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Vedische Untersuchungen.
Von Hermann Oldenberg.
1. vahni und Verwandtes.
W. Neisser hat vor einiger Zeit den Nachweis versucht/)
dass der Veda neben dem Worte vdhni , Zugthier'«) ein nur dem
Lautkörper nach mit jenem zusammentreffendes 2. vdhni „erhaben',
„erhebend', „huldigend, betend', kennt. Dieses ist nach N. mit
öhate, väghdt, evxofiai,, ox«, ^o;(Qg verwandt; mit ihm soll das
überwiegend als Schlussbestandtheil von Compositen erhaltene vähas
sowie vdhistha zusammengehören. Mir scheint, dass diese Auf¬
stellungen neben ihrer Bedeutung für die Exegese einer ansehnlichen Anzahl von Vedastellen ein principielles, die Methode der vedischen
Wortforschung berührendes Interesse besitzen, so dass eine emeute
Discussion der Frage nicht überflüssig sein wird.
Zunächst ein Blick auf die Lautverhältnisse. Bei vdhni deutet
das h vor folgendem n auf die Aspirata der Palatalreihe, während
uns väghdt in das Gebiet der Velaren führt. Ebenso spricht bei
vdhistha das avestische vazista^) , bei vähas die Vergleichung des
vedischen rtasya vähasä mit avestischem asavozarih*) sehr ent¬
schieden für die Auffassung des Wurzelauslautes als Palatalis, also
flir die Verbindung mit vah „fahren' und gegen diejenige mit
väghdt. Ich erörtere nicht die Wege, auf welchen diese Polgerang
1) Bezzenberger's Beiträge XVIII, 301 fg.
2) So nach Neisser, der S. .103 (vgl. 315, 316) behauptet, dass vdhni nicbt wie völhar jedes Wesen, welches vahati, sondern eben nur das Zugthier bedeute, leb balte die von ibm versuchte Begründung nicht für zureichend.
„Än so festgewordenen Ausdrücken ist nichts zu deuteln" (303) — aber dass vöhni gerade in dieser Umgrenzung fest geworden sei, können wir nicbt a priori wissen, und wenn wir z. B. Savitar als vdhnili II, 38, 1, die Asvin als vdhni VII, 73, 4; VIII, 8, 12, die Visve deväs als vdhnayali I, 3, 9 (vgl. I, 44, 13) finden, scbeint mir eine starke Wahrscheinlichkeit dafiir zu sprechen, dass sie so als Fahrende genannt worden sind.
3) Wenn dies , wie auch Neisser annimmt , in der That mit vedischem vühistha zusammengehört.
4) Siehe Geldner Bezz. Beitr. XIV, 11; anders Bartholomae ebendas.
XVII, 340.
424 Oldenberg, Vedische Untersuchungen.
vermieden werde könnte ; sie scheinen mir nicht eben leicht gangbar.
So viel wird gewiss sein , dass mindestens eine starke Präsumtion
zu Gunsten der eben bezeichneten etymologischen Auffassung durch
die Lautverbältnisse begründet wird.
Da nun weiter die Existenz und der nicht seltene vedische
Gebrauch eines Wortes vdhni, das von vah „fahren" abgeleitet ist und „Zugthier" oder Aehnliches bedeutet, feststeht, so begründet dies weiter, insonderheit auch in Anbetracht der verhältnissmässig
geringen Häufigkeit der Nominalbildungen auf -ni, eine neue, mit
jener ersten sich gegenseitig verstärkende Präsumtion : so lange
nicht die allerstärkste Unwahrscbeinlicbkeit dem entgegentritt, werden
wir vdhni überall, wo es erscheint, in jener Bedeutung oder einer
ihr verwandten zu verstehen haben. Ebenso wird für vdhistha, das
einige Mal als Epitheton von rdtha gebraucht wird, einmal auch
als Epitheton von sindhu in einem Zusammenhang, der nach Neisser's
(S. 321) ausdrücklichem Zugeständniss auf den Sinn von vah
„vehere" führt, die Präsumtion entstehen, dass es in der betreffenden Bedeutung überall aufgefasst werden muss, so lange diese Auffassimg
nicht durch sehr ernste Argumente erschüttert werden kann.
Prüfen vrir nun die in Prage kommenden Argumente. Wir
beginnen mit vdhni
Sehr treffend zeigt N. (S. 301 fg.) , dass an den SteUen , an
welchen vdhni als Epitheton Agnis steht, der Zusammenhang die
Gleichwerthigkeit mit havyavdh durchaus unwahrscheinlich macht.
Der letztere Ausdruck hält den Terminus hotar im Ganzen von sich
fem ; vdhni verbindet sich gem mit demselben. So gehören havya¬
vdh und vdhni verschiedenen Gedankenkreisen an, und das letztere
Wort kann schwerlich, vrie man geglaubt hatte, heissen „Darbringer von Gaben an die Götter".
Bis hierher kann ich nur ganz mit Neisser gehen. Aber nun
divergiren die Wege. Neisser fährt nach der Feststellung des eben
erwähnten Resultates fort: „Hieraus folgt sofort, dass vdhni als
Epitheton Agnis von vah „vehere" überhaupt nicht abzuleiten ist,
denn eine andere Bedeutung als „Darbringer des Opfers" wäre auf
Grand dieser Etymologie schlechterdings für vahnir Agnih nicht
zu gewinnen."
Wirklich nicht? Wie manniehfaltig sind doch mit dem Bilde
des vedischen Agni die Vorstellungen jener Sphäre, als deren
Signatur das Verbum vah gelten kann , verknüpft !') Der schnelle
Gott vrird mit einem Ross verglichen; er vrird selbst als Ross be¬
nannt") ; er hat Rosse, mit denen er einherfährt ; er hat einen Wagen, auf dem er fährt ; er ist also rathi oder rathird. ' Seine besondere
SpeciaUtät aber ist die Götter zu fahren: bald ist er dabei als ihr
1) Siehe z. B. die Haterialien bei Bergaigne I, 143 fg.
2) Diese Vorstellong geht bis zu fetischistischer Verkörperung des Gottes in einem Ross; s. meine „Religion des Veda" S. 77 fg.
Oldenberg, Vedieehe DntereucJuataen. 4S5
Wagenlenker gedacht, der sie anf seinem leichtgehenden Wagen
zum Opfer der Menschen fiihrt (Jtv. 1, 13, 4),*) bald wird er als
göttliches Zngross Torgestellt (IH, 27, 14): in der Begel heisst es
an sehr zahlreichen SteUen — kurzweg: Agni, &hre die Götter
herbei (ö vaha).*) Die prosaischen lütnalsprüche, welche die priester¬
lichen AnfEassnngen über die Vorginge des Opfers nnabh&ngig YOn
der Subjectivität des einseinen '{tshi und von den Zu&lligkeiten
der poetischen BUdersprache so zn sagen in canonischer Authen¬
ticität ausdrücken, stinunen ganz zu dem eben Beigebrachten und
verstärken dessen Gewicht. Das Ritual kennt einen eigenen, das
Opfer einleitenden Vorgang, das devatänäm äoäianam, bei dem
Agni veranlasst wird, die GSötter zum Opfer herbeizn&hren. So
heisst es bei»» VoU- nnd Neumondsopfer:^) .Den Agni, o Agni,
&hre herbei (ä vaha). Den Soma fahre herbeL Den Agni fahre
herbei . . . den Indra &hre herbei ... die bnttertrinkenden Götter
&hre herbei. Den Agni &hre herbei zum Hotardienst. Deine
eigene Majestät fahre herbeL Fahre sie herbei, Jätavedas; mit
schöner Verehrung verehre sie {wytyä yc^a).*- Und bald nach
diesem ävähana folgt im Opferritual der Pravara, die Weihnng
des menschUchen Hotar zu seinem Amt in ParaUeUtät mit Agni
dem göttUchen Hotar: ,Grott Agni, der göttUche Hotar, möge die
Grötter verehren (yaksat), der weise, kundige, wie beim Opfer des
Manu, des Bharata, des N. N., des N. N. [der Vorfahren des gegen¬
wärtigen Opferers], des Brabman: und er möge sie herbeifahren
(ä vaksat)'*). Die beiden angeführten Ritnalsprüche zeigen die
zwei Functionen Agnis, die Giütter herzn&hren {ä vcJt) und ihnen
als Hotar den Yerehmngsspruch zu sprechen {ytg), in enger Ver¬
bindung. Diese Verbindung kehrt anch sonst wieder. In der be¬
kannten, an Agni gerichteten Nividformel, die z. B. im Aitareya
Brähmana H, 34 besprochen wird, heisst es: .Der G!ott fahre die
Götter her (ä vaksat). Es verehre (yaksat) Agni der Grott die
Giütter.' Im ^y. steht in Anrufungen an Agni häufig d vakst und
ydksi neben einander. Wenn wir mit der Erinnemng an diese
stehende Verbindung der Verben vah und yaf, der VorsteUungen
von Agni als dem die Grötter her&hrenden Fuhrmann und als dem
sie mit dem Verehrungsspruch anredenden Hotar, den Vers ?v. IY,
1, 4 lesen, wo Agni yt^tstho vdknäamah heisst, so werden wir
1) Neisser (S. 308) nberüeht diesen Zog nieht, aber er hält ihn bo- firemdender Weise für an wenig bedeatend im Qesammtbilde des Oottes, als dass er für die Erklimng von vöhni verwendet werden könnte. — Ueber die r«Iigionsgeschichtlieha Bedeatnng der Doppeltheit in Agnis Bewegung, insofem er bald das Opfer sa den Göttern, bald die Götter xam Opfer bringt, vergl.
„Religion des Vedm" S. 347.
8) Bergaigne I, 71 pebt nnr wenige von den sebr ubireichen Stellen.
Uan sehe Grassmann's Haterialien anter S vaha.
3) Hillebrandt, Altind. Nea- and Vollmondsopfer 84. aach
Sehwab, Altind. Thieropfer 84.
4) Kätyäyana III, 8, 7. 18; Hillebrandt 88fg.
426 Oldenberg, Vedische Untersttchungen.
uns kaum getrieben fühlen , dies vdhni von dem zu vah „vehere'^
gehörigen vdhni mit Gewalt loszureissen. Hier — und wir glauben
auf Grund des eben Ausgefiihrten hinzufügen zu dürfen, überall
wo vdhni als Epitheton Agnis steht — passt das Wort auf das Beste
zu dem grossen Vorstellungskreis von Agni als fahrendem, speciell
die Götter zum Opfer fahrendem Wesen. Eine besondere Bemerkung
bedarf nur noch die mehrfach von Agni und anderen Wesen ge¬
brauchte Wendung vdhnir äsä ; wir werden dieselbe zusammen mit
der ihr ähnlichen vdhnir vkthaih weiter unten in Verbindung mit
ukthdvähas vmd ähnlichen Ausdrücken besprechen und weisen hier
nur auf die Verbindimg dieses vdhnir äsa mit ydksi VI, 16, 9,
mit ydjasva VI, 11, 2 und mit rayim ä vaha VII, 16, 9 hin
(Subject ist stets Agni) : man sieht vne wir auch hier durchaus zu
den oben besprochenen Vorstellungski-eisen zurückgeführt werden.
Von Agni dem vdhni wenden wir uns zu dem zweiten Gott,
welcher nach oder neben jenem am häufigsten als vdhni benannt
wird, zu Soma. Nach Neisser müssten die Stellen , an welchen
Soma vdhni heisst, in zwei Gruppen getheilt, man kann sagen aus¬
einandergerissen werden. Bei den einen erkennt N. das von dem
Verbum „fahren' abgeleitete vdhni an; bei den andem verweigert
er dies Anerkenntniss.') „Zugthier' soll vdhni bedeuten, wenn von
Soma gesagt wird mimäti vdhnir itaJah IX, 64, 19, und wenn es
in Bezug auf die Zubereitung des heiligen Trankes heisst ubli6
dhdrau prdti vdknim yunakta, ■ubh^ dhurau vdhnir äpibdamä-
nah etc. X, 101, 10. 11. Wenn aber von demselben Soma, der
dort als ein in die Deichsel gespanntes Zugross vorgestellt ist, mit
demselben Wort vdhni gesagt wird pro syd vahnih pathyähhir
asyän IX, 89, 1 oder ahhi vdhnir dmartyah saptd pasyati vdvahih
IX, 9,6 oder dd^a svdsäro . . . djanti vdhnim sddmiäny deha
IX, 91, 1, so soll vdhni hier „erhaben' bedeuten. Weshalb nur?
Ich meine , die hier behauptete Unterscheidung würde selbst dann
ganz unwahrscheinlich bleiben , wenn auch nicht zufälliger Weise
an allen diesen Stellen specielle Momente vorlägen , die auf den
Vorstellungskreis von Pferd und Wagen hinführen oder sich be¬
sonders gut mit demselben vereinigen.*)
1) Siehe seine StellenUbersicht S. 314 A. 1.
2) In IX, 89, 1 mache ich auf das Verbum asyän aufmerksam; man ver¬
gleiche V, 53, 7; IX, 80, 3; 81, 2 (dtyo nd völhä: ganz wie wenn es vdhnir nd hiesse); 101, 2; 106, 12 und die Worte raghusydd, havanasydd. In IX, 9, 6 beachte man das vävahiJi : oder soll auch dies Wort von vah „vehere"
losgerissen werden? Es ist bezeichnend, dass N. (318) Gewicht auf das dmar¬
tyah dieser Stelle als Beweis dafür legt, dass Soma vdhnih genannt werde, wo er als Herrscher, als ehrfurchtgebietend erscbeint: dass er aber das vdvahih überhaupt nicbt erwähnt. In IX, 91, 1 führt das ajanti deutlich auf die Vor¬
stellung des zum Lauf angetriebenen Rosses, vgl. V, 30, 14; VI, 2, 8 und die auf Rosse oder Aehnliches hinzielende Wendung hinvänö ajyate IX, 76, 2;
105, 2. Hier (in IX, 91, 1) erkennt denn auch N. (318) wenigstens eine An¬
spielung auf die Bedeutung „Zugross" an; seine Behauptung aber, dass vdhni
Oldenberg, Vedische üntersuchungen. 427
Ebenso wenn Sorna vdhnir mrjydrnänxih IX , 20, 6 genannt
wird, wenn es in Bezug auf ihn heisst iwmbhdnti vdhnim IX, 96,17:
schon Grassmann bemerkt über die Stellen, an welchen mrj von
Soma gebraucht wird: „häufig wird dabei der Soma mit einem
Ross verglichen", und auch hibh steht gern von der ziervollen
Erscheinung des edlen, wohlgepflegten Rosses. Werden wir also
Stellen wie diese von denen, an welchen zugestandenermassen das
von Soma gebrauchte vdhni „Ross" heisst, losreissen? Mir scheint,
insonderheit wenn wir zu den speciellen Anhaltspunkten, welche die
erwähnten Stellen bieten , die allbekannte allgemeine Neigung der
5,shis zur Vergleichung des Soma mit einem Ross*) hinzunehmen,
dass hier kein Zweifel bleiben kann: die sämmtlicben Belege für
den Soma-ya'Äm' büden eine Gruppe , und in ihnen allen heisst
vdhni „Zugross".
So sehen wir das Gebiet, auf welchem Neisser's 2. vdhni sein
Dasein beweisen soll, sich schrittweise verengern.
Wie Agni und Soma, so heissen auch andere Götter vdhni,
bald einzeln, bald ihre Gesammtheit. Von der ganzen Götterschaar
spricht .1, 44, 13 drudhi ^rutkarna vdhnibhir devair agne sayä-
vabhih , ä sidantu barhisi mitrö aryamä etc. : die bekannte und
häufige Vorstellung der mit Agni gemeinsam zum Opfer fahrenden
Götter. Wie aber das Wort vdhni z. B. in Bezug auf Indra ge¬
meint ist, möge Atharvav. XII, 2, 47 zeigen : imdm indrarn vdhnim
pdprim anvärabhadhvam sd vo nirvaksad duritdd avadyät. Der
Gott ist, sei es als Ross, sei es als Wagenlenker gedacht und führt
über alle Bedrängniss hinweg; das nirvaksat lässt über die Sphäre,
in welcher sich die Vorstellungen bewegen, keinen Zweifel. Nach
dieser Stelle ist Väj. Satph. XXXV, 13 zu beurtheilen: anadväham
anvdrabhämahe ... sd na indra iva devebhyo vdhnih samtdrano
bhava. Derselbe Gedanke liegt auch Rv. VI, 22, 7 vor: sd no
vaksad animändh suvdhmä indro viäväny dti durgdhäni: was an
jenen Stellen vdhnih war, ist hier suvdhmä; das Verbum vaksat
aber giebt dem Vorstellungskreis die deutliche Signatur.
Mit den eben angefiihrten Stellen schliesst sich die folgende
zusammen, die gleichfalls den Ausdruck vdhni in Bezug auf das
Hinüberbringen über Gefahren oder Widrigkeiten braucht: sie führt
uns zu der Verwendung von vdhni für menschliche , priesterliche
Wesen : prajäm rtdsya pipratah prd ydd bhdranta vdhnayah
viprä rtdsya vähasä VHI, 6, 2. Wie in der angeführten Athar¬
vanstelle der vdhnih pdprih, so sind hier die vdhnayak pipratah
deutlich als fahrend gedacht, wozu auch das prd bharanta auf das
hier noch etwas anderes bedeuten müsse, da sddanäny deha sonst uiiverstSnd- lich sein würde : was soll das ,treiben das Zugross zum Sitze' ?" — kann ich nicht als stichhaltig anerkennen.
1) Vgl. I, 130, 6; IX, 62, 6; 94, 1.
2) Bergaigne I, 222 fg.
428 Ohlenberg, .Vedieehe Dntertnchungen.
Beste passt *); diie Priester &hren die Frommen über Ungemach
hinnber znm Heü^; das Giespann^ aber ist das des ^ta, rtdaya
vähah — wir werden darunter concret Opfer, Gebet und den ganzen
damit verbundenen priesterlichen ZIauber verstehen dfirfen. So
fnhren die Adityas die Beter fiber Ungemach hinfiber {paraatha
ganz wie an den von uns besprochenen Stellen), als die Wagen¬
lenker des Wagens des Rta, rtdaya raihyah Vlll, 83, 3, und über¬
hanpt ist die VorsteUung vom Wagen des !^ta, den Lenkern dieses
Wagens oder den in diesem Wagen Fahrenden, der Anschirrung des
^^ta*) nnd dgL überaus häufig; anch das Schiff des Itta wird in
ähnlichem Sinne erwähnt.
Auf die so reichhaltigen vedischen MateriaUen für die Vor¬
steUung des Opfers als Wagen, gelegentUch anch — was für ung
ähnUchen Werth hat — als eines von den Opferem bestiegenen
Schiffes^), genügt es hier mit einem Worte hinzuweisen. Nach all
dem dfirfen wir uns dessen gewiss fühlen, streng innerhalb des
vedischen VorsteUmigskreises zu verharren, wenn wir VHI, 6, 2
die vdhnayah als die den geistUchen Wagen, sei es lenkenden, sei
es wie Bosse ziehenden Priester verstehen.*) Der hier begegnende
Ausdmck vßhaa aber veranlasst uns dazu — wie anch Neisser
gethan hat — in die Erörterung von vdkni diejenige dieses Wortes
hineinzuziehen.^ Wie Vlil, 6, 2 vdhni und vähas neben einander
stehen, so ist dies auch Vlll, 12, 13. 15*) der FaU: ydm viprS
vktkdoäkaaah abh^ramainddr äydnah . . . ahM vdhnaya iUdye
dnüfota prdiaataye. üeberdies lässt , wie längst bemerkt worden
ist, die evidente ZusammengehSrigkeit der Wendung vdhnir vkthaih
(I, 184, 1; m, 20, 1) mit dem Compositum vkthdvähaa keinen
Zweifel an der nahen Beziehnng, die zwischen vdkni und vähaa
obwaltet, vähaa Uegt fiberwiegend als zweites GUed von Compo¬
sitis vor: so in den nahezu synonymen brdhmavähaa , gfrvähaa,
atSmaväheu, vkthdoähaa , yafridvähaa ; wir künnen uns auf Gmnd
des eben besprochenen rtdaya vähasä und des avestischen asavä-
1) Sieh« V, 59, 4; 60. I ; Tgl. ancsh I. 178, 3; VUI, 8. 35.
2) Vgl. n, 27, 16 amiva tdn Hi yesam rdthena n. AehnUdies öfter.
3) „Gespann" aage ieh lieber als „Wagen", mit KSeksicht auf die Aiu-
fBbnmgen Bergaigne's U, 878, A. 1.
4) An den Wagen des Rta werden die Piiecter als Zogrosse gespannt
I, 84, 16, Aafreeht, Hymnen des Rigreda H* p. XUV.
5) ffiehe Bergaigne H, 3ö9%. Aoeh die Brihmanalitteratar ist am
hierher geliörigen Aeassemngen selir reich.
6) Weitere Stellen, an welcben die Priester — sei es die mythischen Vor- firiiren im AnCuig der Dinge, sm es die gegenwirtigen — als vdhni bezüchnet werden, änd nicht selten. Ich begnüge mich Taitt. Br. I, 8, 2, 5 herrorsoheben : dort wird der Agnidh als vdhni mit einem anadväh, ebenfidls einem vdhni paiallelinrt: also dentUch die Torstellang des Wagenfthrens. Tgl. n dieser TorsteOang in ihrer Anwendung anf die Priester anch Bergaigne I, 147.
7) Bä derselben befinde ich mieh gana im Kinhiang mit Bergaigne O, 886—288.
8) Xan beachte, dass die Teise TIU, 18, 13—15 einen Trca bilden.
Oldenberg, Vedieehe Untersuchungen. 429
zaiih auch ein *rtdvähas als hinzukommend denken. Neisser
(S. 303) sucht diese Worte von dem Verbum vah „vehere" durch
die Betrachtung loszulösen , dass man nicht sagen könne : uktham
(brahma, giram, stömam) vahati vipro devän acha. Mir scheint,
er hat die Wege, auf denen der Begriff von vah dazu gelangen
kann , sich mit ukthd etc. zu verbinden , nicht vollständig genug
erwogen. Es braucht sich nicht darum zu handeln, dass der Priester
das Loblied zu den Göttem fährt, sondem die Vorstellung kann
auch die sein — und unsere vorerwähnten Darlegungen deuten
darauf hin , dass sie es in der That ist — dass das Loblied als
mystischer Wagen oder als Gespann den Priester zu Erfolg und
Gewinn hinfährt, oder dass der Priester es dem Gott als Gespann
ausrüstet, der Gott mit diesem Gespann zum Opfer fährt.') Die
Gruppe der in Rede stehenden Composita wird in der That eben¬
sowohl von den menschlichen Prommen, wie von den Göttem ge¬
braucht. Was jene anlangt, so giebt die besprochene SteUe Vjlll,
6, 2 den nöthigen Anhalt dafür, den Sinn der betreffenden Worte
näher auszumalen ; betreffe aber der Verwendung von yaj'hdoähas etc.
für die Götter ist es wohl kein Zufall, dass in den Belegstellen
besonders häufig die Vorstellung des Herkommens der Götter zum
Opfer und dgL vorherrscht. So werden IV, 47, 4 Väyu und Indra
ycyncuoähasä genannt: das ganze Lied ist voll von der Bitte um
Herkommen der beiden Götter zum Somatrank; in dem in Prage
kommenden vierten Verse selbst heisst es : yd väm sdnti . . . niyu-
tah . . ■ asmi tüh . . ni yachatam."^) VI, 59, 10 werden Indi-a
und Agni ukthavähasä genannt : in demselben Verse ruft der Dichter
ihnen zu: d gatam asyd sSmasya pUdye.^) I, 139, 6 heisst Indra
girvähah: die Worte, die diesen Ausdrack umgeben, sind girbhih
. . . stdvamäna ä gahi; sie scbUessen sich mit dem girvähah eng
zusammen: die Gebete sind dein Gespann; hier werden sie dir ge¬
bracht; so komm denn zn den Betern. I, 61, 4 heisst Indra gleich¬
falls gfrvähas : der Sänger sagt zu ihm : ich setze fElr dich einen
1) Ich ftthre hfer noch einen besonder« deutlichen Beleg für die letzt- beseiclHifite Anaobauung an: VII, 2i, .V esd stömo mahä ugrdya vahe dhuri- vätyo,, nd vSgdyfiu^n adhäyi, Qas». da«, vdhe hier in der Anschauung des Pichters sq viel i»t wie voUuuxe.,, giebt Neisser 322 selbst zu. Dies soU. aber zugleich andererseits auf der Umdeutung einer vorvedischen Ausdrucksweise be¬
ruhen, und ursprünglich soll gemeint gewesen sein ,,der Lobgesang ist Indra als vdhas (in Neisser's Sinn, d. h. als sacrificale Recitation) dargebracht".
Ich kann darin nur ein durch nichts gerechtfertigtes Construiren in die Luft Unein finden, wo sich iu der That der einfache, harmlose Sachverhalt von selbst aufdrängt.
2) Aehnlich VI(I, 4, 2, nur wird.hier nicht.dem Gott, sondem den Priestem der Besitz des mystischen vähas beigelegt:, das sie beAutsen, um den Gott damit zu sicb kommen zu lassen: Kävväsas tvä brdhmabhistömovahasa indrd yacharUy d gahi.
3) Wie ancb das Wort vdhni leicht sich mit dem Uativ tömapitaye in denselben Zusammenhang fügt; I, 14, C; 48, 11. 12.
3 2
430 Oldenberg, Vedische Untertuchungen.
Stoma und gtrah in Bewegung, wie der Zimmermann einen Wagen.
IV, 44, 1 heisst der Wagen der Asvin — ydh süryäm vdhati —
ffCrvähas; wir werden etwa übersetzen dürfen: ,von den Gebeten
gezogen" ; der Dichter mft diesen Wagen zu sich. VI, 24, 6, wo
Indra girvähah genannt wird, steht daneben väjayantah ,zu eiliger
Fahrt (den Indra) anfeuemd" und ein Gleiehniss von wettfahrenden
Rossen. — Wir werden mit den besprochenen Compositen noch
vipravähas auf eine Linie stellen dürfen : hier sind es die Priester
in eigener Person, die als das Gespann des Gottes gedacht sind.
Das Wort erscheint V, 74, 7 als Anrede an die Asvin in einem
Zusammenhangs in welchem die Vorstellung des Herbeikommens
dieser Götter auf ihrem Wagen herrschend ist. — Etwas seitab
von allen diesen Compositis, weil ohne Beziehung auf die Vor¬
stellungssphäre von Opfer und Gebet, steht sindhuvähas, welches
V, 75, 2 als Epitheton der A^vin erscheint. Es ist aber kein
Zweifel, dass es im Einklang mit unserer Interpretation der übrigen
zu übersetzen ist, „den Strom als Gespann habend", wie VIH, 26
18. 19 beweist. Es bleibt von den Compositen mit vdhas noch
medhas übrig,') nicht wie die bisher besprochenen ein Bahuvrihi
sondern ein Tatpumsa und demgemäss auch in der Accentuation
von jenen abweichend; es bedeutet „des Mannes (resp. der Männer)
Gespann"''); so bestätigt auch dies Wort die Deutung, die wir
dem vdhas in den übrigen Verbindungen gegeben haben. Wenden
wir uns endlich von dieser Erörterung der Composita zu den bisher
noch nicht besprochenen Belegen des unzusammengesetzten vdhas,
so liefem die Yajurveden einen solchen, der unsere Auffassungen
so direet wie möglich bestätigt: d prd yätu parävdtah agnir
ukth^ vdhasa, Taitt. Saiph. I, 5, 11, 1 = Väj. Samh.
XXVI, 8. Die rgvedischen Stellen aber, wenn sie auch für
sich allein kein Resultat ergeben würden, fügen sich doch
dem anderweitig gewonnenen Resultat auf das leichteste. So
lautet das zweite Hemistich von X, 29, 3: kdd vdho arvdg^)
üpa mä manisd, d tvä dakyäm upamdtn rädho dnnaih „Was
für ein Gespann (für Indra) hierher zu mir ist das Gebet ? Möchte
ich dich zu reichster Gabe vermögen durch (Opfer-)speisen."
in, 53, 3 vereinigen sich Hotar und Adhvaryu zu gemeinsamem
Vortrag: indräya vähah ktnaväva justam „wir wollen dem Indra
1) Wir gehen nicht näher auf das schwierige mrktdvähat V, 18, 2 ein, bei dem so viel jedenfalls klar ist — worauf es eben uns ankommt — dass vdhat zu vah „vehere" gezogen werden muss; vgl. SBE. XLVIII 406; Mac¬
donell J. R. As. Soc. 1893, 463. Aus der jUngeren vedischen Literatur er¬
wähnen wir r^och pacataväh.as, Epitheton der Visve deväs in einer Nivid bei Säiikbäyana Sraut. VIII, 21, 1: wie sonst die Gebete sind es bier die gekochten Opfergaben, die als vdhat der Götter gedacht sind.
2) So ganz unzweifelhaft I, 6, 2; schwierig ist VIII, 25, 23, wo vielleicht nrviihasäm zu lesen ist.
3) Wie hier vaho arväk steht, wird arväk bekanntlich gern mit dem Verbum vah verbunden.
3 2 ' ^ i
Oldenberg, Vedische Untersuchungen. 431
ein ihm gefälliges Gespann bereiten* — die Lbblitaneidie den
Gott zum Opfer der Menschen führt.') Aehnlich III, 30, 20 in¬
drayä vähah Kuätkäso akran. Es bleibt endlich III, 11, 7: abhi
prdywmsi vähasä dädväh asnoti mdrtyah ksdyam pävdkdiodsah.
Ich möchte — freilich nur als Vermuthung — mit Rücksicht auf
den stehenden Character der Verbindungen abhi prdyah , abhi
prdyärnsi vorschlagen zu übersetzen: „durch das Gespann zu den
Genüssen hin erreicht der Verehrung bringende Sterbliehe die
Wohnung des Gottes mit der läuternden Plamme" — das „Gespann
zu den Genüssen hin"*) ist der Cultus, der die Götter zu den vom
Menschen dargebotenen Genüssen herzieht. — Wir müssen hier
noch in Anknüpfung an das oben besprochene ukthdvähas einen
Blick auf die, wie bereits bemerkt, ofi'enbar damit zusammengehörige
W^endung vdhnir ukthaih (I, 184, 1; III, 20, 1) werfen. Bedeutet
jenes Compositum „der Litanei als eines Gespanns sich bedienend,"
so wird diese Wendung heissen „mit den (als Gespann gedachten)
Litaneien (die Götter) fahrend" — sei es imter der Vorstellung
des Zugpferdes oder unter der des Wagenlenkers. Aehnlich ist
dann natürlich über das oft wiederholte vdhnir äsä zu urtheilen.
Mit drei Stellen , an welchen der Ausdmck von Agni gebraucht
wird, haben wir uns schon oben S. 426 beschäftigt; von demselben
Gott heisst es X, 115, 3 äsä vdhnim nd; auf ihn oder wohl eher
den Priester bezieht sich I, 76, 4. Wenn Agni vdhni ist, so ist
er es als Hotar (Neisser 301), also mit seinem Munde (asä). Es
bleibt die schwierige Stelle I, 129, 5 (vgl. Neisser 323); handelt
es sich dort um Indra als zu uns (no deha) fahrend „mit dem
Munde" d. h. mit dem durch den Mund der Priester zugerüsteten Gespann der Preislieder?
Als Anhang an diese Besprechung von vähas, stömavähasi,
sindhuvähas etc. müssen wir hier einige Bemerkungen über das
gleichfalls schon von Neisser in diese Untersuchung hineingezogene
1) Neisser (S. 304) ftihrt fttr seine Auffiusang von vdhas als mit evxouni verwandt die Autoritüt von YSskas (Nir. IV, 16) Erklärung dieser Stelle ins Feld. Ich kann die Art wie er Y. benutzt nicht für zulässig halten.
Y. soll das vdhas als ein stotra (Lob) erklären, „das den Oott herbeiführe oder die Somabereitung ihm ankündige." Die erstere Alternative wird dann als aus der Etymologie geschlossen bei Seite gethan: „wir werden uns daher an den zweiten durcb etymologische Erwägungen nicbt beeinflussten Theil der Glasse halten: vähas ist ein stotram das dem Gotte die Somabereitung an¬
kündigt." In der Tbat giebt Y. gar uicht zwei durch ein „oder" verbundene Erklärungen. Er sagt: labhivahanastutim adhisavanapravädärn, stutim ma¬
nyante. — Ich bemerke noch, dass in den Versen die auf III, 53, 3 folgen, beständig von dem Fabren des Indra, von seinem Hin- uud Herfahren zwischen seinem Hause und der menschlichen Opferstätte die Rede ist.
2) Man bemerke dass die Verbindungen cd>hi prdyah, abhi prdyärnM wie hier mit vdhah so anderwärts überaus häufig mit vahanti vahantu volhäm vaksat vaksan ävaha verbunden werden: I, 118, 4; 134, 1; 136, 4; IV, 46, 3;
VL 16, 44; 63, 7; VIII, 6, 42; 32, 29; 74, 14. Vergleicbbar ist ancb I, 119, 1;
VIH, 60, 4.
432 Oldenherg, Vedische üntersuchungen.
vdhistha hinzufügen, das, entsprechend dem Ausdrucke stömavähas
fast an der Hälfte der Belegstellen als Epitheton von stoma , ein¬
mal , entsprechend dem sindhuvähas , als Epitheton von sindhu
erscheint. Auch dies Wort vrill Neisser von vah , vehere' los¬
lösen und die Stellen, an denen ihm der Begriff des Fahrens doch
allzu deutlich zukommt , auf alte , den Vedadichtem selbst zu¬
zuschreibende ümdeutung eines von ihnen nicht mehr verstandenen
Wortes zurückführen. Sehen wir, wie sich die rgvedischen Materialien
verhalten. Zweimal tinden wir vdhistha als Epitheton eines gött¬
lichen Wagens; beidemal handelt es sich um das Heranfahren der
Götter (Vn, 37, 1; VIII, 26, 4). Einmal ist von der Sindhu
als dem Ge&hrt der Aävin die Rede und an vdhistha schliesst
sich das Verbum vahethi an (VIII, 26, 18. 19). Es folgen drei
Stellen, an denen sich vdhistha auf stöma bezieht. Die eine von
diesen (VIH, 26, 16) gehört demselben Trca an') wie die zuletzt
erwähnte Stelle; beidemal verläuft der Päda genau in demselben
Geleise {vähi^thä väm nadinäm — vdhistho väm hdvänäm). Sollen
wir da zu Auskunftsmitteln der gezwungensten Art greifen, um
das einzig Natürliche, die Gleichwerthigkeit von vdhistha an beiden
SteUen nicht gelten lassen zu müssen ? Wenn im ganzen Tenor
und der Umgebung von V. 16 noch irgend etwas sich fände , das
die Deutvmg erschwert; in der That aber handelt es sich dort
durchaus eben um die Vorstellung, dass die Asvin auf ihrer Pahrt
zu dem Opferer kommen sollen : so preist man ihnen denn das
eigene Loblied als bestes Gespann oder Gefährt an. Ebenso ist
auch in VIII, 5, 18, wo gleichfalls der an die Asvin gerichtete
stömo vdhipthah gerühmt wird, der Zusammenhang eben der: hier
und dort rufen euch die Menschen ; kömmt zu uns ; unser stoma
sei euch der vdhifthah. Ueber die Deutung des mit dieser Stelle
fest gleichlautenden Verses VI, 45, 30, des letzten Beleges für die
Verbindung von stöma mit vdhistha, ist damit natürlich gleichfalls entschieden, wie auch über die einzige noch übrige rgvedische SteUe,
an welcher vähiffha erscheint — eine Stelle , die selbst in keiner
Richtung etwas ergiebt, aber natürlich nach den Parallelstellen be¬
urtheilt werden muss: V, 25, 7 ydd vähistham tdd agndye brhdd
area: »singe dem Agni ein gewaltiges (Lied), welches ihm das
beste Ge&hrt (zu unserem Opfer) sein möge.' Ich meine, dass
sich so die sämmtlicben Belege des Wortes dermaassen ungezwungen
aneinander reihen, dass sie die von selbst sich darbietende Annahme
einer und derselben überall geltenden Bedeutung durchaus bestätigen ;
Unebenheiten, aus welchen die Geschichte hier vorgefallener uralter
Missverständnisse und Umdeutungen herauszulesen wäre, bin ich in
der That nicht im Stande aufzufinden.*)
1) Uubar di» ätiropIwDzerlegung von VIII, 2ä vgl, meine Hymnen des Rgveda I, S. 1«7.
2) Oer Aufklärung bedarf noeb der Unterscbied von vdhistha und viU histha. Es scheint kein Zufall zu sein, dass das letztere Wort — ebenso wie
Oldenberg, Vedische Untersuchungen. 433
Ich wünsche nicht, dass die vorstehenden Erörterungen als ein
principieller Widerspruch gegen jeden Versuch, „Vorvedisches im
Veda" im Sinne Neissers (Bezz. Beitr. XVII, 244 ff.) zu ent¬
decken , aufgefasst werden. Aber das glaube ich allerdings , dass
bei Versuchen dieser Art die alleräusserste Vorsicht , ja das aller-
äusserste Misstrauen nothwendig ist. Die Ausblicke etwa auf den
homerischen Wortschatz , den homerischen Sprachgebrauch und auf
das, was es nach dem Ausweis der Verwandten Sprachen von vedischen
oder vorvedischeu Worten gegeben haben könnte, dürfen sich
nicht in den Vordergrund schieben gegenüber der Aufgabe , die
Gedankenkreise des Veda in erster Linie aus sich selbst zu deuten,
die Worte des Veda im Ganzen — Ausnahmen im Einzelnen zu¬
gegeben — nach ihrem vedischen Sinn, ohne die fortwährende An¬
nahme vedisch - vorvedischer Doppelsinnigkeit und unverstandener
Vorlagen zu erklären. Von den Räthseln , zu deren Lösung jene
Auskunftsmittel aufgeboten werden, dürfte, je mehr unsere Ver¬
trautheit mit den Wegen, den Seitenwegen und Abwegen, auf denen
sich die Gedanken der vedischen Dichter zu bewegen pflegen , an
Sicherheit gewinnt, ein immer grösserer Theil von selbst ver¬
schwinden.
2. sünara, sünrtä.')
Die Worte sünara , sünr'tä (vgl. avest. hunara , hunaretäi)
sind in neuerer Zeit der Etymologie wie der Bedeutung nach sehr
verschieden erklärt worden. Ein Theil der Porsoher fasst sie als
Composita auf. Entweder mit ndra , nr , so neben Andern Ber¬
gaigne, der Rel. ved. III, 295 sünr'tä als „Reichthum an männ¬
lichen Kindern" und dann mit Verallgemeinerung als „un don
precieux quelconque", Quarante hymnes 58 A. 12 als „vigueur de
la jeunesse' erklärte. Oder man denkt an rta, indem sünr'tä
„tme, good" dem anrta als Gegensatz nachgebildet sein soll: so
Max Müller SBE. XXXII, 446, der, wo das Wort als Benennung
der Usas auftritt, die Aenderung su-nrtüs in's Auge fasst. Weiter¬
bildung von SM- mittelst eines Suffixes nimmt Bartholomae
Bezz. Beitr. XV, 24 an, der die Zerlegung in -f- nara für
vdhlyäms — im Rv. stets von Pferden (nur IV, 14, 4 zugleicb von Wagen und Pferden) steht, das erstere nie, sondern nur von Wagen resp. Preisliodern, dem Fluss. Diese Thatsache erschwert die Annahme, die sicb sonst leicht dar¬
bieten würde, dass vdhistha eine Art Superlativ zu vdhas wäre (vgl. brdhmistha zu brahmdn) : denn vdhas scheint, wie wir nach Bergaigne bemerkten, viel¬
mehr „Gespann" als „Wagen" zu bedeuten.
1) Dieser Aufsatz war fertig niedergeschrieben als icb auf die im Wesent¬
lichen zu demselben Resnltat gelangende Erörterung von H. Oertel, Pro¬
ceedings Amer. Or. Soc. 1891, p. XCV aufmerksam wurde. Mir scheint meine Darlegung durch dieselbe nicht vollkommen überflüssig geworden; ich glanbe, dass Manches in derselben vollständiger in den ihm zukommenden Zusammen¬
liang gestellt ist als bei Oertel. Für das Hauptresultat aber gehört diesem Gelehrten die Priorität.
Bd. L. 28
3 2 *
434 Oldenberg, Vedieehe Uittereuchwngen.
verkehrt erklärt und einen Locativ *aünar zu Grunde liegen lässt;
ähnlich ist die Ansicht von K. F. Johansson Bezz. Beitr. XVIII, 33
(er übersetzt sünara „im Glanz [seiend]'). Jacobi KZ. XXXI, 316
nimmt ein Suffix -nara an und vergleicht üksänard, vidvdnara,
vaiivänard.
ünsere Untersuchung wird davon ausgehen und darin ihren
Schwerpunkt haben, die Bedeutung der in Frage stehenden Worte
aus den BelegsteUen, vor AUem des ßgveda, zu ermitteln; das
gefundene ßesultat wird dann auf seine etymologischen Consequenzen
hin geprüft werden. Wir lassen zunächst sündra bei Seite und
beschäftigen uns aUein mit sünr'tä, sünr tävant.
Ich spreche sofort aus, was mir das Entscheidende zu sein
scheint: es muss meines Erachtens ein weitaus grösseres Gewicht,
als es von Seiten der genannten Forscher geschehen ist, auf das
Factum gelegt werden, dass an einer grossen Hauptmasse von SteUen
sünr'tä in dem Zusammenhang steht, dass von Gaben, welch© die
Beter erlangen oder zu erlangen wünschen, die Rede ist.
Der Geber ist sehr oft Indra. Seine swnr'tä heisst I, 8, 8
virapdi gömati mahi pakvä däkhci nd döMse. Wenn er grosse
und kleine Güter vertheilt, wenn seine beiden Arme von Gütern
voU sind, henunt {n{ yamate) seine sünr'tä nicht die Güterfülle
vn, 37, 3. Aehnlich wird gesagt, dass es keinen Hemmer {niyanid)
asya (seil, {ndrasya) ddcinäm . . . sünr'tänäm giebt; ndleir vakta
nd däd Üi YUL, 32, 15. Seine sünr'tä ist eine dhenu ; dem Opferer
,gdm d^am pipyüshi duhe" Viii, 14, 3.*) Zu den Prommen
sind als zu ihrer Heimstätte viele sünr'täh des Indra gegangen:
und wie zur Verdeuthchung fügt der Dichter hinzu pdrthivä vdsvmi
X, III, 10. Der somatrinkendeIndra wird angerufen, seine Trunkes-
freude rädhasä sünr'tävatä, räyä pdrlnasä zu beweisen Vlil, 97, 6.
Und man sagt zu ihm: ürdhvä (cf. I, 134, 1) M te divi-dive
aahdsrä sünr'tä datä jaritr bhyo vimdmhate VITT, 45, 12.
Schon diese SteUen reichen hin es unwahrscheinUch zu machen,
dass es sich bei der sünr tä des Gottes um seine Macht oder Herrlich¬
keit im AUgemeinen , um seine Jeune vigueur als eine nur seinen
eigenen Glanz erhöhende QuaUtät handelt: es muss vielmehr an
eine Eigenschaft gedacht sein, welche specieU zu den vom Gott
über die Opferer, die Priester, ausgeschütteten Gaben in Beziehung steht, sagen wir — vorläufig noch versuchsweise — »Freigebigkeit.*
UeberbUcken wir auf diesen Vorschlag hin die übrigen Indra
betreffenden Belege, so finden wir, dass die Stellen bei dieser Ueber¬
setzung nicht nur einen imgezwungenen, sondem einen in Anbetracht
der vedischen Denkweise besonders wahrscheinlichen Sinn erhalten.
I, 51, 2 heisst es: indram . . . jdvani sUnr'tdruhat. Die Frei¬
gebigkeit , die Antreiberin (zu Gaben) ist in Indra's Geist empor -
1) Die VorsteUung des Oemolkenwerdens spielt aucli sonst bei der sünrtä eine Rolle; Taitt. Samh. I, 6, 11, 2. 3 wird der sünrtäyai döhah besprochen.
3 2*
Oldenberg, Vedische Untersuchungen. 436
gestiegen; in dem vorhergehenden Verse war der Gott vdsvo
arnavdh, hkußi mdmhisthah genannt, nnd die folgenden Verse sind
voll von dem Preise der Bethätigungen seiner Preigebigkeit und
Güte. Zu dem äruhat vergleiche man eine auf Vä3ni bezügliche
Stelle I, 134, 1 Urdhvä te dnu sünr'tä mdnas tisfhatu jänaM, und
zu der Bezeichnung der sünr'tä als jdvani VII, 67, 9, wo es von
den maghdvan heisst: y^. räyä mayliadeyam jundnti — eine Stelle
die um so bestimmter als Parallele zu der unsrigen verwandt
werden kann, als es dann weitergeht: prd yS bdndhurn sünr tä¬
bhis tirdnte gdvyä prücdnto ddvyä maghdni — Weiter weisen
wir auf III, 31, 21 hin, wo es von Indra, dem Kuhspender und
Ejröffner der Thore, heisst pi-d sünr'tä diidrrväna rtSna. Zu dem¬
selben Gott sagt man I, 82, 1 yadä nah sünr'tävatah kdra ad
arthdyäsa U. Das heisst nicht, wie Grassmann übersetzt, ,Wenn
du uns reich an Sang gemacht, dann lasse dich erbitten auch."
Ebenso wenig nach Ludwig: ,dass du uns reich an Vortrefflich¬
keit machest, dass du dich erbitten lassest.Sondern: ,Wenn
du uns (deiner) Freigebigkeit theühaftig gemacht hast*), dann
magst du thun waa du (sonst) willst.*)* — Wir erwähnen noch
die Auffordemng an Indra pdtih sünr'tänäm zu sein III, 31, 18,
das Gebet an ihn vQ>hütir astu sünr'tä I, 30, 5; er möge väjän
verleihen isd . . . ärdvase sünrtäyai 1, 121, 14; die Selbstpreisung
der Sänger, die von sich sagen mdmJiisthäm ütim vitire dddhänäh
stotära indra tdva sünrtäbhih X, 104, 5; das gleichfalls auf Indra
gehende Wort VTII, 13, 8 krilanty asya sünr'tä äpo nd pravdtä
yatik. Auf die letzte Stelle , welche unser Wort in Bezug auf
Indra braucht, seine Anrede als sunrta (Voc.) Vlll, 46, 20 wird
weiterhin (S. 442) zurückzukommen sein. Als Resultat dürfen wir
aussprechen, dass die sünr'tä des Indra (auch im Plural) die Eigen¬
schaft ist die ihn zu dem Vornehmsten aller maghdvan macht,
seine unerschöpfliche, durch keine feindliche Macht zu hemmende,
Güter über Güter dem Frommen spendende Freigebigkeit.
Neben Indra, und wir dürfen wohl sagen, in noch ausgeprägterer
Weise als Indra, ist es eine zweite Gottheit, die zu dem uns be¬
schäftigenden Kreis von Worten in engster Beziehung steht, Usas.
Jede Untersuchung über sünr'tä, der es nicht gelingt diese Be¬
ziehung in voller Bestimmtheit aufzufassen und zu erklären, muss
als misslungen gelten. Ueberblicken wir zuerst die Materialien.
1) Bd. V. S. 24 verbessert er die zweite Hälfte: „das sollst du dir zum Zwecke machen."
2) Vgl. Uber yadä mit dem Conj., und Conj. des Hauptsatzes, DelbrUck Ai. Syntax 325. — sünftävant ist seiner Natur nach zweiseitig; es kann den bezeicbnen, von dem die sünrtä ausgeht, und den, auf den sie wirkt. Hier haben wir das Wort in dem zweiten Sinn.
3) Eigentlich „dann magst du deinen Zielen nachgehen." Man vergleiche den Gebrauch des Wortes yathärtham in Sütratexten, wo es bedeutet: „nacb¬
dem man das und das gethan, die und die Riten vollzogen hat, kann man thun was man sonst will."
88*
436 Oldenberg, Vedische Untermchungen.
Während Indra seine eigne sünr'iä dem Frommen zuwendet,
begegnen wir bei Usas zuvörderst einer Reihe von Stellen , an
welchen sie als Erweckerin, Führerin etc. von sünr'täs auftritt, so
dass es zweifelhaft bleibt, ob diese nicht als in andem Wesen ihren
Sitz habend zu denken sind , oder sogar direkt eine Hindeutung
darauf vorliegt, dass sie in der That so aufgefasst werden müssen.
Beispielsweise heisst es I, 48, 2 üd iraya prdti mä sünr'tä usah,
coda rädho maghonäm. Wir haben schon oben das rädhah sünr'tävat
VIII, 97, 6 angetroffen und werden auch weiterhin zu beobachten
Gelegenheit haben dass rädhah und sünr'tä auf das Engste ver¬
wandte Begriffe sind; schwerlich werden wir fehlgehen, wenn wir
in dem ersten und in dem zweiten Päda des mitgetheilten Citats
zwei Variationen desselben Gedankens sehen , die sünr täh , welche
Usas zu dem Betenden hin erregen soll, und das rädhah der frei¬
gebigen Spender, welches sie antreiben soll'), für dasselbe halten.
VII, 79, 5 wird von Usas (nachdem im vorangehenden Verse von
ihrem rädhah die Bede gewesen ist) gesagt: devdm-devam rädhase
coddyanti, asmadryhh sünr'tä Irdyantl. Auch hier liegt die Auf¬
fassung nah , dass die sünr täh, so wie in dem ersten Päda das
rädhah, nicht — oder doch nicht allein — in Usas selbst sondern
in andern göttlichen , vielleicht auch menschlichen Wohlthätern
ihren Sitz haben. Aehnlich in einem benachbarten Liede VII, 81, ti
(auch hier ist im vorangehenden Vers von dem rädhah der Usas
die Rede gewesen): Usas heisst codayitri maghönah sünr'tävati;
es wird eben offenbar bei der Rolle der Göttin als sünr'tüvati
wesentliches Gewicht darauf fallen, dass sie codayitri-) maghönah ist.
Wir scbliessen einige weitere Stellen an , die den oben ange¬
führten nahe stehen ohne einen ausdrücklichen Hinweis darauf zu
enthalten, ob die sünr täs von Usas selbst oder von Andern kommen ;
nach dem Gesagten werden wir die zweite Auffassung mindestens
als eine mit in Betracht kommende nicht abweisen.
Zu dem oben angeführten I, 48, 2 üd iraya prdti mä sünr'tä
usah stellt sich I, 113, 12 sünr'tä irdyantl; III, 61, 2 ebenfalls
sünr'tä irdyantl. In Vers 1 des letztangeführten Liedes wird Usas
als püramdhi bezeichnet: so lesen wir, mit dem Verbum, das uns
die obigen Stellen als ein m diesen Vorstellungskreis stehend hinein¬
gehöriges erweisen, in einem Usasliede, unter deutlicher Beziehung
auf das segensvolle Wirken dieser Göttin , üd iratäm sünr'tä üt
püramdhth I, 123, 6*) (in der zweiten Vershälfte-, die Morgenröthen 1) Man beachte, dass wie hier radhali von cöda abhängt, eben dieses Verbum öfters die sünftäli als Object hat. So wird zu den Asvin gesagt coddyatam siinftäh X, 39, 2; Sarasvati ist codayitri sünftänäm. Man kann sich nicht enthalten dabei an Ausdrücke wie an das häufige dänäya codaya (oder codaya dätave maghäm IX, 75, 5), rädhase codaya, coddya rädhah u. dgl. zu denken.
2) Vgl. zu diesem Wort die vorige Anmerkung.
3) Colinet (The Goddess of Abundance 8) übersetzt bier sehr gut: „Rise up, excellent gifts; rise up, Puramdhis."
Oldenherg, Vedische üntersuchungen. 437
machen die spärhd vdsüni tdmasdpagülhä sichtbar); man sieht,
wie nahe hier, im Einklang mit unserer Deutung des Wortes, die
Vorstellung der sünr'tä an die der puraiudhi herangerückt wird')
und wie sie auch sonst durchaus in der BegrifFssphäre von Eeich¬
thum und Freigebigkeit, auf welche wir durch unsre früheren Er¬
örterungen geführt wurden, beharrt.
Dieselbe Bemerkung gilt für mehrere Stellen , an denen die
Action der Usas in Bezug auf die sünr'tä als ein , Leiten' gefasst
wird. Die Göttin ist netri sünr'tänäm I, 92, 7; 113, 4: in dem
ersten dieser beiden Verse heisst es dann weiter prajdvato m'vdto
d-Svabudhyän ilso göagrän üpa mäsi väjän, im zweiten vy u no
räyö äkhyat. Nicht weniger bezeichnend VII, 76, 7, mit der schon
erwähnten, häufigen Nebeneinanderstellung von sünr'tä und rddhas :
netri rädhasah sünr'tänäm, und dann weiter dlrghaJrütarn rayim
asmf. dddhänä. Wie viel besser übrigens zu der Vorstellung des
Leitens ein Object passt, welches Bethätigungen der Freigebigkeit,
als welches etwa vigueurs de la jeunesse bedeutet , liegt auf der
Hand.
Bei der von ims beobachteten so häufigen Beziehung der Usas
auf die sünr'tä, für die hier noch I, 113, 18 angeführt werden
möge (die Morgenröthen leuchten auf sünr'tänäm udarkä , lies
udärS?) ist es in der Ordnung, dass die Göttin als sünrtävari IV,
62, 4 oder als sünrtavati I, 92, 14 angerufen wird; es characterisirt
den Sinn dieses Worts, wenn an der letzteren Stelle sie zugleich
gomati, ddvävati-) genannt und zu ihr gebetet wird, dass sie revdt
leuchten möge, sünr'tävati heisst sie auch VII, 81, 6, welche
Stelle mit ihrer Beziehung auf die Freigebigkeit des maghdvan
wir bereits oben (S. 436) kennen gelernt haben. Und um noch
eine Stufe enger und tiefer erscheint der Zusammenhang von Usas
und der sünr'tä, wenn die Göttin selbst — ähnlich wie Indra als
sünrta VIII, 46, 20 — als sünrte angerufen wird I, 123, -5; 124, 10;
IV, " 55, 9; VIII, 9, 17; als 'ddvasünrte V, 79, 1 fgg. An der
dritten dieser SteUen betet man zur Göttin, die dort neben sünrte
auch maghoni, väjinlvati heisst : d vaha . . . vdryä purü Noch
bezeichnender aber scheinen mir für den Zusammenhang des uns
beschäftigenden Gedankenkreises die beiden ersten Stellen zu sein.
1) Diese Beobaclitung wiederholt sich bei einem an die Asvin gerichteten Verse X, 39, 2 coddyatam sünftäli . . . üt püramdhir irayatam; die Worte desselben Verses yasdsam bhägdm krnutam no asvinä und die darauf folgende Beziehung auf die maghdvan characterisiren den hier vorliegeuden Vorstellungs¬
kreis deutlich. — Ueber die Zusammenstellung von sünrtä nnd püramdhi vgl. Bloomfield, Contributions to the interpretation of the Veda (JAOS. XVI), V, p. 19; iiber püramdhi siehe die neuesten Ausführungen von V. Henry, Vedica, 1. sdrie, p. 1 seqq. (Mem. de Ia Soc. de Ung. IX.). Ich kann mich von denselben allerdings nicht überzeugt bekennen.
2) Aehnliche Ausdrücke finden sich in der Nachbarschaft des Wortes sünrtä u. dgl. recht häufig; vgl. Rv. I, 48, 2; 113, 18; VII, 81, 6; VIII, 14, 3;
Av. III, 12, 2; Päraskara II, 17, 9 etc.
438 Oldenberg, Vedische Untersnchungen.
An 4er ersten — in einem Liede, welches schon in seinen An¬
fangsworten von dem Anfleuchten der Morgenröthe den Ausdrück
braucht prthu rdtho ddksinäyä ayojt') — betet man zur üsas
sünr'tä in Bezug auf den aghdsya dhätä : jdyema fdin ddksinayä
(vieUeicht zu ändem dAhsinäyä) rdthena. An der zweiten soll
üsas — welche neben der Anrede sünrte in diesem Vers zweimal
wieder die Anrede maghoni empfängt — die Spender erwecken:
prd bodhaya . . . prnatdk, dbudhyamänäh pandyah sasantu,
revdd ucha (cf. I, 92, 14) maghdvadbhyah. Wir finden also die
Usas sünr'tä in engster Beziehung zur ddksinä; ihr Werk ist es,
die Geber der ddksinä za erwecken — natürlich eben zum Geben —,
während der Geizige unerweckt schlafen mag. Und hier nun,
meine ich, haben wir den Schlüssel dazu, dass sünr'tä „die Frei¬
gebigkeit' in einer so hervoi-tretenden Beziehung eben zur Morgen¬
röthe steht, ja dass Usas selbst als personificirte , Freigebigkeit'
angeredet wird : der Grund liegt in nichts anderem als in der Be¬
ziehung der Usas zur ddksinä.
Diese Beziehung festzustellen ermöglicht uns der bgveda ausser
durch die eben angeführten Zeugnisse noch durch recht reichliche
weitere MateriaUen. An die Spitze möge der erste Vers des Liedes
gesteUt werden, das als der classische Ausdruck der rgvedischen
VorsteUungen von der ddksinä betrachtet werden kann, X, 107*):
1) D. h. „der weite Wagen des Opferlohns ist angeschirrt worden."
Bergaigne (Rel. ved. I, 128, III, 284) hat unbedingt Recbt zu behaupten, dass daksinä Im Rv. stets den Opferlobn (resp. die den Opfei lohn-bildende Kuh), aber nicht die Kuh an sicb, etwa als die „tüchtige" bezeichnet; die alte Sprache kennt die Bedeutung „tüchtig" fUr ddksinä Uberhaupt nicht. Was für eine Bewandtniss es mit den Stellen hat, weicbe man für ddksinä „tüchtige, fruchtbare Milchkuh" anführt — ich habe hier das Pet. Wörterbuch im Auge — sehe man z. B. an Rv. I, 125, 5, wo der Zusammenhang des ganzen Liedes
— man vergleiche z. B. Vers 4 und 6 — auf das deutlichste zeigt, dass das Wort in der That in dem technischen Sinn als Opferlohn zu verstehen ist, oder an Av. V, 11, 1, wo auch die Beziehung auf eine dem Priester gegebene Kuh klar vorliegt. Natürlich hat, wer das Hervorgehen der Bedeutung „Opfer¬
lobn" aus der Bedeutung „tüchtige Kuh" leugnet, die Pflicht, für die Entstehung jener Bedeutung seinerseits eine andere Erklärung zn geben. Bergaigne
(I, 128) nimmt an, dass die Gabe des menschlichen maghdvan jene Benennung als ein Gegenbild der göttlicben Gabe, speciell der göttlichen Gabe der Kuh, empfangen habe, weicbe die Götter in der recbten (ddksinä) Hand halten (Rv. Ul, 39, 6): für mich sehr wenig überzeugend. Viel eber möchte ich den Ursprung der Bezeichnung in der (von Bergaigne a. a. 0. übrigens keineswegs übersehenen) rituellen Sitte finden , die Kühe , welche den Opferlohn bilden, auf der recbten,_südlichen Seite der Vedi aufzustellen (Satapatha Br. IV, 3, 4, 14;
K&ty. X, 2, 10; Apastamba XIII, 5, 6): eine solche Kuh war also eine sUdlich befindliche, daksinä. Dass umgekebrt die Sitte jener Aufstellung aus der Be¬
nennung ddksinä berausgesponnen sei , ist allerdings an sich zwar möglicb, aber doch eben nur möülicb, und so wird die bier vorgeschlagene Erklärung des Ausdrucks, so lange sich keine einleuchtendere findet, als eine wohl be¬
rechtigte Hypothese festgehalten werden dürfen.
2) In dem zweiten grossen daksinä-hieie I, 125, 3 begegnet, den hier erörterten Zusammenhängen vollkommen entsprecbend, das Wort sünftäbhili.
Doch sehe ich von einer eingehenden Discussion der schwierigen Stelle hier ab.
Oldenherg, Vedische Untersuchungen. 489
äv(r abhün mdhi mdghon/im esäm
vtdvarn j'ivdm tdmaso nir amoci
mdhi jyotih pitt 'bhir dattam ägät
uruh pdnthä ddksinäyä adarü.
Also der Pfad der ddksinä, das mäghonam der freigebigen
Spender tritt dem Sänger vor Augen, vrenn alles Lebende vom
Dunkel befreit wird , wenn das grosse Liebt , das die Yäter uns
erworben haben'), erscheint: mit andem Worten um die Zeit der
Morgenröthe. Dies muss nach altvedischer Sitte die Zeit gewesen
sein, zu welcher der Sänger, der Priester seinen Lohn empfincr «'l
Damm sagt Vaäa Aävya VIII, 46, 21:
d sd etu yd tvad d
ddevah pürtdm ädadS
ydthä cid Vddo Aduydh
Prthuärdvasi KänitS
asyd vydsy ädadS.^)
Und IV, 51, 3 heisst es, ganz ähnlich wie in dem eben be¬
sprochenen Verse I, 124, 10:
uchdntir adyd citayanta bhojdn
rädhodSyäyosdso*) maghönih acitrS antdh pandyah sasantu
dhudhyamänäs tdmaso vimadhye.
I, 48, 2 wird zur Morgenröthe gesagt: cöda rddho maghönäm}
und im vierten Verse desselben Usasliedes findet sich die bezeich¬
nende Wendung : üso yS te prd yämesu yuüjdte mdno dändya
sürdyaM) Die Morgenröthen sind es, bei denen der Preisende
Reich thum erlangt hat IV, 51, 7; der Morgenröthe gefallen die
Schaaren (der Sänger) maghdttaye V, 79, 5; ihr singen die ma-
ghaih . ■ . suhiyo dämanvantah surätdyah , daselbst 4; sie soll
den süri Ruhm spenden yd no rädhämsy dhrayä maghäväno
drä.iata, ye no rddhämsy dSvyä gavyä bhdjanta sürdyah daselbst
6. 7.^) Die Beziehung der Usas auf die den Sängem gespendeten
1) Vgl. meioe Beligion des Veda U5 —150, 278 f.
2) Wie sich diese Sitte zu der in den Ritualtezten geschilderten Ordnung verhält , nach welcher die Spendung der ddksinäs dem mädhyandinam, sa-
vanam zugehört (Weber, Ind. Stud. X, 383), weiss ich vorläufig nicht
festzustellen.
3) Anch VIII, 24, 28. 29 wird die als subhage väjimvati angeredete Wesenheit, weicbe den Vyasvas Keichthum gebracht hat und ihnen jetzt eine neue dälcsinä „sthürdm ca rüdhah iatdvat sahdsravat" bringen soll, doch wohl Usas sein.
4) Hier wieder das in den von uns besprochenen Znsammenhängen so
häufige rddhas.
5) Hier möge aucb erwähnt werden, dass V, 1, 3 in Beziebung auf die morgendliche Entflammung des Agni gesagt wird : dd ddksinä yujyate väjaydnti.
6) Man bemerke, dass das hier mehrfach citirte Lied V, 79 dasjenige ist, in dessen Refrain Usas als divasünrte angerufen wird. — Es sei hier noch
440 Oldenherg, Vedische ünter stichungen.
Gaben geht so weit, dass jene Göttin geradezu selbst ddksinä ge¬
nannt wird: dbhüd u vdsvi ddksinä maghoni VI, 64, 1. Der
Mythus liess die den ersten, vorweltlichen Priestern und Sängern
gelingende Gewinnung der Kühe und der Morgenröthen einen und
denselben Vorgang bilden, der zugleich die Demüthigung der geizigen
Panis, welche den Kuhbesitz den Frommen vorenthalten wollen, in
sich schloss.') Was konnte natürlicher sein , als dass die sacrale
■Sitte dem mythischen Vorbild entsprechend die Verleihung der
Knh-ddksinä an die Priester an das Erscheinen der Morgenröthe
knüpfte ? Dieser Zusammenhang vrird es sein , um dessen willen
unter den Göttern — neben Indra, dem maghavä ■xar i^o^i^v —
die grosse maghoni Usas ist-) ; es kann kein Zufall sein , dass
eben der vornehmste maghdoä und diese vornehmste maghoni
auch gerade die beiden sind , die vor allen andern über den
sünr'täs walten.")
Sporadisch begegnen wir , wie nicht anders erwartet werden
kann, den Ausdrücken sünr'tä, sünr tävant auch in Beziehung auf
andere Götter. So auf Agni VIII, 19, 22, auf Vaisvänara I, 59, 7.
Bei den Aävin handelt es sieh mehrfach — was mit der morgend¬
lichen , der Usas benachbarten Daseinssphäre dieser Götter zu¬
sammenhängen wird — um die Beförderung menschlicher sünr'täs:
so VII, 67, 9 (oben S. 435) wo sie angerufen werden die ma¬
ghdvan zu segnen y4 räyä maghaddyarn jundnti, prd yi bandhurn
sünr täbhis tirdnte, und wohl auch X, 39, 2 (S. 436) coddyaiarn
sünr täh , ganz entsprechend der Ausdrucksweise der Usashymnen.
Die kadä der Asvin ist sünr'tävati I, 22, 3. Um Väyu handelt
es sich I, 134, 1 (S. 435), um Indra-Väyu I, 185, 7, um die
Maruts VII, 57, 6 (hier steht sünr täh — so fasse ich das Wort
auf; der Padap. hat sünr'tä — zvrischen räydh und maghdni);
SarasvatI ist codayitri sünr'tänäm I, 3, 11 (vgl. oben S. 436,
Anm. 1). Auch eine eigne Göttin Sünr'tä begegnet , 1 , 40, 3;
X, 141, 2. Der sünr'tä von Menschen wird, wie vrir gesehen
haben, nicht selten in Verbindung mit göttlichem Eingreifen ge¬
dacht; hier ist noch auf den sünr'tävant , dem die A^rin das
bhöjanam fördern sollen (cödethäm) , hinzuweisen VII, 74, 2; auf
die sünr'täs des Äsvaghnä X, 61, 21*), auf die sünr'tä vämdsya
devasya vä mdrtyasya vä VI, 48, 20.
darauf aufinerksam gemacht, dass an der bereits angeftthrten Stelle I, 113, 18, wo vom Aufleuchten der Morgenröthen sünftänäm udarki die Rede ist, wohl nicht rein zufallig alsbald die Erwähnung des a^addlt somasütvä folgt.
1) Vul. meine Religion des Veda 147 f.
2) Es ist characteristisch, dass das Fem. maghoni ausser in Beziehung auf üsas nur an einer Stelle erscheint (II , 11, 21) und an dieser auf die daksinä geht.
3) Wie oft maghä, maghavan, maghöm in der Nachbarschaft der sünftü- Wortgruppe erscheint bedarf kaum einer eignen Hervorhebung.
4) sünftäyai auch Vers 25 desselben Liedes in dunklem, für unsre ünter¬
suchung in jedem Fall unergiebigem Zusammenhang.
Oldenberg, Vedische Untersuchungen. 44I
Hiermit hätten wir die rgvedischen Materialien für sünr'tä,
sünr tävant vollständig überblickt, üeber sündra werden wenige
Worte genügen, sündra ist, wem die Eigenschaft der sünrtä
beiwohnt. Auch hier steht Usas in erster Linie; sie ist sündri
oder kommt herbei yösheva sündri I, 48, 5. 8. 10; IV, 52, 1;
VII, 81, 1. Soma — vermuthlich handelt es sich um diesen —
ist sündro yüvä VIII, 29, 1, Agni sähasah sündrah X, 115, 7.')
Indra begegnet befremdlicherweise hier nicht; bei der kleinen Zahl
der in Betracht kommenden Belege werden vrir dies für einen
Zufall zu halten haben. Dagegen findet sich sündra zweimal im
Neutrum als Epitheton von väsu, beidemal mit deutlichem Hin¬
weis auf die Vorstellung der Freigebigkeit des himmlischen oder
irdischen maghdvan: I, 40, 4 yö väghdte dddäti sündram vdsu
sd dhatte dkshi'ti drdvah ; V, 34, 7 (von Indra) sdm im panir'^)
ajati bhojanam mushe vi däduse bhajati sündram vdsu. Es ist
wohl klar , dass sündram vdsu das Gut ist , welchem die sünr'tä
des freigebigen Spenders , der es dem Frommen schenkt , gleich¬
sam inhärirt.
Als Ergebniss imserer Erörterungen dürfen vrir bezeichnen,
dass in den mannichfaltigsten Zusammenhängen , in immer sich
wiederholender Wiederkehr derselben Indicien, derselben characteris¬
tischen Schlagworte sich als der im Rgveda den Worten sündra,
sünr'tä zukommende Sinn „freigebig, Freigebigkeit" herausgestellt
hat.*) Blicken wir von diesem Resultat auf die im Eingang ver¬
zeichneten früheren Deutungen zurück, so werden wir uns über
die Unmöglichkeit klar sein, durch die Aenderung su-nrtüh die
auf Usas gehenden Belegstellen auszumerzen: wir haben die Be¬
ziehungen auf üsas in organischem Zusammenhang mit dem sonstigen
Auftreten des Wortes gefunden : und wenn sünr'tä dieser text¬
kritischen Behandlung unterworfen werden möehte , was machen
wir mit der Usas sünr'tävati, sünrtävari, sündri? Ebenso werden
wir den Gedanken abweisen müssen, dass sünr'tä als Gegensatz von
dnrta gebildet ist. Abgesehen von der gezwungenen Construetion,
1) Man ergänze sünüli. An Böbtl. Botb's Aenderung sünür a kann ich nicht glauben.
2) Bezeichnender Weise auch bier der pani als Gegensatz zur sünrtä;
v-1. oben S. 438.
3) In den jüngeren Veden — die Wortverzeichnisse zum Av. und den Grhyasütren dürften das wichtigste Material geben — stellt sich meinem Gefühl uach die glückbringende, erfreuende Natur der sünrtä zwar in unbestimmterer, verschwommenerer Weise dar als im Rv. , aber die betreffenden Materialien fügen sich docb dem nus dem Rv. gewonnenen Ergebniss durchaus. Ich hebe nur wenige Stellen, die das zeigen werden, hervor. Av. VI, 62, 2 vaisvänarim
snnftäm a rabhadhvam . . . täyä . . . vayäm syäma pdtayo ray'indm.
xni, 1, 20 sdrvä dratir avakrämann ihiddm rästram akarali sünftävat.
Taitt. Brähm. III , 7, 6, 11 satäm me santv äsisalt , sahdsram me santu sünftäli., iräaatlli pasumdti/i. Päraskara III, 4, 10 — 13: sriö' ca tvä yasas ca . . . yajria^ ca tvä daksinä ca Tman beachte dass hier die daksiiia er¬
scheint) . . . annam ca tvä brähmanas ca . . . ürk tvä sünrtä ca.
442 Oldenberg, Vedische Untersvehwngen.
die ztir Erklärung des n nothwendig ist, und von dem Factum —
wir kommen auf dasselbe zurück — dass es sich mnächst nicht
um sünrta sondem um sünr'tä handelt, haben wir gefunden, dass
der vedische Sprachgebrauch') unserm Wort eine ganz andere
SteUung als die eines Gegensatzes zu dnrta anweist: und wie sollten
wir uns bei dem Zurückgehen auf das letztere Wort mit sündra,
avest. hunara abfinden? Auch von irgend welchen Momenten,
die dem Phantasiegebilde von Bartholomae's Locativ *sü7uir,
der Johansson'schen Deutung von sündra als ,im Glänze [seiend]'
Consistenz mittheilen könnten, ist uns nicbts begegnet. Die MögUch¬
keit der Bildung mit einem Suffix -nara werden wir im Hinblick
auf svarriara (neben avest. qarenö) nicht unbedingt abzuweisen
wagen. Für wirkUch wahrscheinlich aber können wir doch nur
die alte Zurückführang auf nara ,der Mann" halten. Das Neben¬
einanderstehen eiaes Typus mit -nara und eines mit -nr- (vgl.
Brugmann Grandriss H, 106) tritt besonders nachdrücklich für
diese Auffassung ein ; davon dass Worte wie dravard oder üvard
oder matsard neben der -ara-form auch eine -r-form hätten , ist
nichts bekannt.*) Dann heisst sündra ursprünglich als beschreiben¬
des Compositum ,ein guter Mann" und als possessives') „was von
einem guten Mann kommt, mit ihm in Verbindimg steht" ; sünr'tä,
ist „die Eigenschaft (Wesenheit) eines guten Mannes". Dass das
letztere Wort das Suffix -tä enthält, ist unverkennbar (vgl. avest.
hunaretät). Schon das ungeheure Vorwiegen der weiblichen Pormen
müsste dagegen bedenkUch machen, in sünr'tä ein Pem. zu sünrta
zu sehen ; ich meine , *dass das Masc. im 5v. nur an der einzigen
SteUe vm, 46, 20 (oben S. 435) vorUegt«); die schon von Ber¬
gaigne HI, 296 ausgesprochene Annahme , dass hier secundär ein
masculinisches Gegen bild zu sünr'tä geschaffen worden ist, bietet
sich von selbst dar. Dass die Vorstellung des „guten Mannes",
der „Mannesgutheit" im Rv. so nachdrücklich, wie wir gesehen
haben , nach der Seite der Freigebigkeit hingewandt worden ist,
kann nicht befremden. Im Avesta erscheint hunara, hunaretät in
der Bedeutung „Tugend" oder vielleicht besser „Geschicklichkeit";
das neutrale hunara ist substantivirt worden etwa wie amrtam
in der Bedeutung „Unsterblichkeit, Unsterblichkeitstrank" sub-
1) Anden allerdings der episcbe , der bier nicht als massgebend in Be¬
tracht kommen kann.
2) Die Existenz eines Stammes si}arnr neben svarnara ist mir ganz zweifelbaft. Svarnare Kv. V, 18, 4 halte ich nicht fUr einen Dativ jenes, sondem für einen Loc. dieses Stammes (cf. VIII, 103, 14). Dann bleibt als von jenem kommend allein svarnarah (Voc. pl.) V, 54, 10 übrig; die Aendemng svarnaräh, das unter dem Einfluss des daneben stehenden divo narah ent¬
stellt wäre, liegt nahe, wie scbon BK. bemerkt baben.
3) In dem weiteren von Whitney' § 1294'» definirten Sinn.
4) Grassmann nimmt ein Neutr. plur. sünrtä VII, 57, 6, VIII; 45, 12 an. Zu der ersten Stelle V);l. S. 440; an der zweiten liegt unzweifelbaft der Nom. sing. fem. vor; ürdhvd te sünrtä ist Subject zu mmdmhate.
Oldmberg, Vedische ütttersuohimgen. 443
stantivirt worden ist. Ob in dem Fehlen der Ausprägung der
Bedeutimg in der Eichtung auf die Freigebigkeit das Avesta dem
Veda gegenüber das Aeltere bewahrt hat, oder ob die avestische
Bedeutung aus der bestimmteren im Veda vorliegenden abgeblasst
ist, werden die speciellen Kenner des Avesta besser als ich be¬
urtheilen können.
3. vl^a.
Die ungefähre Sphäre der weithin sich erstreckenden Bedeu¬
tungen von vdfa ist im Ganzen klar ; ich zeige sie mit Worten an,
die sich in Pischel-Geldner's Vedischen Studien an verschiedenen
Stellen als Uebersetzungen von väja finden : „Kraft , Gut , Eeich¬
thum, Wettpreis, Wettlauf')" — wo dann, wenn nach der Ord¬
nung dieser Bedeutungen gefragt wird, M. Müller (India, what
can it teach us, 164) von strength, strife, contest, race ausgeht,
sodann fortschreitet zu what is won in a race or in war, viz. booty,
trecMure, und zuletzt zu der aUgemeinen Bedeutung gelangt acqui¬
sitions , goods. Bergaigne andrerseits (Quarante hymnes 114)
oder wohl richtiger V. Henry in Anlehnung an üm, construirt
folgende filihre sSmantique unsres Worts : „butin — j^ix du combat
— butin du sacrifice — offrande — richesse en gdndral".
So viel wird von vornherein zugegeben werden — und es
Vfird sich uns im weiteren Verlauf durch mannichfache positive In¬
dicien bestätigen — dass das Leben dieses so besonders beliebten
Worts in vg'vedischer Zeit noch allzu sehr ün Fluss begriffen ist,
als dass jenes Abreissen der Continuität innerhalb des von ihm
atisgedrückten Vorstellungsgebietes, jenes Fortfallen der Mittel-,
glieder und Erstarren an den Endpunkten irgend mit Wahrschein¬
lichkeit augenommen werden dürfte, welches vrirkUch verschiedene,
scharf getrennte Bedeutungen ergeben könnte. Die Stellen, an denen
das Wort gebraucht wird , liegen doch nicht so zu sagen in ge¬
trennten Schubfächern, von denen jedesmal das richtige aufzuziehen
vrir die Geschicklichkeit oder das Glück haben müssten. Wenn
wir im Deutschen sagen „Kraft", so sagen wir ganz etwas andres
als „Eeichthum" und umgekehrt; wenn aber der vedische Dichter
vdj'a so brauchte, dass wir „Kraft", und andrerseits so dass wir
„Eeichthum" übersetzen, wird angenommen werden dürfen, dass
väfa doch für seine Vorstellung das eine Mal ungefähr dasselbe
gewesen ist vrie das andi-e Mal. Diesen überall gemeinsamen Ge¬
dankeninhalt gilt es in möglichster Concretheit klar zu legen , ich
möchte sagen die bei diesem Wort mitschwingenden Töne, welche
1) Die Bedeutung „ Opferspeise " (Grassmann Nr. 8; Bergaigne Quarante hymnes 114) halte ich für unerweisbar; sie würde aus allen üb igen Zusammenhängen (s. das folgende) herausfallen, Dass die Bedeutung „Ross"
gestrichen werden muss, habeu Bergaigne (Rel. v<5d. II, 405) und Pischel (Ved. Stud. I, 46) überzeugend dargethan.
444 Oldenberg, Vedische Untersuchungen.
doch in der Vorstellung zu einer Einheit zusammenfliessen, festzu¬
stellen. Dass wir dabei nur die Grundlinien zu ziehen versuchen,
ohne die ungeheure Menge der Materialien erschöpfen zu wollen,
rechtfertigt sich von- selbst.
Es wird zweckmässig sein , von einer vergleichsweise scharf
characterisirten, speciellen Verwendung des Worts auszugehen, von
den Stellen, an welchen es sich um einen Wettkampf, genauer um
ein Wettfahren handelt. Man sieht leicht, dass unser Wort zu
dieser Vorstellungssphäre in ausgeprägtester Beziehung steht.
Verfolgen wir dieselbe zuerst in den Ritualsprüchen, deren
Prosa oft schärfere Umrisse zu erkennen erlaubt , als die Poesie
der Hymnen.
Bei der Peier des V ä j a p e y a finden wir als ein Hauptelement
de"s Rituals eine Wettfahrt. Eben an dieser Stelle der Feier
wiederholen die zugehörigen Sprüche') immer wieder das Wort
väja. Der Wagen, auf welchem der Opferer die Pahrt machen
soll , wird väjasäh genannt und über ihn die Worte gesprochen
tvdyäydm väjam set; die Rosse heissen väjinah; man sagt zu
ihnen vor dem Rennen väjino väjajito väjam sarisydntah etc.,
während des Rennens vilje-väje 'vata väjino nah — der Brabman
singt unterdessen das väjinäm säma — nach dem Rennen väjino
väjajito väjam sasrvämsah etc. Ebenso in anderm Zusammenhang,
im Grhyaritual , bei einer Wettfahrt : sahasrasanirn väjam abhi-
vartasva ratha deva praväha, Äsvaläyana Grhya H, 6, 5. Ich
will nicht bestreiten, dass an der einen und andern dieser Stellen
väja , Siegespreis " heissen kann, aber vorwiegend handelt es sich doch off'enbar um die Bedeutung „Wettfahrt' ; man berücksichtige
dass im Väjapeya-Ritual wohl eine Wettfahrt stattfindet, von einem
Siegespreise dabei aber nicht die Rede ist. Die Bedeutung „Wett¬
fahrt' finden wir nun auch in der Dietion des Rgveda oft genug
bestätigt : gewiss kann die eine oder andre der Stellen, an welchen
man sie anzimehmen geneigt sein wird, zu Gunsten der Bedeutung
„Siegespreis' bestritten werden; im Grossen und Ganzen aber wird
man die Materialien, welche Böhtlingk-Roth unter 2. gegeben
haben , doch unangetastet lassen müssen. Der ■ mit einem Ross
verglichene Soma wird gesiriegeli väjäya „zur Wettfahrt' IX, 3, 3;
die Somapresser treiben dies Ross an väjäya yätave „die Wettfahrt
zu fahren' IX, 62, 18; Indra ist väjesu tarutä „Sieger in den
Wettfahrten' VIII, 46, 9; man betet vidväni väryä väjesu sani-
sämahe „möchten wir alles Herrliche bei den Wettfahrten gewinnen'
III, 11, 9. In diesem Gebrauch ist väja nahezu — diese Ein¬
schränkung wird alsbald ihre Erklärung finden — synonym mit
äji. Die Wagen, welche beim Väjapeya das Rennen mitmachen,
sind äjisrt Catapatha Br. V, 1, 5, 10; die Wettfahrer bei eben¬
demselben Ritus werden (mit einein schon im Ilv- vorkommenden
1) Väj. Saifih. IX, 5f.; Weber, Ueber den Väjapeya, 27f.