komplementsystem zugehörig sind 102. Aufgrund eines extremen genetischen Polymorphismus existiert eine große Anzahl verschiedener HLA-Phänotypen 103. Diese Vielfalt scheint für die individuell unterschiedlich stark ausfallende Immunantwort auf verschiedene Antigene verantwortlich zu sein 104 und mag zur Anfälligkeit für Krankheiten und autoimmune Funktionsstörungen beitragen 87. Wegen der großen Vielfalt unterschiedlicher Moleküle liegt die Wahrscheinlichkeit eines identischen HL- Phänotyps unter nicht verwandten Personen bei 1:100000 bis über 1:1000000 77.

(29)

Die HL-Antigene spielen eine wichtige physiologische Rolle bei immunologischen Abwehrmechanismen. Nach einer Transplantation können HLA-Alloantigene eine Transplantatabstoßung beim Empfänger verursachen 75,102.

Bevor Antigene an MHC-Moleküle gebunden und präsentiert werden, müssen sie in der das MHC-Molekül tragenden Zelle in kurze Stücke zerlegt und an deren Oberfläche transportiert werden 75,76. Dieses Verfahren wird Antigenprozessierung genannt 78.

Das MHC/HLA-System lässt sich in verschiedene Klassen unterteilen: MHC- Klasse-Ia-Antigene werden von allen kernhaltigen Zellen 102 und den Thrombozyten exprimiert. Sie binden nur Antigene, die im Innern der Zelle synthetisiert wurden, also autologe Strukturen (z.B. Cytochrom c, mitochondriale Enzyme) oder Virusproteine. Die präsentierten Antigene werden durch CD8- positive T-Zellen erkannt 75,81,105. Das hat zur Folge, dass im Fall der Präsentation viraler Peptide oder der Histoinkompatibilität die Wirtszelle durch diese T-zytotoxischen-Zellen eliminiert wird 106. Auch die Darstellung intrazellulärer Antigene kann die Vernichtung der präsentierenden Zelle nach sich ziehen 75. HLA-Klasse-Ia-Moleküle bestehen aus einer schweren α-Kette und einer leichten β2-Mikroglobulin-Kette mit einem Molekulargewicht von 44kDa (α) und 15kDa (β) 81. Das Gen der leichten Kette liegt auf Chromosom 15 102. Die schwere Polypeptidkette ist durch Disulfidbrücken in drei 90-100 Aminosäuren lange Domänen gegliedert, wobei die membrannahe Domäne charakteristisch für HLA-A, HLA-B oder HLA-C ist. Pro Zelle können 10.000 bis über 300.000 HLA-A- oder HLA–B-Moleküle exprimiert werden, die über 100 unterschiedliche Peptide pro Zelle präsentieren. HLA-C-Moleküle sind weniger polymorph und werden in geringerer Dichte exprimiert 77. Peptide, die durch MHC-I-Moleküle präsentiert werden, sind gewöhnlich 8-9 Aminosäuren lang 80,93. Sie werden längs eines aus der α- und β-Kette geformten peptidbindenden Spalts 107 gehalten und durch Kontakte an dessen Enden stabilisiert 108.

Die noch nicht so lange bekannten MHC-Klasse-Ib-Moleküle sind weniger polymorph und in relativ geringer Dichte auf der Zelloberfläche präsent. Sie gelangen nur in bestimmten Geweben zur Expression. Es handelt sich hierbei um

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HLA-E, HLA-F, HLA-G, HLA-H, HLA-I, HLA-J und die MHC-unabhängigen CD1- Moleküle. HLA-G wird am stärksten auf Zytotrophoblasten der Plazenta und HLA- F in fetaler Leber exprimiert. CD1-Moleküle besitzen die Fähigkeit, mikrobielle Lipidantigene zu präsentieren 77.

MHC-Klasse-II-Antigene kommen im Gegensatz zu Klasse-Ia-Strukturen nur auf sogenannten „professionellen“ antigenpräsentierenden Zellen (APZ) vor. Diese sind z.B. Monozyten, Makrophagen und B-Lymphozyten 87,103. MHC-Klasse-II- Moleküle präsentieren von außen durch Phagozytose aufgenommene Antigene, welche von CD4-positiven T-Zellen erkannt werden 75,81,93. T-Helfer-Zellen sind darauf spezialisiert, andere Effektorzellen des Immunsystems zu aktivieren, z.B.

B-Zellen oder Makrophagen, die dann gegen die fremden Antigene vorgehen. Es existieren drei Genorte, aus denen MHC-Klasse-II-Moleküle entstehen: HLA-DP, HLA-DQ und HLA-DR 87. Die Klasse-II-Antigene sind aus zwei transmembranösen α- und β- Polypeptidketten zusammengesetzt mit einem Gewicht von 33kDa (α) und 28 kDa (β) 81,102. Peptide, die an MHC-Klasse-II- Molekülen dargeboten werden, sind mindestens 13 Aminosäuren lang 93. Sie liegen ebenfalls längs der Bindungsfurche, werden an ihren Enden jedoch nicht gebunden. Zur Stabilisation wird die Peptidkette deshalb an Peptidseitengruppen festgehalten, die in Taschen des MHC-Komplexes hineinragen 103.

Zytokine, die im Verlauf einer Immunantwort freigesetzt werden, regulieren die Expression von MHC-I- und MHC-II-Molekülen. IFN-γ kann beispielsweise die Expression von MHC-I- und MHC-II-Molekülen verstärken und die Expression von MHC-II-Molekülen in bestimmten Zelltypen (z.B. aktivierte T-Zellen) auslösen

109.

(31)

2.7.1 HLA-DR

Das HLA-DR-Antigen ist als MHC-Klasse-II-Molekül auf professionellen antigenpräsentierenden Zellen vorhanden. Es besteht aus zwei Ketten, der α- und der β-Kette 81,102. HLA-DR weist unter den HLA-Genen einen besonders großen Polymorphismus auf 104. Der HLA-DR-Locus kodiert für eine unterschiedliche Anzahl und verschiedene Gruppen HLA-DR- Oberflächenmoleküle pro Zelle. Dies erklärt sich folgendermaßen: Die Subregion HLA-DR enthält ein Gen für die α-Kette (DRA1) und mehrere für die β-Kette (DRB1, DRB2, DRB3, DRB4, DRB5, DRB6 und DRB9), die jedoch nicht alle gleichzeitig vorhanden sind. Die α-Kette ist also konstant und verbindet sich entweder nur mit einer β-Kette oder mit mehreren β-Ketten. Allein das HLA- DRB1-Gen weist über 160 verschiedene Allele, also unterschiedliche Gene am gleichen Genort, auf, welche jeweils mit Nummern bezeichnet werden. Nach der Bezeichnung für das Gen der Subregion folgt dann, getrennt durch einen Stern, die Identifikationsnummer für das Allel und unmittelbar dahinter die Nummer des Subtyps. Daher bedeutet HLA-DRB1*0101: DRB1-Locus (kodiert für die β-Kette 1), Allel 01, Subtyp 01 110. Das Auftreten bestimmter, nahe lokalisierter HLA- Gene ist miteinander gekoppelt, was mit dem Begriff „linkage dysequilibrium“, Kopplungsungleichgewicht, bezeichnet wird 87. So wird das DRB5-kodierte Protein nur bei Vorliegen des HLA-DRB1*Allels „15/16“, DRB4 fast nur bei DRB1*04, *07 oder *09, DRB3 nur bei DRB1*03, *04 oder *18 verwendet. Im Gegensatz dazu wird bei anderen Allelen, z.B. DRB1*08, keine zweite B-Kette (B3, B4, B5) eingesetzt 77.

Das HLA-DR-Molekül ist ein vielfältiges und das meist exprimierte Antigen des MHC-II-Komplexes auf Monozyten 111. Somit stellt HLA-DR einen wichtigen Teil in der Immunantwort dar. Sind zu wenig HLA-DR-Moleküle auf den Antigen präsentierenden Zellen (APZ) vorhanden, kann keine adäquate Aktivierung des spezifischen Immunsystems erfolgen. Eine zu niedrige Expression von HLA-DR auf Monozyten als zirkulierenden Teil der APZ resultiert in einer Immunosuppression und somit reduzierten Abwehrkraft des Körpers, die Homöostase aufrechtzuerhalten und Mikroorganismen zu bekämpfen.

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2.7.2 HLA-DR auf Monozyten bei Trauma und Sepsis

Bereits 1986 untersuchten POLK et al. Parameter des Immunsystems bei Polytraumapatienten, um Pathomechanismen der Entwicklung einer Sepsis zu ergründen. Neben der T-Zell-Aktivität widmeten sie ihre Aufmerksamkeit der HLA-DR-Expression auf Monozyten bei Patienten mit Polytrauma 112. Sie prüften, ob ein Zusammenhang zwischen einer veränderten HLA-DR-Expression auf Monozyten und der Entwicklung einer Infektion bei diesen Traumapatienten bestünde. In dieser Studie beobachteten sie eine positive Korrelation zwischen reduzierter monozytärer HLA-DR-Expression und der Entwicklung oder Anwesenheit einer schweren Infektion an den Tagen sieben bis acht und zehn bis zwölf nach Traumageschehen. HERSHMAN et al. untersuchten 1990 ebenfalls das HLA-DR auf Monozyten bei traumatisierten Patienten 113. Am Ende ihrer Studie konnten sie aus 60 Traumapatienten drei Gruppen bilden. Patienten mit komplikationslosem Verlauf und schneller Genesung erreichten den Normalwert der HLA-DR-Antigene auf Monozyten nach einer Woche wieder. Bei Patienten, die hingegen eine Sepsis entwickelten, pendelte sich der HLA-DR- Normalwert erst nach drei Wochen wieder auf den Ausgangswert ein. Patienten, die verstarben, kehrten ante mortem nicht mehr auf den Normalwert zurück.

Andere Autoren veröffentlichten in folgender Zeit ähnliche Forschungsergebnisse. DÖCKE et al. demonstrierten, dass eine abnehmende MHC-Klasse-II-Expression auf Monozyten, die länger als fünf Tage andauerte, mit dem Ausbruch einer schweren Sepsis einherging 114. In einer weiteren Studie wurde die HLA-DR-Expression auf Monozyten bei Patienten, die sich einer Herztransplantation unterzogen, über einen postoperativen Zeitraum von 28 Tagen überwacht 115. Nach einem Tag konnte ein initialer Abfall der HLA-DR- Dichte auf Monozyten auf 31% des präoperativen Ausgangswerts beobachtet werden. Die niedrigste HLA-DR-Dichte wurde am dritten Tag mit 18% ermittelt.

27 von 34 Patienten zeigten keine oder eine leichte Infektion. In dieser Gruppe erholte sich der HLA-DR-Level nach sieben bis zehn Tagen auf eine HLA-DR- Dichte von 50% und nach 28 Tagen auf 100% des präoperativen Ausgangswerts.

Vier der 34 Patienten entwickelten eine schwere Sepsis, wovon drei Patienten verstarben. Die Antigenlevel der gestorbenen Patienten verliefen kontinuierlich unterhalb der 25%-Marke. Da bereits nach 24 Stunden eine starke Abnahme des

(33)

HLA-DR beobachtet werden konnte, wurde der Zeitraum zwischen Narkoseeinleitung und den anschließenden 24 Stunden bei Patienten mit Herz- Thorax-Operationen genauer untersucht. In dieser Studie konnte eine signifikante Abnahme der Dichte der HLA-DR-Moleküle auf Monozyten bereits nach Einleitung der Narkose, noch vor chirurgischer Intervention, ermittelt werden.

Auch hier ergaben die Messungen eine Reduktion der Antigendichte nach 24 Stunden auf 30% der Ausgangswerte vor der Narkoseeinleitung 116. Wiederholte chirurgische Interventionen beeinflussten die HLA-DR-Dichte allerdings nicht zusätzlich 117.

Einige Botenstoffe scheinen in der HLA-DR-Regulierung bei Sepsis eine entscheidende Rolle zu spielen. IL-10 wird von einigen Autoren eine maßgebliche HLA-DR-Komplex-regulierende Bedeutung beigemessen. Während mehrerer Messungen bei septischen Traumapatienten wurde eine Erhöhung der IL-10- Konzentration bei gleichzeitigem Abfall der HLA-DR-Dichte auf Monozyten nachgewiesen 118,119. Eine dem HLA-DR-Abfall entgegengesetzte Wirkung konnte mit Granulozyten-Makrophagen-Kolonie-Stimulierendem-Faktor (GM- CSF) erzielt werden 120. Bei täglicher Gabe von 5µg/kg GM-CSF über drei Tage an Intensivpatienten mit Sepsis erholte sich die HLA-DR-Dichte auf den Monozyten aller Patienten wieder auf Normalwerte. Gleichzeitig wurde eine Besserung des Gesundheitszustands der Patienten beschrieben, welcher sich durch Ausbleiben febriler Zustände bei acht von zehn Patienten nach GM-CSF- Gabe sowie einem Nicht-Anstieg proinflammatorischer Botenstoffe äußerte 120. Eine ebenfalls HLA-DR anhebende Wirkung entfaltete der Einfluss von IFN-γ.

Neun septischen Intensivpatienten mit niedrigen HLA-DR-Konzentrationen wurde einmalig 100µg IFN-γ subkutan gespritzt, worunter auch sie eine Besserung der HLA-DR-Dichte und des Gesundheitszustandes erfuhren 114.

(34)

3. Fragestellung

Die MHC-Klasse-II-Expression auf Antigen präsentierenden Zellen ist essentiell für die Initiierung einer T-Helferzell-Antwort und damit für die spezifische Immunreaktion. Diese Expression auf Monozyten, insbesondere von HLA-DR als am stärksten exprimiertes humanes MHC-II-Molekül, spiegelt den aktuellen Status der zellulären Immunkompetenz wider. Eine starke Verminderung der monozytären HLA-DR-Expression ist Zeichen für eine global eingeschränkte Immunkompetenz. Man findet sie nach Operationen, Trauma und bei systemischen Infektionen. Für Patienten, die ein schweres Trauma erleiden, kann ein komplikationsreicher Krankheitsverlauf beginnen, der die Gefahr birgt, in einem späten Tod zu enden. Viele dieser Patienten leiden Tage und Wochen nach Traumageschehen unter der Entwicklung lebensbedrohlicher Syndrome.

Hierzu zählen MODS, SIRS und Sepsis, deren Ursache und Pathogenese bisher nicht geklärt werden konnten.

Ziel dieser Arbeit ist die Aufklärung eines Zusammenhangs zwischen Polytrauma, veränderter HLA-DR-Expression auf Monozyten und dem Ausbruch dieser lebensbedrohlichen posttraumatischen Krankheitssyndrome.

Folgende Fragen sollen beantwortet werden:

• Besteht bei Patienten mit Polytrauma eine Veränderung der HLA-DR- Expression auf Monozyten?

• Welchen Verlauf nimmt die HLA-DR-Expression während der posttraumatischen Phase?

• Kann die Bestimmung des HLA-DR zur prognostischen Einschätzung des klinischen Verlaufes beitragen?

(35)

• Besteht bei diesen Polytraumapatienten ein Zusammenhang zwischen einer möglichen Veränderung der monozytären HLA-DR-Expression und...

(1) ... der Entwicklung eines MODS?

(2) ... der Entwicklung eines SIRS?

(3) ... der Entwicklung einer Sepsis?

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4. Material und Methodik

4.1 Patientenkollektiv

Für die klinisch-experimentelle Untersuchung des HLA-DR auf Monozyten wurden zwei Patientengruppen rekrutiert.

Die erste Gruppe (Versuchsgruppe) umfasste 24 Patienten, die polytraumatisiert waren. Die schwer verletzten Patienten wurden entweder unmittelbar von der Unfallstelle in die Notaufnahme der Unfallchirurgischen Klinik der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) befördert oder innerhalb von 24 Stunden nach Unfallgeschehen von einem primär versorgenden Krankenhaus auf die unfallchirurgische Intensivstation der MHH verlegt. Ausschlaggebend für eine Aufnahme in die Studie war ein Mindeststand von 20 Punkten auf dem Hannover Polytraumascore (PTS, vgl. folgender Abschnitt 4.1.1). Ausgeschlossen waren Patienten, die vor dem vierten Tag nach Aufnahme verstarben oder jünger als 16 Jahre waren.

Die zweite Gruppe (Kontrollgruppe) umfasste acht Patienten, welche einer Operation unterzogen wurden. Alle Patienten der Kontrollgruppe erhielten eine Totalendoprothese der Hüfte. Ebenfalls ausgeschlossen waren Patienten unter 16 Jahren.

Die Patienten mit Polytrauma wurden nachträglich aufgeklärt, oder es erfolgte im vorhinein eine Aufklärung und Einverständniserklärung von Angehörigen.

Sämtliche Maßnahmen, welche die Patienten betrafen, gingen konform mit den Empfehlungen des Weltärztebundes in der revidierten Fassung der Deklaration von Helsinki ein 121.

Zur Feststellung der Normalwerte für HLA-DR-Moleküle auf Monozyten wurde zusätzlich an einem Zeitpunkt Blut neun gesunder Probanden untersucht.

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4.1.1 Hannover Polytraumascore (PTS)

Der Hannover Polytraumascore (PTS) wurde entwickelt, indem 750.000 Ausprägungen zu Verletzungen von Schädel, Thorax, Abdomen, Becken, Wirbelsäule und Extremitäten sowie das Alter bei 696 polytraumatisierten Patienten in einer Diskriminanzanalyse gewichtet wurden 122. Daraus konnte ein Schlüssel errechnet werden, nach dem die Einzelverletzungen der Patienten bestimmte Punktwerte erhalten, welche addiert werden. Durch die Höhe der ermittelten Punktzahl des PTS lässt sich nicht nur eine Aussage treffen, ob überhaupt ein Polytrauma vorliegt, sondern auch der Schweregrad des Traumas abschätzen. Es wird somit der Gesamtzustand des Patienten beurteilt. Von der Gesamtpunktzahl lässt sich nicht auf die Einzelverletzungen zurückschließen.

Ein für die Studie relevantes Polytrauma lag dann vor, wenn die sich aus den Punkten der einzelnen Verletzungen ergebende Summe mindestens 20 Punkte betrug.

Der Summe der Punktzahl folgt eine Gruppeneinteilung.

≤11 Punkte: Gruppe I 12-30 Punkte: Gruppe II 31-49 Punkte: Gruppe III

≥50 Punkte: Gruppe IV

Nachfolgend sind die Einzelverletzungen mit dahinterstehender zugehöriger Punktzahl aufgeführt (Tab. 2).

Referenzen

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