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Archiv "Arbeits- und Sozialmedizin: Kompetenz stärkt psychisches Immunsystem" (10.03.2000)

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rbeitgeber in Japan müssen sich seit einiger Zeit gesetz- lich verpflichten, ihre Mitar- beiter in Urlaub zu schicken. Der Grund: Immer mehr Arbeitnehmer starben an „Karoshi“, zu Deutsch

„plötzlicher Tod durch Überarbei- ten“. Dieses Phänomen erklärt Di- plom-Psychologe Eberhard Fehlau damit, dass Japaner ihre eigenen Bela- stungsgrenzen oft nicht wahrnehmen.

Lange Arbeitszeiten, kaum Pausen und ein ausgeprägter Gruppendruck seien verantwort-

lich dafür, dass die nach Stressphasen so wichtigen Erho- lungsphasen aus- fallen und man- cher Organismus mit „karoshi“ rea- giert.

Stressbewälti- gung war ein The- ma der Tagung

„Betriebliches Gesundheitsmanage- ment“, veranstaltet von der Projekt- gruppe „Gesundheit in der Arbeits- welt“ des Kölner Gesundheitsforums.

Europäer würden ihre Belastungs- grenzen zwar besser wahrnehmen als Japaner, berichtet Fehlau, doch hier stelle die Vorstufe, das Ausgebrannt- sein („Burn-out-Symptomatik“), ein zunehmendes Problem dar. Bevor der Körper mit psychosomatischen Be- schwerden reagiere, nehme die Fähig- keit des Einzelnen ab, angemessen auf Stress reagieren zu können und nach Belastungen zu regenerieren. Diese Fähigkeit sei individuell unterschied- lich und abhängig von der privaten Si- tuation: Nicht nur kritische Lebenser- eignisse wie zum Beispiel Scheidung oder Tod des Kindes schwächten das

„psychische Immunsystem“. Deutlich

gefährdet seien Singles, weil sie bei Problemen im Beruf niemanden ha- ben, der sie „auffängt“. Auch Allein- erziehende, die nach der Arbeit direkt

„in den zweiten Job, nämlich Haus- halt und Kinder, stürzen“, übergehen die nach Belastung nötige Erholungs- phase.

Als Stressfaktoren am Arbeits- platz bezeichnet Prof. Dr. Holger Pfaff, Institut für Arbeits- und Sozial- medizin der Universität zu Köln, Überstunden, Nacht- und Schichtar- beit, Angst um den Arbeitsplatz, ge- störte soziale Be- ziehungen – bei- spielsweise Mob- bing – und hohen Verantwortungs- druck, wie ihn Ärz- te haben. Monoto- ne Aufgaben und wenig Handlungs- kompetenz seien weitere Stressfaktoren: „Je mehr Handlungsfreiheit man hat, desto hö- her sind die Widerstandsressourcen.“

So sei Herzinfarkt auch keine Ma- nagerkrankheit, sondern eher in der Arbeiterschicht signifikant. Im Auf- tauen von autoritären Strukturen sieht Pfaff daher einen Ansatz zur Gesund- heitsförderung im Betrieb.

Ressource Gesundheit

Pfaff appelliert an die Unterneh- men, die Gesundheit ihrer Mitarbei- ter als „Ressource“ wertzuschätzen.

In jedem Unternehmen „sollte eine Sparte Gesundheitsmanagement er- öffnet werden“, für die Führungskräf- te, Betriebsrat und Gesundheitsex- perten zuständig sind. Erkenne man

Gesundheit als indirekten Wettbe- werbsfaktor, könnten die zusätzlichen Kosten für ihre Pflege als Investition betrachtet werden. Der Arbeitsmedi- ziner ist überzeugt, dass in Zukunft das „Gesundheits-Controlling“ ver- stärkt wird. Neben Parametern zu Ge- sundheitszustand und Gesundheitsge- fahrstoffen werde es Biopsychosozia- le Kennzahlen geben, wie „innere Kündigung“, Vertrauenskultur, Bela- stungssituation, Handlungsspielraum und Mobbing. Zur Ermittlung seien dabei Mitarbeiterbefragungen uner- lässlich.

Gisbert Jutz, DAG-Bundesvor- stand, Hamburg, befasste sich mit der Arbeitszeitgestaltung im Hinblick auf die Gesundheit. Bei der Flexibili- sierung der Arbeitszeiten seien in Deutschland bisher keine Erfolge er- zielt worden. 1998 seien im Westen 62,6 Überstunden je Jahr und Berufs- tätiger erfasst worden, im Osten 42,9.

Teilzeit gearbeitet hätten nur 18 Pro- zent der Arbeitnehmer. Bedenklich sei, dass befristete Arbeitsverträge um 12 Prozent zugenommen hätten.

Mobilzeit-Modelle

Jutz plädiert für flexible Arbeits- zeitmodelle, die die Zufriedenheit der Mitarbeiter und damit die Gesundheit stärken – 22 bis 38 Prozent der Voll- zeitkräfte wünschten sich eine Teilzeit- beschäftigung. Möglich seien hier le- bensphasenorientierte Modelle, die Entlastung schaffen in Kindererzie- hungszeiten, wenn Angehörige ge- pflegt werden müssen, oder um ins Alter hinüberzugleiten. „Mobilzeit“- Modelle* seien zudem für den Arbeit- geber Erfolg versprechend: Erwiesen sei, dass kurze Tages-Arbeitszeiten die Qualität sichern, das heißt deut- lich weniger Ausschuss produziert wird. Die Möglichkeit eines zweimo- natigen Langzeiturlaubs oder „Sabba- ticals“ – Aussteigen für ein Jahr – wür- de dazu beitragen, die Motivation und Zufriedenheit der Mitarbeiter zu

steigern. Petra Bühring

A-602 Deutsches Ärzteblatt 97,Heft 10, 10. März 2000

T H E M E N D E R Z E I T TAGUNGSBERICHT

Arbeits- und Sozialmedizin

Kompetenz stärkt

psychisches Immunsystem

Arbeitsorganisation und Stressbewältigung waren Themen der Veranstaltung „Betriebliches Gesundheitsmanagement“.

A

Gesundheitsförderung

. . . „zielt auf einen Prozess, allen Menschen ein höheres Maß an Selbstbestimmung . . .

zu ermöglichen und sie damit zur Stärkung ihrer Gesundheit zu befähigen.“

Aus der Charta der WHO

* Informationen zu flexiblen Arbeitszeitmo- dellen enthält die Broschüre „Teilzeit“ vom Bundesministerium für Arbeit und Sozial- ordnung. Kostenlos erhältlich unter Telefon:

01 80/5 15 15 10 oder im Internet: www.bma.

bund.de

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