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Archiv "Überwindung der Sektorengrenze: Dauerbaustelle des Gesetzgebers" (29.06.2012)

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Deutsches Ärzteblatt

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29. Juni 2012 A 1363

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ahrzehntelang führten über den vielzitierten Graben zwi- schen stationärer und ambulanter Versorgung nur schmale Stege (etwa Ermächtigungen oder am- bulante Notfallbehandlung). Seit 1994 ist der Gesetzgeber jedoch bemüht, breitere Brücken zu bauen (zum Beispiel vor- und nachstatio- näre Versorgung, ambulante Ope-

rationen oder integrierte Versor- gung). Erklärtes Ziel ist eine bes- sere Patientenversorgung und eine größere Wirtschaftlichkeit durch die Vermeidung von Doppelunter- suchungen.

Flankierend zu den gesetzgeberi- schen Maßnahmen der partiellen Öffnung der Krankenhäuser dienen insbesondere Kooperationen zwi-

schen Krankenhäusern und nieder- gelassenen Vertragsärzten der ge- wünschten „Verzahnung“ zwischen dem stationären und dem ambulan- ten Bereich. Bei den in Betracht kommenden Vertragsärzten handelt es sich vielfach um „Einweiser“ in das Krankenhaus, das möglicher- weise in einer Abhängigkeit von diesen Einweisungen steht, so dass die Gewährung von Vorteilen für ein Einweisungsverhalten durch Kooperationsverträge zumindest nicht ganz fern liegt. Das Verbot derartiger Vorteilsannahmen ist je- doch ein Eckpfeiler des ärztlichen Berufsrechts (§ 31 [Muster-]Be- rufsordnung, MBO).

Die einzelnen Stationen von Ge- setzgebung und Rechtsprechung in den letzten fünf Jahren liefern ein spannendes Bild von dem Spagat zwischen Kooperationsförderung einerseits und Verhinderung von verbotener Vorteilsannahme (Kor- ruption) andererseits:

Mit dem Vertragsarztrechtsän- derungsgesetz wurde 2007 die Mög- lichkeit eröffnet, dass neben Patho- logen und Laborärzten auch andere Vertragsärzte in stationären Einrich- tungen tätig werden können.

Zum 1. Januar 2008 wurde un- ter anderem im Krankenhausgesetz Nordrhein-Westfalen die Regelung gestrichen, dass außer Belegärzten und „echten“ Konsiliarärzten nur angestellte Ärzte in Krankenhäusern tätig werden dürfen.

Zum 1. April 2010 sah sich das Land Nordrhein-Westfalen dann jedoch veranlasst, Kranken- häusern eine Vorteilsgewährung für die Zuweisung von Patienten explizit zu verbieten: § 31 a des Krankenhausgesetzes Nordrhein- Westfalen sieht seither eine unmit- telbare Untersagungsbefugnis für die Aufsichtsbehörde und in beson- ders schweren Fällen die Entfer- nung aus dem Krankenhausbe- darfsplan vor.

Zunächst das Landessozialge- richt (LSG) Sachsen mit Urteil vom 30. April 2008 (Az.: L 1 KR 103/

07) und ihm folgend das Bundesso- zialgericht (BSG) mit Urteil vom 23. März 2011 (Az.: B 6 KA 6/10 R) verneinten die Möglichkeit, dass Vertragsärzte in Krankenhäusern ÜBERWINDUNG DER SEKTORENGRENZE

Dauerbaustelle des

Ein Blick auf die Gesetzgebung und auf die Rechtsprechung in den vergangenen Jahren zeigt, wie schwierig es ist, Kooperationen zwischen Kliniken und Vertragsärzten zu fördern – ohne dass es zu verbotenen Vorteilsannahmen kommt.

Fotos: mauritius images

Gesetzgebers

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29. Juni 2012 diese ambulanten Operationen durch -

führen dürfen.

Das zum Jahresbeginn 2012 in Kraft getretene GKV-Versorgungs- strukturgesetz „korrigiert“ die Ent- scheidungen des LSG Sachsen und des BSG, indem es Vertragsärzten mit einer Änderung des § 115 b So- zialgesetzbuch (SGB) V ausdrück- lich erlaubt, in Krankenhäusern am- bulante Operationen durchzuführen.

Darüber hinaus schafft mit einer Änderung des § 115 a SGB V die Möglichkeit, dass niedergelassene Vertragsärzte in den Räumen des Krankenhauses oder in ihrer Arzt- praxis Leistungen im Rahmen der vor- und nachstationären Behand- lung für das Krankenhaus erbringen.

Gleichzeitig wurde mit dem GKV-Versorgungsstrukturgesetz in dem § 73 Absatz 7 eine Neurege- lung in das SGB V aufgenommen, dass es Vertragsärzten nicht gestat- tet ist, „für die Zuweisung von Ver- sicherten ein Entgelt oder sonstige wirtschaftliche Vorteile sich ver- sprechen oder sich gewähren zu las- sen oder selbst zu versprechen oder zu gewähren“. Es handelt sich da- bei um eine vertragsärztliche Paral-

lelregelung zu dem berufsrechtli- chen Verbot der Vorteilsannahme in

§ 31 MBO. Dadurch wurde das be- rufsrechtliche Verbot der Vorteils- annahme ausdrücklich auch zu ei- nem kassenarztrechtlichen Verbot gemacht, dessen Übertretung kas- senarztrechtlich geahndet werden kann (etwa Disziplinarverfahren, Zulassungsentziehung).

Kooperationsmöglichkeiten Im Folgenden werden die wesentli- chen Möglichkeiten von Koopera- tionen zwischen niedergelassenen Ärzten und Krankenhäusern sowie ihre Grenzen dargestellt:

Vor- und nachstationäre Be- handlung (§ 115 a SGB V). Die Regelung über die vor- und nach- stationäre Behandlung in § 115 a SGB V wurde mit dem GKV-Ver- sorgungsstrukturgesetz durch zwei Sätze in Absatz 1 dahingehend er- gänzt, dass das Krankenhaus die vor- und nachstationäre Behand- lung auch durch hierzu ausdrück- lich beauftragte niedergelassene Vertragsärzte in den Räumen des

Krankenhauses oder der Arztpraxis erbringen kann. Diese Leistungen sind nicht Gegenstand der vertrags- ärztlichen Versorgung. Sie werden den Krankenhäusern von den Kran- kenkassen vergütet; die Honorie- rung der Ärzte hat demnach durch das Krankenhaus zu erfolgen.

Ambulantes Operieren im Krankenhaus (§ 115 b SGB V).

§ 115 b Absatz 1 SGB V wurde mit dem GKV-Versorgungsstrukturge-

setz um einen Satz 4 ergänzt, wo- nach die dreiseitige Vereinbarung (AOP-Vertrag) zwischen dem Spit- zenverband Bund der Krankenkas- sen, der Deutschen Krankenhausge- sellschaft und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung vorzusehen hat, dass die ambulanten Operationen

„auch auf der Grundlage einer ver- traglichen Zusammenarbeit des Krankenhauses mit niedergelasse- nen Vertragsärzten ambulant im Krankenhaus erbracht werden kön- nen“. Dem Wortlaut nach würde diese Neuregelung erst dann ein- greifen, wenn eine derartige Ände- rung des AOP-Vertrags erfolgt ist, was zum Zeitpunkt der Fertigstel- lung dieses Manuskripts noch nicht der Fall ist. Es mag jedoch die Ein- schätzung erlaubt sein, dass ange- sichts des klaren gesetzgeberischen Willens de facto die Handhabung dieser Regelung auch schon zuvor toleriert wird.

In der amtlichen Begründung ist hierzu ausgeführt: „Da eine – grundsätzlich mögliche – Anpas- sung des AOP-Vertrags mit dem Ziel, Vertragsärzten ohne Beleg- arztstatus die ambulante Operation von Patienten im Krankenhaus auf der Grundlage von Kooperations- verträgen mit Krankenhäusern zu ermöglichen, nicht in Aussicht steht, sind zur wünschenswerten Flexibilisierung der Zusammenar- beit von Krankenhäusern und Ver- tragsärzten entsprechende Koope- rationsmöglichkeiten in § 115 b ge- setzlich zu verankern. Hierzu be- darf es einer ausdrücklichen gesetz- lichen Vorgabe an die Vertragspar- teien nach § 115 b Abs. 1 Satz 1, nach dem ambulant durchführbare Operationen im Krankenhaus auch auf der Grundlage derartiger ver- traglicher Kooperationen des Kran- kenhauses mit niedergelassenen Vertragsärzten erfolgen können.

Vertragsarztrechtliche Vorschriften stehen einer solchen Regelung seit dem Vertragsarztrechtsänderungs- gesetz nicht mehr entgegen.“

Erbringung stationärer Leis - tungen durch Vertragsärzte. Ge- mäß § 2 Absatz 2 Nummer 2 des Krankenhausentgeltgesetzes sind von den Krankenkassen zu vergütende allgemeine Krankenhausleistungen Brücke zwischen

den Sektoren:

Um die Patienten- versorgung zu ver- bessern und Dop- peluntersuchungen

zu vermeiden, för- dert der Gesetzge- ber Kooperationen.

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29. Juni 2012 auch „die vom Krankenhaus veran-

lassten Leistungen Dritter“. „Drit- ter“ in diesem Sinne sind auch nie- dergelassene Ärzte. Diese können entweder Leistungen erbringen, die von den Krankenhausärzten zum Beispiel in Ermangelung einer ent- sprechenden Fachabteilung nicht erbracht werden können („echte“

Konsiliarärzte), oder auch solche Leistungen (einschließlich Haupt- leistungen, wie zum Beispiel Ope- rationen), die von den Kranken- hausärzten erbracht werden könnten („unechte“ Konsiliarärzte oder auch

„versteckter Belegarzt“, „Honorar- arzt“ oder „Kooperationsarzt“ ge- nannt). Dies ergibt sich aus der ge- setzlichen Formulierung und wird bestätigt durch den oben dargestell- ten Wegfall der Regelung in § 36 Absatz 2 Krankenhausgesetz NRW bereits zum 1. Januar 2008.

Rechtliche Gestaltungsformen Die Tätigkeit des niedergelassenen Arztes für das Krankenhaus kann entweder als freiberufliche Tätig- keit oder als eine Tätigkeit im Anstellungsverhältnis ausgestaltet werden. Eine Tätigkeit im Anstel- lungsverhältnis wird vielfach von den Ärzten und den Krankenhäu- sern nicht gewünscht (etwa Lohn- steuer- und Sozialversicherungs- pflichtigkeit oder Eingreifen der arbeitsrechtlichen Bestimmungen).

Bei der Gestaltung als freiberufli- ches Verhältnis ist bei einer nicht nur unregelmäßigen punktuellen Tätigkeit durch entsprechende Ver- trags- und Organisationsgestaltung das Risiko einer „Scheinselbststän- digkeit“ auszuschließen.

Hinsichtlich der neu geschaffe- nen Möglichkeit, dass das Kranken- haus niedergelassene Vertragsärzte

„ausdrücklich beauftragen kann“, vor- und nachstationäre Leistungen für das Krankenhaus zu erbringen,

empfiehlt sich eine Rahmenverein- barung zwischen dem Krankenhaus und dem Arzt, welche die Modalitä- ten der Beauftragung, Leistungs - erbringung und Vergütung für alle Einzelfälle regelt.

Vergütungsfragen

Ist der niedergelassene Arzt zu- gleich potenzieller „Einweiser“ des Krankenhauses, stellt sich das Pro- blem, einen Verstoß gegen § 31 MBO und § 73 Absatz 7 SGB V (Zuweisung gegen Entgelt) zu ver- meiden. Aus der Eröffnung der dar- gestellten gesetzlichen Möglichkei- ten für die – selbstverständlich nicht unentgeltliche – Zusammenarbeit zwischen Krankenhäusern und Ärz- ten folgt, dass § 31 MBO bezie- hungsweise § 73 Absatz 7 SGB V derartigen Kooperationen grund- sätzlich nicht entgegenstehen. Den- noch muss davon ausgegangen wer- den, dass eine unangemessen hohe Vergütung zumindest den Verdacht einer ungerechtfertigten Bevortei- lung erweckt. Somit stellt sich die Frage der Maßstäbe für eine ange- messene Honorargestaltung.

Als Maßstab bietet sich zunächst die Amtliche Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) an, die jedoch nach einem Urteil des Bundesgerichts- hofs (BGH, MedR 2010, 555) im Verhältnis zwischen Krankenhäu- sern und Ärzten nicht unmittelbar und zwingend Anwendung findet.

Wegen der vielfach wesentlich niedrigeren vertragsärztlichen Ho- norare entschied jedoch zum Bei- spiel das Oberlandesgericht Düssel- dorf, für eine rechtswidrige Vor- teilsgewährung reiche es aus, „dass für den Arzt die Möglichkeit einer für ihn lukrativen Beauftragung (hier: Abrechnung von prä-/poststa- tionären Leistungen nach GOÄ) be- steht“ (OLG Düsseldorf, GesR 2009, 605). Man mag es mit Befremden registrieren, dass eine Vergütung ärztlicher Leistungen nach der GOÄ einen rechtswidri - gen Vorteil darstellen soll – ange- sichts der erheblichen Diskrepanz zwischen der vertragsärztlichen Honorierung nach dem Einheit - lichen Bewertungsmaßstab und der privatärztlichen Honorierung nach GOÄ lässt sich jedoch der Vor -

wurf einer unangemessenen Bevor- teilung nicht ausschließen.

Als Grenze zwischen angemesse- nem Entgelt und ungerechtfertigter Bevorteilung bietet sich die Vergü- tung oder der Vergütungsanteil an, den das Krankenhaus selbst für die Leistungen der niedergelassenen Ärzte erhält. Zahlt ein Krankenhaus für Leistungen mehr, als es selbst erhält, lässt sich der Verdacht zu- mindest nicht ausschließen, dass mit der Vergütung das Einweisungsver- halten des niedergelassenen Arztes beeinflusst werden soll. Als Vergü- tungsformen bieten sich entspre- chend kalkulierte DRG-Anteile bei stationären Leistungen „unechter“

Konsiliarärzte, Anteile an den von den Krankenkassen bei vor- und nachstationärer Versorgung gezahl- ten Vergütungen und die Honorare für die ambulanten Operationen ge- mäß § 115 b SGB V an.

Werden die Leistungen im Kran- kenhaus erbracht, stellt sich die Frage eines Abschlags für die Inan- spruchnahme der Ressourcen des Krankenhauses durch den niederge- lassenen Arzt. Ein derartiger Abzug ist jedoch nicht erforderlich: Einer- seits stellt das Krankenhaus Res- sourcen bereit, deren Kosten es oh- nehin zu tragen hat, andererseits unterhält der niedergelassene Arzt, auch wenn er im Krankenhaus tätig ist, eine Praxis, deren Kosten er in vollem Umfang zu tragen hat.

Hinsichtlich der Vergütung der vor- und nachstationären Leistun- gen kann sich die Bildung einer wirtschaftlich kalkulierten „Kom- plexgebühr“ pro Fall für die von dem niedergelassenen Arzt typi- scherweise zu erbringenden Leis- tungen zur Vereinfachung in der Rahmenvereinbarung empfehlen.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass das Spannungsfeld zwischen gewünschter Kooperation und unerwünschter „Korruption“

durch entsprechende Vertragsge- staltungen lösbar ist. Die vom Ge- setzgeber neu geschaffenen Mög- lichkeiten der Zusammenarbeit zwischen Krankenhäusern und nie- dergelassenen Ärzte eröffnen rea- listische Perspektiven für eine bei- derseitige Win-win-Situation.

RA Dr. Christoph Jansen,Düsseldorf

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