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Archiv "Walther Straub und der Phosphor Ein Lehrstück aus Politik und Wissenschaft" (26.12.1994)

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Walther Straub und der Phosphor Ein Lehrstück aus

Politik und Wissenschaft

Wolfgang Forth

p

hosphor war ein altes Ar- beitsgebiet von Walther Straub (8, 9 , 10). Seine An- wendung in der Medizin zur Steigerung des Knochenwachstums war mit der Verfügbarkeit von Vit- amin-D-Präparaten, AT10 einge- schlossen, obsolet geworden. Es war dementsprechend auch nicht gerade verwunderlich, daß die deut- schen Ärzte während des Krieges über Phosphor eigentlich wenig wußten. Im 2. Weltkrieg kamen Brandbomben zur Anwendung, die Phosphor in zunächst erheblichen Mengen (17 Prozent und mehr) ent- hielten und die als Nachfahren fran- zösischer Brandsätze aus dem 1.

Weltkrieg zu betrachten sein dürf- ten (8). Walther Straub hat mit un- vergleichlicher Diktion die Ge- schichte der kriegerischen Verwen- dung von Phosphor seit dem 18.

Jahrhundert in den Strassburger Monatsheften (11) beschrieben. Im gleichen Tenor gibt es einen Feld- postbrief (14), der für Medizinstu- denten gedacht war und von der Wehrmachtsbetreuung der Univer- sität München verlegt wurde, der sich in jenem Surrogatzeitalter mit den Kaffeenöten auseinandersetzte, unter denen Straub gelitten hat.

Straub, der in seiner Freizeit auch als Maler und Zeichner tätig war, hinterließ uns zwei Skizzen zu die- sem Themenbereich, von denen ei- ne, nämlich die zum Thema Phos- phor, uns zeigt, wie zornig er dar- über war, daß damit unsere Städte angezündet wurden (Abbildung 1).

Der Dissens

Als Walther Straub in den Jah- ren 1943 und 1944 diesem The-

Walther Straub, 1923 bis 1994 Inha- ber des Pharmakologischen Lehrstuhls der Universität München, galt als un- abhängiger Geist, der auch im Dritten Reich mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg hielt. Auch Wolfgang Heub- ner, der Berliner Pharmakologe, wur- de in jenen Zeiten ein bestimmter Spielraum im „Wohlverhalten" zuge- standen. Beiden ist sicherlich nicht ab- zusprechen, daß sie Patrioten waren.

Dennoch sind sie in den letzten Jahren des Dritten Reiches in Anlässe ver- wickelt gewesen, die, hätte es eine freie Presse gegegeben, unschwer Schlagzeilen gemacht hätten.

menkreis seine Aufmerksamkeit schenkte, war „das Glück" von der Seite des kriegsführenden Dritten Reiches bereits gewichen. Die Bombenangriffe nahmen zu, und von allen Fronten gab es eigentlich nur Hiobsbotschaften. Straub scheint sich damals seiner ursprüng- lichen chemischen Arbeit über Phosphor (1903) erinnert zu haben, die zunächst einmal den Apothe- kern erlaubte, elementaren Phos- phor (gelben Phosphor) so vorrätig zu halten, daß daraus Arzneimittel hergestellt werden konnten. Welche Schwierigkeiten Phosphor in einer Offizin machen konnte, wissen älte- re Apotheker noch lebhaft zu be-

VValther-Straub-Institut für Pharmakologie und Toxikologie (Vorstand: Prof. Dr. med. Wolf- gang Forth) der Ludwig-Maximilians-Univer- sität München

richten. Straubs Empfehlung, Phos- phor mit Kupfersulfat unschädlich zu machen, war hier ein guter Tip.

Bekanntlich reagiert elementarer Phosphor mit Sauerstoff und wird auf diese Weise oxidiert. Diese Oxi- dation läuft schlagartig mit heller Flamme ab. Hier ist auch das Ge- heimnis zu sehen, weshalb Phos- phor in kriegerischen Gesellschaf- ten zum Zündeln benutzt wird.

Deshalb wird elementarer Phos- phor auch heute noch unter Wasser gehalten. Verdunstet das Wasser und trocknet der Phosphor aus, fängt er unweigerlich zu brennen an. In jener späten Phase des zwei- ten Weltkrieges gab es schon eine fortgeschrittene Version der Brand- bomben, die nur noch wenig mehr als 3 bis 6 Prozent Phosphor ent- hielten, der lediglich zum Zünden einer gallertigen Mischung aus Ben- zol oder Benzin mit Kunstharz oder Kautschuk enthielt (Dr. von Ondar- za, 1944). Das waren die Vorläufer jener Waffen, die wir heute als Na- palmbomben bezeichnen.

Walther Straub (Abbildung 2) hat sofort reagiert (9, 12). Zur prak- tischen Anwendung ist eine Paste empfohlen worden, die später allge- mein als Straubsche Paste bezeich- net wurde (Tabelle): Der Rezeptur liegt die Beobachtung zugrunde (5), daß elementarer Phosphor, wenn er mit kupfersulfathaltigen Lösungen in Berührung kommt, zunächst schwerlösliches Cu 3P2 bildet. Dies zeigt sich durch die schwärzliche Verfärbung der Oberfläche der Stücke von gelbem Phosphor an.

Diese Schutzschicht, die offensicht- lich den gelben Phosphor vor Oxi- dation schützt — es kommt nicht mehr zur Rauchbildung und zum Aufflammen des Phosphors —, ver- Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 51/52, 26. Dezember 1994 (37) A-3567

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MEDIZIN

färbt sich nach einiger Zeit ins Röt- lich-Braune und zeigt dadurch an, daß metallisches Kupfer gebildet wurde. Straub (1903) konnte die hohe Avidität des Phosphor für Kupferionen zeigen: die Grenze der Reaktion zwischen Kupfersulfat und Phosphor liegt bei 1:1 Million.

Für die Behandlung wurde als unte- re Grenze eine 1-prozentige Kup- fersulfatlösung empfohlen; um auf der einen Seite Kupfer zu sparen und auf der anderen Seite die Reak- tion sicher ablaufen zu lassen, wur- de im Laufe der Zeit dann eine we- nigstens 1,25prozentige Kupfersul- fatlösung hergestellt. Eine Paste eignete sich hervorragend zum Auf- bringen auf die Wunden (vergleiche Rezept), während die Lösung bei- spielsweise zur Behandlung von Kleidungsstücken empfohlen wur- de. Da Kupfer nicht in unbegrenz- ten Mengen zur Verfügung stand, entzündete sich die Diskussion vor allen Dingen darüber, daß für derlei Zwecke das kriegswichtige Metall nicht erhältlich sei. Darauf wird noch einzugehen sein.

Die Alternative oder

„vorauseilender Gehorsam",

wenn oben einer die Augenbrauen hochzieht

Es ist auch heute noch interes- sant zu sehen, daß die Redaktion der MMW im unmittelbaren An- schluß an den Bericht von Straub über die Phosphor-Brandwunden- Behandlung (10) gewissermaßen in der vorauseilenden Einsicht, daß in der Medizin auch der abweichen- den Meinung der gebührende Platz einzuräumen ist, zumal er höheren Ortes offensichtlich favorisiert wur- de, einen Beitrag von Dietlein (1) abdruckte, der die Standardthera- pie der Brandwundenbehandlung resumiert.

Dabei wird eine Suspension von Natriumbicarbonicum und Tan- nin empfohlen.

Die Dietleinschen Erfahrungen sind natürlich ausgesprochen gut:

„Einstimmig rühmten die Kranken gleich nach Auftragen der Salbe die

DIE UBERSICHT

Abbildung 1 a,b: Walther Straub war ein begabter Amateur-Maler. In seinem Nachlaß fanden sich die beiden „Entwürfe". Der eine, wohl in leicht depres- siver Gemütslage gezeichnet, betrifft die Klage über den Mangel an Bohnenkaffee, darunter haben viele Deutsche in jener Zeit gelitten. Der zweite ist wohl 1943/44 entstanden und hat den Zorn über die Luftangriffe zum Gegenstand.

kühlende Wirkung; die heftigen Schmerzen ließen nach Auftragen der Salbe bald nach, so daß sie Ga- ben von schmerzlindernden Mitteln erübrigten." Hier soll angemerkt werden, daß diese sogenannte Stan- dardbehandlung vor allen Dingen von der Luftwaffe und ihrem Medi- zinerstab vertreten wurde. Zum Ra- tionale jener Lösung hat sich dann Forst (2) in der MMW aufgrund ei- ner Leseranfrage geäußert. Wagner (17), ein Oberarzt des Städtischen

Krankenhauses Frankenthal, Saar- pfalz, wie der Gau damals genannt wurde, hatte dann alsbald Gelegen- heit, beide Therapieformen mitein- ander zu vergleichen. Er hatte näm- lich die Möglichkeit, nach einem Luftangriff standardbehandelte Pa- tienten zu Gesicht zu bekommen:

„Dagegen kamen in letzter Zeit mehrere Fälle in Behandlung, die in der , Terrornacht` (Anführungszei- chen vom Verfasser dieses Beitra- ges eingefügt) und später anderwei- tig bloß mit Salbenverbänden be- handelt wurden und wegen schlech- ter Heilungstendenzen mir zur Wei- terbehandlung überwiesen wurden.

Diese Phosphor-Verletzten standen also schon sechs bis acht Wochen und teilweise noch länger in Be- handlung, ohne daß ein Fortschritt in der Behandlung zu verzeichnen war. Oder andere Fälle zeigten be- sonders an den Händen auf den früheren Brandstellen eine Überhäu-

tung, wo selbst sich nach einigen Ta- gen flache Blasen zeigten, bei deren Entfernung sich dünnflüssiger, grün- licher Eiter entleerte. Ich war der Ansicht, daß sich in diesen Wunden immer noch kleine Phosphorparti- kel befanden, welche die schlechte Heilung verursachten."

Es gelang Wagner auch in die- sen Fällen, mit der Straubschen Paste rasch zu behandeln.

Der Streit

Offenbar hat die Auseinander- setzung um die Straubsche Paste auf der einen Seite und die Stan- dardbehandlung von Brandwunden weitere Kreise gezogen. Dabei hat sich die Luftwaffe wohl mit Verweis auf ihre Erfahrungen im Kriege sehr in die Brust geworfen, zumal an allen Fronten ja auch schon seit Jahren Phosphor-Brandwunden, beispielsweise hervorgerufen durch Leuchtspurmunition, zu behandeln waren. Straub hatte aber „mächti- ge" Bundesgenossen. Der Brief- kopf lautet: „Der Leitende Arzt der SS und Polizei beim Höheren SS- Polizeiführer Main im Wehrkreis XIII". Der Brief trägt das Datum vom 24. Mai 1944 und ist in Nürn- berg abgefaßt. Unterschrieben ist er

(3)

von Herrn Dr. Wegner (18), Ober- feldarzt der Polizei. Adressiert ist er an den Chef des Sanitätswesens der Ordnungspolizei — Hauptamt der Ordnungspolizei — in Berlin NW7, Dorotheenstr. 49. Dieses Doku- ment ist lesenswert. Offensichtlich wurde Herr Dr. Wegner zu einer Stellungnahme von seinen Vorge- setzten aufgefordert, möglicherwei- se gar sich zu rechtfertigen. Unter der Zwischenüberschrift „Der An- bruch der Ära Straub" berichtet Dr.

Wegner: . . .

„Vor der großen und einschnei- denden Tatsache, daß Straub als er- ster den Phosphor endlich äthiolo- gisch zu fassen, ihn, um den Gelehr- ten eigenes Wort zu nehmen, selbst zu vergiften' gelehrt hat, daß er den Heilplan, von den bisher allein beachteten Phosphorsäuren (der bloßen Asche des Phosphors) klar und entschlossen auf den Phosphor selbst als Hemmschuh der Heilung hingelenkt hat, haben auch die in der Praxis seiner Lehre noch trotzenden Widersacher schweigend den Degen senken müssen. Volle neun Monate hätten zu einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung auf offenem Forum zur Verfügung gestanden."

Unter der nächsten Zwischen- überschrift „Die Auswirkung der Straubschen Lehre auf den LS-Ort Nürnberg-Fürth" fährt der Verfas- ser des Briefes fort:

„. . das Erscheinen des I.

Straubschen Aufsatzes zwang auch den Unterzeichneten dazu, sich ein- gehend mit dem neuen Mittel zu be- fassen. Nach einer gründlichen Aus-

sprache mit dem Gelehrten, welcher ein in seiner Beweiskraft verblüffen- der Versuch eingestreut war, wäre dem Antragsteller eine Gleichgültig- keit oder Untätigkeit geradezu als dienstliche Gewissenlosigkeit er- schienen . . ."

Hier wird offensichtlich deut- lich, daß der Berichterstatter in ei- nem gewissen Zugzwang war und begründet, weshalb er auf die Straubschen Therapievorschläge eingegangen ist. Er legt dann im fol- genden dar, wie die Versorgung der Polizei und Luftschutzdienststellen mit der Straubschen Paste bis zum Ende Februar 1944 organisiert wor- den ist.

Abbildung 2: Walther Straub in seinen besten Jah- ren. Die Aufnahme überließ Frau Dipl.-Chem. (Ver- bandsexamen) E. Triendl (gest. 1994), eine Mitar- beiterin von W. Straub, dem Verfasser nach seinem Dienstantritt in München 1980

Dann folgt ein Absatz über

„Tiefe Verankerung des Straubschen Mittels im Vertrauen der Bevölke- rung", über das „ Um sich Greifen des Interesses in BdO-Bereich XIII"

sowie der Bericht über die „Paral- lelaktion des Gauleiters Franken".

Dabei führt Dr. Wegner aus:

„ Unterzeichneter meldete, den Auftrag nicht ausführen zu kön- nen", nämlich die Demonstration der Wirkungsweise des Straubschen Mittels, „ weil folgende Hindernisse vorlägen:

O Hätte er inzwischen von ei- nem Sanitätsoffizier der Luftwaffe erfahren, daß die Sanitätsinspektion der Luftwaffe eine Werbung für die Straubschen Mittel wegen der Ver- knappung des Kupfers nicht wün- sche.

Bestünden Bedenken über Mangel an Aufbewahrungsgefäßen wegen der Verknappung der Erzeug- nisse der Glasindustrie."

Den zweiten Einwand entkräf- tete der Gauleiter durch die soforti- ge Anordnung einer Sammlung von Flaschen und Gläsern durch seine politischen Gliederungen. Dem er- sten Einwand begegnete er „mit der Versicherung des Vertrauens darauf, daß dem Unterzeichneten nach Ge- lingen der Erstbeschaffung für die

Polizei auch das Aufbringen der nötigen Kupfersulfatmengen für sei- ne Zwecke ebenfalls aus ortslagern- den Beständen und wiederum ohne Schmälerung eines kriegsbeachtli- chen Bedarfsträgers glücken müsse."

In diesem Beitrag ist dann außerdem noch vom „Vortrag beim Reichsärzteführer" berichtet, der sich durch die „verblüffende Rapid- wirkung der Straubschen Paste" be- eindruckt zeigte.

Schließlich wird ausführlich dargelegt, daß zur Herstellung der Straubschen Mittel der Rückgriff auf Kupfer für die kriegswichtige Produktion entbehrlich ist: „So selbstverständlich der Unterzeichne- te für den gewissenhaften Vollzug des aus Anlage VIII ersichtlichen Verbots des Chefs des Sanitätswe- sens der Luftwaffe verpflichtet war, so wenig konnte irgendein Ungehor- sam gegen den Hoheitsträger der Partei und zuständigen Reichsvertei- digungskommissar in Frage kom- men, zumal der Auftrag an den Un- terzeichneten nicht als Polizeiarzt, sondern als Parteigenosse erfolgte.

Wie wohl nun dem Unterzeichneten schon wenige Stunden nach dem Auftrag des Gauleiters ein Zentner Schrott Kupfer aus einem einzigen der unzähligen Schutthaufen, deren restlose Durchwühlung und Aus- beutung bis zum Kriegsende gar nicht denkbar ist, zu Gebote stand, sah er seinen Ehrgeiz darin, unter Beweis zu stellen, daß das Straub- sehe Problem am Kupfermangel un- ter keinen Umständen scheitern kann, unterstrichen."

Der Vorschlag, auf Altkupfer, beispielsweise aus alten Kupferlei- tungen, die in den in Trümmer ge- legten Gebäuden unserer Städte sehr wohl zu finden seien, zurück- zugreifen, geht auf einen Straub- schen Vorschlag direkt zurück.

Dr. Wegner fährt dann fort mit einem Absatz über „Überholung des Verbotes durch den weit fortge- schrittenen Stand des Straubschen Schutzes" und erörtert sodann „Die Wirkung des Verbotes auf die Stim- mung der Bevölkerung":

Im Chemischen Zentralblatt 1943, I. wurde auf Seite 2705 eine Arbeit von A. D. K. Peters referiert

„Behandlung von Phosphorver- Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 51/52, 26. Dezember 1994 (39) A-3569

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MEDIZIN

brennungen", die im Lancett (1943) veröffentlicht wurde. Außerdem hat sich offensichtlich auch das Bri- tish Medical Journal vom 28. Januar 1943 mit dieser Problematik befaßt:

„The inactivation of phosphorous an the skin" (Brief von W. Straub vom 7. Juli 1944 an den Oberfeld- arzt der Polizei, Herrn Dr. Wegner (15). Dort wird die von Straub schon 1903 beschriebene Methode der Inaktivierung gelben Phosphors durch Kupfersulfat für die Behand- lung mit Phosphor verunreinigter Brandwunden empfohlen.

Dr. Wegner beschließt seinen Brief vom 24. Mai 1944 mit der Bit- te und der Beantragung, durch ge- eignete Schritte einen beschleunig- ten Abschluß der wissenschaftli- chen Ermittlungen über die Ver- wendbarkeit von Kupfersulfat ent- haltenen Aufschwemmungen und Lösungen herbeizuführen und vor allem „einem über besonders gute chemische - und pharmakologische Kenntnisse verfügenden Sanitäts- offizier der Polizei ein entsprechen- des Referat für die Arbeitstagung der beratenden Ärzte der Wehrmacht und Polizei auftragen zu wollen, da- mit die Führung in dieser Frage tun- lichst der Polizei gesichert werde".

Hier gab es also offensichtlich auch schon ein Kompetenzgerangel.

Es würde zu weit führen, jetzt auch noch darüber zu berichten, daß Oberfeldarzt Dr. Wegner am 26. Mai 1944 einen Bericht der Ge- genseite, nämlich aus der Sicht der Luftwaffe an den leitenden Arzt der SS und Polizei auf Marsch setzt, der von Herrn Dr. R. v. Ondarza (1944) unterschrieben wurde.

In diesem Zusammenhang hat sich dann auch noch ein Dipl.-Ing.

B. Klaes der Gesellschaft für Elek- trometallurgie in Nürnberg zu Wor- te gemeldet, der darüber berichtet, daß „ in Nürnberg mehrere Werke (sind), in denen für diesen Zweck brauchbbare Kupferbeizen anfallen (3). Dasselbe wird an anderen Orten Deutschlands der Fall sein, zum Bei- spiel alle Kabelwerke und alle Werke der Kupferdrahtindustrie. Es dürfte auf diesem Wege ohne mit der heuti- gen Bewirtschaftung von Kupferab- fällen in Konflikt zu kommen, genü- gend Material für den Zweck der

DIE UBERSICHT

Bekämpfung von Phosphorbrand- wunden gewonnen werden können", nämlich die Aufarbeitung der Beiz- bäder bei der Drahtherstellung be- nutzen, aus denen beispielsweise aus 2,5 m3 Beizlauge 200 kg Kupfer- sulfat hergestellt werden konnten.

Das wiederum beflügelte den Herrn Oberfeldarzt Dr. Wegner (15), in- dem er unter anderem auch davon berichtete, daß er den Gauleiter von Unterfranken (das war seiner- zeit Dr. Hellmuth, seines Zeichens Zahnmediziner) für die Straubsche Methode gewinnen konnte.

Walther Straub hat nach die- sem Streit gezeichnet. Hier existiert ein Brief ohne Datum an Herrn Stabsarzt Dr. Huschke (16), der wohl ein Schüler von Walther Straub war:

Tabelle: Rezeptur der

„Straubschen Paste"

Rp.

Cupri sulfurici 20,0

Aquae 1000,0

adde Boli albae 700,0 M. f. Pasta

D. ad ollam gris.

(Cave vasa metallica!) S. für Phosphor- Brandwunden.

Äußerlich!

„Sehr geehrter Herr Kollege und guter Konrad! Ich will mich nur bedanken für Ihren sehr herzhaften Brief, der mich sehr gefreut hat, be- sonders, weil ich selbst ein leiden- schaftlicher Zivilist bin und die Schwäche der Heilgeneräle schon lange kenne. Ich weiß allerhand, ich darf aber jetzt nicht offener spre- chen. Zum Beispiel ist in der letzten Zeit irgendwo ein Sängerkrieg gewe- sen, bei dem die einzelnen Sänger, es waren übrigens auch Beckmesser darunter, ihre private, eigene Mei- nung im Rucksack mit sich trugen, dort präsentierten, die anderen Mei- nungen gar nicht anhörten, sondern einschliefen und befriedigt nach Hause gingen. So war das Vaterland gerettet . . . Ich erinnere mich noch mit Vergnügen an die angenehmen Zeiten, da ich mir noch über Alex-

ander, den VI., bei den hiesigen Pharmazeuten meinen Schnabel ver- brennen konnte. Wenn Sie mich von dieser Zeit her noch in Erinnerung haben, so möchte ich Ihnen eine an- dere Kostprobe meines Schnabelver- brennens beilegen, in die Sie viel- leicht in einer ruhigen Minute einen Blick tun können.

In dieser Sache bin ich ebenfalls schon zu Beginn des Krieges beim Militär abgefahren.

Sonst aber alles Gute und

‚mach' End, oh Herr, mach' Ende!' Ihr ergebener" unterzeichnet Straub.

Nicht lange nach diesem Brief- wechsel ist das Institut von Walther Straub in der Münchener Nuß- baumstraße einem Bombenangriff im Juli 1944 zum Opfer gefallen.

Hier gibt es noch einen Zeitzeugen, nämlich unseren Kollegen Profes- sor Dr. Dr. h. c. Th. Hellbrügge. Ich entnehme einem Brief vom 11. 2. 1994 das folgende:

„Es war auch wirklich ein un- vergessenes Erlebnis, die beiden al- ten Straubs, beide in schwarz und mit Hut, hilflos vor dem brennenden Gebäude sitzen zu sehen. Leider hat man damals noch nicht so schnell photographiert wie heute. Ich könn- te es fast noch malen: das brennende Institut, die löschenden Medizinstu- denten (mit Wassereimer und Eimer- kette) und davor das resignierende Geheimratspaar."

Walther Straub ist dann im Herbst 1944 an den Folgen eines Schlaganfalls gestorben.

Nachbetrachtungen des Verfassers

Ich möchte Mißverständnisse vermeiden. In den letzten Kriegs- wochen war ich Melder des deut- schen Jungvolkes; da war ich gerade zwölf Jahre. In dieser Funktion ha- be ich auch den Angriff vom 16.

März 1945 auf Würzburg erlebt.

Zuvor ist meine Mutter mit mir und meiner drei Jahre älteren Schwester nach Würzburg ausgewichen, weil in Mannheim die Luftangriffe uner- träglich wurden. Im Januar 1945 sind wir dann in Mannheim ausge- bombt worden.

(5)

Zu melden gab es in der Zeit zwischen 20.00 und 20.20 Uhr am 16. März 1945 nicht allzu viel. Ich habe meine Mutter, meine Schwe- ster und meine Tante am Morgen des 17. März vor unserer ausge- brannten Wohnung wiedergetrof- fen. Wir sind dann mit unseren Habseligkeiten über jenen Hügel nach Lengfeld gezogen, der damals dem General der Aufklärungsflie- ger als Standort-Flugplatz diente.

Dabei gingen wir nicht nur sorgfäl- tig um die allenthalben herumlie- genden „Phosphorkanister" herum, sondern trotteten verdreckt, über- müdet, aber doch immerhin so auf- merksam im Kar6e, daß wir uns ge- genseitig die Schuhe beobachten konnten: von Zeit zu Zeit züngelten dort nämlich kleine Flämmchen auf. Offenbar immer dann, wenn der Phosphor der Brandsätze, von dem wir auch nicht verschont ge- blieben sind, abgetrocknet war und zu oxidieren begann. Walther Straub gehörte zu denjenigen Deut-

schen, die nicht ahnen konnten, welches Leid in unserem Namen über die europäische Menschheit gebracht wurde. So kann ich seine Empörung über seine englischen Freunde verstehen, denen er die Anwendung von Giftgasen unter- stellte, weil er die systemische Phos- phorvergiftung fürchtete. Sie spielte aber nur marginal und in wenigen Einzelfällen eine Rolle. Walther Straub ist aber sicherlich verborgen geblieben, wie unangenehm diese ganze Diskussion über einen mögli- chen Giftgaseinsatz seinen Mitstrei- tern aus den Reihen der SS sein mußte, die ja nun im Jahre 1944 ge- wärtig waren, daß die grauenhaften Verbrechen in den KZs unseren Gegnern mehr und mehr bekannt wurden, nämlich in dem Maße, in dem diese Schindanger von den vor- rückenden Truppen, vor allen Din- gen der Roten Armee, eingenommen wurden. Walther Straub hat in Wahr- nehmung seiner ärztlichen Pflichten klug, umsichtig und rasch gehandelt.

Erstaunlich bleibt im Rückblick heu- te, was man so im Dritten Reich äußern konnte, wenn man es nur konsequent genug getan hat.

Anläßlich des 85. Geburtstages Herrn Prof.

Dr. Albert Oeckl in Verehrung gewidmet.

Deutsches Arzteblatt

91 (1994) A-3567-3571 [Heft 51/52]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonder- druck, anzufordern über den Verfasser.

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. med. Wolfgang Forth Vorstand des

Walther-Straub-Instituts

für Pharmakologie und Toxikologie der Ludwig-Maximilians-

Universität München Nußbaumstraße 26 80336 München

Keine erhöhte Nitrosaminbildung unter antisekretorischer Therapie

Seit vielen Jahren ist bekannt, daß die Nitrosaminbildung im Ma- gen säureabhängig ist und beson- ders ausgeprägt in einem pH-Be- reich zwischen eins und zwei erfolgt.

Wird durch eine antisekretorische Therapie das Magen-pH in Rich- tung pH 7 verschoben, kann es zu einer bakteriellen Fehlbesiedlung kommen.

Allerdings reicht die Aktivität der Bakterien, Nitrate zu Nitriten zu reduzieren nicht aus, um die ho- hen Werte zu erreichen, wie sie in einem sauren Milieu vorkommen.

Die Autoren untersuchten den Bakteriengehalt des Magensaftes bei 14 Freiwilligen, die ein oder zwei Wochen lang 20 mg Omepra- zol erhalten hatten. Zwar nahm die

Zahl der nitratreduzierenden Bak- terien im Magen signifikant zu, je- doch fand sich keine Änderung der N-Nitrosoverbindungen oder der Nitrat- oder Nitritkonzentrationen.

Ähnliche Daten liegen im übrigen auch von den H2-Blockern vor. W

Verdu E, Viani F, Armstrong D et al.: Ef- fect of omeprazole on intragastric bacteri- al counts, nitrates, nitrites, and N-nitroso compounds. Gut 1994; 35: 455-460 Division of Gastroenterology, Polycli- nique Medicale Universitaire , Rue Cesar- Roux 19, CH-1005 Lausanne

Famotidin,

Alkohol und Gastrin

Einige H2-Rezeptorantagoni- sten wie Cimetidin, Ranitidin und Nizatidin führen in Verbindung mit mäßigen Alkoholmengen zu über- höhten Blutalkoholspiegeln. Unter Famotidin sind derartige Verände- rungen nicht beobachtet worden.

Die Autoren untersuchten bei zehn gesunden Freiwilligen den Blutalkoholspiegel nach Konsum

von 500 ml Bier während einer 28tä- gigen Therapie mit 40 mg Famoti- din oder Plazebo.

Unter dieser täglich verab- reichten Biermenge waren keine Änderungen der Blutalkoholspiegel im Vergleich zu einer Plazebomedi- kation zu registrieren. Nach sie- bentägiger Behandlung konnte be- reits eine Toleranzentwicklung ge- genüber dem 11 2-Blocker nachge- wiesen werden. Ursache der Tole- ranzentwicklung ist wahrscheinlich eine gesteigerte postprandiale Ga- strinfreisetzung. Dies erklärt, war- um unter einer H 2-Blocker-Medika- tion etwa fünf Prozent der Ge- schwüre nicht zur Ausheilung zu bringen sind und, warum es unter einer Langzeittherapie in halber therapeutischer Dosis zu Durch- bruchulzera kommt.

Theyssen S, Chari ST, Joos A, Singer MV:

Effect of a 28-day-therapy with famotidi- ne on blood levels of alcohol and gastrin and intragastric pH in healthy human.

Scand J Gastroenterol 1994; 29: 398-405 Dept. of Med. IV, Städtische Krankenan- stalten, Theodor-Kutzer-Ufer, 68135 Mannheim

Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 51/52,26. Dezember 1994 (41) A-3571

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Land DE 000000111317 2 / 11 Umweltbezogene Angaben: Der Stoff/dieses Gemisch enthält keine Bestandteile, die gemäß REACH Artikel 57(f) oder der delegierten Verordnung (EU)

- nicht anderweitig genannt; NO(A)EC - Konzentration, bei der keine (schädliche) Wirkung erkennbar ist; NO(A)EL - Dosis, bei der keine (schädliche) Wirkung

Bewertung: Der Stoff oder das Gemisch besitzt keine akute dermale

Wenn Sie weitere Fragen zur Anwendung dieses Arzneimittels haben, wenden Sie sich an Ihren Arzt oder Apotheker.. Welche Nebenwirkungen

Akute orale Toxizität : LD50 (Ratte): > 5.000 mg/kg Methode: OECD Prüfrichtlinie 401 Akute inhalative Toxizität : LC50 (Ratte): > 5,53 mg/l. Expositionszeit:

Landtransport nach ADR/RID nicht anwendbar Binnenschifffahrt (ADN) nicht anwendbar Seeschiffstransport nach IMDG nicht anwendbar Lufttransport nach IATA nicht anwendbar