Sonderbericht
Rechte des geistigen Eigentums in der EU:
solider Schutz mit kleinen Schwächen
DE 2022 06
Inhalt
Ziffer
Zusammenfassung
I - XEinleitung
01 - 12Was sind Rechte des geistigen Eigentums?
01 - 03EU-Rechtsrahmen für die Rechte des geistigen Eigentums
04Eintragungsverfahren für Rechte des geistigen Eigentums der EU
05 - 06Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums in der EU
07 - 08Die wichtigsten Akteure beim Schutz der Rechte des geistigen
Eigentums in der EU
09 - 12Prüfungsumfang und Prüfungsansatz
13 - 16Bemerkungen
17 - 93Der insgesamt solide Rechtsrahmen für Rechte des geistigen
Eigentums weist Unzulänglichkeiten auf
17 - 47 Der Rahmen für die Unionsmarke ist eingerichtet, doch wurde die Richtlinienur unvollständig umgesetzt 17 - 25
Der EU-Rahmen für Geschmacksmuster ist veraltet und unvollständig 26 - 35 Die Gebührenstruktur für Rechte des geistigen Eigentums spiegeln nicht die
Realkosten wider 36 - 45
Der EU-Rahmen zu geografischen Angaben ist auf Agrarerzeugnisse
beschränkt 46 - 47
Die Rahmen für die Rechte des geistigen Eigentums wurden gut umgesetzt, auch wenn einige Schwächen festgestellt werden
können
48 - 70Das EUIPO setzt trotz einiger Schwachstellen die Rahmen für Unionsmarken
und Geschmacksmuster größtenteils korrekt um 48 - 53 Die Kriterien für eine finanzielle Unterstützung der Mitgliedstaaten weisen
Schwächen auf 54 - 59
Mängel beim Eintragungsverfahren für Agrarerzeugnisse 60 - 70
Die Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums ist nicht
optimal
71 - 93Die Richtlinie zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums wird
nicht einheitlich angewandt 72 - 74
Es fehlen Schlüsselelemente im Rahmen für die Durchsetzung von Rechten
des geistigen Eigentums durch die Zollbehörden 75 - 90 Es bestehen Schwächen bei den Zollkontrollen der Mitgliedstaaten 91 - 93
Schlussfolgerungen und Empfehlungen
94 - 101Anhänge
Anhang I – Eckpfeiler der Rechte des geistigen Eigentums Anhang II – Nationale Rechtsvorschriften zur Umsetzung der Markenrichtlinie
Anhang III – Handelsmarken: Verwaltungsfristen der Mitgliedstaaten
Anhang IV – Nationale Rechtsvorschriften für die Umsetzung der Musterrichtlinie der EU
Anhang V – Geschmacksmuster: Verwaltungsfristen der Mitgliedstaaten
Anhang VI – Geschmacksmuster der Mitgliedstaaten – Gebühren und Gebührenstruktur (Stand: 1. Januar 2021)
Anhang VII – Kriterien, die vom EUIPO genutzt werden, um Pauschalbeträge zu berechnen
Anhang VIII – Anlagen zum Antrag auf Eintragung einer geografischen Angabe
Anhang IX – Geografische Angabe Genehmigungsverfahren auf Kommissionsebene
Anhang X – Geografische Angabe, Anträge 2017-2020 Abkürzungen
Glossar
Antworten der Kommission
Antworten des EUIPO
Zeitschiene
Prüfungsteam
Zusammenfassung
I
Rechte des geistigen Eigentums spielen eine bedeutende Rolle in der EU-Wirtschaft.Schutzrechtsintensive Wirtschaftszweige mit einem Wert von 6,6 Billionen Euro und einem Anteil von 29 % an der Beschäftigung generieren fast 45 % des
Bruttoinlandsprodukts der EU. Die Europäische Kommission und andere EU- Einrichtungen arbeiten mit den Behörden der Mitgliedstaaten zusammen, um den Schutz der Rechte des geistigen Eigentums sicherzustellen, der ein entscheidender Faktor für den Erfolg des Binnenmarkts ist.
II
Es ist Aufgabe der Europäischen Kommission, Legislativvorschläge zum Verfahren und zu den Abläufen für die Eintragung und Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums in der EU zu unterbreiten. Ferner obliegt es ihr sicherzustellen, dass diese Maßnahmen ordnungsgemäß umgesetzt werden, und den Mitgliedstaaten Leitlinien an die Hand zu geben. Das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum ist für die Eintragung von EU-Marken und -Geschmacksmustern zuständig. Die Genehmigung von Anträgen auf Eintragung geografischer Angaben innerhalb der EU und dieKontrollen zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums in der EU fallen in den Aufgabenbereich der mitgliedstaatlichen Behörden.
III
Im Rahmen dieser Prüfung wird der Schutz von Unionsmarken, EU-Geschmacksmustern und geografischen Angaben der EU innerhalb des Binnenmarkts im Zeitraum 2017-2021 betrachtet. Der Hof wählte dieses Prüfungsthema, weil er den Schutz der Rechte des geistigen Eigentums zuvor noch nie geprüft hatte und die Hauptinitiativen der Kommission in diesem Bereich bis 2019 abgeschlossen sein sollten. Ein unzureichender Schutz der Rechte des geistigen Eigentums beeinträchtigt die Wettbewerbsfähigkeit der EU in der Weltwirtschaft. Der Hof empfiehlt, den Rechtsrahmen für die Rechte des geistigen Eigentums, seine Umsetzung sowie seine Durchsetzung zu verbessern.
IV
Der Hof untersuchte, ob die Kommission die notwendigen legislativen und unterstützenden Maßnahmen ergriffen hat, um die oben genannten Rechte des geistigen Eigentums zu schützen. Er führte Prüfbesuche bei der Kommission, beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum und in fünf Mitgliedstaaten durch, um zu überprüfen, wie diese Stellen die EU-Rechtsvorschriften für Rechte des geistigen Eigentums umgesetzt haben und ob die Durchsetzungskontrollen richtig ausgeführt wurden.V
Insgesamt lautet die Schlussfolgerung des Hofes, dass der EU-Rahmen für den Schutz der Rechte des geistigen Eigentums im Allgemeinen zwar solide und robust ist, aber nach wie vor Schwächen bestehen.VI
Der Hof stellte fest, dass die Kommission geeignete legislative und unterstützende Maßnahmen ergriffen hat, um Unionsmarken zu schützen. Die Rechtsvorschriften zu den EU-Geschmacksmustern sind allerdings unvollständig und veraltet, und es bestehen Schwachstellen in den Rechtsvorschriften über geografische Angaben.Außerdem kam der Hof zu dem Schluss, dass es an einer klaren Methodik zur Festsetzung der EU-Gebühren für Marken und Geschmacksmuster mangelt.
VII
Obwohl das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum bei der Verwaltung der Unionsmarken und EU-Geschmacksmuster im Allgemeinen sachgerecht vorgeht, ermittelte der Hof Schwachstellen im Rahmen fürRechenschaftspflicht und in den Finanz-, Kontroll- und Bewertungssystemen des Amts.
Des Weiteren waren in den Mitgliedstaaten und bei der Kommission Mängel bei der Umsetzung des EU-Rahmens für geografische Angaben gegeben.
VIII
Die Mitgliedstaaten haben die Richtlinie zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums nicht einheitlich umgesetzt und die Umsetzung derDurchsetzungskontrollen durch die Zollbehörden weist Mängel auf.
IX
Der Hof empfiehlt der Kommission,o die EU-Rechtsrahmen zu Rechten des geistigen Eigentums zu vervollständigen und zu aktualisieren;
o die Governance-Regelungen und die Methodik zur Gebührenfestsetzung zu überprüfen;
o Initiativen zur Verbesserung des Systems für geografische Angaben in der EU zu entwickeln;
o den Rahmen für die Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums zu verbessern.
X
Der Hof empfiehlt dem Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum, o die Finanz-, Kontroll- und Bewertungssysteme der europäischenKooperationsprojekte zu verbessern.
Einleitung
Was sind Rechte des geistigen Eigentums?
01
Rechte des geistigen Eigentums sind die Rechte an Schöpfungen des menschlichen Intellekts, wie Erfindungen, literarische und künstlerische Werke, Geschmacksmuster und Symbole, Namen und Bilder, die im Handel verwendetwerden1. Der Schutz der Rechte des geistigen Eigentums ermöglicht es den Urhebern, Anerkennung zu erlangen und die unerlaubte Nutzung ihrer Werke und den Erwerb von Vorteilen aus ihnen zu verhindern. Außerdem bietet er Nutzern und Verbrauchern Garantien in Bezug auf die Qualität und Sicherheit der Waren.
02
Geistiges Eigentum gliedert sich in zwei Kategorien: 1) Urheberrechte – wie etwa literarische Werke, Filme und Musik sowie 2) gewerbliche Eigentumsrechte – zu denen Patente, Marken, Geschmacksmuster, geografische Angaben undGeschäftsgeheimnisse gehören. Die Hauptmerkmale von Marken, Geschmacksmustern und geografischen Angaben, die im Fokus dieser Prüfung standen, sind in Abbildung 1 zusammengefasst.
1 Definition der Rechte des geistigen Eigentums, Weltorganisation für geistiges Eigentum (nur in englischer Sprache).
Abbildung 1 – Hauptmerkmale von Marken, Geschmacksmustern und geografischen Angaben
Quelle: Europäischer Rechnungshof auf der Grundlage des Rechtsrahmens der EU.
03
Der Schutz der Rechte des geistigen Eigentums ist ein Schlüsselelement, das es der EU ermöglicht, in der Weltwirtschaft wettbewerbsfähig zu bleiben. Aufschutzrechtsintensive Wirtschaftszweige entfallen fast 45 % der gesamten Wirtschaftstätigkeit (BIP) der EU, was 6,6 Billionen Euro entspricht, und 29 % der Gesamtbeschäftigung in der EU. Allerdings handelt es sich schätzungsweise bei 6,8 % der jährlichen Gesamteinfuhren der EU um nachgeahmte Waren (121 Milliarden Euro), was in der legalen Wirtschaft zu Umsatzeinbußen von 83 Milliarden Euro und 400 000 verlorenen Arbeitsplätzen2 führt.
2 Status Report on IPR Infringement, Juni 2020, Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO).
Handelsmarken Gewerbliches
Geschmacksmuster Geografische Angaben
Betreff Zeichen mit
Unterscheidungskraft Erscheinungsbild von Produkten
Produkt aus einer bestimmten Region, dessen Qualität oder Ruf mit seinem geografischen
Ursprung verbunden ist
Erworbene
Rechte Individuelle
ausschließliche Rechte Individuelle ausschließliche Rechte
Gemeinschaftliche ausschließliche Rechte, gehören allen Erzeugern
Kontrolle Individuelle Kontrolle durch den Inhaber der
Handelsmarke
Individuelle Kontrolle durch den Inhaber des
gewerblichen Geschmacksmusters
Gemeinsame Kontrolle durch die Erzeuger oder
unabhängige Einrichtungen
Schutzdauer 10 Jahre, unbegrenzt
verlängerbar 5 Jahre, maximal 25
Jahre verlängerbar Unbegrenzt
EU-Rechtsrahmen für die Rechte des geistigen Eigentums
04
Der EU-Rechtsrahmen für Rechte des geistigen Eigentums basiert auf Verordnungen und Richtlinien der Union sowie bestehenden internationalen Abkommen zum geistigen Eigentum. Damit wird in allen EU-Mitgliedstaaten Schutz geboten und ein einheitliches EU-System geschaffen, das sowohl die Rechte des geistigen Eigentums der EU als auch die nationalen Rechte des geistigen Eigentums umfasst. Die Eckpfeiler des Schutzes der Rechte des geistigen Eigentums aufinternationaler und EU-Ebene sind in Abbildung 2 und Anhang I dargestellt.
Abbildung 2 – Eckpfeiler der Rechte des geistigen Eigentums
Quelle: Europäischer Rechnungshof.
INTERNATIONALE EBENE
EUROPÄISCHE UNION
RECHTSRAHMEN
DURCHSETZUNGSRAHMEN
Weltorganisation für geistiges Eigentum Pariser
Verbandsübereinkunft (1883);
Berner Übereinkunft (1886);
Vereinte Nationen Artikel 27 Absatz 2 der Allgemeinen
Menschenrechtserklärung (1948)
Welthandelsorganisation Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS, 1994)
Charta der Grundrechte der Europäischen Union (2000) Artikel 17 Absatz 2 Geistiges Eigentum wird geschützt
UNIONSMARKE Verordnung:
Verordnung
(EU) 2017/1001 über die Unionsmarke Richtlinie:
Richtlinie (EU) 2015/2436 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten
EU-GESCHMACKS- MUSTER Verordnung:
Verordnung (EG) Nr. 6/2002 über Gemeinschafts- geschmackmuster Richtlinie:
Richtlinie 98/71/EG über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen
GEOGRAFISCHE ANGABEN der EU Verordnung:
Verordnung
(EU) Nr. 1151/2012 über Agrarerzeugnisse und Lebensmittel Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 über Wein Verordnung (EU) 2019/787 über Spirituosen
Verordnung: Verordnung (EU) 608/2013 zur Durchsetzung der Rechte geistigen Eigentums durch die Zollbehörden
Richtlinie: Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums
Eintragungsverfahren für Rechte des geistigen Eigentums der EU
05
Die Eintragung von geistigem Eigentum in der EU schützt die Rechte des Inhabers in allen EU-Mitgliedstaaten. Für den Urheberrechtsschutz ist keine Eintragungnotwendig. Europäische Patente können beim Europäischen Patentamt angemeldet werden. Die Eintragung von Unionsmarken und EU-Geschmacksmustern erfolgt beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO). Einzelpersonen und Unternehmen aus jedem Land der Welt sind berechtigt, gegen Bezahlung einer Gebühr eine Anmeldung im Rahmen eines einzigen Eintragungsverfahrens einzureichen. Die verschiedenen Schritte des Eintragungsverfahrens sind in Abbildung 3 dargestellt.
Abbildung 3 – Eintragungsverfahren für Unionsmarken und EU- Geschmacksmuster
Quelle: Europäischer Rechnungshof.
06
Die Eintragung von geografischen Angaben in der EU, die derzeit auflandwirtschaftliche Erzeugnisse und Lebensmittel, Wein und Spirituosen beschränkt ist, unterscheidet sich von der Eintragung von Unionsmarken und EU-
Geschmacksmustern. Im Falle geografischer Angaben sind die zuständigen Behörden
ABWEISUNG
EINTRAGUNG BEANTRAGUNG
Durch eine natürliche Person / juristische Person der
Handelsmarke
BEANTRAGUNG Durch eine natürliche Person /
juristische Person des Geschmacksmusters
Prüfung Erfüllt der Antrag die
Voraussetzungen?
Prüfung Erfüllt der Antrag die
Voraussetzungen?
NEIN NEIN
JA JA JA
NEIN NEIN
Einspruch Bekanntmachung
Prüfung Ist der Einspruch berechtigt??
JA
der Mitgliedstaaten am Antragsverfahren beteiligt, und Anträge werden von EU- Erzeugern oder -Erzeugergruppen eingereicht (siehe Abbildung 4).
Abbildung 4 – Eintragungsverfahren für geografische Angaben
Quelle: Europäischer Rechnungshof
JA
NEIN NEIN
NEIN
NEIN
NEIN JA
JA
JA
JA
JA
BEANTRAGUNG durch Erzeugergemeinschaft
Analyse Erfüllt der Antrag die Voraussetzungen?
Prüfung Ist der Einspruch
berechtigt?
Prüfung Ist der Einspruch
berechtigt?
Einspruch Prüfung Entspricht der Antrag der Gesetzgebung der
EU?
Einspruch Bekannt- machung
NEIN
ABWEISUNG
ABWEISUNG EINTRAGUNG
Zuständige Behörde der Mitgliedstaaten
Europäische Kommission Bekanntmachung
und Übermittlung an die Europäische Kommission
Bekanntmachung
Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums in der EU
07
Eine wirksame Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums ist notwendig, um Innovation und Investitionen zu fördern und Fälschungen zu verhindern.Fälschungen stellen ein komplexes und wachsendes Problem dar. Neben Luxusgütern nehmen Fälscher zunehmend ein breites Spektrum von Alltagsprodukten ins Visier.
Abgesehen davon, dass Fälschungen generell der Wirtschaft schaden, haben Straftäter die COVID-19-Pandemie schnell für sich ausgenutzt, indem sie mit gefälschten
pharmazeutischen und Gesundheitsprodukten handelten3.
08
Die Kommission hat mehrere Instrumente zur Bekämpfung von Fälschungen und anderen Verletzungen von Rechten des geistigen Eigentums entwickelt. Mit der Richtlinie zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums4 sollen die Rechtsvorschriften harmonisiert werden, um ein hohes, gleichwertiges undhomogenes Schutzniveau für geistiges Eigentum im Binnenmarkt zu gewährleisten. Die Verordnung zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums durch die
Zollbehörden5 liefert den Zollbehörden Verfahrensvorschriften, um Rechte des geistigen Eigentums in Bezug auf Güter durchzusetzen, die der Überwachung bzw.
Kontrolle durch die Zollbehörden unterliegen. Außerdem zielt der EU-Zollaktionsplan 2018-20226 darauf ab, Verletzungen von Rechten des geistigen Eigentums an den Außengrenzen zu bekämpfen; er umfasst vier strategische Ziele (siehe Abbildung 5).
3 Viral marketing - Counterfeits, substandard goods and intellectual property crime in the COVID-19 pandemic, 17. April 2020, Europol.
4 Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (ABl. L 157 vom 30.4.2004, S. 45-86).
5 Verordnung (EU) Nr. 608/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juni 2013 zur Durchsetzung der Rechte geistigen Eigentums durch die Zollbehörden (ABl. L 181 vom 29.6.2013, S. 15-34).
6 Schlussfolgerungen des Rates zum EU-Aktionsplan im Zollbereich zur Bekämpfung von Verletzungen der Rechte des geistigen Eigentums für den Zeitraum 2018-2022, (ABl. C 24 vom 21.1.2019, S. 3).
Abbildung 5 – EU-Zollaktionsplan: Strategische Ziele
Quelle: Europäischer Rechnungshof
Die wichtigsten Akteure beim Schutz der Rechte des geistigen Eigentums in der EU
09
Die Europäische Kommission und andere EU-Einrichtungen arbeiten mit den Mitgliedstaaten zusammen, um sicherzustellen, dass die Rechte des geistigen Eigentums in der EU angemessen geschützt werden.10
Aufgaben der Europäischen Kommission (siehe Kasten 1):a) Einführung von Rechtsvorschriften zur Schaffung europäischer Rechte des geistigen Eigentums, um einen einheitlichen Schutz zu gewährleisten;
Ausarbeitung von Vorschlägen zur Harmonisierung und Verbesserung der Rechtsvorschriften über die Rechte des geistigen Eigentums in der EU;
b) Überprüfung der ordnungsgemäßen Umsetzung und Anwendung der EU- Rechtsvorschriften zum Schutz des geistigen Eigentums durch die nationalen Behörden; und Einleitung von Vertragsverletzungsverfahren gegen
Mitgliedstaaten;
c) Überwachung des wirksamen Schutzes vor Verletzungen der Rechte des geistigen Eigentums im Binnenmarkt; Unterstützung von KMU und deren Schutz sowie Erleichterung des Informationsaustauschs und der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten;
Gewährleistung einer effektiven Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums durch die Zollbehörden in der
gesamten Union
Bekämpfung vorherrschender Trends beim Handel mit Waren, mit denen
Rechte des geistigen Eigentums verletzt
werden
Bekämpfung des Handels mit rechtsverletzenden
Waren in der gesamten internationalen Versorgungskette
Stärkung der Zusammenarbeit mit
der Europäischen Beobachtungsstelle für
Verletzungen von Rechten des geistigen
Eigentums und den Strafverfolgungs-
behörden
d) Ermittlung von Fehlern im Rechtsrahmen der EU, damit sie beseitigt werden können, und Sicherstellung, dass weltweit gleiche Wettbewerbsbedingungen bestehen.
Kasten 1
Zuständigkeiten auf dem Gebiet der Rechte des geistigen Eigentums:
Europäische Kommission
GD GROW: Politik zu Unionsmarken, EU-Geschmacksmustern und
nichtlandwirtschaftlichen geografischen Angaben; horizontale Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums und Unterstützung von KMU im Bereich des geistigen Eigentums.
GD AGRI: Politik zu den geografischen Angaben im Agrarbereich und Eintragung geografischer Angaben.
GD TAXUD: Durchsetzung der Politik zu den Rechten des geistigen Eigentums durch die Zollbehörden.
OLAF: Verwaltungsuntersuchungen bei Verletzungen von Rechten des geistigen Eigentums.
11
Das EUIPO spielt ebenfalls eine wichtige Rolle als die für die Verwaltung der Eintragung von Unionsmarken und EU-Geschmacksmustern zuständige EU-Agentur. Es arbeitet mit den nationalen und regionalen Ämtern für geistiges Eigentum zusammen, die für die Eintragung von nationalen Marken und Geschmacksmustern zuständig sind.Außerdem übernimmt die Europäische Beobachtungsstelle für Verletzungen von Rechten des geistigen Eigentums ("Beobachtungsstelle"), die unter der
Schirmherrschaft des EUIPO steht, ein breites Spektrum an Aufgaben in Bezug auf Forschung, Sensibilisierung, Verbreitung von bewährten Verfahren und die
Unterstützung bei der Durchsetzung aller Arten von Rechten des geistigen Eigentums.
Um den Kampf gegen Fälschungen und Produktpiraterie zu unterstützen, haben sich Europol7 und das EUIPO im Jahr 2016 zusammengeschlossen, um die koordinierte Koalition gegen Verletzungen von Rechten des geistigen Eigentums zu schaffen, die innerhalb von Europol operiert.
12
Die Behörden für geistiges Eigentum der Mitgliedstaaten verwalten nationale Marken und Geschmacksmuster. Die zuständigen nationalen Stellen prüfen, ob die7 Agentur der Europäischen Union für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Strafverfolgung.
Anträge auf Eintragung geografischer Angaben der EU den Anforderungen
entsprechen, bevor sie der Kommission zur Genehmigung übermittelt werden. Die Zollbehörden sind für die Kontrolle von Verletzungen von Rechten des geistigen
Eigentums an den Grenzen verantwortlich, während andere Strafverfolgungsbehörden, insbesondere die Polizei, für die Aufdeckung von nationalen Verletzungen von Rechten des geistigen Eigentums zuständig sind. In einigen Mitgliedstaaten können die
Zollbehörden auf der Grundlage nationaler Rechtsvorschriften auch befugt sein, tätig zu werden, wenn Waren, die bereits im Binnenmarkt in Verkehr gebracht wurden, im Verdacht stehen, Rechte des geistigen Eigentums zu verletzen.
Prüfungsumfang und Prüfungsansatz
13
Im Zuge dieser Prüfung wurde untersucht, ob Rechte des geistigen Eigentums in Bezug auf Unionsmarken, EU-Geschmacksmuster und geografische Angaben innerhalb des Binnenmarkts gut geschützt sind. Urheberrechte und Patente waren nichtGegenstand der Prüfung. Der Hof konzentrierte sich insbesondere auf die Frage, ob der EU-Rechtsrahmen für Rechte des geistigen Eigentums im Einklang mit den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung und der öffentlichen Rechenschaftspflicht einen ausreichenden Schutz bot und ob die genannten Rechte des geistigen Eigentums der EU ausreichend durchgesetzt wurden. Die Prüfung erstreckte sich auf den Zeitraum von Januar 2017 bis April 2021.
14
Der Hof wählte dieses Prüfungsthema, weil er den Schutz der Rechte des geistigen Eigentums zuvor noch nie geprüft hatte und die Hauptinitiativen der Kommission zum Rahmen für die Unionsmarke bis 2019 abgeschlossen sein sollten.Darüber hinaus ist der Schutz der Rechte des geistigen Eigentums ein Schlüsselelement für die Wettbewerbsfähigkeit der EU in der Weltwirtschaft und für die Förderung von Innovation. Ziel der Prüfung war es, Empfehlungen abzugeben, um den EU-Rahmen für geistiges Eigentum und dessen Durchsetzung zu verbessern.
15
Bei der Prüfung wurde folgenden Fragen nachgegangen:a) Hat die Kommission den notwendigen Rechtsrahmen für Rechte des geistigen Eigentums geschaffen?
b) Haben die Kommission, das EUIPO und die Mitgliedstaaten den Rechtsrahmen für Rechte des geistigen Eigentums für Unionsmarken, Geschmacksmuster und geografische Angaben ordnungsgemäß umgesetzt?
c) Wurden die Durchsetzungskontrollen für Rechte des geistigen Eigentums von den Mitgliedstaaten korrekt umgesetzt?
16
Der Hof hat Prüfungsnachweise aus einer Reihe unterschiedlicher Quellen zusammengetragen:a) Aktenprüfungen und Analysen einschlägiger Rechtsvorschriften, Berichte, Daten und Statistiken, Stichproben sowie eine Untersuchung der Unterlagen, die von den geprüften Stellen zur Verfügung gestellt wurden;
b) Befragungen der zuständigen Bediensteten der Kommission (GD GROW, TAXUD, und AGRI), des OLAF, des EUIPO (inklusive Beobachtungsstelle), von Europol und von fünf Mitgliedstaaten (Griechenland, Frankreich, Litauen, Ungarn und
Rumänien), die auf Grundlage von quantitativen Risikokriterien ausgewählt wurden.
Bemerkungen
Der insgesamt solide Rechtsrahmen für Rechte des geistigen Eigentums weist Unzulänglichkeiten auf
Der Rahmen für die Unionsmarke ist eingerichtet, doch wurde die Richtlinie nur unvollständig umgesetzt
17
Die Markenrichtlinie zielt darauf ab, die wichtigsten Verfahrensvorschriften der nationalen Markensysteme und des Markensystems der Union anzugleichen. Die Angleichung der Verfahrensvorschriften ist von grundlegender Bedeutung, um die Eintragung und Verwaltung von Marken zu erleichtern8. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen die materiellen Schutzvoraussetzungen, wie die Bedingungen für den Erwerb und die Aufrechterhaltung einer eingetragenen Marke, generell in allenMitgliedstaaten gleich sein. Deshalb sollte der Rechtsrahmen für Unionsmarken vollständig, aktuell und auf EU-Ebene abgestimmt sein.
18
Auf der Grundlage der von ihm analysierten Nachweise und seiner Gespräche mit Vertretern der Kommission stellt der Hof fest, dass zwei der ausgewähltenMitgliedstaaten (Ungarn und Litauen) die Markenrichtlinie in innerstaatliches Recht umgesetzt haben (Anhang II). In Anbetracht dessen, dass die wichtigste
Umsetzungsfrist am 14. Januar 2019 endete, erfolgte die Umsetzung in den
ausgewählten Mitgliedstaaten verspätet9 und blieb in Griechenland, Frankreich und Rumänien unvollständig.
Schwächen im Rahmen für Governance und Rechenschaftspflicht des EUIPO
19
Ob das Entlastungsverfahren des Europäischen Parlaments zur Anwendung kommt, richtet sich nach der Finanzierungsstruktur der Agenturen, wie sie in der EU- Haushaltsordnung10 festgelegt ist. Als vollständig selbstfinanzierte Agentur ist das EUIPO von der Entlastung durch das Europäische Parlament ausgeschlossen, die stattdessen von seinem Haushaltsausschuss erteilt wird11. Das Entlastungsverfahren8 Erwägungsgrund 9, Markenrichtlinie.
9 Stichtag war der 14. Januar 2019.
10 Artikel 70 Absatz 4.
11 Artikel 176 Absatz 2 der Unionsmarkenverordnung.
berücksichtigt auch die vom Hof vorgenommene jährliche Prüfung der Rechtmäßigkeit und Ordnungsmäßigkeit der Jahresrechnung des Amts, mit der gegebenenfalls
Empfehlungen zur Behebung von Unzulänglichkeiten bei den Tätigkeiten der
Organisation einhergehen. Darüber hinaus beruht das Entlastungsverfahren auf den regelmäßigen externen Bewertungen des EUIPO und der Trennung von Funktionen und Aufgaben zwischen drei Gremien: dem Exekutivdirektor, dem die Verwaltung des EUIPO und der Haushaltsvollzug obliegt, dem Verwaltungsrat, der für die Annahme des jährlichen Arbeitsprogramms zuständig ist, und dem Haushaltsausschuss12.
20
Die Rechenschaftsregelungen gemäß der Unionsmarkenverordnung sehen vor, dass das EUIPO dem Europäischen Parlament und der Europäischen Kommission das angenommene Jahresarbeitsprogramm, den Jahresbericht, das strategischeMehrjahresprogramm (alle fünf Jahre) und die Jahresrechnung des Amts zur Verfügung stellt. Der Exekutivdirektor des EUIPO führt einen Meinungsaustausch mit dem
Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments über das strategische
Mehrjahresprogramm 2025. Der Verwaltungsrat konsultiert die Kommission zum Jahresarbeitsprogramm des EUIPO und ist verpflichtet, die Stellungnahme der Kommission bei dessen Annahme zu berücksichtigen13.
21
Die Unionsmarkenverordnung sieht eine begrenzte Beteiligung des Europäischen Parlaments und der Kommission vor. Dementsprechend ergibt sich der begrenzte Einfluss der Kommission und des Europäischen Parlaments auf die Entscheidungen des Verwaltungsrats und des Haushaltsausschusses des EUIPO aus dem Konzept der Unabhängigkeit der Regulierungsagenturen. Somit haben weder die Kommission noch das Europäische Parlament maßgeblichen Einfluss auf die Beschlüsse desVerwaltungsrats oder des Haushaltsausschusses, wie die Annahme der
Finanzvorschriften des EUIPO trotz der Gegenstimmen der beiden Vertreter der Kommission zeigte14.
22
In seiner Stellungnahme 1/2019 über die Finanzvorschriften des EUIPO äußerte der Hof seine besondere Besorgnis hinsichtlich des Entlastungsverfahrens des EUIPO und bekräftigte seinen Vorschlag, dass das EUIPO dem allgemeinen Haushalts- und Entlastungsverfahren vor dem Europäischen Parlament und nicht vor demHaushaltsausschuss des Amts unterliegen sollte, da seine Einnahmen aus der
Ausübung hoheitlicher Befugnisse auf der Grundlage des EU-Rechts stammen. Der Hof
12 Artikel 153, 157 und 171 der Unionsmarkenverordnung.
13 Siehe Artikel 153, 157, 172 und 176 der Unionsmarkenverordnung.
14 Beschluss BC-19-07.
hat immer wieder betont, dass für alle mit der EU verbundenen Einrichtungen
dieselben Grundsätze der Rechenschaftspflicht gelten sollten15. Diese Besorgnis wird in einer Studie des Wissenschaftlichen Dienstes des Europäischen Parlaments16 geteilt, in der festgehalten wurde, dass die Rechenschaftspflicht mangels eines förmlichen Verfahrens zur Abgabe von Empfehlungen an vollständig selbstfinanzierte Agenturen nach wie vor eine Herausforderung darstellt.
23
Um eine ordnungsgemäße Rechenschaftspflicht zu gewährleisten, wozu auch eine unabhängige Arbeitsweise gehört, sollte die Aufgabenteilung – in diesem Fall zwischen dem Verwaltungsrat und dem Haushaltsausschuss – klar abgegrenzt sein.Darüber hinaus sollten die Mitglieder eines Leitungsgremiums frei von sonstigen Beziehungen sein, die ihre Rolle wesentlich beeinträchtigen würden17. Der Verwaltungsrat und der Haushaltsausschuss des EUIPO bestehen aus je einem Vertreter pro Mitgliedstaat, einem Vertreter des Europäischen Parlaments und zwei Vertretern der Europäischen Kommission mit insgesamt 30 Stimmen.
24
Obwohl die Zusammensetzung des Verwaltungsrats und desHaushaltsausschusses mit der Unionsmarkenverordnung im Einklang steht,
überschneiden sich den Feststellungen des Hofes zufolge die Vertreter beider Gremien als Mitglieder beider Gremien weitgehend (26 der 30 stimmberechtigten Mitglieder oder deren Stellvertreter). Der Hof ist daher der Auffassung, dass im vorliegenden Fall die Fähigkeit einer Person, ein Urteil auszuüben oder ihren Auftrag zu erfüllen, durch ihre andere Aufgabe beeinträchtigt oder beeinflusst werden könnte. Diese Situation führt zusammen mit dem Fehlen eines externen Entlastungsverfahrens zu einer Schwachstelle in den Governance-Regelungen, da dieselben Personen (oder ihre Stellvertreter) sowohl Entscheidungen über die Annahme des Haushaltsplans als auch über das Entlastungsverfahren für dessen Ausführung treffen.
25
Gemäß der Unionsmarkenverordnung war die Kommission verpflichtet, die Wirkung, die Effektivität und die Effizienz des Amts und seiner Arbeitsmethoden erstmals bis zum 24. März 2021 zu bewerten. Diese Bewertung ist noch im Gange und die Ergebnisse werden bis Ende 2022 erwartet.
15 Siehe u. a. Stellungnahmen 3/2015 und 2/2018 des Hofes und Landscape-Analyse der EU- Regelungen zur Rechenschaftspflicht und zur öffentlichen Finanzkontrolle des Europäischen Rechnungshofs von 2014.
16 Wissenschaftlicher Dienst des Europäischen Parlaments (2018):EU Agencies, Common Approach and Parliamentary Scrutiny. Studie, S. 8.
17 IFAC-CIPFA (2014): International framework: good governance in the public sector, S. 24.
Der EU-Rahmen für Geschmacksmuster ist veraltet und unvollständig
26
Die Musterrichtlinie zielte darauf ab, die Gesetze der Mitgliedstaaten zum Schutz von Mustern anzugleichen18, um ein Gemeinschaftsmustersystem zu schaffen. Um dieses Ziel zu erreichen, sollte der Rechtsrahmen für EU-Geschmacksmuster vollständig, aktuell und auf EU-Ebene abgestimmt sein.27
Das Gemeinschaftsgeschmacksmuster ist einheitlich und hat unionsweit dieselbe Wirkung. Es ist entscheidend, nationale und EU-Systeme zur Eintragung vonGeschmacksmustern aufeinander abzustimmen, da auf nationaler Ebene eingetragene Geschmacksmuster bei der Einreichung der Anmeldung eines eingetragenen
Gemeinschaftsgeschmacksmusters Vorrang haben.
28
Der EU-Rechtsrahmen für Geschmacksmuster ist unvollständig und veraltet, was in der Praxis zu vielen Abweichungen zwischen den nationalen Systemen und dem der EU sowie zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten führt. Diese Situation führt zu Rechtsunsicherheit bei der Eintragung von Geschmacksmustern in den verschiedenen Mitgliedstaaten. Die Kommission hat eine externe Evaluierung und öffentlicheKonsultation sowie eine Folgenabschätzung durchgeführt und nimmt derzeit eine Aktualisierung des Rechtsrahmens für Geschmacksmuster vor. Die oben aufgezeigten Schwächen können bei der Ausarbeitung eines neuen Legislativvorschlags aufgegriffen werden.
29
Der Evaluierung zufolge war die Umsetzung in allen Mitgliedstaaten am 1. Juni 2004 abgeschlossen. Die Evaluierung offenbarte eine Reihe bedeutender Mängel, die behoben werden müssen, um die Angleichung der nationalen Systeme und des EU-Systems für die Eintragung abzuschließen. Auch die Prüfung des Hofes ergab mehrere Aspekte, die eine Überarbeitung des EU-Rahmens fürGeschmacksmuster durch die Kommission rechtfertigen.
30
Der Hof hat in den ausgewählten Mitgliedstaaten eine unzureichendeAngleichung zwischen den nationalen Rahmen für Geschmacksmuster und jenen der EU aufgedeckt, da sie während des Anmeldungs-, Prüfungs-, Veröffentlichungs- und Eintragungsprozesses unterschiedliche Verfahren und Fristen eingeführt haben (siehe Anhang V). Der Hof stellte folgende Unterschiede bei den Anmeldeverfahren fest:
a) Anmeldungen können elektronisch oder in Papierform eingereicht werden. Im Jahr 2020 wurden die meisten elektronisch eingereicht (EUIPO 98,17 %, Litauen
18 Erwägungsgründe 3 und 4.
78 %, Ungarn 50 %, Rumänien 23 %), wobei Griechenland und Frankreich ausschließlich elektronische Anmeldungen akzeptierten.
b) Das EUIPO bietet für die Anmeldung von EU-Geschmacksmustern die Möglichkeit, unter bestimmten Bedingungen ein beschleunigtes Verfahren ("FastTrack") auszuwählen (im Jahr 2020 wurde bei 38,7 % der EU-
Geschmacksmusteranmeldungen auf diese Option zurückgegriffen). Frankreich und Rumänien bieten ebenfalls ein schnelleres Eintragungsverfahren an. Bei den anderen ausgewählten Mitgliedstaaten sind allerdings keine vergleichbaren Verfahren vorgesehen.
31
Darüber hinaus stellte der Hof weitere Unterschiede zwischen den nationalen und dem EU-Geschmacksmustersystem fest:a) Es gibt verschiedene zuständige Gremien für Beschwerdeverfahren: nationale Gerichte in den Mitgliedstaaten und die Beschwerdekammer beim EUIPO.
b) Es besteht eine unzureichende Angleichung bei den Gebühren und Gebührenstrukturen (siehe Anhang VI).
c) Nationale Ämter für geistiges Eigentum sind nicht verpflichtet, Mediation und Schlichtung anzubieten.
32
Der Hof stellte außerdem fest, dass die gedruckteGeschmacksmusterbeschreibung und -wiedergabe nicht standardisiert sind und die EU-Musterrichtlinie und die EU-Verordnung über das
Gemeinschaftsgeschmacksmuster nicht festlegen, dass die Geschmacksmuster mithilfe verbreiteter Technologien, wie z. B. 3D-Bildgebung oder Videos, beschrieben oder wiedergegeben werden können.
33
Die EU-Verordnung über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster schützt nicht eingetragene EU-Geschmacksmuster für Produkte, die häufig nur eine kurze Lebensdauer auf dem Markt haben und für die ein Schutz ohneEintragungsformalitäten vorteilhaft und die Schutzdauer von geringerer Bedeutung ist.
Abgesehen von Rumänien, das über eine "Datenbank für nicht eingetragene Muster"
(die bislang keine Einträge enthält) verfügt, bietet keiner der ausgewählten Mitgliedstaaten diesen Schutz an.
34
Der Hof stellte fest, dass der Schutz durch das Geschmacksmustergesetz in vier der fünf ausgewählten Mitgliedstaaten auf Ersatzteile ausgeweitet wurde. In der EU- Verordnung über das Gemeinschaftsgeschmackmuster und in Ungarn ist dieser Schutzausgeschlossen (Reparaturklausel). Tabelle 1 veranschaulicht die Unterschiede zwischen den geprüften Mitgliedstaaten und dem EUIPO.
Tabelle 1 – Schutz von Ersatzteilen
Schutz durch Geschmacksmustergesetz Reparaturklausel
EUIPO Nicht geschützt Ja
EL (OBI) Geschützt für fünf Jahre, Bezahlung
danach Ja
FR (INPI) Geschützt Nein (*)
HU (HIPO) Nicht geschützt Ja
LT (SPB) Geschützt Nein
RO (OSIM) Geschützt Nein
(*) Die Reparaturklausel wird am 1. Januar 2023 in Kraft treten, wobei nur Automobilglas und Beleuchtung vom Schutz ausgeschlossen sind.
Quelle: Europäischer Rechnungshof
35
Der Hof stellte fest, dass es verschiedene Optionen zwischen nationalen Eintragungssystemen und jenen der EU gibt, um die Veröffentlichung eines Musters aufzuschieben, einschließlich Unterschieden beim möglichen Aufschubzeitraum und den entsprechenden Gebühren (Tabelle 2).Tabelle 2 – Optionen für den Aufschub der Veröffentlichung (Zeitraum und Gebühren)
Maximaler Zeitraum
Gebühren pro Geschmacksmuster (in Euro) 1. Geschmacks-
muster 2. bis 10. ab 11.
EUIPO 30 Monate 40 20 10
Ungarn (HIPO) Nicht
möglich Nicht zutreffend
Frankreich (INPI) 3 Jahre Keine zusätzlichen Gebühren
Griechenland (OBI) 12 Monate 30 10 10
Rumänien (OSIM) 30 Monate 20
Litauen (SPB) 30 Monate Keine zusätzlichen Gebühren Quelle: Europäischer Rechnungshof
Die Gebührenstruktur für Rechte des geistigen Eigentums spiegeln nicht die Realkosten wider
Mangel an einer klaren Methodik für die Festsetzung der EU-Gebühren
36
Die Gebühren für Unionsmarken und EU-Geschmacksmuster wurden in den Verordnungen über die Unionsmarke und die Geschmacksmustergebühren eingeführt.Die Kriterien19 für die Gebührenfestsetzung setzen voraus, dass:
a) die Einnahmen hieraus grundsätzlich ausreichen, um einen ausgeglichenen Haushalt des Amts (EUIPO) zu gewährleisten;
b) eine harmonische Koexistenz und Komplementarität zwischen dem
Unionsmarkensystem und den nationalen Markensystemen gegeben ist und c) die Rechte der Inhaber von Unionsmarken in den Mitgliedstaaten effizient
durchgesetzt werden.
37
Wie der Hof in seinem Sonderbericht 22/2020 angemerkt hat, nehmen die Agentur der Europäischen Union für Flugsicherheit, die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde und das Übersetzungszentrum für die Einrichtungen derEuropäischen Union eine vollständige Berechnung der Kosten der Dienstleistungen vor, die den von ihnen verlangten Gebühren zugrunde liegen. Der Hof überprüfte die Anwendung der Kriterien für die Gebührenfestsetzung und stellte fest, dass das EUIPO im Jahr 2020 – wie in der Bilanz des Amts ausgewiesen – über kumulierte Überschüsse (308,75 Millionen Euro) in bedeutendem Umfang verfügt (siehe Abbildung 6). Der Hof stellte ferner fest, dass Höhe und Struktur der EUIPO-Gebühren zwar auf sozialen, finanziellen und wirtschaftlichen Kriterien beruhen, sie aber keine Transparenz in Bezug auf die Kostendeckung bieten, was erforderlich ist, um die Effizienz des EUIPO in seinen Kerntätigkeiten zu bewerten. Dementsprechend bestehen zwischen der
Einheitskostenstruktur und der Gebührenstruktur sowie zwischen den Einheitskosten und den Gebühren erhebliche Unterschiede.
19 In der Verordnung Nr. 2246/2002 der Kommission findet lediglich das erste Kriterium Berücksichtigung.
Abbildung 6 – Überschüsse des EUIPO in Prozent (2011-2020)
Quelle: Europäischer Rechnungshof
38
In seiner Stellungnahme 01/2019 vertrat der Hof die Auffassung20, dass das EUIPO, zusammen mit der Kommission, die Möglichkeit prüfen sollte,Haushaltsüberschüsse dafür zu verwenden, Finanzierungsinstrumente zu stützen, die europäische Unternehmen bei ihren Forschungs- und Innovationsaktivitäten
unterstützen. Ein Beispiel für die Verwendung von Haushaltsüberschüssen ist die Initiative "Ideas powered for business SME Fund" (KMU-Fonds), die ein
Zuschusssystem in Höhe von 20 Millionen Euro bereitstellt, um europäische KMU dabei zu unterstützten, ihre Rechte des geistigen Eigentums geltend zu machen.
39
Zudem ergab die Vergleichsanalyse des Hofes, dass erhebliche Abweichungen zwischen den Gebühren der EU und jenen, die von den nationalen Behörden der fünf ausgewählten Mitgliedstaaten erhoben werden, bestehen (Tabelle 3). Es wurdebeispielsweise festgestellt, dass die EU-Gebühren für die Anmeldung und Verlängerung von Schutzrechten mindestens dreimal so hoch waren wie die teuersten nationalen Gebühren (Frankreich).
20 Stellungnahme 1/2019.
25 % 20 % 15 % 10 % 5 %
0 % -5 % -10 % -15 % -20 %
-25 %
2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020
17,1 %
11,5 %
0,9 % 4,3 %
8,2 %
10,9 %
-5,2 %
-7,2 %
-23,0 % -2,1 %
Tabelle 3 – Vergleich der Anmeldungs- und Jahresgebühren (in Euro) mit Stand vom 1.1.2021
EUIPO EL FR HU
(1) LT RO (2) Gebühr für die Einreichung der
Anmeldung (in Farbe, elektronische Einreichung)
Für eine Klasse 850 100 190 166 180 110
Zweite Klasse 50 20 40 221 40 50
Dritte Klasse 150 20 40 304 40 50
Verlängerung (elektronische Verlängerung)
Für eine Klasse 850 90 290 166 180 200
Zweite Klasse 50 20 40 221 40 50
Dritte Klasse 150 20 40 304 40 50
(1) 1 Euro = 361,462 HUF, Stand 1.1.2021 (2) 1 Euro = 4,8698 LEI, Stand 1.1.2021 Quelle: Europäischer Rechnungshof
40
Der Hof analysierte die Informationen, die das EUIPO der EuropäischenKommission vorgelegt hat, die Studie des Europäischen Parlaments aus dem Jahr 2013 mit dem Titel "The income of fully self-financed Agencies and the EU budget", die INNO-tec-Studie von 2010, die Max-Planck-Studie von 2011, die Folgenabschätzungen von 2009 und 2013 und die Evaluierung durch die Europäische Kommission. Der Hof fand in diesen Dokumenten weder eine Analyse des Zusammenhangs zwischen der Höhe der Gebühren, ihren Kriterien und den vom EUIPO angebotenen
Dienstleistungen noch eine Bestimmung der Mindesthöhe der EU-Gebühren, die mit den nationalen Markensystemen vereinbar wäre.
41
Auch wenn Kriterien für die Gebührenfestsetzung aufgestellt wurden, kommt der Hof auf der Grundlage der Analyse zu dem Schluss, dass es an einer klaren Methodik für die Bemessung der Höhe der EU-Gebühren mangelt, was ein hohesGebührenniveau zur Folge hat, das wiederum zu kumulierten Überschüssen führt. Die Anhäufung erheblicher Überschüsse steht im Widerspruch zu dem Prinzip, Suffizienz zu erreichen, um einen ausgeglichenen Haushalt zu erzielen, wie in der Verordnung festgelegt. In der Max-Planck-Studie wurde darauf hingewiesen, dass
Nutzerorganisationen den Mangel an Transparenz bei den Gebühren kritisierten.
Hohe Gebühren führen zu einem ineffizienten Ausgleichsmechanismus
42
Das EUIPO ist dazu verpflichtet21, die Mitgliedstaaten über einenAusgleichsmechanismus für die zusätzlichen Kosten, die ihnen durch die Teilnahme am Unionsmarkensystem entstanden sind, zu entschädigen. Dies gilt nur insoweit, als dem EUIPO in jenem Jahr kein Haushaltsdefizit entsteht. Der Ausgleichsmechanismus wurde in den Jahren 2018, 2019 und 2020 aktiviert (siehe Abbildung 7).
Abbildung 7 – Beträge im Rahmen des Ausgleichsmechanismus Zeitraum 2017-2020
Quelle: Europäischer Rechnungshof
43
Die Anmeldegebühr deckt die Eintragungskosten für eine nationaleHandelsmarke. Der Hof stellte fest, dass der Betrag, der vom Ausgleichsmechanismus kompensiert wird, in etwa der Anmeldegebühr in Litauen entspricht. Für das Jahr 2020 beliefen sich der Ausgleichsbeitrag auf 310 000 Euro und die Zahl der eingetragenen nationalen Marken auf 1 771. Daher belief sich der Ausgleichsbeitrag pro eingetragene nationale Marke auf 175 Euro, vergleichbar der Anmeldegebühr für eine litauische Marke (180 Euro).
44
Mit der Unionsmarkenverordnung wurden jährliche zentrale Leistungsindikatoren eingeführt, um den Ausgleichsbetrag unter den Mitgliedstaaten zu verteilen. Die Ergebnisse dieser zentralen Leistungsindikatoren werden von den Mitgliedstaaten auf der ePlatform des EUIPO erfasst, zusammen mit einer Erklärung von jedem Nationalen Amt für geistiges Eigentum. Der Hof stellte fest, dass das EUIPO keine Kontrollen durchgeführt hat, um die Richtigkeit der von den Nationalen Ämtern für geistiges Eigentum angegebenen Daten zu verifizieren, die maßgeblich für die Verteilung des Ausgleichsbetrags sind. Das EUIPO betrachtet diese Erklärung für ausreichend, um die
21 Artikel 172 Absatz 4 der Unionsmarkenverordnung.
15 Millionen Euro 10
5
0
2017 2018 2019 2020
0
12,0 12,7 13,8
Methodik, Kalkulation und Genauigkeit der durch die Mitgliedstaaten auf der ePlatform erfassten Statistiken zu begründen.
45
Der Hof stellte fest, dass die zentralen Leistungsindikatoren, auf denen die Ausgleichsbeträge basieren, nicht SMART sind – konkret, messbar, erreichbar, sachdienlich und terminiert (siehe Kasten 2). Darüber hinaus stellt derAusgleichsmechanismus nicht sicher, dass die zuständigen nationalen Behörden für die zusätzlich entstehenden Kosten ausreichend kompensiert werden, da die
Ausgleichsbeträge nicht in deren Haushalte fließen, sondern in nationale Haushalte.
Kasten 2
Die Bewertungen der zentralen Leistungsindikatoren für die Verteilung der Ausgleichsbeträge sind nicht SMART
1) Zahl der Anträge für Unionsmarken in jedem Mitgliedstaat pro Jahr. Der Hof stellte fest, dass dieser KPI nicht sachdienlich ist, da Anträge für
Unionsmarken elektronisch eingereicht werden und den Mitgliedstaaten dadurch keine zusätzlichen Kosten entstehen. Darüber hinaus werden die Kosten im Zusammenhang mit Werbe- und Informationsmaßnahmen bereits aus den europäischen Kooperationsprojekten finanziert.
2) Zahl der Anträge für nationale Marken in jedem Mitgliedstaat pro Jahr. Nach Dafürhalten des Hofes besteht zwischen der Anzahl der Anträge für nationale Marken und den Kosten, die durch das Unionsmarkensystem entstehen, kein Zusammenhang, da die Prüfung des Vorliegens relativer
Eintragungshindernisse im Zusammenhang mit einander widersprechenden älteren Rechten, einschließlich der Anmeldungen und Eintragungen älterer Unionsmarken, durch die von den Anmeldern für geistiges Eigentum entrichteten Anmelde- und Eintragungsgebühren finanziert wird.
3) Zahl der Klagen bei den in den Mitgliedstaaten eingerichteten Unionsmarkengerichten pro Jahr. Es gibt keine amtlichen Statistiken (Schwierigkeiten bei der Messung).
4) Widerspruch und Anträge auf Nichtigerklärung durch Inhaber von Unionsmarken in den Mitgliedstaaten. Die Widerspruchs- und
Nichtigkeitsverfahren vor den Nationalen Ämtern für geistiges Eigentum werden über von den Parteien entrichtete Gebühren finanziert.
Der EU-Rahmen zu geografischen Angaben ist auf Agrarerzeugnisse beschränkt
46
Die Sektoren der geografischen Angaben fallen unter drei EU-Regelungen für geografische Angaben: (a) Agrarerzeugnisse und Nahrungsmittel, (b) Weine und (c) Spirituosen.47
Der Hof stellte fest, dass die für die Eintragung maßgeblichen Grundregeln und Prinzipien im Allgemeinen aufeinander abgestimmt sind. Es wurde allerdingsfestgestellt, dass die Regelung für geografische Angaben für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel nicht das gesamte Spektrum an Gütern abdeckt, die unter dem WTO- Übereinkommen über Landwirtschaft als Agrarerzeugnisse klassifiziert wurden. Es besteht auch kein EU-System für die Eintragung nichtlandwirtschaftlicher Erzeugnisse (Kunsthandwerk und gewerbliche Geschmacksmuster), obwohl es in manchen
Mitgliedstaaten nationale Rechtsvorschriften gibt, die solche Produkte schützen. Das Fehlen eines EU-weiten Schutzsystems für alle Produkte macht es schwer oder unmöglich ihren Schutz sicherzustellen, da nationale Schutzsysteme alleine nicht ausreichen.
Die Rahmen für die Rechte des geistigen Eigentums wurden gut umgesetzt, auch wenn einige Schwächen festgestellt werden können
Das EUIPO setzt trotz einiger Schwachstellen die Rahmen für Unionsmarken und Geschmacksmuster größtenteils korrekt um
48
Basierend auf der Beurteilung des Eintragungsverfahrens und der damitverbundenen Aktivitäten, ist der Hof zu dem Schluss gekommen, dass das EUIPO die EU-Verordnungen über die Unionsmarke und das Gemeinschaftsgeschmackmuster angemessen umgesetzt hat. Die Anmeldungs-, Prüfungs-, Veröffentlichungs- und Eintragungsverfahren sind gemäß ISO 9001 und ISO 10002 zertifiziert, wobei das EUIPO ebenfalls ein Qualitätskontrollsystem einführte, das die Definition einer Reihe
zentraler Leistungsindikatoren und Compliance-Werte beinhaltet.
49
Der Hof hat allerdings die folgenden Schwächen bei der Durchführung der Unionsmarkenverordnung festgestellt.50
Die Unionsmarkenverordnung sieht vor, dass das EUIPO ein Mediationszentrum für die einvernehmliche Beilegung von Streitigkeiten über Unionsmarken undgeschützte EU-Geschmacksmuster einrichten kann. Obwohl das EUIPO den Dienst für alternative Streitbeilegung eingeführt hat, um kostenfreie Mediationsdienste für Beschwerdeverfahren zur Verfügung zu stellen, sind Beobachtungs- und
Einspruchsverfahren hiervon ausgenommen.
51
Jeder Vertreter einer natürlichen oder juristischen Person, der mit dem EUIPO in Kontakt tritt, muss rechtlich befugt sein, als Vertreter für nationale Angelegenheiten des geistigen Eigentums zu fungieren. Der Hof stellte fest, dass sich die Bedingungen, um ein Vertreter zu werden, zwischen den geprüften Mitgliedstaaten erheblichunterscheiden, was dementsprechend zu ungleichen Bedingungen für diejenigen führt, die als Vertreter fungieren möchten.
52
Mit der Unionsmarkenverordnung und der EU-Verordnung über das Gemeinschaftsgeschmackmuster wurden die Register für Unionsmarken und geschützte EU-Geschmacksmuster geschaffen und die Eintragung von Marken und Geschmacksmustern in das Register verbindlich festgeschrieben. Der Hof nahm eine risikobasierte Auswahl vor und überprüfte eine Stichprobe von 20 Unionsmarken und sechs eingetragenen EU-Geschmacksmustern, um sich der Genauigkeit undVollständigkeit des Registers zu vergewissern. Bei eingetragenen Marken wurden Beispiele für einen falschen Unionsmarkenstatus (sechs ausgewählte Marken), Verfahrensfehler (eine Marke) und Auslassungen (fünf Marken) gefunden. Bei den eingetragenen EU-Geschmacksmustern betraf die Unvollständigkeit die zweite Sprache der Anmeldung bei einer Stichprobe. Infolge der vom Hof festgestellten Mängel
ermittelte das EUIPO im Register 522 Einträge mit Unstimmigkeiten, die einzeln geprüft und manuell berichtigt werden. Ferner beabsichtigt es, eine interne Kontrolle einzuführen, um die erforderliche Kohärenz und Genauigkeit der Daten zu
gewährleisten.
53
Das Ergebnis der Umfrage zur Nutzerzufriedenheit von 2019 des EUIPO ergab eine erhöhte Unzufriedenheit der Nutzer bezüglich der Kohärenz der Entscheidungen der Beschwerdekammer (Zufriedenheitsrate unter 53 %). Kohärente Entscheidungen sind ein wichtiges Element zur Harmonisierung des Unionsmarkensystems und des Systems der eingetragenen EU-Geschmacksmuster. Eine größere Kohärenz der Entscheidungen der Justizorgane würde zu einer erhöhten Effizienz des Systems führen, da weniger Rechtsmittel und Rechtsstreitigkeiten vor dem Gericht (Europäischer Gerichtshof) erforderlich wären.Die Kriterien für eine finanzielle Unterstützung der Mitgliedstaaten weisen Schwächen auf
54
Gemäß der Unionsmarkenverordnung und übereinstimmend mit denGrundsätzen der wirtschaftlichen Haushaltsführung ist das EUIPO für die Kooperation zwischen EU-Organen und den Nationalen Ämtern für geistiges Eigentum zuständig, um eine Angleichung der Verfahrensweisen und Instrumente im Bereich der Marken und Geschmacksmuster zu fördern.
55
Die Nationalen Ämter für geistiges Eigentum kooperieren mit dem EUIPO hauptsächlich über europäische Kooperationsprojekte, die in den jährlichen Kooperationsabkommen enthalten sind. Zahlreiche wichtige Kooperationsprojekte wurden oder werden in enger Zusammenarbeit mit dem EUIPO und den Nationalen Ämtern für geistiges Eigentum durchgeführt. Seit 2020 hat das EUIPO mithilfe von Pauschalbeträgen, die separat für jeden Begünstigten berechnet wurden, zu einigen europäischen Kooperationsabkommen beigetragen.56
Die EU-Haushaltsordnung sieht vor, dass Pauschalbeträge auf einer fairen, ausgewogenen und überprüfbaren Berechnungsmethode basieren müssen, die eine wirtschaftliche Verwendung der Mittel gewährleistet. Die EU-Haushaltsordnung enthält keine Vorgaben in Bezug auf die Methode für die Berechnung von Pauschalbeträgen.57
Der Hof befand, dass die vom EUIPO zur Berechnung der Pauschalbeträge eingesetzte Methode (Anhang VII) die folgenden Mängel aufwies:a) Die bestätigten historischen Daten der einzelnen Begünstigten deckten nur ein Jahr ab.
b) Die Klassifizierung der Aktivitäten unterscheidet nicht ausreichend zwischen den verschiedenen Projekttypen, dementsprechend wurden ähnliche Pauschalbeträge für ungleiche Aktivitäten erhoben.
c) Bei der Berechnung des durchschnittlichen Tagessatzes bezogen die Nationalen Ämter für geistiges Eigentum die Gehälter aller interner Mitarbeiter mit ein, die an den europäischen Kooperationsprojekten des Jahres 2019 teilgenommen haben. Ähnliche Projekte wiesen jedoch unterschiedliche Mitarbeiterprofile auf.
58
Zwei der europäischen Kooperationsprojekte, die in den betreffenden Kooperationsabkommen enthalten waren, beschäftigten sich mit den laufenden Kosten für TMView und DesignView, den öffentlichen Datenbanken für Marken undGeschmacksmuster. Der Hof stellte fest, dass die laufenden Kosten keinen Bezug zu den realen Kosten hatten, die für die Datenbankpflege der Nationalen Ämter für geistiges Eigentum und für die Bereitstellung von Daten zu nationalen Marken und Geschmacksmustern entstanden sind.
59
Außerdem wurde festgestellt, dass es 2020 bei den durchschnittlichen laufenden Kosten pro Geschmacksmuster in den ausgewählten Mitgliedstaaten erhebliche Unterschiede gab (siehe Tabelle 4), was zu einer ungleichen Situation zwischen den geprüften Mitgliedstaaten führte.Tabelle 4 – Durchschnittliche laufende Kosten für DesignView pro eingetragenem Geschmacksmuster
EL FR HU LT RO
Eingetragene
Geschmacksmuster 77 4 619 68 26 47
Laufende Kosten für DesignView (in
Euro) 127 552 129 896 125 027 130 000 83 744
Durchschnitt pro Geschmacksmuster
(in Euro) 1 657 28 1 839 5 000 1 782
Quelle: Europäischer Rechnungshof
Mängel beim Eintragungsverfahren für Agrarerzeugnisse
60
Die EU-Rechtsvorschriften liefern den Rahmen für die Eintragung von Produkten mit geografischen Angaben auf EU-Ebene, aber sie decken nicht die nationalePrüfungsphase ab. Im Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip hat jeder Mitgliedstaat sein eigenes Prüfungsverfahren, muss aber die Kriterien und Bedingungen für eine umfassende Bewertung einhalten, die im Rahmen der maßgeblichen Regelung gilt, wie durch die Rechtsvorschriften zu geografischen Angaben festgelegt (46). Jedem
Mitgliedstaat steht es ebenfalls frei zu entscheiden, ob er für das Eintragungs- und Kontrollverfahren Gebühren verlangen möchte.
Ineffizienzen bei den Eintragungsverfahren der Kommission
61
Anträge auf Eintragung geografischer Angaben werden von den zuständigen Behörden jedes Mitgliedstaats analysiert und bewilligt und dann zusammen mit den Begleitunterlagen bei der Kommission eingereicht (Anhang VIII). Die Mitgliedstaaten reichen diese Informationen entweder über das IT-System eAmbrosia der EU oder perE-Mail ein. Einreichungen über eAmbrosia sind für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel nicht verpflichtend, und die Mitgliedstaaten mit der höchsten Anzahl an Anträgen nutzen in der Regel Einreichungen per E-Mail.
62
Die eAmbrosia-Datenbank enthält alle geografischen Angaben, einschließlich jener von Drittländern, die mithilfe eines direkten Antrags bei der Kommission eine Eintragung erwirkten. Alle über das IT-System übermittelten Anträge werdenautomatisch auf die öffentliche Version der Plattform hochgeladen. Da alle Anträge auf der öffentlichen Version von eAmbrosia veröffentlicht werden müssen, muss die Kommission Anträge per E-Mail von Hand hochladen. Dies verursacht zusätzliche Arbeit für das Personal der Kommission und es können Fehler auftreten.
Langwierige nationale Verfahren und Verfahren der Kommission für die Analyse und Eintragung von Anträgen für geografische Angaben
63
Es sollte keine Hindernisse beim Eintragungsverfahren für geografische Angaben innerhalb der Mitgliedstaaten geben. Die nationalen Prüfungsphasen und jene der Kommission, welche die Voraussetzungen für Antrags-, Veröffentlichungs-,Beschwerde- und Eintragungsverfahren für geografische Angaben enthalten, sollten daher mit klaren Fristen einhergehen und transparent sein.
64
Um den Zeitrahmen und die Verfahren für die Genehmigung geografischer Angaben in den ausgewählten Mitgliedstaaten zu überprüfen, wählte der Hof einige Eintragungsanträge für geografische Angaben und Änderungen von bestehenden Eintragungen aus (Anhang IX). Obwohl in den ausgewählten Mitgliedstaaten klare Voraussetzungen für Antrags-, Veröffentlichungs-, Beschwerde- undEintragungsverfahren veröffentlicht wurden, stellte der Hof fest, dass die in der nationalen Gesetzgebung festgesetzten Prüffristen selten beachtet wurden und Genehmigungsverfahren bis zu 60 Monate dauern konnten. Diese langen Verzögerungen waren auf das komplexe Qualitätssicherungsverfahren und die besonderen Merkmale landwirtschaftlicher Erzeugnisse zurückzuführen.
65
Auf Kommissionsebene waren die Genehmigungsverfahren für dieselbenausgewählten Stichproben ebenfalls langwierig (Anhang X). Die Verzögerungen von bis zu 48 Monaten wurden mit der komplexen Analyse und der Übersetzung der
erhaltenen Unterlagen erklärt sowie den langen Verzögerungen beim Erhalt von Antworten der Mitgliedstaaten auf die Fragen, die von der Kommission gestellt wurden.
Unterschiede bei den Kontrollen der geografischen Angaben der Mitgliedstaaten und fehlende Orientierungshilfe vonseiten der Kommission
66
Die Kontrollen geografischer Angaben werden gemäß der Verordnung 2017/625 über amtliche Kontrollen durchgeführt. Die Verordnung ist nicht speziell geografischen Angaben gewidmet und enthält keine standardisierten EU-Kontrollregeln fürgeografische Angaben. Darüber hinaus wurden keine weiteren nachgeordneten Rechtsvorschriften zu geografischen Angaben vorgeschlagen oder verabschiedet.
67
Jeder besuchte Mitgliedstaat verfügte über seine eigenen Kontrollregeln und - verfahren. Manche Mitgliedstaaten nutzen Eintragungskontrollen vor Bewilligung eines Antrags auf eine geografische Angabe auf nationaler Ebene, während andere Kontrollen erst im Nachgang dazu vornahmen (jährlich oder in unterschiedlichen Intervallen). Der Hof befand, dass die Kontrollmethoden und ihre Häufigkeit in den ausgewählten Mitgliedstaaten nicht standardisiert waren und die Kontrollgebühren für Betreiber erheblich voneinander abwichen, von gebührenfrei bis 300 Euro pro Tag.68
Die Kommission organisiert Schulungen im Rahmen der Initiative "Bessere Schulung für sicherere Lebensmittel" sowie jährliche Seminare mit Mitgliedstaaten zu Kontrollen von geografischen Angaben. Allerdings bieten diese keine offizielleOrientierungshilfe zu Kontrollmethoden, Risikoanalyse oder der optimalen Häufigkeit von Kontrollen. Die unterschiedliche Behandlung von Erzeugern geografischer
Angaben in den verschiedenen Mitgliedstaaten hat zur Folge, dass für manche Erzeuger höhere Befolgungskosten und mehr Verpflichtungen gelten als für andere.
Die Zusammenarbeit in Bezug auf geografische Angaben verläuft innerhalb der EU im Allgemeinen reibungslos
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Das EUIPO verwaltet in Zusammenarbeit mit der Kommission ein Portal (GIview), um die Kommunikation mit Vollstreckungsbehörden zu erleichtern. GIview enthält Eintragungsdaten von eAmbrosia und geografischen Angaben außerhalb der EU, die in der EU durch internationale/bilaterale Abkommen geschützt sind, Daten zu den zuständigen Behörden, Kontrollorganen und Erzeugergemeinschaften sowie Informationen über als geografische Angaben registrierte Produkte (Fotos, Karten, Beschreibungen und Links zu Websites von Erzeugergemeinschaften).70
In Bezug auf die Verwaltung der Systeme zu geografischen Angaben durch die Mitgliedstaaten beruft die Kommission dreimal im Jahr Expertengruppen ein, um Herausforderungen und bewährte Verfahren in dem Sektor zu besprechen. Außerdem hielt die Kommission zwischen 2018 und 2020 17 Mini-Workshops mit denMitgliedstaaten ab. Der Hof stellte fest, dass die Behörden in den ausgewählten