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Tenside mit metallhaltigen Kopfgruppen

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Academic year: 2022

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Tenside mit metallhaltigen Kopfgruppen

Dissertation

zur Erlangung des akademischen Grades Doktor der Naturwissenschaften (Dr. rer. nat.)

eingereicht im Fachbereich Chemie der Universität Konstanz

von

Steve Landsmann

geboren am 23.01.1982 in Jena

Konstanz, im Dezember 2012

Tag der mündlichen Prüfung: 03.06.2013 Referenten: Prof. Dr. S. Polarz

Prof. Dr. H. Cölfen Prof. Dr. A. Wittemann

Konstanzer Online-Publikations-System (KOPS)

(2)
(3)

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

5

2. Grundlagen

10

2.1 Selbstanordnungsprozesse von Tensiden 10

2.2 Polyoxometallate 15

2.2.1 Aufbau und Einteilung der Polyoxometallate 15

2.2.2 Modifikationen von Polyoxometallaten

19

2.3 Amphiphile Polyoxometallate 24

2.4 Relevante analytische Methoden 26

2.4.1 Transmissionelektronenmikroskopie 26

2.4.2 Polarisationsmikroskopie 27

2.4.3 Dynamische Lichtstreuung 28

2.4.4 Röntgenkleinwinkelstreuung 29

3. Motivation und Zielsetzung

36

4. Ergebnisse und Diskussion

39

4.1 Synthese und Eigenschaften einer neuen Klasse von

Amphiphilen mit Polyoxometallat-Kopfgruppen 39

4.1.1 Synthese der Polyoxowolframat-Tensiden 39

4.1.2 Untersuchung des Selbstanordnungsverhaltens der POM-

Amphiphile 46

4.1.2.1 Lyotrope flüssigkristalline Phasen der POM-Amphiphile 46

4.1.2.2 Mizellbildung der POM-Amphiphile 55

4.1.3 Eigenschaften der POM-Amphiphile 58

4.1.4 Die POM-Tenside als Modell in der Grenzflächenchemie 62

4.2 Bimetallische Polyoxometallat-Tenside 65

4.2.1 Bimetallische POM-Tenside über Adsorption und Einbau von

Übergangsmetallen 66

4.2.2 Die Selbstanordnungsverhalten von bimetallischen Tensiden 74

(4)

4.2.3 Eigenschaften der bimetallischen Tenside am Beispiel Ruthenium: Elektrochemie, photophysikalische Eigenschaften

und Gast-Wirt-Wechselwirkungen 78

4.2.4 Metallionen als Gegenionen der POM-Tenside 89

4.3 Bipolare Polyoxometallat-Tenside 93

4.3.1 Synthese von bipolaren POM-Tensiden 94

4.3.2 Das Selbstanordnungsverhalten von POMBOLA1 99 4.3.3 Wirt-Gast-Untersuchungen und Freisetzungsexperimente 109 4.3.4 Stimuli-responsives Verhalten der Selbstaggregation von

POMBOLA2 und POMBOLA3 113

4.4 Einfluss der Ladung der Kopfgruppe auf den Packungsparameter: POM-Amphiphile mit verschiedenen

Zentralatomen 118

4.4.1 Synthese der POM-Amphiphile mit unterschiedlichen

Zentralatomen 119

4.4.2 Einfluss der Ladung auf das Selbstanordnungsverhalten 124 4.4.2.1 Das Selbstanordnungsverhalten der Tenside mit Protonen als

Gegenionen 124

4.4.2.2 Das Selbstanordnungsverhalten der Tenside mit Natrium als

Gegenionen 130

5. Zusammenfassung und Ausblick

136

6. Literatur

141

7. Anhang

148

7.1 Experimentelle Teile 148

7.2 Verwendete analytische Geräte 176

7.3 Abkürzungsverzeichnis 178

(5)

1. Einleitung

Tenside sind seit ihrer ersten Erwähnung vor 4500 Jahren zu einem unverzichtbaren Bestandteil unseres Lebens geworden.1-3 Aufgrund ihrer grenzflächenaktiven Eigenschaften werden sie hauptsächlich als waschaktive Substanzen in Wasch- und Reinigungsmittel eingesetzt.1, 3 Daneben gibt es noch viele weitere Anwendungsgebiete von Tensiden, wie zum Beispiel in Kosmetika, in der Lebensmittelindustrie als Emulgator oder als Phasentransferkatalysator.1, 3

Die grenzflächenaktiven Eigenschaften der Tenside lassen sich durch ihren molekularen Aufbau erklären. Tenside sind im Allgemeinen organischer Natur und bestehen aus einem wasserlöslichen und einen wasserunlöslichen Teil. Dieser Gegensatz auf molekularer Ebene führt zu dem charakteristischen Verhalten, das Tenside aufweisen, wenn sie mit einem Lösungsmittel (meist Wasser) in Kontakt kommen, das nur mit einem Teil wechselwirkt.2, 4 Die Neigung des Tensids die Grenzfläche zwischen hydrophoben Teil und Wasser (hydrophober Effekt) zu minimieren und gleichzeitig die Grenzfläche zwischen hydrophilen Teil und Wasser zu maximieren führt zu dem gut untersuchten Selbstanordnungsverhalten, das die Tenside auszeichnet.5 Daraus ergibt sich, dass der Selbstanordnungsprozess, der zu lyotropen Phasen oder Mizellbildung führt, abhängig von dem Aufbau des Tensids ist.2, 4, 6, 7

Klassische Tenside bestehen aus einer hydrophilen Kopfgruppe, die ungeladen oder geladen sein kann und die eine oder mehrere hydrophobe Ketten tragen. Bei den bekanntesten Tensiden handelt es sich um ionische Tenside mit langkettigen Carbon- und Sulfonsäuresalze sowie quartäre Ammoniumsalze als Kopfgruppen.3 Sie bilden oberhalb der kritischen Mizellbildungskonzentration (CMC) aufgrund des hydrophoben Effektes Aggregate im Nanometerbereich aus. Die geometrischen Packungseigenschaften der Tenside bestimmen dabei die Gestalt der Aggregate.

Diese hängen von der von der Kopfgruppe eingenommenen Fläche A, dem Volumen V, das der hydrophobe Teil des Tensids ausfüllt, und die kritische Länge lc, die die hydrophoben Ketten maximal erreichen können, ab. Die drei Größen werden in dem von Israelachvili eingeführten Packungsparameter P zusammengefasst.2, 6 Dieser berechnet sich aus P= V/(A*lc) und gibt die Gestalt der aus den Tensiden gebildeten Aggregatform wider. Die große Anzahl an Selbstanordnungsverhalten der klassischen Tenside wurde durch die Einführung von synthetischen Tensiden noch erweitert (Schema 1.1).2 Hierbei sind insbesondere Bolaamphiphile, Block-co-

(6)

polymere und Tenside mit Polyethylenglykolen als Kopfgruppe zu nennen.8-12 Letztere wurden in den 1950er Jahren entwickelt und seither unter den Markennamen Pluronic, Tween, Brij, etc. vertrieben. Somit gibt es eine große Auswahl an Tensiden, die eine Vielzahl von Selbstanordnungsverhalten aufweisen.

Schema 1.1: Die möglichen Selbstanordnungsverhalten von klassischen Tensiden (a), PEGylierten Tensiden (b) und amphiphilen Block-co-Polymeren.2

Die Synthese von Tensiden mit alternativen Kopfgruppen hat weiterhin zur Folge gehabt, dass sich gleichzeitig die Eigenschaften ändern können. So weisen die Tenside mit PEGylierten Kopfgruppen eine bis zu 1000fach geringere CMC als klassische Tenside auf.13 Die Bolaamphiphile, bei denen sich an den beiden Enden der hydrophoben Ketten hydrophile Kopfgruppen befinden, zeigen zwar auch eine geringere CMC, jedoch sind ihre Selbstanordnungsprozesse zu Mono- und Bilayer- Aggregaten und die damit verbundenen, möglichen Anwendungen als künstliche Membrane, Nanoreaktoren oder Transportvehikel weitaus interessanter.11, 14, 15 Diese Beispiele zeigen, dass die Synthese von Tensiden mit unkonventionellen Kopfgruppen durch die Ausbildung neuer Eigenschaften von großem Interesse ist.

Daher ist es sinnvoll, die Kopfgruppen mit Übergangsmetallzentren auszustatten.

Dabei werden durch die mitgebrachten Eigenschaften des Metalls bisher

a b c

(7)

geschlossene Türen zu weiteren Anwendungsmöglichkeiten geöffnet. Einige Beispiele für metallhaltige Amphiphile existieren bereits auf dem Feld der Metallomesogene,16, 17 die aufgezeigt haben, dass sie eine makroskopische Reaktion zeigen, wenn ein Magnetfeld angelegt wird, dass aus den geordneten Metallomesogenen nanostrukturierte Materialien erhalten werden können oder dass sie photoleitende Eigenschaften besitzen können.16, 18, 19 Allerdings sind an den Verbindungen der Metallomesogene die Nachteile der meisten bisher bekannten metallhaltigen Tenside zu erkennen. Aufgrund der meist instabilen Metall- Kohlenstoff-Bindungen kann der hydrophobe Teil nicht kovalent an das Metallzentrum gebunden werden und somit liegen die Metallzentren entweder als Gegenion einer ionischen Kopfgruppe vor oder die Kopfgruppe besitzt eine Ligandenfunktion, woran verschiedene Metalle koordinieren können.20-22 Das bedeutet, dass die Metallionen teilweise nur labil gebunden sind und zudem nur ein Metallion pro Ligandenfunktion gebunden wird. Jedoch ist deutlich zu erkennen, wenn immer ein Tensid eine metallhaltige Kopfgruppe trägt, diese Systeme ein ungewöhnliches und komplexes Selbstanordnungsverhalten aufweisen (Schema 1.2).23, 24

Schema 1.2: a) Toroidale Anordnung eines Molybdänalkoxid-Tensids und die Umwandlung zu nanostrukturierten, mesoporösen Molybdänoxid;23 b) Der hierarchische Selbstanordnungsprozess

eines metallorganischen Tensids mit Zn-CH3-Kopfgruppe und PEG-Kette.24

a

b

(8)

Allerdings sind amphiphile Systeme bekannt, die eine multinukleare und mehrfach geladene Kopfgruppe besitzen. Dabei handelt es sich um die Gruppe der Polyoxometallate. Polyoxometallate (POM) sind große, negativ geladene Übergangsmetall-Sauerstoff-Cluster.25-27 Sie bestehen aus ecken-, kanten- und flächenverknüpften [MO6]-Oktaeder und können zusätzlich zentrale [EO4]-Polyeder enthalten (M= Mo, W; E= Si, P, etc.).28-30 Eines der ersten bekannten Polyoxometallate ist das sogenannte Keggin-Ion mit Ikosaeder-Struktur und der Zusammensetzung [EW12O40].31 Das Keggin-Ion ist ein relativ einfach aufgebauter Vertreter von Verbindungen mit komplexen und riesigen Strukturen.30, 32 Jedoch sind fast ausschließlich amphiphile Polyoxometallat-Systeme bekannt, bei denen der amphiphile Charakter durch die Verwendung eines kationischen Tensids herrührt und somit prinzipiell nicht von einem Tensid gesprochen werden darf, da der hydrophobe und hydrophile Teil nicht Teile eines Moleküls sind, das zudem keinen dipolaren Charakter aufweist.33-37 Diese Systeme, die unter dem Begriff „Tensid-ummantelte Cluster“ (SEC) zusammengefasst werden, weisen trotzdem ungewöhnliche Selbstanordnungsverhalten auf und besitzen die typischen Eigenschaften von Polyoxometallaten (Schema 1.3).38, 39

Schema 1.3: a) SEM- und b) TEM-Aufnahmen eines [PW12O40]-Keggin-Ions, das mit Dodekyltrimethylammonium-Kationen ummantelt ist; c) Oxidation von Sulfiden zu Sulfonen in

amphiphilen Mesostrukturen.38

a

b

c

(9)

Auf den letztgenannten Systemen soll diese Arbeit anschließen, indem auf dem Keggin-Ion basierende Polyoxometallate als hydrophile, multinukleare Kopfgruppe kovalent mit langen, organischen Alkylketten funktionalisiert werden sollen und somit als neue Gruppe von Tensiden mit metallhaltigen Kopfgruppen etabliert wird.

(10)

2. Grundlagen

Im Rahmen dieser Arbeit die Synthese von Tensiden mit Polyoxometallat- Kopfgruppen und die Untersuchung derer Selbstanordnungsverhalten behandelt werden. Somit sollen zuerst die Gebiete der Tenside mit ihren Selbstanordnungsprozessen und der Polyoxometallate mit der großen Anzahl von Verbindungen und die vielfältigen Möglichkeit ihrer Modifikationen vorgestellt werden.

Anschließend soll die Kombination beide Gebiete nachvollzogen werden, indem auf die amphiphilen Polyoxometallate eingegangen wird, die zu Beginn der Arbeit dem aktuellen Stand der Forschung entsprachen. Im zweiten Teil sollen die wichtigsten Analytikmethoden präsentiert werden. Dabei handelt es ausschließlich um Techniken zur Untersuchung der Selbstaggregationsphänomene. Für die restlichen Standardmethoden sei auf die Fachliteratur verwiesen.

2.1 Selbstanordnungsprozesse von Tensiden

Bei Tensiden handelt es sich um amphiphile Moleküle, die aus einem hydrophoben (wasserunlöslichen) und einen hydrophilen (wasserlöslichen) Teil bestehen.1, 3 Klassische Tenside sind meist organischer Natur. Der hydrophobe Part wird hauptsächlich aus langkettigen Kohlenwasserstoffen gebildet, aber Arylalkyl-, Dimethylsiloxan- und perfluorierte Gruppen sind auch bekannt.1, 40 Die hydrophile Kopfgruppe kann kationisch (quartäre Ammoniumionen), anionisch (Carboxylate, Sulfonate, Sulfate), zwitterionisch (Lecithine, Betaine, Sultaine) oder nichtionisch (Alkohole, Zucker, Polyglycolether) sein.2, 8, 40 Durch Ladung der Kopfgruppen ergibt sich die Einteilung in kationische, anionische, zwitterionische und nichtionische Tenside (Schema 2.1.1a).

Schema 2.1.1: Unterschiedliche Arten von Tensiden: a) Klassische Tenside, b) Bolaamphiphile und c) Gemini-Tenside. Die grauen Kugeln repräsentieren die Kopfgruppen, der schwarze Schwanz

entspricht den hydrophoben Gruppen und das graue Rechteck kennzeichnet den Spacer.

a

b

c

(11)

Zudem sind zwei weitere Arten von Tensiden bekannt, die mindestens zwei hydrophile Kopfgruppen tragen, die über das Molekül verteilt sind. Dabei handelt es sich um die Bolaamphiphile und die Gemini-Tenside.11, 12 Bei den Bolaamphiphilen sind die zwei Kopfgruppen über eine oder mehrere hydrophobe Ketten verbunden.

Es handelt somit um α,ω-bipolare Tenside.41 Der Aufbau von Gemini-Tensiden ist komplizierter. Die Kopfgruppen sind über einen Spacer miteinander verbunden und tragen jeweils noch eine hydrophobe Kette (Schema 2.1.1).42

Aus diesem Aufbauprinzip ergeben sich die amphiphilen Eigenschaften von Tensiden. Sie sind, insbesondere in Wasser, grenzflächenaktiv und reichern sich daher an den Grenzflächen einer wässrigen Phase an.2, 8 Es bildet sich eine dicht gepackte Monolage an der Luft/Wasser-Grenzfläche aus, wobei die hydrophilen noch Kontakt zum Wasser aufweisen und die hydrophoben Schwänze in die Luftphase zeigen (I in Abb. 2.1.1) Als Folge sinkt die Grenzflächenspannung von Wasser. Ab einer gewissen Konzentration ist die Luft/Wasser-Grenzfläche komplett mit Tensidmolekülen besetzt (II) und bei weiterer Erhöhung der Konzentration bilden die Tenside supramolekulare Aggregate aus, sogenannte Mizellen (III). Nach Erreichen dieser kritischen Mizellbildungskonzentration (CMC) ändert sich die Grenzflächenspannung nicht mehr (Abb. 2.1.1).2

Abb. 2.1.1: Grenzflächenaktivität von Tensiden und Bestimmung der CMC.

Die beiden wesentlichen Kräfte, die diese Selbstanordnungsphänomene von Tensiden steuern, sind einerseits attraktive hydrophobe und repulsive hydrophile

I II III

(12)

Wechselwirkungen des Tensids. Das bedeutet im Detail, dass die hydrophoben Ketten sich zusammenlagern, um die Grenzfläche Alkylteil/Wasser zu minimieren.

Dieses Verhalten wird als „hydrophober Effekt“ bezeichnet und ist die Haupttriebkraft für die Bildung stabiler Aggregate. Auf der anderen Seite wollen die hydrophilen Kopfgruppen, aufgrund von ionischen oder sterischen Abstoßungen untereinander, die Fläche maximieren. Somit herrschen an der Grenzfläche zwei gegensätzliche Kräfte, die die Kopfgruppenfläche a vergrößern bzw. verkleinern wollen (Abb. 2.1.2a).

Das Konzept der entgegenwirkenden Kräfte impliziert, dass die Wechselwirkungen ein Energieminimum bei einer idealen Kopfgruppenfläche a0 aufweisen müssen.

Über komplexe Rechnungen, die die intra- und intermolekularen Wechselwirkungen der Aggregate einbeziehen, kann dies in erster Näherung aufgezeigt werden (Abb.

2.1.2b). Allerdings werden dabei drei Nebenerscheinungen nicht mit einbezogen:

spezifische Kopfgruppenwechselwirkungen wie Ionenbindungen, komplexe Ketten- Ketten-Wechselwirkungen, da die Alkylketten sich nie exakt wie eine Flüssigkeit verhalten werden, und der Effekt der Oberflächenkrümmung der Aggregate.2

Abb. 2.1.3: a) Attraktive hydrophobe Wechselwirkungen und repulsive Kopfgruppenwechselwirkungen bestimmen die optimale Kopfgruppenfläche, wo b) die Energie der beiden Wechselwirkungen ein

Minimum besitzt.2

Wurden bis jetzt nur auf die Wechselwirkungen des Tensids innerhalb eines Aggregates eingegangen, sollen im Folgenden die günstigsten Strukturen vorgestellt werden. Diese sind abhängig von der optimalen Kopfgruppenfläche a0, dem Volumen der Alkylketten und der kritischen Länge lc, die die Alkylkette erreichen kann. Die kritische Kettenlänge ist eine semi-empirische Größe, da nicht genau bestimmt werden kann, ab welcher Distanz nicht mehr von einer Alkylkette im flüssigen Zustand gesprochen werden darf. Jedoch zeigt sich, dass die berechneten Längen zwar kleiner, aber in demselben Größenbereich wie komplett ausgedehnte

a b

(13)

Alkylketten liegen. Nach Tanford4 gilt für gesättigte Kohlenwasserstoffketten mit n Kohlenstoffatomen folgende Gleichung für die kritische Kettenlänge lc und das Volumen V:

nm n

l

c

 ( 0 , 154  0 , 1265 )

(1) und

3

10

3

* ) 9 , 26 4 , 27

( n nm

V  

(2).

Da jetzt alle Dimensionen des Tensids bestimmt werden können, kann ermittelt werden, in welche Strukturen das Tensid sich anordnen kann. Ein Parameter, der für die Bestimmung der Struktur geeignet ist, ist die dimensionslose Zahl P, die unter den Begriff Packungsparameter bekannt ist und nach Gleichung 3 berechnet wird.5, 6

l

c

a P V

0

*

(3)

Abb. 2.1.4 zeigt, wie die Dimensionen des Tensids den Packungsparameter beeinflussen und folglich in welche Formen sie bilden können.

Abb. 2.1.4: Durchschnittliche Packungsform der Tenside und die damit möglichen Strukturen, die abhängig vom Packungsparameter ausgebildet werden.2

(14)

Es muss allerdings betont werden, dass es sich um begrenzende Packungsformen handelt. Das bedeutet, dass ein Tensid mit P= ½ und somit prinzipiell einen Kugelstumpf mit kleiner Deckfläche bildet, auch einen Kegelstumpf mit größerer Deckfläche ausbilden kann, da bei gleichbleibenden Volumen und Kopfgruppenfläche, die Kettenlänge kleiner als lc sein kann. Aber es ist nicht möglich, dass es einen Konus ausbildet (Abb. 2.1.4).2

Weiterhin beeinflusst die Tensidkonzentration beträchtlich das Selbstanordnungsverhalten. Bei steigenden Konzentrationen an Tensid werden die Wechselwirkungen zwischen den Aggregaten immer bedeutender. Dies hat zur Folge, dass sich geordnete Mesophasen ausbilden. Dabei entstehen repulsive Kräfte, die bewirken, dass die optimale Kopfgruppenfläche abnimmt und damit nimmt der Packungsparameter zu. Daraus folgt, dass mit steigender Konzentration an Tensid es zu einer Phasenumwandlung von Kugelmizellen zu hexagonal geordneten Zylindern, von Stäbchenmizellen zu einer vernetzten kubischen Phase, und von Bilayer oder Lamellen zu inversen Phasen kommt (Abb. 2.1.5).

Abb. 2.1.5: Phasenumwandlung bei stetiger Erhöhung der Tensidkonzentration.2

Weitere Faktoren, die das Selbstanordnungsverhalten beeinflussen, aber auf die hier nicht näher eingegangen wird, sind die Ionenstärke und der pH-Wert der Lösung, die Zugabe von hydrophoben Molekülen oder eines zweiten Tensids, und die Temperatur.

(15)

2.2 Polyoxometallate

In dieser Arbeit sollen Polyoxometallate (POM) als Tensidkopfgruppen dienen. Das Gebiet der POMs wird bereits seit fast 200 Jahren erforscht. Berzelius beobachtete 1826 die Entstehung eines gelben Produktes aus Molybdat und Phosphat oder Arsenat und dessen eine anschließende Blaufärbung.43 In den nächsten hundert Jahren wurde intensiv auf diesem Gebiet geforscht, jedoch konnte erst Keggin 1933 Einblicke in den Aufbau der Polyoxometallate bringen, indem er die nach ihm benannte Struktur der Heteropolysäure H3[PW12O40] aufklärte.31 Der weitere Fortschritt stockte allerdings, da erst die Weiterentwicklungen in Analytikmethoden wie der Röntgenkristallographie, der Raman-, 183W-NMR- und der 17O-NMR- Spektroskopie in Kombination mit der neuen FAB-Massenspektrometrie bzw.

genauen elektrochemischen Messungen die Möglichkeit bot, die neu hergestellten Verbindungen eindeutig zu charakterisieren.27 So blühte die Forschung zu POMs in den 1980er Jahren wieder auf und erhielt einen weiteren immensen Schub durch den von Pope und Müller 1991 veröffentlichten Review-Artikel.26 Heutzutage spielen die POMs eine wichtige Rolle in verschiedenen Bereichen wie der Katalyse, in der Elektrochemie, der Photochromie sowie in der Medizin und im Bereich des Magnetismus.28, 29, 44-52 Diese breite Palette an Anwendungen kommt durch die Kombination ihrer einzigartigen Eigenschaften zustande. Dabei gehören zu den interessantesten Eigenschaften ihre thermische und oxidative Beständigkeit, die strukturelle Ähnlichkeit mit Metalloxiden, folglich POMs als „lösliche molekulare Oxide“ betrachtet werden können, ihre bemerkenswerten Redoxcharakteristika, die POMs als gute Elektronenreservoire qualifizieren und die leichte Funktionalisierbarkeit von POMs sowie die hohe Brønsted-Azidität der Heteropolysäuren, die sogar im festen Zustand erhalten bleibt.25, 26, 53

Im Folgenden werden zuerst der Aufbau und die unterschiedlichen Arten von Polyoxometallaten vorgestellt und anschließend wird auf einige Möglichkeiten zur Modifikation von Polyoxometallaten eingegangen.

2.2.1 Aufbau und Einteilung der Polyoxometallate

Es gibt tausende Verbindungen, die in das Gebiet der POMs einzuordnen sind.

Dabei existiert eine riesige Varianz betreffend der Größe, Form und Struktur der Verbindungen. Dennoch ist es möglich, eine grobe Einteilung zu treffen. Diese Einteilung in drei Kategorien von POMs weist natürlich ihre Grenzen und Ausnahmen

(16)

auf, aber es hilft dem Forscher einen gewissen Überblick über die riesige und schnelle wachsende Zahl an Verbindungen zu behalten. Allen gemein ist, dass es sich um anionische Metall-Sauerstoff-Cluster handelt, die aus Metalloxid-Bausteinen der allgemeinen Formel [MOx]n bestehen. Hierbei baut sich der Cluster aus n [MOx]- Koordinationspolyeder (oft Oktaeder oder quadratische Pyramiden) auf, wobei das M für W oder Mo und manchmal auch für V oder Nb steht und x einen Wert zwischen vier und sieben annehmen kann.29, 54 Schema 2.2.1 zeigt eine Klassifizierung von einiger, bekannten POM-Systemen nach Art und Anzahl der Metallzentren sowie die Kategorie, in der das POM-System eingeordnet werden kann. Die drei Kategorien sind Heteropolyoxometallate, Isopolyoxometallate und Reduzierte Molybdänblau- und Molybdänbraun-Cluster.29, 55

Schema 2.2.1: Klassifizierung der Baueinheiten von vielkernigen Polyoxometallatclustern nach der Zahl der Metallzentren (Mo-, W-, V- und Nb-POMs). Die mit durchgezogenen schwarzen Linien umrahmten „allgemeinen Baueinheiten“ wurden bereits als stabile Cluster isoliert. Diese Baueinheiten

können über Verbindungsglieder L zu Cluster mit n Kernen verknüpft werden, wobei L

Übergangsmetallionen, Alkylmetallionen und Heteroionen enthalten kann. Die mit gestrichelten Linien umrahmten „strukturellen Baueinheiten“ sind bisher nicht in Form von Clustern isoliert worden, sie sind

aber als Baueinheiten von vielkernigen Polyoxometallaten anzusehen.29

1. Heteropolyoxometallate sind die am besten erforschte Untergruppe der POM und beinhalten zusätzliche Heteroanionen. Die bekanntesten Vertreter dieser Gruppe sind die Keggin-Ionen [XM12O40] (Abb. 2.2.1a) und die Wells-Dawson-Ionen [X2M18O62]-Ionen (Abb. 2.2.1b). Dabei bildet das Heteroanion, das eine tetraedrische Struktur besitzt (PO43-, SiO44-, etc.), das Zentrum des Cluster, worum sich die [MO6]-

(17)

Oktaeder anordnen. Die Wolfram-POMs sind die stabilsten Vertreter der Heteropolyoxometallate und können für die Synthese von lakunaren Cluster (Defekt- Cluster) aus den Keggin- und Dawson-Ionen eingesetzt werden. Diese lakunaren Cluster weisen die Struktur des Keggin- bzw. Dawson-Ions auf, wo ein bis drei Wolfram-Zentren entfernt wurden (entspricht ein bis drei Defekten). Die Abspaltung der Wolfram-Einheiten geschieht schrittweise bei stetiger Zugabe von Base. Generell ist die Synthese von den Heteropolyoxometallaten wie auch die Synthese der lakunaren POM stark abhängig vom eingestellten pH-Wert.56 Die Sauerstoffatome dieser Defekte sind reaktiv und können mit verschiedenen Funktionen reagieren (s.

Kap. 2.2.2). Ein weiterer interessanter Vertreter der Heteropolyoxometallate ist das Anderson-Ion, das im Zentrum einen [XO6]-Oktaeder aufweist, um den sechs [MoO6]- Oktaeder angeordnet sind (Abb. 2.2.1c). Dabei werden vorrangig Übergangsmetalle für den [XO6]-Oktaeder eingesetzt und die Eigenschaften der POMs werden sogar noch erweitert. Weiterhin muss erwähnt werden, dass es noch eine Vielzahl weitere Ionenarten gibt. Allerdings sind diese nicht so stark verbreitet wie die hier vorgestellten Cluster-Typen. Zudem kann das POM nicht nur aus einem Übergangsmetall bestehen, wie das gut untersuchte Dawson-Derivat [P2V3W15O62]9- beweist.28

Abb. 2.2.1: Strukturen des a) Keggin-Ions, b) Wells-Dawson-Ions und c) des Anderson-Ions. Die [MO6]-Oktaeder sind blau und die Heteropolyeder sind gelb dargestellt.57

2. Isopolyoxometallate bestehen aus einem Metalloxidgerüst ohne Heteroanionen im Zentrum. Daher sind die Verbindungen oft weniger stabil als vergleichbare Heteropolyoxometallate. Allerdings gibt es eine sehr stabile Verbindung mit der Zusammensetzung [M6O19]n-.58 Das sogenannte Lindqvist-Ion existiert für viele

a

b

c

(18)

Metallarten mit M= Mo, W, V, Nb oder Ta und ist auch aufgrund der reaktiven, terminalen Sauerstoffatome ein gut untersuchtes POM.59

Abb. 2.2.2: Einige riesige, molekularen POM-Cluster mit ihren Größen und der Anzahl an Metallzentren.32

3. Reduzierte Molybdänblau- und Molybdänbraun-Cluster sind Verwandte des erstmals 1783 von Scheele beschriebenen Molybdänblau-Cluster. Ihre Zusammensetzung war weitgehend unbekannt, bis Müller et al. 1995 über einen ringförmigen [Mo154]-Cluster berichteten („Müller-Rad“),60 den sie aus einer Lösung von Molybdänblau kristallisierten (Abb. 2.2.2). Die Größe von 3,5 nm für ein Molekül kann dadurch erreicht werden, indem ein Teil des Molybdäns(VI) zu Molybdän(V) reduziert wird. Dadurch entstehen Mo(V)-Zentren, die hoch vernetzend wirken.54 Der Grundbaustein des „Müller-Rades“ eine [MoV(MoVI)5]-Einheit. Als Folge basieren die meisten Verbindungen auf Molybän, denn die WVI-Zentren sind relativ reduktionsstabil bzw. die WV-Zentren oxidieren sehr schnell zu WVI zurück. Der Aufbau diverser Strukturen ist sehr komplex.61 Durch Änderung des pH-Werts, Erhöhen der Reduktionsmittelmenge und Einbau von Acetatliganden wird statt des

„Müller-Rades“ ein sphärischer [Mo132]-Cluster erzeugt (Keplerate:

Molybdänbraun).62 Aufgrund ihrer klar definierten Struktur, Masse, Form und Ladungsdichte sind sie ideale Kandidaten als Modelsysteme für das Verständnis von

(19)

Polyelektrolyt-Lösungen, die nicht mit der Debye-Hückel-Theorie beschrieben werden können.32 Der Einbau von weiteren Übergangsmetallen führt zudem zu besonders interessanten elektronischen und magnetischen Phänomenen.63

2.2.2 Modifikationen von Polyoxometallaten

Auch bei den Modifikationsmöglichkeiten muss zwischen Iso- und Heteropolyoxometallaten unterschieden werden. Aufgrund der relativ wenigen Verbindungen an Isopolyoxometallaten ist die Auswahl an geeigneten Modifikationsreaktionen begrenzt. Dies wird sehr gut am Beispiel des Hexamolybdates mit Lindqvist-Struktur [Mo6O19]2- deutlich.64 Die terminalen Sauerstoffe des Clusters sind allerdings reaktiv genug, dass sie durch verschiedene organische Spezies ersetzt werden können.57, 65

Abb. 2.2.3: a) Darstellung der verschiedenen Modifizierungen des [Mo6O19]-Ions mit Anilin- Derivaten.65 b) Die drei üblichsten Syntheserouten zu Arylimido-Derivaten des Hexamolybdates und zwei Systeme, die darüber hergestellt wurden. Farbcode: Orange Oktaeder: [MoO6], orange Kugeln:

Mo, rote Kugeln: O.64, 65

(20)

Dabei handelt es sich hauptsächlich um Stickstofffunktionalitäten, weil Imido-, Nitrido- und Oxo-Gruppen isoelektronische, flexible Vier- oder Sechselektronen- Donorliganden sind. Weiterhin sind Imido- und Cyclopentadienyl-Liganden isolobal.

Somit konnten bisher die terminalen Sauerstoffatome durch Nitrosyl-, Hydrazido-, Cyclopentadienyl-, Diazoalkyl-, und Imido-Liganden ersetzt werden, wobei die letzteren Liganden am häufigsten eingesetzt werden.65 Die Imido-Derivate können über drei Wege hergestellt werden (Abb. 2.2.3b). Dabei hat sich aufgrund der Zugänglichkeit und der Handhabung die Verwendung von Anilin-Derivaten unter Anwesenheit von DCC durchgesetzt.66 Weiterhin kann über die Stöchiometrie des eingesetzten Anilins gesteuert werden, wie viele terminale Sauerstoffe eines Clusters ersetzt werden (Abb. 2.2.3a).59 Es ist sogar möglich, alle terminalen Sauerstoffe auszutauschen. Unter Verwendung von sterisch anspruchsvollen Anilinen kann sogar das trans-Isomer eines disubstituierten Hexamolybdates erhalten werden.

Jedoch ist die cis-Form thermodynamisch begünstigt.65

Die Heteropolyoxometallate bieten eine größere Auswahl an Modifizierungsmöglichkeiten. Diese entstehen durch die große Anzahl an Verbindungen, wobei die lakunaren Verbindungen zusätzlich reaktive Defekte besitzen, die als Koordinationspunkte dienen. Die Reaktionstaschen der lakunaren Verbindungen können mit einer Vielzahl von Funktionen reagieren.67 Da es sich in dieser Arbeit um POM-Tenside handeln soll, werden hier nur Modifikationen mit organischen Bauteilen vorgestellt. Es muss allerdings erwähnt werden, dass die Sauerstoffe der reaktiven Taschen mit Übergangsmetallen reagieren können und somit als anorganischer Ligand fungieren. Dieses riesige Themengebiet wurde und wird weitläufig erforscht und es sei somit auf verschiedene Übersichtsartikel verwiesen.68-70

Im Gegensatz zu den Keggin- und Dawson-Ionen, wo die negative Ladung über den ganzen Cluster delokalisiert ist, sind bei den lakunaren Clustern die Sauerstoffe der Reaktionstaschen (Defekte) nukleophiler und daher reaktiver gegenüber elektrophilen Gruppen. Darunter zählen Organosilizium-, Organophosphor-, Organozinn- und Organoarsenverbindungen sowie Übergangsmetallionen.65 Dabei sind die Lage (Geometrie) der Sauerstoffatome der Reaktionstasche und die strukturelle Organisation der elektrophilen Gruppe Schlüsselparameter, die bei der Funktionalisierung der POMs beachtet werden müssen. Es werden im Anschluss nur lakunare Polyoxowolframate des Keggins- und Dawson-Typs vorgestellt, da bis auf

(21)

wenige Ausnahmen die lakunaren Polyoxomolybdate metastabil sind und sehr schnell zu der Keggin- bzw. Dawson-Struktur umlagern.65

Die Strukturen der Reaktionstasche, das heißt Größe und Anzahl an reaktiven Sauerstoffe, hängen davon ab, wie viele Wolframzentren aus dem „gesättigten“

Cluster herausgenommen werden und sind grundsätzlich unabhängig, ob von dem Keggin- oder dem Dawson-Ion ausgegangen wird.71 Beispiele für die unterschiedlichen Geometrien der Reaktionstaschen sind in Abb. 2.2.4 abgebildet.

Als Folge können ein oder mehrere Elektrophile mit der Tasche reagieren.

Abb. 2.2.4: Verschiedene lakunare Polyoxowolframate (blaue Oktaeder: [WO6], grüne Tetraeder:

[PO4]) werden dargestellt, wobei die Struktur und Anzahl an reaktiven Sauerstoffen (rote Kugeln) der Reaktionstasche hervorgehoben sind. Daneben sind die möglichen Bindungen zwischen

Reaktionstasche und n Elektrophilen (türkise und grüne Kugeln) aufgezeigt.65

Zudem hängt die Anzahl an Funktionalisierungen von dem eingesetzten Elektrophil ab. Eine Monofunktionalisierung ist nur möglich, wenn alle vier Sauerstoffe einer kleinen Reaktionstasche wie die von XW11 oder P2W17 mit einem Element aus den p- Block, das zudem auch einen organischen Rest trägt, koordiniert. Das bedeutet, dass dieses Element eine solche hohe Koordination bewerkstelligen muss.

Organozinnverbindungen werden dafür benutzt, um monofunktionalisierte Hybride herzustellen (Abb. 2.2.5b).72 Bei Verwendung anderer Verbindungen mit Elementen aus dem p-Block wird der lakunare Cluster difunktionalisiert. Hierbei sind

(22)

Organosilizium- und Organophosphorverbindungen zu nennen. Hier binden die Silizium- bzw. Phosphoratome jeweils zu zwei Sauerstoffen der Reaktionstasche (Abb. 2.2.5a, c). Weiterhin werden die Siliziumatome über ein Sauerstoffatom verbunden, wodurch die Stabilität dieser Bindungssituation erhöht wird. Dies hat zur Folge, dass zur Funktionalisierung von POM mit organischen Resten hauptsächlich Organosiliziumverbindungen eingesetzt werden und dass diese höhere Funktionalisierungsgrade ermöglichen (Abb. 2.2.4).50

Abb. 2.2.5: Funktionalisierungen von lakunaren POMs mit a) Organosilanen, b) Organostannanen und c) Phosphonaten und die nachfolgende Postmodifikation über Sonogashira-Kupplung (a, b) bzw.

1,3-dipolare Cycloaddition. Blaue Oktaeder: [WO6], grüne Tetraeder: [PO4].50

a

b

c

(23)

Die Beispiele in Abb. 2.2.5 zeigen außerdem, dass nicht nur eine Funktionalisierung der POM erreicht werden kann, sondern auch eine Postmodifikation mit funktionellen Gruppen möglich ist.73 So sind zum Beispiel Sonogashira-Kupplungen oder eine 1,3- dipolare Huisgen-Cycloaddition direkt am Cluster durchführbar, die anschließend als Lichtfänger eingesetzt werden können.50

Abb. 2.2.6: a) Reaktion von [P2V3W15O62]9- mit TRIS; b) δ-Isomer und c) -Isomer eines mit zwei Triolen substituierten [MMo6O24]-Ions. Blaue Oktaeder: [WO6], lila Oktaeder: [VO6], grüne Tetraeder:

[PO4], orange Oktaeder: [MoO6].65

Eine weitere, elegante Methode für die Funktionalisierung von POMs mit organischen Bauteilen ist die Umsetzung ausgewählter Cluster mit Triolen. Dabei werden vorrangig Anderson- und modifizierte Dawson-POMs mit Tris(hydroxymethyl)- aminomethan [(HOCH2)3CNH2, TRIS] umgesetzt.74 Hierbei reagieren die Hydroxygruppen des TRIS-Moleküls unter Wasserabspaltung mit den terminalen Sauerstoffen der [VO6]-Oktaeder des modifizierten Dawson-Ions [P2V3W15O62]9-.75 Das besondere an diesem System ist, dass über die Aminogruppe eine Vielzahl von weiteren Funktionen R eingeführt werden können (Abb. 2.2.6a). Im Gegensatz binden zwei TRIS-Moleküle an beide Seiten des Anderson-Clusters. Es sind zwei Isomere bekannt. Bei dem δ-Isomer (D3d-Symmetrie) bindet das Triol an die triangulären Schnittpunkte des [MO6]-Oktaeders im Zentrum (Abb. 2.2.6c). Das Triol bindet bei dem -Isomer (C2h-Symmetrie) dagegen nur an zwei trianguläre

b a

c

(24)

Schnittpunkte des [MO6]-Oktaeders (Abb. 2.2.6b). Allerdings gibt es nur eine Hand voll Beispiele für das -Isomer.65 Weiterhin können über diese Route auch unsymmetrische Anderson-Cluster hergestellt werden.

2.3 Amphiphile Polyoxometallate

Die zu Beginn dieser Arbeit bekannten amphiphilen Polyoxometallat-Systeme, die damals den aktuellen Stand der Forschung darstellten, das heißt, bei dem der organische Teil kovalent an das Polyoxometallat gebunden ist, sollen im Folgenden vorgestellt werden. Dabei handelt es sich vor allem um zwei Arbeiten.

Die erste Arbeit bedient sich der letztgenannten Methode zur Funktionalisierung von POMs mit organischen Resten. Hier funktionalisierten 2008 die Arbeitsgruppen um Cronin und Liu einen Mangan-Anderson-Cluster der Zusammensetzung [(n-C4H9)4N]3[MnMo6O24] zuerst mit TRIS und setzen diesen anschließend mit langkettigen Säurechloriden um.76 Die erhaltenen Amide weisen einen amphiphilen Charakter auf (Mn-Anderson-C16). In einem ACN/Wasser-Gemisch (50/50 Vol.-%) ordnen sich die Amphiphile zu großen Vesikeln an. Diese weisen, nachdem sie das Gleichgewicht (nach 64 Tagen) erreicht haben, einen hydrodynamischen Radius von Rh~ 115 nm auf.

Abb. 2.3.1: TEM-Aufnahmen von vesikulären Strukturen einer Lösung aus Mn-Anderson-C16 in ACN/Wasser nach a) zwei und b) fünf Monaten. c) Intermediatstrukturen während der

Vesikelbildung.76

Der Grund für diese langsame Selbstanordnung liegt in der ungünstigen Form des Amphiphils. Die unpolaren Schwänze liegen sich exakt gegenüber und somit kann sich nur schwer ein dipolarer Charakter ausbilden. Demnach müssen sich die Ketten um fast 90° verbiegen, um eine Doppelschicht eines Vesikels auszubilden (Schema

(25)

2.3.1). Die dafür benötigte Energie ist der Grund für die langsame Selbstanordnung zu Vesikeln.

Schema 2.3.1: Darstellung des Mn-Anderson-C16-Amphiphils und dessen Anordnung zu Vesikeln in ACN/Wasser. Grüne Oktaeder: [MoO6], pinke Tetraeder: [MnO6], grau: C, blau: N, rot: O.76

Abb. 2.3.2: Oberflächendruck-Flächen-Isotherme (π-A).

Das zweite amphiphile Polyoxometallat-System wurde schon 2003 von Carlisle Chambers und Osburne Atkinsen vorgestellt.77 Hierbei wurde ein lakunarer Cluster der Form K8[SiW11O39] mit zwei Dodekylketten modifiziert. Dieses Amphiphil hat somit die Zusammensetzung [(n-C4H9)4N]4[SiW11O39(SiC12H25)2O] und besitzt im Gegensatz zu Mn-Anderson-C16 einen dipolaren Charakter. Allerdings trägt es als Gegenionen, wie auch das Mn-Anderson-C16-Amphiphil, hydrophobe Tetrabutylammonium-Kationen. Dies bewirkt, dass diese Amphiphile wasserunlöslich sind. Jedoch zeigt auch diese Verbindung typische Selbstanordnungsphänomene.

Es wurde die Bildung von Langmuir-Blodgett-Monolagen (LB-Monolagen) und Multilagen untersucht. Die reproduzierbaren Oberflächendruck-Flächen-Isothermen

(26)

(π-A) zeigen, dass die Monolagen bis zu einem Oberflächendruck von 34 mN/m stabil sind. Weitere Untersuchungen zu dem amphiphilen Charakter wurden nicht durchgeführt.

2.4 Relevante analytische Methoden

2.4.1 Transmissionelektronenmikroskopie

Das Transmissionselektronenmikroskop ist in seinem Aufbau mit einem Lichtmikroskop vergleichbar (Abb. 2.4.1). Allerdings werden anstelle von Lichtstrahlen, Elektronenstrahlen zur Erzeugung eines optischen Bildes genutzt.78

Abb. 2.4.1: Aufbau eines Transmissionselektronenmikroskop.78

Eine Probe wird mit einem gebündelten Elektronenstrahl durchleuchtet. Das zu beobachtende Bild kommt durch Streuung und Absorption der Elektronen beim

(27)

Durchdringen der Probe zustande. Die neben der gewünschten elastischen Streuung auftretenden inelastisch gestreuten Elektronen werden anschließend mit elektromagnetischen Objektivlinsen weitgehend entfernt. Die Abbildung wird nach Passieren eines Linsensystems, welches zur Vergrößerung dient, erhalten.

Grundlage für die Transmissionselektronenmikroskopie liefert die de Broglie- Beziehung (Gleichung 4).

v m

h

 *

(4)

Sie besagt, dass für sehr leichte Teilchen der Welle-Teilchen-Dualismus gilt. Die Elektronen besitzen nicht nur Teilchencharakter, sondern ähnlich wie elektromagnetische Wellen auch Welleneigenschaften. Hierbei hängt die exakte Wellenlänge der verwendeten Elektronen von der angelegten Beschleunigungsspannung ab. Da die Wellenlängen im Vergleich zu den elektromagnetischen Wellen des sichtbaren Lichts sehr klein sind, ist die Auflösung von Objekten im Bereich von 0,1nm theoretisch möglich. Dies beschreibt die Abbe- Gleichung:

) sin(

61 * ,

0 

gn

(5)

n= Brechungsindex α= Aperturwinkel

In der Realität wird die theoretische Auflösung aber durch mehrere Faktoren vermindert. Zum einen ist hier die sphärische Aberration dS zu nennen, die daraus resultiert, dass die äußeren Elektronen des Strahls stärker als die inneren abgelenkt werden (Gleichung 6).

*

3

* 5 ,

0

S

S

C

d

(6)

CS= sphärischer Abberationskoeffizient

Weiterhin gibt es die chromatische Aberration, die hauptsächlich dadurch zustande kommt, dass der Elektronenstrahl nicht aus Elektronen mit exakt gleicher Wellenlänge besteht.

2.4.2 Polarisationsmikroskopie

Wird ein anisotropes Material betrachtet, so zeigt sich, dass die elektronische Polarisierbarkeit entlang dieser Ausrichtung einen anderen Wert hat als orthogonal

(28)

dazu. Daraus folgt, dass die Lichtgeschwindigkeit und damit auch der Brechungsindex abhängig von der Polarisation des eingestrahlten Lichts sind. Dieser Effekt wird als Doppelbrechung bezeichnet. Er tritt bei nicht-kubischen Kristallen und Flüssigkristallen auf, und kann so zur Identifizierung flüssigkristalliner Phasen verwendet werden.

Abb. 2.4.2: Aufbau eines Polarisationsmikroskop.79

In einem Polarisationsmikroskop wird ein Strahl aus polarisiertem Licht durch die Probe geleitet. Falls es sich um ein doppelbrechendes Material handelt, wird die Polarisation des einfallenden Strahls verändert. Das durch die Probe geleitete Licht läuft nun durch einen Polarisationsfilter, der nur Licht mit einer bestimmten Polarisation bezüglich des zur Analyse verwendeten Lichts durchlässt. So ist bei orthogonaler Ausrichtung des Filters nur bei doppelbrechenden Proben Licht sichtbar. Typischerweise ist der Polarisationsfilter, der sich hinter der Probe im Strahlengang befindet, frei drehbar, das heißt die Polarisation des durchkommenden Lichts ist frei wählbar.

Bei flüssigkristallinen Phasen, die Doppelbrechung aufweisen, zeigen sich im Polarisationsmikroskop typischerweise ein- bis mehrfarbige Texturen.79

2.4.3 Dynamische Lichtstreuung

Die dynamische Lichtstreuung beruht auf der Tatsache, dass ein Lichtstrahl, der auf dispergierte Teilchen trifft, elastisch gestreut wird (Rayligh-Streuung). Weiterhin diffundieren die Teilchen (Brown'schen Teilchenbewegung), das bewirkt, dass das

(29)

gestreute Licht interferiert und so zu einer Intensitätsschwankung des gestreuten Lichts führt.

Bei dynamischer Lichtstreuung wird die Änderung der Streuintensität bei einem festen Winkel Θ im Laufe eines bestimmten Zeitintervalls gemessen. Hierzu wird die Streuintensität I(t) mit der Intensität zu einem späteren Zeitpunkt I(t + δt) multipliziert und der Mittelwert aus mehreren Messungen gebildet. Wird dieser Wert nun durch das gemittelte Intensitätsquadrat <I(t)2> geteilt, so ergibt sich eine Funktion, die nur noch von dem Zeitintervall δt abhängt. Diese Funktion wird als Intensitätskorrelationsfunktion CI(δt) bezeichnet (Gleichung 7).

 

2

) (

) (

* ) ) (

( I t

t t I t t I

C

I

 

(7)

Zwischen der Intensitätskorrelationsfunktion und dem Diffusionskoeffizient D besteht folgender Zusammenhang:

)

*

* ( D q2 t

I

e

C

(8)

mit

2 ) sin(

4 * 

 

q

(9)

und

h B

R T D k

*

* 6

*

 

(10).

η= Viskosität

Rh= hydrodynamischer Radius

Damit lässt sich jetzt über die Stokes-Einstein-Gleichung (Formel 10) den hydrodynamischen Radius Rh der Aggregate in einem Lösungsmittel mit der Viskosität η berechnen.40

2.4.4 Röntgenkleinwinkelstreuung (SAXS)

Bei der Röntgenkleinwinkelstreuung wird eine Probe mit monochromatischer, elektromagnetischer Strahlung beschossen. Dabei wird die hier benutzte Röntgenstrahlung an periodisch aufgebauter Materie gestreut.40, 80 Der Zusammenhang zwischen der Periodizität und dem Streuwinkel ist durch die Bragg- Gleichung gegeben:

(30)

s

d   s

 ) sin(

* 2 1

(11)

d= Netzebenenabstand Θ= Streuwinkel

Anstelle des Streuvektors s, der auch mit Gleichung 11 definiert wird, kann auch q verwendet werden (Gleichung 12).

s

q  2  *

(12)

Die Streuwinkel q können direkt aus dem SAXS-Diffraktogramm entnommen werden und mit Hilfe der Bragg-Gleichung (Gleichung 11) können die Netzebenenabstände der auftretenden Reflexe berechnet werden. Über die Reflexlage kann zudem die Symmetrie der periodisch aufgebauten Anordnung von Bulk-Materialien bestimmen.

Hierbei weist jede Raumgruppe eine bestimmte Lage der Reflexe zueinander auf.

Zum Beispiel treten bei einer hexagonalen Phase der Raumgruppe P6/mm die ersten vier Reflexe mit Streuwinkeln von q100, q110, q200 und q210 im Verhältnis 1:√3:√4:√7 auf. Neben dem Streuwinkel q wird auch die Streuintensität I(q) aufgenommen. Diese wird bei Bulk-Materialien ausschließlich von dem Strukturfaktor Z(q) bestimmt. Bei Vermessung von Partikeln oder Dispersionen setzt sich die Streuintensität I(q) aus dem Strukturfaktor Z(q) und dem Formfaktor F(q) zusammen:

2

2

* ( )

) ( )

( q F q Z q

I

(13)

Während der Formfaktor die Form, Größe und Polydispersität der Aggregate wiedergibt, spiegelt der Strukturfaktor die innere Anordnung der Aggregate wieder.

So zeigen beispielsweise Kolloide aus kristallinen Partikeln ein SAXS- Diffraktogramm, das aus zwei Bestandteilen besteht (Abb. 2.4.3). In der Regel erscheinen bei niedrigen q-Werten der Formfaktor und bei höheren q-Werten der Strukturfaktor. Allerdings erscheint der Formfaktor nur für hoch monodisperse bzw.

stark konzentrierte Proben definierte Signale. Öfter tritt der Formfaktor als Schulter bei hohen Winkeln (entspricht niedrigen q-Werten) auf, wie in Abb. 2.4.3 zu sehen ist.

(31)

Abb. 2.4.3: Schematisches SAXS-Diffraktogramm eines kristallinen Kolloids.40

Das einfachste Bild einer Dispersion ist eine Anzahl von identischen Partikeln, die in einer Matrix (Lösungsmittel) vorliegen (Abb. 2.4.4). Dabei kann bei verdünnten Lösungen die Wechselwirkungen zwischen den Aggregaten vernachlässigt werden.

Demnach hängt die beobachtete Streuintensität von vier Faktoren ab (Gleichung 14):

dem Kontrast der Elektronendichte zwischen Partikel und Matrix ρP – ρM, der Anzahl NP an und das Volumen VP der Partikel sowie der Partikelformfaktor P(q), der über die Größe und Form der Partikel definiert ist.

) (

*

*

* ) (

)

( q

2

N V

2

P q

I  

P

 

M P P (14).

Abb. 2.4.4: Einfache Darstellung einer Dispersion von monodispersen Partikeln in einer Matrix.

Die Formfaktoren geben den SAXS-Diffraktogrammen von Dispersionen ihr typisches Aussehen – vorausgesetzt, dass die Partikel relativ monodispers vorliegen. Über dieses typische Muster können schon erste Schlüsse über die Form der Aggregate getroffen werden. In Abb. 2.4.5a ist ein typisches SAXS-Diffraktogramm für monodisperse, dispergierte Kugeln zu sehen. Dieses „Wellenmuster“ mit diversen

Formfaktor

Strukturfaktor

ρ

P

ρ

M

(32)

Maxima und Minima, wobei die „Wellen“ bei kleineren Partikeln mehr gedehnt vorliegen.

Abb. 2.4.5: a) SAXS-Diffraktogramme von monodispersen, dispergierten Kugeln verschiedener Größen; b) Einfluss der Polydispersität auf den Formfaktor.40

Mit steigender Polydispersität der Partikel verschmiert das Wellenmuster immer mehr bis zu dem Punkt, wo nur noch die Schulter bei niedrigen q-Werten zu beobachten ist (Abb. 2.4.5b).

Weiterhin besteht die Möglichkeit, nicht-sphärische, anisotrope Strukturen über das 2D-SAXS-Muster zu identifizieren. Die unterschiedlichen Dimensionen des Partikels bewirken, dass zwei senkrecht zueinander Streuintensitäten auf dem Detektor erscheinen. Eine Ausrichtung von stäbchenförmigen Mizellen kann zum Beispiel mit einer Couette-Strömung erreicht werden (Abb. 2.4.6). Zudem können nematische Flüssigkristalle in einem Magnetfeld ausgerichtet werden.

Abb. 2.4.6: 2D-SAXS-Muster von ausgerichteten Staäbchenmizellen.40

a b

(33)

Da nicht immer gewährleistet werden kann, dass über das SAXS-Muster die Partikelform bestimmt werden kann, gibt es einige Auftragungsarten der Daten des SAXS-Diffraktogramms, über die die Form der Aggregate bestimmt werden kann. Die wichtigste Auftragungsart dafür ist der sogenannte Porod-Plot, wobei log I(q) vs. log q aufgetragen wird. Hierbei kann in einer bestimmten Region des Graphs eine lineare Regression durchgeführt werden. Der dabei ermittelte Anstieg enthält Informationen über die Partikelform. In Abb. 2.4.7 sind die Porod-Plots von drei Partikeln mit unterschiedlicher Partikelform abgebildet. Hier ist deutlich zu sehen, dass sich der Anstieg bei 3D- (Kugeln), 2D- (Lamellen, Scheiben, Plättchen) und 1D-Objekten (Stäbchen, Zylinder) von -4 über -2 zu -1 ändert.

Abb. 2.4.7: Porod-Plots von Partikeln mit unterschiedlichen Formen.40

Allerdings muss beachtet werden, dass die Auftragung nach Porod im richtigen Bereich stattfindet. Dieser Bereich wird Intermediat-q-Region genannt und hängt von der Größe des Aggregates ab (Abb. 2.4.8) Bei hohen q-Werten (auch Porod-Region genannt), die sehr kleinen Abständen entsprechen, wird die Streuung der Röntgenstrahlung von den Oberflächen der Partikel hervorgerufen. In diesem Bereich fällt die Streuintensität mit q4 und wird hauptsächlich von der Kontrastdifferenz (ρP – ρM) und der Größe der Oberfläche der Partikel S bestimmt:

4 2

* ) (

*

* 2 )

( qSq

I  

P

M (15).

(34)

Dieser Zusammenhang (Gleichung 15) ist besser bekannt als das Porod-Gesetz und kann zur Messung von Oberflächen von Pulvern, Dispersionen, etc. benutzt werden.

Weiterhin gibt es noch die Guinier-Region bei sehr kleinen q-Werten (Abb. 2.4.8). In diesem Bereich hat die Partikelform keinen Einfluss auf die Streuintensität. Die Intensität hängt hier von der Kontrastdifferenz (ρP – ρM), der Partikelzahl NP, dem Partikelvolumen VP und dem Trägheitsradius Rg:

3

* 2

2

2 2

*

*

* ) (

) (

Rg

q P P M

P

N V e

q

I    

(16).

Über den Guinier-Plot ln I(q) vs. q2 kann der Trägheitsradius bestimmt werden. Eine lineare Regression liefert den Anstieg, der durch –Rg2/3 definiert ist.

Abb. 2.4.8: Einteilung des Porod-Plots eines Zylinders (1D-Objekt) in verschiedene Regionen.40

Aus dem Trägheitsradius und unter Berücksichtigung der Aggregatform können die Dimensionen einfacher, relativ kleiner Strukturen ermittelt werden (Abb. 2.4.9). Für größere Aggregate werden die Gleichungen immer komplizierter und die Mie-Theorie muss angewendet werden.

(35)

Abb. 2.4.9: Einfache Partikelformen und ihre Trägheitsradien. 40

(36)

3. Motivation und Zielsetzung

In der Einleitung und im Aufgabenteil wurde bereits ausführlich auf die Eigenschaften der Tenside und die riesige Nachfrage an Tensiden eingegangen. Allerdings ist der Anwendungsbereich der Tenside aufgrund der meist inerten, organischen Kopfgruppen limitiert. Somit ist es von großem Interesse den Kopfgruppen der Tenside mehr Aktivität und Eigenschaften als die Hydrophilie zu verleihen. Ähnlich ging es organischen Materialien wie den Polymeren vor einigen Jahrzehnten. Da reine Polymere für bestimmte Anwendungen unzureichende Eigenschaften aufwiesen (Härte, UV-Beständigkeit, Kratzfestigkeit, etc.), ergab sich großes Potential zur Verbesserung. Dies gelang, indem anorganische Komponenten der Polymermatrix beigefügt wurden. Diese Kombination der Eigenschaften von organischen und anorganischen Komponenten hat organisch-anorganische Komposite zu modernen Funktionsmaterialien gemacht.81 Weiterhin hat sich gezeigt, dass der Übergang zu Nanokompositen, wobei eine Komponente im Nanometerbereich vorliegt, die Eigenschaften deutlich verbessern.82 An dieser Stelle soll diese Arbeit ansetzen und diese Idee weiterführen, indem aus einem Molekül ein strukturiertes, nanoskaliges Funktionsmaterial entsteht. Zu diesem Zweck sollen Tenside mit metallhaltigen Kopfgruppen hergestellt werden (Schema 3.1). Über diese weiterentwickelte Strategie können nicht nur multifunktionelle Tenside mit spezifischen Eigenschaften und ungewöhnlichen Selbstanordnungsverhalten entwickelt werden, sondern diese Tenside können auch als Modellsysteme in der Grenzflächenchemie und für Membransysteme fungieren.

AAAAAAAAAAAAAAAAA

Schema 3.1: Einordnung des Forschungsgebiets der Tenside mit metallhaltigen Kopfgruppen im wissenschaftlichen Kontext.

Selbstanordnung

Organische Materie

Anorganische Materialien

A B

C D

A Tensidchemie B Kristallwachstum

C Organisch-Anorganische Hybridmaterialien

D Tenside mit metallhaltigen Kopfgruppen

(37)

Bei diesem Tensidsystem werden vor allem die Zusammensetzung der Kopfgruppe und der amphiphile Charakter des Moleküls die Eigenschaften des Funktionsmaterials bestimmen. Das Gebiet der metallhaltigen Tenside ist noch ein relativ junges und dementsprechend überschaubares Forschungsgebiet. Einzig das Feld der Metallomesogene ist ein relativ gut erforschtes Gebiet, das deutlich das Potential von metallhaltigen Tensiden offenbart.16, 17 Die geringe Anzahl an bekannten Systemen liegt vor allem an der geringen Stabilität von Metall-Kohlenstoff- Bindungen in Wasser bzw. protischen Lösungsmitteln. Dementsprechend werden bei den bisher bekannten Systemen die Metalle oft als Gegenionen von anionischen Tensiden eingeführt bzw. das Tensid weist eine Ligandenfunktion als Kopfgruppe auf, mit der das Metall koordinieren kann. Nachteil dieser Methode sind die teilweise geringe Stabilität der elektrostatischen und koordinativen Bindungen und die Möglichkeit nur ein Metallion in das Tensid einzubauen. Deswegen sollen in dieser Arbeit multinukleare, hydrophile Kopfgruppen verwendet werden, an die der organische, hydrophobe Schwanz kovalent gebunden sein soll.

Eine Verbindungsklasse, die beide Kriterien erfüllt, ist die Klasse der Polyoxometallate.26, 28 Polyoxometallate sind eine gut untersuchte Klasse der Metall- Sauerstoff-Cluster, die leicht mit verschiedensten Gruppen modifiziert werden können und einmalige Eigenschaften aufweisen. Interessanterweise hängt die Leistungsfähigkeit von auf Polyoxometallaten basierende Materialien und Bauteilen stark von der Morphologie der selbstaggregierten Strukturen ab.83 Somit sollen im ersten Kapitel Tenside mit Polyoxometallat-Kopfgruppen hergestellt werden. Der hydrophobe Schwanz soll über langkettige Trialkoxysilane mit dem lakunaren [PW11O39]-Polyoxometallat kovalent verbunden werden (Schema 3.2). Anschließend soll das Selbstanordnungsverhalten aufgeklärt werden und die amphiphilen und Polyoxometallat-Eigenschaften untersucht werden.

Schema 3.2: Organische Modifizierung von lakunaren Polyoxometallaten mit Trialkoxysilanen (nach Proust et al.). Die blauen Polyeder stellen ‚WO6’-Oktaeder und die grünen Polyeder stellen ‚PO4’- Tetraeder dar. Weiterhin sind zwei Siliziumatome (pink), die jeweils einen organischen Rest R tragen

und über ein Sauerstoffatom (rot) verbrückt sind, zu sehen.73

(38)

Nach der Etablierung eines Tensids mit metallhaltigen Kopfgruppen soll das System modifiziert werden, um dessen Komplexität und Funktionalität noch zu erhöhen. Dies soll zum einen durch Modifizierung der Kopfgruppe mit weiteren Übergangsmetallionen geschehen. Hierbei sollen insbesondere die neuen Eigenschaften, die durch das zweite Übergangsmetallion mitgebracht werden, in Verbindung mit dem amphiphilen Charakter des Moleküls untersucht werden. Zum anderen sollen auf der gegenüberliegenden Seite des Polyoxometallates eine zusätzliche, funktionelle organische Gruppe eingeführt werden. Dabei wird das Feld der Bolaamphiphile beschritten. Diese sollen auf die bekannten Anwendungen von Bolaamphiphilen wie zum Beispiel als künstliche Membranen, Nanoreaktoren und Transportvehikel untersucht werden.11 Weiterhin soll das Polyoxometallat variiert werden, indem statt dem Phosphor andere Zentralatome verwendet werden. Hierbei fungieren die Polyoxometallat-Tenside als Modellsysteme, die eine zentrale Fragestellung der Kolloidchemie beantworten sollen: Wie beeinflusst die Kopfgruppenladung das Selbstanordnungsverhalten?

(39)

4. Ergebnisse und Diskussion

4.1 Synthese und Eigenschaften einer neuen Klasse von Amphiphilen mit Polyoxometallat-Kopfgruppen

Wie in der Aufgabenstellung erläutert, ist das Ziel dieser Arbeit Tenside mit metallhaltigen Kopfgruppen herzustellen und deren Selbstanordnungsverhalten zu untersuchen. Diese Kopfgruppen sollen möglichst aus mehreren Atomen bestehen, geladen sein und zudem redoxaktiv sein. Alle diese Anforderungen erfüllt die Klasse der Polyoxometallate (POM). Die bekannteste Gruppe der POM sind die Keggin- Ionen mit der allgemeinen Formel [XM12O40]n- (M= W, Mo; X= P, Si, B, …).31 Zu dieser Gruppe gehören auch sogenannte lakunare Cluster, bei denen aus der Keggin-Struktur mindestens eine W=O-Einheit abgespalten worden ist.29, 56 Es entsteht eine reaktive Tasche, die als Ligandfunktion für viele Übergangsmetallionen dienen kann.68 Weiterhin können die vier reaktiven Sauerstoffe der Tasche mit Organosilan-, Organophosphor- oder Organozinnverbindungen reagieren und anorganisch-organische Hybridmaterialien formen.65 Der letzte Ansatz diente als Startpunkt für die Synthese von Tensiden mit metallhaltigen Kopfgruppen. Hierbei wurde als hydrophiler Teil ein lakunarer Polyoxometallat-Cluster eingesetzt, der mit hydrophoben Trialkoxysilanen umgesetzt wurde.73, 77

4.1.1 Synthese der Polyoxowolframat-Tensiden

Die Wahl der Kopfgruppe aus der „riesigen“ Gruppe der lakunaren Polyoxometallate fiel auf den Polyoxowolframat-Cluster [PW11O39]7-. Gründe dafür sind die einfache Zugänglichkeit dieses Vorläufers aus Natriumwolframat und Phosphorsäure, die Stabilität und reversible Redoxchemie der Wolframverbindungen, das Vorhandensein einer Reaktionstasche für definierte Reaktionen mit verschiedensten Funktionen und Phosphor als Zentralatom zur Nutzung als NMR-Sonde, um Umsatz und Reinheit zu verfolgen.56, 73, 84 Als hydrophober Teil werden kommerziell erhältliche, langkettige Trialkoxysilane mit unterschiedlichen Kettenlängen verwendet. Die Modifizierung des Clusters mit 2 eq. Silan geschieht unter sauren Bedingungen und unter Anwesenheit von Tetraalkylammonium-Salzen ([NR4]+ mit R= Me, Et, Bu), die nach der Reaktion als Gegenionen des Clusters vorliegen (Schema 4.1.1).73 Es werden Verbindungen mit der allgemeinen Formel [R4N]3[PW11O39(SiCnH2n+1)2O] erhalten (n= 8; 12; 16; 18;

22). Die Bestimmung der Zusammensetzung der erhaltenen Materialien ist aufwendig aufzuklären, da durch die langen Alkylketten das Herstellen eines

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