13. Seminar „Bauen im Bestand“
am 25.02.2021
Vergütung für Planung und Ausführung beim Bauen im Bestand
Rechtsanwalt + Notar Johannes Jochem RJ Anwälte Jochem PartGmbB
Bierstadter Straße 9A, 65189 Wiesbaden Telefon: 0611 / 308 14 36
www.rj-anwaelte.de
E-Mail: Kanzlei@rj-anwaelte.de
2000 - 2004 Studium der Rechtswissenschaften in Mainz
Zusatzqualifikation im privaten Baurecht an der Universität Marburg 2004 – 2007 Referendariat in Wiesbaden und Frankfurt
Juristisch geprägte Auslandsaufenthalte in Cambridge, Dublin, Brüssel Seit 2007 Rechtsanwalt in Wiesbaden
Seit 2012 Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht Seit 2017 Rechtsanwalt & Notar
Vertrauensanwalt des BDA in Hessen
Referententätigkeit an der Akademie der Architekten- und Stadtplanerkammer Hessen, BDA, VFA, Frankfurt University of Applied Siences, THM Technische
Grundsatz
BH P
BH BU
Übungsfall:
Bestand: Einbauschränke „grau“
Auftrag: „weiß“ streichen/lackieren Werklohn: Stundenlohn 35 €/h zzgl.
Material
Sachverhalt:
Nach zweimaligem Streichen wird die Baustelle geräumt und die
Schlussrechnung gestellt.
Übungsfall:
Nach zweimaligem Streichen wird die Baustelle geräumt und die
Schlussrechnung gestellt.
Rechtsangelegenheit?
Der Ehefrau des AG war das Ergebnis nicht „weiß genug“.
Der AG fordert zur
Mangelbeseitigung auf.
Der AN meint, er könne ein drittes mal überstreichen und dies in
Übungsfall:
BH BU
Ergebnis zum Übungsfall und Variante
Ergebnis:
Entscheidend war die Vergütungsmethode (bzw. die Beschreibung der
Leistungspflicht des BH) mit Stundenlohn und Materialaufwand. (Selbstkostenpreis) Arbeitsleistung wird daher bezahlt (nochmalige Anfahrt und Abdeckkosten
(Folienmaterial und Zeitaufwand hierzu) strittig) Variante:
Welche anderen Vergütungsmethoden kennen Sie noch?
• Pauschalpreis (z.B. kalkuliert für 2maliges Streichen a 10 Stunden und 3 Eimer Farbe nebst Abdeckmaterial)
• Einheitspreisvertrag (z.B. kalkuliert mit Pos. 1 Baustelleneinrichtung und Pos. 2 „x m²“ Einbauschränke streichen a „x €/m²“)
„Tatsächlich erforderliche Kosten“ als gesetzliche Vergütungsmethode bei Vertragsänderungen
BH
§ 650b§ 1 Abs. 3 o. 4 VOB/BBGBBU
§ 650c BGB
§ 2 Abs. 5 o. 6 VOB/B
„Tatsächlich erforderliche Kosten“ als gesetzliche Vergütungsmethode bei Vertragsänderungen
Bei Vertragsänderungen:
Entweder die Vertragsparteien sind sich einig und vereinbaren eine Vergütung;
oder es gilt das Gesetz:
§ 650c Vergütungsanpassung bei Anordnungen nach § 650b Absatz 2
(1) Die Höhe des Vergütungsanspruchs für den infolge einer Anordnung des
Bestellers nach § 650b Absatz 2 vermehrten oder verminderten Aufwand ist nach den tatsächlich erforderlichen Kosten mit angemessenen Zuschlägen für allgemeine Geschäftskosten, Wagnis und Gewinn zu ermitteln.
Ausschluss der gesetzlichen Vergütung bei notwendigen Vertragsänderungen?
§ 650c Vergütungsanpassung bei Anordnungen nach § 650b Absatz 2 Absatz 1 Satz 1
Die Höhe des Vergütungsanspruchs für den infolge einer Anordnung des
Bestellers nach § 650b Absatz 2 vermehrten oder verminderten Aufwand ist nach den tatsächlich erforderlichen Kosten mit angemessenen Zuschlägen für allgemeine Geschäftskosten, Wagnis und Gewinn zu ermitteln.
Absatz 1 Satz 2
Umfasst die Leistungspflicht des Unternehmers auch die Planung des
Bauwerks oder der Außenanlage, steht diesem im Fall des § 650b Absatz 1
Satz 1 Nummer 2 kein Anspruch auf Vergütung für vermehrten Aufwand zu.
kein Anspruch auf Vergütung für vermehrten Aufwand ?
1. „Umfasst die Leistungspflicht des Unternehmers auch die Planung“
2. „im Fall des § 650b Absatz 1 Satz 1 Nummer 2“
Zu 1. Es gibt keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz z.B. dahingehend, dass der Auftraggeber planen müsse oder die Planungsverantwortung habe (siehe
Übungsfall graue Einbauschränke). Daher ist im jeweiligen konkreten Vertrag genau zu prüfen, welcher der beiden Vertragspartner welche Planung
(Planungstiefe!) schuldet.
Zu 2. Siehe nächste Folie und § 650b Absatz 1 Satz 1 Nummer 2
kein Anspruch auf Vergütung für vermehrten Aufwand ?
(aus § 650c)
1. „Umfasst die Leistungspflicht des Unternehmers auch die Planung“
2. „im Fall des § 650b Absatz 1 Satz 1 Nummer 2“
§ 650b Änderung des Vertrags; Anordnungsrecht des Bestellers (1) Begehrt der Besteller
1. eine Änderung des vereinbarten Werkerfolgs (§ 631 Absatz 2) oder
2. eine Änderung, die zur Erreichung des vereinbarten Werkerfolgs notwendig ist,
streben die Vertragsparteien Einvernehmen über die Änderung und die infolge der Änderung zu leistende Mehr- oder Mindervergütung an.
Der Unterschied zwischen Nummer 1 und Nummer 2 besteht darin, dass sich das Werkergebnis bei Nummer 2 nicht ändert, sondern nur der Weg bzw. die Arbeitstätigkeit, die zu der selben
Zielerreichung notwendig ist (dies hängt mit dem funktionalen Mangelbegriff zusammen).
Exkurs: Funktionaler Mangelbegriff:
§ 633 Abs. 2 BGB
BGH, Urteil vom 08.11.2007 - VII ZR 183/05 Rn 19
„Der vertraglich geschuldete Erfolg bestimmt sich nicht allein nach der zu seiner Erreichung vereinbarten Leistung oder Ausführungsart, sondern auch danach, welche Funktion das Werk nach dem Willen der Parteien erfüllen soll.“
Diese Entscheidung „Blockheizkraftwerkfall bzw. Forsthausfall“ besagt, dass es zur Mangeldefinition nicht allein auf die im Vertragstext beschriebene
„Sollbeschaffenheit“ ankommt.
Ein „Abarbeiten“ des LV reicht daher ggf. nicht aus, Mangelfreiheit zu erreichen.
Unerkannte technische Planungsfehler führen daher immer zu einem Baumangel.
Das gleiche kann für unerkannte Erschwernisse im Bestandsbaukörper gelten.
Exkurs: Funktionaler Mangelbegriff:
§ 633 Abs. 2 BGB
BGH, Urteil vom 08.11.2007 - VII ZR 183/05 Rn 21
„Der Gesetzgeber hat nicht beabsichtigt, beim Werkvertrag die Vereinbarungen zur Funktionstauglichkeit des Werkes dem Anwendungsbereich des § 633 Abs. 2 Satz 1 BGB zu entziehen und damit einer Auslegung dieser Regelung den Weg zu öffnen, wonach allein die Vereinbarung der jeweiligen Leistung bzw. der Ausführungsart, wie sie sich z.B. in Leistungsverzeichnissen oder sonstigen Leistungsbeschreibungen dokumentiert, Grundlage für die Beurteilung sein kann, inwieweit die vereinbarte Beschaffenheit eingehalten ist. Eine solche Auslegung des § 633 Abs. 2 Satz 1 BGB würde dazu führen, dass eine Leistung des Unternehmers als mangelfrei
einzuordnen wäre, wenn die im Vertrag vorgesehene Leistung oder Ausführungsart nicht geeignet ist, ein funktionstaugliches Werk zu errichten.“
Exkurs: Funktionaler Mangelbegriff:
§ 633 Abs. 2 BGB
BH
§§ 631, 633 BGBBU
Ausschluss der gesetzlichen Vergütung bei notwendigen Vertragsänderungen?
Aus der Gemengelage
• Planungsverantwortung beim AN
• „Änderungen“, die zum (unverändert) vereinbarten Werkergebnis notwendig sind
• kein Anspruch auf Vergütung für vermehrten Aufwand
ergibt sich für den Auftragnehmer ein Risiko wenn nicht „vollinhaltlich“
„tiefgreifendst“ „durchgeplant“ bzw. „bestands-end-erkundet“ ist.
Zudem besteht wirtschaftlich betrachtet eine Schnittmenge zwischen
Planung, Bestandserkundung und Werklohnkalkulation.
Risiken für den AN
• der AG weist eine „neue“ Arbeitsmethode an und meint der AN sei von vornherein hierzu verpflichtet
• der AN hat sich „verkalkuliert“ (insbesondere bei pauschal
beschriebenen Positionen, Vgl. z.B. BGH, Urt. v. 11.11.1993 – VII ZR 47/93 (Wasserhaltung II) „Wasserhaltung nach Wahl des
Auftragnehmers“)
• der AG meint die Planungsverantwortung liege beim AN
BH BU
Risiken beim Bauen im Bestand insbes. „Restauratorverträgen“
Was passiert, wenn im Vertrag nicht trennscharf zwischen dem Architekten-/Ingenieurvertrag bzw. Planungsauftrag und der Bauleistungstätigkeit unterschieden wird?
Häufig erfolgt „learning by doing“: Bestandserkundung, Musterflächen und die Erkenntnis über die taugliche Arbeitsmethode zur
Zielerreichung nebst deren Aufwand erfolgen erst nach und nach.
Eine auskömmliche Bauleistungs-Vergütung kann man als
Restaurationsunternehmer daher erst festlegen, nachdem der Bestand
ausreichend erkundet ist, alle Unwägbarkeiten bekannt sind und der
Restaurations-Bau-Auftrag durchgeplant ist.
Vorschlag zur Trennung beim Bauen im Bestand insbes. „Restauratorverträgen“
hier: Grundsatz
Es bietet sich an, zunächst nur den Ingenieurvertrag als Planungs- und Bestandserkundungsvertrag abzuschließen, wobei auch auf die
Vergütungsregeln der (seit 2021 unverbindlichen) HOAI Bezug genommen werden kann.
Nach der HOAI können die Handwerkstätigkeiten zu Musterflächen als sogenannte „Besondere Leistungen“ der Planung (vgl. Anlage 10 HOAI
„technische Substanzerkundung“) im Rahmen des Architekten- /Ingenieurvertrages separat vergütet werden.
§ 3 Abs. 2 Satz 2 HOAI 2021
„Die Aufzählung der Besonderen Leistungen in dieser Verordnung und in den
Leistungsbildern ihrer Anlagen ist nicht abschließend.“
Vorschlag zur Trennung beim Bauen im Bestand insbes. „Restauratorverträgen“
hier: Vergütung
Es stellt sich bei den Besonderen Leistungen der Planung „technische
Substanzerkundung“ z.B. Musterflächen die Frage nach dem Vergütungsmodell:
Einheitspreise, Pauschalpreis, Stundenlohn?
Das gesetzliche Grundmodell des § 650c Abs. 1 Satz 1 BGB, also eine Vergütung für tatsächlich erforderliche Kosten mit angemessenen Zuschlägen für allgemeine
Geschäftskosten, Wagnis und Gewinn, bietet einen Ansatz.
Die „normalen“ Grundleistungen der Planung im Bestand können nach dem Berechnungshonorarmodell der HOAI 2021 vergütet werden
(Kostenberechnungsmodell mit anrechenbaren Kosten).
Die Kosten der „Bautätigkeit“ für Musterflächen sind dann als Planungskosten
Besonderer Leistungen und damit Nebenkosten der Kostengruppe 700 zuzuordnen und zählen daher nicht zu den anrechenbaren Kosten für das HOAI-Honorar.
Vorschlag zur Trennung beim Bauen im Bestand insbes. „Restauratorverträgen“
hier: Planungsergebnis und Bauauftrag
Die fertiggestellten Musterflächen müssen dann später nicht mehr
„nochmal“ hergestellt werden.
Sie sind aus der Bau-Leistungsbeschreibung auszuklammern.
Die weitergehenden Bautätigkeiten können separat beschrieben und
auf Basis einer anderen Vergütungsmethode vergütet werden.
Vorschlag zur Trennung beim Bauen im Bestand insbes. „Restauratorverträgen“
hier: öffentliche Ausschreibung
§ 7b VOB/A Leistungsbeschreibung mit Leistungsverzeichnis (auszugsw.) (1) Die Leistung ist in der Regel durch eine allgemeine Darstellung der
Bauaufgabe (Baubeschreibung) und ein in Teilleistungen gegliedertes Leistungsverzeichnis zu beschreiben.
§ 7c VOB/A Leistungsbeschreibung mit Leistungsprogramm (auszugsw.)
(1) Wenn es nach Abwägen aller Umstände zweckmäßig ist, abweichend von §
7b Absatz 1 zusammen mit der Bauausführung auch den Entwurf für die
Leistung dem Wettbewerb zu unterstellen, um die technisch, wirtschaftlich
und gestalterisch beste sowie funktionsgerechteste Lösung der Bauaufgabe
zu ermitteln, kann die Leistung durch ein Leistungsprogramm dargestellt
werden.
Rechtsanwalt + Notar Johannes Jochem RJ Anwälte Jochem PartGmbB
Bierstadter Straße 9a , 65189 Wiesbaden Telefon: 0611 / 308 14 36
Telefax: 0611 / 308 14 38
E-Mail: Kanzlei@rj-anwaelte.de
Anhang: Fallbeispiel aus der Rechtsprechung
BGH, Urt. v. 11.11.1993 – VII ZR 47/93 (Wasserhaltung II)
Leistungsbeschreibung: „Wasserhaltung nach Wahl des Auftragnehmers“ bei völlig ungewöhnlichen und von keiner Seite zu erwartenden Leistungen
Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte habe die Grundwasserverhältnisse nicht hinreichend genau beschrieben. Wegen der besonderen Durchlässigkeit des Sandbodens und wegen der nahen Weser hätte die von ihr kalkulierte Absenkung mittels Filterlanzen nicht ausgereicht, es hätten
vielmehr aufwendigere Brunnen gebohrt werden müssen.
Entscheidung: Kommt ein Anspruch (Schadensersatzanspruch des AN gegen den AG ) aus
Verschulden bei Vertragsschluß wegen fehlerhafter Ausschreibung in Betracht, so ist nicht schon der Verstoß gegen eine drittschützende Vorschrift der VOB/A haftungsbegründend. Vielmehr muß der Auftragnehmer/Bieter in seinem schutzwürdigen Vertrauen auf die Einhaltung der VOB/A
enttäuscht worden sein. Ein Vertrauen in diesem Sinne ist nur gegeben, wenn der
Auftragnehmer/Bieter den maßgeblichen Verstoß gegen die VOB/A nicht erkannt hat. Darüber hinaus muß sein Vertrauen schutzwürdig sein. Das ist in der Regel nicht der Fall, wenn er den Verstoß bei der ihm im jeweiligen Fall zumutbaren Prüfung hätte erkennen können.