Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 110|
Heft 29–30|
22. Juli 2013 A 1403RANDNOTIZ
Dr. med. Herbert Urbainczyk*
Ich diagnostiziere in meiner Praxis einen frischen Myokardinfarkt und stimme mit meinen beiden Mitarbei- terinnen das Vorgehen ab: Die eine informiert die Rettungsleitstelle, die andere stabilisiert mit mir den Pa- tienten. Parallel werden Kopien der durchgeführten Untersuchungsmaß- nahmen, der wichtigsten Teile der Krankenakte sowie des Medikamen-
te- und Diagnoseplans erstellt. Der Patient hängt am EKG, hat seine In- fusion erhalten und muss jetzt nur noch wegen möglicher Komplikatio- nen mit Notarztbegleitung ins Kran- kenhaus gebracht werden.
Aber jetzt kommt der große Auftritt der Notfallmedizin: Mit Martinshorn (Warum? Der Patient ist doch unter ärztlicher Überwachung.) kommen zuerst die Rettungssanitäter und dann der Notarzt vor die Praxis gefahren, versperren alle Parkplätze sowie die Zufahrt und stürmen mit fünf Män- nern, vier Sanitäter und ein Notarzt, in die Praxis. Der Hausherr wird erst ignoriert, dann examiniert. Nachdem der Notarzt einen kurzen Blick auf den Patienten geworfen hat, prüft er, ob alle Vorarbeiten ordnungsgemäß erledigt wurden. Anschließend füllen die Herrschaften den Patientenbe- gleitbogen aus und beschimpfen das Personal, weil es eine ungewünschte Krankenhauseinweisung vorlegt. Als Krönung folgt die Frage, ob man sich bereits darum gekümmert habe, in welches Krankenhaus der Patient ge- bracht werden soll. Dann sind sie wieder weg. Das Sprechzimmer ist verwüstet und zugemüllt.
Warum benötigt man für einen Transport von A nach B heute vier Sanitäter und einen Notarzt? Früher habe ich das zusammen mit zwei Sanitätern erledigt.
*Internist mit Praxis in Oberasbach, Fachkunde für internistische Intensivmedi- zin, Notfallmedizin und Arbeitsmedizin
Der Auftritt der Notfallmedizin
Mit dem neuen Gesetz zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs (StORMG), das Ende Juni in Kraft getreten ist, werden
die Rechte der Betroffenen ent- scheidend verbessert. Künftig kön- nen Sexualstraftaten länger straf- rechtlich verfolgt werden. Die Ver- jährung beginnt in Zukunft erst mit der Vollendung des 21. Lebensjah- res, was konkret dazu führt, dass al- le schweren Sexualdelikte künftig frühestens mit Vollendung des 41.
Lebensjahres des Opfers verjähren.
SEXUELLER MISSBRAUCH
Rechte der Betroffenen deutlich verbessert
Betroffenen soll damit die Zeit ge- geben werden, das Geschehene zu verarbeiten und eine Entscheidung darüber zu treffen, ob sie eine Straf- anzeige stellen wollen.
Zivilrechtliche Schadensersatz- ansprüche werden zudem künftig erst nach 30 Jahren statt wie bisher schon nach drei Jahren verjähren.
Dies gilt nicht nur für Schadenser- satzansprüche wegen vorsätzlicher Verletzung des Rechts auf sexuelle Selbstbestimmung, sondern auch für solche wegen vorsätzlicher Ver- letzung des Lebens, des Körpers der Gesundheit und der Freiheit.
Die mit dem StORMG geänder- ten Verjährungsvorschriften wirken verlängernd auch für bereits began- gene Taten und bestehende Ansprü- che, soweit diese noch nicht ver- jährt sind.
Weiter soll im Strafverfahren ei- ne unnötige Belastung minderjähri- ger Opfer, beispielsweise durch Mehrfachvernehmungen, vermieden werden. So setzt das Gesetz Impul- se, um den Einsatz von Videoauf- zeichnungen richterlicher Verneh- mungen in der Hauptverhandlung in der Praxis zu verstärken. pb Opfer von
sexueller Ge- walt haben künftig mehr Zeit, die Täter anzuzeigen.
Foto: Fotolia/kmiragyay
Das Bundesversicherungsamt (BVA) muss das Berechnungsverfahren für die Zuweisungen aus dem Gesund- heitsfonds an die Krankenkassen ab dem Jahr 2013 ändern, weil bisher die Ausgaben für die Behandlung von Patienten, die im Laufe eines Jahres gestorben sind, unzurei- chend berücksichtigt wurden. Dies hat der 16. Senat des NRW-Lan - dessozialgerichts (LSG) am 4. Juli entschieden (Az.: u. a. L 16 KR 646/
12 KL).
Eine entsprechende Änderung beim morbiditätsorientierten Risi- kostrukturausgleich hatte das BVA bereits im vorigen Jahr auf Empfeh- lung seines Wissenschaftlichen Bei- rats umsetzen wollen, war aber vom Bundesministerium für Gesundheit RISIKOSTRUKTURAUSGLEICH
Gericht ordnet Neuberechnung an
(BMG) angewiesen worden, dies zu unterlassen. In der Folge hatten die von der bestehenden Regelung be- nachteiligten Kassen geklagt.
Für das LSG lagen mit der Emp- fehlung des Beirats gesicherte Er- kenntnisse vor, dass das bisherige Berechnungsverfahren zu systema- tischen Verzerrungen führt. Es geht dabei um mehrere Hundert Millio- nen Euro. Die Klagen von vier Krankenkassen, die bereits eine Änderung des Berechnungsverfah- rens für die Jahre vor 2013 gefor- dert hatten, wurden jedoch abge- wiesen. In allen Verfahren ist eine Revision vor dem Bundessozialge- richt möglich. Offen ist, ob das BMG das BVA anweisen wird, in die Revision zu gehen. TG