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Archiv "Forschungsinfrastrukturen: Herausforderungen durch Big Data" (10.10.2014)

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 111

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Heft 41

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10. Oktober 2014 A 1735 FORSCHUNGSINFRASTRUKTUREN

Herausforderungen durch Big Data

Forschungsinfrastrukturen in der Medizin müssen dringend erneuert und stärker gefördert werden. Zudem muss die Auswertung der Daten stärker in den Blick kommen, fordern unter anderem Vertreter der Medizinischen Informatik.

B

ei der allerersten wissen- schaftlichen Tagung zur Da- tenverarbeitung in der klinischen Forschung im Jahr 1956 in Göt - tingen ging es noch um die loch - kartenbasierte maschinelle Auswer- tung von Geburtsverläufen. Jahr- zehnte später, bei der inzwischen 59. Jahrestagung der Deutschen Ge- sellschaft für Medizinische Infor- matik, Biometrie und Epidemiolo- gie e.V. (GMDS) am selben Ort, ist eine Medizin ohne Informations- technologie längst nicht mehr mög- lich. Unter der Überschrift „Big Data und Forschungsinfrastruktur – Perspektiven für die Medizin“ be- fasste sich die Fachgesellschaft mit der Frage, welche Chancen und Ri- siken mit einer zunehmend digitali- sierten Medizin verbunden sind.

Die Perspektiven sehen nach Meinung vieler Experten derzeit al- les andere als rosig aus. „Deutsch- land hat nicht nur marode Brücken und Autobahnen, sondern auch eine marode Forschungsinfrastruktur in

der medizinischen Forschung“, kri- tisierte der Tagungspräsident Prof.

Dr. med. Otto Rienhoff, Direktor des Instituts für Medizinische Infor- matik der Universitätsmedizin Göt- tingen. Das betrifft zwar nicht nur, aber auch wesentlich die Medizin und die Medizinische Informatik.

Alarmierende Zustände Dabei ist klar, dass für ein leis- tungsfähiges Wissenschaftssystem geeignete Infrastrukturen auf dem neuesten Stand der Technik eine zentrale Voraussetzung sind, denn

„ohne Forschungsinfrastrukturen wird man eben auch nicht kompeti- tiv forschen können“, erklärte Dr.

phil. Wilhelm Krull, Generalsekre- tär der VolkswagenStiftung, Hanno- ver. Forschungsinfrastrukturen um- fassen Krull zufolge insbesondere Instrumente und Großgeräte, die In- formations- und Kommunikations- infrastrukturen, Soft- und Hard- ware, aber auch Gebäude, Labore und die Organisationsstrukturen.

Die Situation in Deutschland ist alarmierend, wie Krull an einem Beispiel demonstrierte: Die Hum- boldt-Universität in Berlin, eine Exzellenzuniversität, verfügt über eine Nutzfläche von rund 295 000 Quadratmetern, von denen zwölf Prozent der gesamten Fläche we- gen notwendiger Sanierungsarbei- ten nicht zur Verfügung stehen.

Der Instandsetzungsrückstand wer- de auf circa 440 Millionen Euro ge- schätzt, so Krull.

An den deutschen Universitäten seien seit den 90er Jahren die Kern- haushaltsmittel deutlich zurückge- gangen. Mit der Exzellenzinitiative sollte die Wissenschaft in Deutsch- land vor allem mit Blick auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit in den forschungsintensiven Univer- sitäten gestärkt werden. Wie nach- haltig das gewirkt habe und wie eine dritte Runde der Exzellenzinitiative tatsächlich aussehen soll, sei derzeit aber noch unklar. Sein Fazit: Intak- te Infrastrukturen müssten auf die

Abbildung: Fotolia/alphaspirit

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10. Oktober 2014 Agenda sowohl jeder Landes- wie

auch der Bundespolitik, aber letzt- lich auch jeder Hochschule.

Dass Handlungsbedarf besteht, macht auch die kürzlich vorgestellte Digitale Agenda der Bundesregie- rung deutlich. Im knappen Abschnitt zu Wissenschaft und Forschung heißt es, dass „die wissenschaftlichen In- formationsinfrastrukturen gestärkt, ausgebaut und besser vernetzt“ wer- den müssen, um den digitalen Wan- del in der Wissenschaft zu forcieren.

Strategien erforderlich

Den in der Agenda erwähnten Rat für Informationsinfrastrukturen gibt es sogar bereits. Er wurde in ei- nem wettbewerblichen Verfahren des Ausschusses der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz der Uni- versität Göttingen zugeschlagen.

Aufgabe des 24-köpfigen Gremi- ums ist es, sich mit strategischen Zukunftsfragen im Bereich der In- formationsstrukturen zu befassen und Wissenschaft und Politik zu be- raten (siehe „3 Fragen an . . .“).

Von Big Data, dem Erfassen, Speichern, Verteilen, Analysieren und Visualisieren großer Daten- mengen, ist die Medizin in beson- derem Maße betroffen, so etwa in der Genomanalyse oder der Bild-

verarbeitung. Das Anwachsen gro- ßer digitaler Datenberge, vor allem in der Grundlagenforschung, führt jedoch nicht automatisch auch zu einem höheren Erkenntnisgewinn.

Der Arzt und Medizininformati- ker Rienhoff, einer der Mitglieder des Rates, weist auf weitere Proble- me hin: „Die Grundlagenforschung produziert Daten in großer Menge und in unterschiedlicher Art. Das sind nicht nur die Omics*-Daten, sondern auch Bilddaten, Laborda- ten, Sensordaten etc. Alles, was wir messen können, kann nicht einfach in der Klinik genutzt werden. Es gilt, eine Auswahl an klinisch rele- vanten Informationen zu treffen.

Wir müssen lernen, wie wir in der klinischen Forschung, in den statis- tischen Untersuchungen, in der Ver- sorgungsforschung mit immer mehr Daten umgehen, ohne uns in diesen zu verlieren“, erläuterte Rienhoff.

Generell sollte Rienhoff zufolge die Auswertung der Daten in Rich- tung klinischer Relevanz künftig viel mehr im Fokus stehen. „Wir müssen davon wegkommen, dass wir immer mehr Daten in irgendei- ner Form schnell analysieren, in kleinen Ergebnisportionen veröf- fentlichen und dabei oft die Perspek- tive verlieren, wie dieses Wissen ir-

gendwann in der Klinik genutzt werden kann“, sagt Rienhoff. „Mei- ne Kritik an der derzeitigen For- schungsförderung ist, dass der Transferprozess aus den Daten der Grundlagenforschung in die Versor- gung völlig unterfinanziert ist.“ Hier seien dringend Programme nötig, in denen Ärzte und Wissenschaftler auf den Transferprozess vorbereitet und die nötigen Infrastrukturen nachhal- tig betrieben würden.

Engere Zusammenarbeit Zu ähnlichen Ergebnissen kommt auch der „Zukunftsreport Wissen- schaft“ der Nationalakademie Leo- poldina. Hochdurchsatzverfahren zur Analyse von Erbinformationen, Pro- teinen und Stoffwechselprodukten böten neue Möglichkeiten, umfas- sende Daten über Lebensprozesse zu gewinnen, heißt es darin. Die deut- sche Forschung könne die enormen Datenmengen jedoch bisher nur an- satzweise auswerten. Die National- akademie empfiehlt zur Bewälti- gung dieser „Big Data“ eine engere Zusammenarbeit der Lebenswissen- schaften mit anderen Disziplinen wie der Mathematik, der Informatik und den Ingenieurwissenschaften und fordert eine nationale Omics*- und IT-Infrastruktur. Zudem regt sie insbesondere eine bessere Ausbil- dung und Förderung des wissen- schaftlichen Nachwuchses an.

Hierfür bringt die GMDS gute Voraussetzungen mit, weil sie sich als breit aufgestellte, interdiszipli- när ausgerichtete wissenschaftli- che Fachgesellschaft mit Informa- tik, Biometrie, Epidemiologie und Dokumentation in der Medizin be- fasst und die richtigen Leute zu- sammenbringen kann, meint Prof.

Dr. med. Paul Schmücker, GMDS- Präsident und Leiter des Insti- tuts für Medizinische Informatik, Hochschule Mannheim. Allerdings ist es nach Meinung vieler Exper- ten erforderlich, die Bioinformatik künftig – auch in der Lehre – stär- ker zu integrieren und den klinisch orientierten Informatikdisziplinen

anzunähern.

Heike E. Krüger-Brand Deutschland ist auf die Ent-

wicklung der Omics-Techno- logien, vor allem was die informationstechnischen An- forderungen betrifft, nicht hinreichend vorbereitet, hat jüngst die Nationalakademie Leopoldina festgestellt. Wo- ran liegt das?

Otto Rienhoff: Dafür gibt es zwei Hauptgründe: Zum einen ist die nachhaltige Finanzierung der personellen und technischen Infrastruktur für die Analyse und Interpretation großer Datenbe- stände und deren Auswertung auf klinische Relevanz völlig un- terfinanziert. Zum anderen be-

steht eine historisch bedingte Aufsplitterung der Zuständig- keiten in Deutschland zwi- schen Biostatistik, Epidemiolo- gie, Medizinischer und Bioinfor- matik und schließlich auch der Medizintechnik, die dem zuneh- menden Bedarf an Integration dieser methodischen Wissens- bereiche nicht mehr entspricht.

Wie kann die Medizinische Informatik dazu beitragen, dass sich dies ändert?

Rienhoff: Indem sie Brücken zwischen den verschiedenen methodischen Fächern baut und sich in diesem Verbund als Part-

ner für die Grundlagen- und kli- nische Forschung auf internatio- nal kompetitivem Niveau qualifi- ziert. Ich bin zuversichtlich, dass Deutschland noch genügend Topinstitute hat, die diesen Auf- bau im Laufe eines Jahrzehntes schaffen könnten.

Was soll auf politischer Ebe- ne der neu gegründete Rat für Informationsstrukturen bewirken?

Rienhoff: Er soll Optionen iden- tifizieren, wie diese Probleme, die auch in anderen Wissen- schaftsdisziplinen zu beobach- ten sind, gelöst werden können.

3 FRAGEN AN . . .

Prof. Dr. med. Otto Rienhoff, Direktor des Instituts für Medizinische Informatik, Universitätsmedizin Göttingen

*Omics steht als Ab- kürzung für die For- schung zu jeweils speziellen Lebens- bausteinen und -pro- zessen, wie Gense- quenzen (Genomics), epigenetischen Modi- fikationen (Epigeno- mics), Proteinen (Pro- teomics) etc.

@

Digitale Agenda; Zukunftsreport Wissenschaft:

www.aerzteblatt.de/141735

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