74 Sportpsychologie
und
Fairnel?
Roif Peuke
Sportpsychologie und FairneI3?
Kritische Bemerkungen zur FairneBdiskusSiOfl
und
em
kurzer Ausblick auf mogliche Bezugskonzepte
Abstract:
Sport Psychology and Fairness.
CriticalArguments
to
the
Fairness Discussion and a Short Outfew
to
some Familiar Concepts
The
discussion
of
fairness affecls
the
basis
ofthe
right
to
introduce school children
to
sports
asithas
been accepted
by
society
sofar.
People frequently agree
onthe
thesis
that
sportive acting influences
the
common
experience
ofthe
group
as
well
asthe
individual character
ina
positive way.
Butthis
belief seems
tobe
valid
no
more.
The
following
text
refers
to
some mechanisms
ofthe
character formation which have
been found Outby genetic psychology
in
order tolayabasis
tothe
following aim:
to
attain commonly
accepted personality structures through organized
experiences
in
movement.
Zusammenfassung:
Esistseit
einiger
Zeitder
Versuch
zu
beobachien, Gewalt
im
sportlichen Wettkampf
unserer Profis vermittels
des
Appells
zu
‘fairem’
Umgang
inden
Griff
zu
bekommen.
Auf eine
kurze Formel gebracht,
sagtdie
FairneB-Kampagne:
Seid doch bitte
lieb
zueinander
- eine
Aufforderung, deren Effizienz haufig bezweifelt wird
1
Diesem Zweifel möchte
ich
mich anschlieBen ohne dabei
zu
versäumen mitzuteilen, weiche Faktoren einer Beachtung
bedürfen,
will
man sozial vertragliches Miteinander gleichberechtigter Subjekte fördern.
Diese Faktoren lassen
sich
meines Erachtens schlussig
mit
Hilfe psychoanalytischer
und
PIAGETscher Theoriebildung begrunden
undin
einen praxisrelevanten
Zusammenhang stellen.
Nun erscheint
mir
insbesondere
die
Rezeption
psychoanalytiSCher Theoriebildung durch
die
Sportwissenschaft ebenso aussichtsreich
wie
bisher vermieden;
bestenfalls wurde
die
Psychoanalyse
am
Rande erwähnt
und
ohne
erkennbare Kenntnis dieser verworfen
2•
Ohne
die
Psychoanalyse gegen
die
klinische Psychologie
ausspielen
zu
wollen, kann man ersterer
den
Vorzug eines kohärenten
Konzeptes
zur
Personlichkeitsentwicklung
und
deren psychischer Dynamik
absprechen.
Wir
soliten deshaib doch einmal prufen,
was
dieses Konzept
Verstehen
von
menschlichem Verhalten
wie
UnfairneB leisten kann.
Zunächst jedoch noch zwei Vorbemerkungen,
eine
erste
zur
Begrifflichkeit:
der
FairneBbegriff innerhaib psychologischer Diskussion handhabbar?
1.
Betrachtet man
die
FairneB ausder Perspektive
des
handeinden Subj ektes,
nicht weiter vertieft
zu
werden, daBessichurnem Verhalten eines Subjekts
in
Bezug
mindestens
em
wahrgenommenes anderes handelt.
Diesem Verhalten liegt
eine
tung zugrunde3.
Denkt man daruber nach, warum
bei
Menschen weiches Verhalten
kornmt, befindet man sichin einem psychologischen Diskurs.
Dann
ist
zunächst
sammenhang
deszu
diskutierenden Begriffs
‘FairneB’
mit
diesem Diskurs
zu
Weiter
istzu
fragen, wiesich diese Haltung beim betreffenden Subjekt etabliert,
Frage, dieinder psychologischen Diskussion breit diskutiert
ist.
OERTERIMONTANA
verweisen
in
diesem Zusammenhang insbesondere
auf
PIAGET4.
PIAGET verwendet
Begriffe
der
Regel- bzw.
der
Moraientwickiung.
Werthaitunen
in
Bezug
auf
andere Personen sind
inder
Psychoanalyse durch
Begriff
des
Uber-Ichs repräsentiert,
im
ailgemeinen Sprachgebrauch
im
Begriff
Gewissens vertraut.
Auch FREUD führt
den
Begriff
des
Uber-Ich
mit
einem 1-linweis
die
Nähe zum Begriff
des
Gewissens
hinem.
Eine Diskussion dieser verschiedenen
Modelle
mit
dem Ziel, Uber
em
Verstehen
der
Entstehung subjektiver Werthaitungen
diese
inder
Erziehung beeinflussen
zu
können, erscheint miralsem Weg,
das
unfairer Umgangsweisen
in
sportlichen Situationen
em
Stuck weit
zu
verstehen.
2.
Eine Vorbemerkung zum Wissenschaftsverständnis psychoiogischer Diskussion.
Gegenstand
der
Psychologie
ist,
etwas vereinfacht,
das
Verhalten
des
Menschen
seinem sozialen Umfeld unddie Strukturierung
der
Persönlichkeit
in
cliesem Feld.
ichnunzu
FREUDschen
und
PIAGETschen Positionen,
gilteszu
fragen,
Beitrag FREUD
und
PIAGET hierzu leisten können.
Nun kann
hier
keine ausfuhrliche
epistemologische Diskussion Psychoanalyse bzw.
PIAGETsche Theorie
vs
kiinischer
Psychologie gefuhrt werden.
Kurz
sei
deshaib gesagt:
Impetus dieses Aufsatzes
Vermutung, daBdie hinter dem sichtbaren Verhalten liegende Haltung
der
Persöniichkeit
Ursache
istfürdas
vordergründige.
Soildie Ursache
von
Verhalten verstanden
giltes also, Genese
und
Dynamik
der
Haltung
zu
verstehen.
Können
inder
Regel Aussagen über
die
Gegenstande
der
Naturwissenschaft
blematisch
als
Abbild
der
Naturvorgange gefaBt werden
5,
befinde
ich
mich
bei
Aussagen
über
die
Struktur
und
Dynamik
der
Persönlichkeit aufder Ebene
von
Wesensaussagen
Eine Verstandigung uber eben diese beansprucht
die
Psychoanalyse
zu
leisten, wenn
hinter dem Verhalten zugrundeliegende Dynamik
und
Struktur vermutet
und
systematisch
beschreibt, indem
sic
uber
den
Eintritt
indas
gemeinsame Sprachspiei
von
Patient
Therapeut einerseits
und
Therapeutenzirkel andererseits L.ebenspraxis
LORENZER weist
die
Psychoanalyse deshaib auch
als
kritisch-hermeneutische
vgt.
Trebets, A.H.
Faime8
im
Sport
undihr
moralischer Gehalt.
S.92.
Daneben wird noch Heider
und
Kohlberg angefdhrt.
vgl.
OerterlMontana.
Entwicktungspsychotogie.
.1982.
S.
539ff.
Lorenzer, Alfred.
Die
Wahrheit
der
psychoanatytischen Erkenntnis.
Fft.JMain 1976.
S.47.6ibidS.
130, vgl.a.
Freud, Siegmund.
Studienausgabe
in
zehn Bãnden
und
Erganzungsband.
Fft.fMain
Bd.3.
S.292
SPECTRUM
Die
FaimeB-Diskussion ruhrt
anden
Grundlagen
der
Berechtigung, Kinder
inder
Schule
inden
Sport,
denwir
gesellschaftlich vorfinden, einzufuhren.
Ging man doch vielfach davon
aus,daB
sportliches Agieren
immer schon positive Auswirkungefl
auf
menschliches Miteinander,
auf
Charakterbildung
hat.
Nun scheint
dieses SelbstverständniS gebrochen.
Es
wird aufin EntwicklungspsyCholOglefl herausgearbeitete
‘Mechanismen’
der
PersonhichkeitsentWiCklUng hingewiesen,
urnsoder
zielgerichtetefl Unterstutzung
von
erwdnschten Personlichkeitsstrukturen durch organisierte BewegungserfahrUngen
em
Fundament
zu
geben.
1vgl.
Sieting, Uwe.
Von
der
Last mitder FaimeBerziehUflg
irn
Schutsport.
in:
Sportunterricht.
(Lehrhilfen).
41. 92.
Heft
8.s.a.
Votkamer, Meinhart.
Faime8erziehuflg
im
Schuisport.
in:
Sportunterricht 12/91.
S.
186-190.
2vgl.
Grupe, Ommo.
Grundlagen
der
Sportpadagogik.
Schorndorf 1984.
S.11.vgl.
Schmitz, Josef
N.
Studien
zur
Didaktik
der
Leibeserziehuflg.
1.S.8Sf.vgl.
ders.
Sportdidaktik
als
Bitdungstehre.
in:
GrOBing, Stefan.
Spektrum
der
Sportdidaktik.
Bad
Homburg 1979.
5.24.
Pitz, Gunter
A.,
Wandlungen
der
Gewalt
im
Sport.
Ahrensburg 1982
5.7u.
14ff.
vgl.
GröBing.
Stefan.
Einfuhrung
indie
C..
0
t0
C’
N
N
N
N C’
CC Q
L
.ti1J
C’C
C’
I
0.. C
C C C.)
__________
--
78 RolfPeuke
treffend dazu:
“nur eine soiche hypothesengeleitete Forschung verspricht auf die Dauer
ErkenntniSgeWiflhl.”
22
Urn nicht ungerecht
zu
sein, mul3 man natürlich zugeben, daB eine soiche halbwegs
stabile Hypothesenbildung
in
der Sportpsychologie
durchaus auf Schwierigkeitefl stöBt,
weil grundlegende Bezugstheorien
ja
kaum rezipiert, denn gelehrt sind, hat sich doch, wie
WHITE und ZIENTIK bekiagen, die Sportpsychologie
zu
sehr auf das Mosaiksteinchen
MotivationspsyChOlOgie konzentriert:
Bisher wurde
als
Rolle des Sportpsychologefl
an
gesehen, WeitbestleiStUngen von Teams und Athieten
zu
produzieren.’
23Soist
die
Folge, daB mcht nur die BezugstheOriefl, sondern auch die innerhalb dieser Schulen
gefuhrten Diskurse
in
der Sportwissenschaft weitgehend ignoriert werden, wie
z.B.
der
Zusammenhang von Korper und Psyche
in
der Diskussion der Psychoanalyse oder der
Uber die Reichweite lerntheoretiSCh fundierter Ansätze
im
Vergleich
zu
psychoanalytiSChefl Positionen und deren rnogliche wechselseitige Annaherung 24
Aus psychologischet Perspektive
ist
meines Erachtens eine wichtige Frage, was die
psychische Realität eines unfair Handeinden oder gar eines
in
sportlichen Situationen
gewalttätig Handeinden bestimmt.
In
der Alltagssprache ausgeclrückt,
ist
dies die Frage
nach der moralischen Position des sportlich Agierenden, die man schon
im
AlltagsverStandfliS
im
Gewissen lokalisiert.
Schauen wir uns also die FREUDsche Position dazu etwas genauer an:
Dieser begreift
den Menschen alsin seinem Verhalten von drei Faktoren bestimmt:
dem unbewuBten
Es
(das Triebhafte, Ott der unsicheren
‘Aufbewahrung’
fruhkindllicher Deformatioflen), dem
Uber-Ich (das Gewissen, die personlichen Ziele) und,
als
letzter Macht, von der
AuBenwelt.
Das Ich ist die zwischen den Machten vermitteinde Instanz, bernuht, eigene
Interessen mit denen der anderen Instanzen abzugleichen.
Wie stelit sich FREUD nun die Entstehung eines soicheri
‘psychischen Apparates’
von
Ich,
Es
und Uber-Ich vor
25
FREUD geht davon aus,
‘daB eine dern Ich vergleichbare Einheit nicht von Anfang
an im
Individuum vorhanden ist;
das Ich muB entwickelt werden’26.
Was
ist
für die FairneB
DiskussioflWiChtig
an
dieser FREUDschen Position?
Da das Uber-Ich
-
das Gewissen
-
Teil des Ich ist, ist nach FREUD die KontrollinstaflZ
des Menschen Ergebnis der Entwicklung des einzelnen Menschen, der Ontogenese, be
steht also die Chance der Erziehung des Menschen
zu
soziablem Verhalten.
FREUD sieht
in
gegluckter Sozialisation
in
dem zunächst psychisch unstrukturierten
Menschen eine intrapsychische Struktur entstehen, die herauswachSefld aus dem
Es
neben
dem Ich
als
analysierender und synthetisierender Instanz das Uber-Ich herausdiffe
renziert, das für moralische Forderungen steht.
Zentrale
-
wenn auch haufig falsch verstandene
-
Leitthese FREUDs ist:
Wo Es war,
soll Ich werden 27
Dies heiBt nun nicht, daB das
Es
dem Ich Platz macht, bis
es
ganzlich Sportpsychologie
und FairneB?
verschwunden ist, sondern dem
Es
wird das Ich
an
die Seite gestellt.
Das Uber-Ich,
besondere Instanz
im
Ich’
sorgt für das
‘moralische SchulgefuhY8, das, träte
es
chender Stärke auf, sicher eine Bedingung für faires Verhalten sein kann.
Aber
wir uns die Entwicklung dieser Instanzen bei FREUD
in
kleinen Schritten an.
Die Psychoanalyse beschreibt den Menschen
in
seinem Handein
als
von zwei
en
bestimmt:
dem Lust- und dem Realitatsprinzip.
Zunächst
-
nach der Geburt
Kind ausschlieBlich vom Lustprinzip regiert.
Die Vorgange, die diesem Prinzip
gen, streben danach, Lust
zu
gewinnen;
von soichen Akten, weiche Unlust erregen
nen, zieht sich die psychische Tatigkeit sofort zurück’
29•
Wem kindliches Verhalten
traut ist, kann dieses nicht uberraschen.
Schon die fehlende Fahigkeit des Sauglings,
Ichgefühl vom Wahrnehmen der Umwelt
zu
sondern
-
häufig umschrieben mit
griff des ozeanischen
Gefühls des Kleinstkindes
-
spricht dafür,
ist
doch ohne
mung der Realität
em
realitatsangemessenes Verhalten kaum
zu
erwarten:
‘Der
sondert noch nicht sein Ich von der AuBenwelt
als
Queue, der auf ihn einströmenden
Empfindungen.
Er lernt
es
allmählich auf verschiedene Anregungen hin’
30
Warum kommt
es
nun zur Einsetzung des Realitatsprinzips?
Wie lernt der
der Saugling, sich der Realität, also auch seiner menschlichen
Umwelt angemessen
verhalten?
Die Lebensnot veranlaBt ihn, sich urn des schlichten Uberlebens willen
Realität anzupassen, das heiBt der Ich-Trieb
31
sichert das Realitatsprinzip:
Aber
des Lebens stört diese einfache Funktion [im Lustprinzip
zu
verharren.
R.P.];
ihr
der [psychische.
R.P.]
Apparat auch den AnstoB zur weiteren Ausbildung.’
psychische Apparat muBte sich entschlieBen,
‘die realen Verhältnisse
der AuBenwelt
vorzustellen und die reale Veranderung
anzustreben.’33 Nun fragt sich der
berechtigt, warum und wie dies denn funktioniere,
sehen wir doch haufig bei Menschen
unangemessenes Verhalten, wie kommt
es
also
zu
geglückter Entwicklung?
Beantwortung dieser Frage
ist
besonders wichtig, zeigt die Antwort moglicherweise
Weg zur Modifikation unangemessenem
Verhaltens, unfairem Verhalten.
3
Bei der Antwort
ist
die Psychoanalyse
ganz eindeutig.
Hier werden keine Appelle
Fair geht vor
-an
die Einsicht des
zu
Erziehenden
als
hinreichend betrachtet.
Zusammen
gefaBt
ist
die Antwort
in
der psychoanalytischen
Vorstellung die von der optimalen
stration.
KOHUT und vor ihm SPITZ35 haben dies am klarsten formuliert.
Die
dürfnisse des Menschen gilt
eszu
frustrieren, jedoch so, daB die Integrität des
erhalten bleibt, das heiBt, das Kind muB die Respektierung
eigener Existenz erleben.
Ergebnis
ist
die psychische Struktur:
‘der Charakter des Ichs [ist]
em
Niederschlag
aufgegebenen Objektbesetzungen’.
SPECTRUM
22
Singer
u.
Haase.
S.34
White,
S.
Zientik,
C.
Role conflict
ina
sport psychologist:
Working with athletes
or
special needs populations.
in:
AbstraktSammlUflg zum Kongrell.
Adapted physical aducation.
Berlin 21.- 24.6.1989.
vgl.a.
ders.
in:
Doll
Tepper
etal.
Adapted physical activity.
Berlin 1990.
S.
131ff
24
vgl.
z.B.
Haynal, André.
Freud und Piaget.
Parallelen zweier Entwicklungspsychologten
in:
Psyche 3175.
S.
243
if.
Metzger, H.G.
Wunsch und Wirklichkeit.
Anmerkungen zum gegenwattigefl Verhaltnis von Psychoanalyse
mid VerhaltenstheraPie.
in
Psyche.
4.38.
329ff.
etc.
Dies nennt man auch das zweite topologische Modell.
Tm
ersten topischen Modell differenzierte Freud den
2sychischen Apparat lediglich
in
UnbewuBtes und Bewulites.
LO
Freud,
S.
aaO.
S.44
28aaO.
S.
500,507
29
ders.
Bd.
in.18
30rs Bd.TX.
S.
198f
31
vgl.
Laplanche.
J.
Pontalis, J.-B.
Das Vokabular der Psychoanalyse.
Fft/Main 1986.
S.
427ff.
Edward.
Zur Entwicklung und Problematik der Triebtheorie.
in:
Imago.11/1922.
S.
147-167.
Freud unterscheidet
Ich- und Objektthebe.
32
Freud,
S.
Bd.
II.S.
538
ders.
Bd.
III.
S.18 3Essei
angemerkt,
daB
die Kiassifikation von unfairem
als
unangemessenem Verhalten auf der Uberzeugung
beruht, Menschen bedBrfen einander und haben
-
naturlicherweise
-
also eine entsprechende
Neigung
rniteinander umzugehen.
Dies zeigt sich z.B.
deutlich daran,
daB
Ungluck
in
der Regel
an
der gestorten
erlebt wird, kaum aber Therapie aufucht, wer nicht hinreichende viele Tore schielit.
Alfred Lorenzer
deshaib auch
im
Anschlul3
an
Marcuse und Fromm auf die soziale Bestimmtheit der Persdnhichkeit.
vgl.
Bernd
etal.
Hrsg.
Der Stachel Freud.
Fft.IMain 1980.
S.
324-327.
35
vgl.
Spitz, René
A.
Eine genetiscfle Feldtheorie der Ichbildung.
FrankfurtlM., 1972.
vgl.
a.
Kohut,
NarziBmus.
Fft.IMain 1983.
80 RolfPeuke
Sportpsychologie
und
Fairnefl?
81
Schauen
wirunsdenProzeBder
Charakterentwickhmg
überdenWegder
optiinalen
Frustration
wieder
kleinschrittig
beiFREUDan: SofernFREUDwieoben
diskutiert
die
Durchsetzung
des
Lustprinzips
war,sounsi cherwarerbeider
Moglichkeit
der
Charakterentwicklung.
Die
kindliche
Neurosegilt ihmeherals
Normalität
dennals
Ausnalime
36•WirdFREUDdochdeshaibauchoftals
Kulturpessirnist begriffen.
Für
ihn’komrnt
esdaraufan,wiedies
heranwachsene
Wesen vom
Schicksal behandelt
werdenwird! Deshaibdienterdie
Psychoanalyse ausdrUcklich
der
Padagogik
an:‘Die
Erziehung
kannohneweitere
Bedenken
als
Anregung
zur
Uberwindung
des
Lustprinzips,
zur
Ersetzung desselben
durchdas
Realitatsprinzip beschrieben
werden;siewillalsojenem dasIch
betreffenden Entwicklungsprozei3
eine
Nachhilfe
bieten,bedientsichaberzu diesemZweckder
Liebesprärnien
vonSeitender
Erzieher
undschlägtdarumfehi,wenn das
verwöhnte
Kindglaubt,da1esdieseLiebe
ohnedies
besitztundunterkeinen
Umstanden verlieren
kann.’38Nachunserer
Kenntnis
der
Psychoanalyse
laBtsichdies
unschwer ubersetzen
als:Am
Lustprizip orientiertes Verhalten
IaBtsichnichtdurch
Appelle.
sondernnurdurch
Entwicklung
der
Personlichkeit innerhalb
einer
Beziehung
modifizieren.
Alsonichtder
kurzbehoste braungebrannte Strahlemann
-
everebody’s
fri end-sondernderurndie
Bedingungen
von
Charakterentwicklung wissende Sportpad
agoge,derimFelddes
Sich-Bewegens
die
Eckpunkte menschlichen Miteinanders deut lichlebtund
einklagt.
Dabeiistdie
Entwicklung
des
Uber-Ichs keineswegs
gedachtals
Negation
der
Triebhaftigkeit.
FREUDmeinteemmalaufdieFrage,wasdenndenhand
lungsfahigen Menschen ausmache,
diesseidie
Liebesfdhigkeit
unddie
Arbeitsfahigkeit.
Das
Uber-Ich
alsoletztlichauchirnDienstedesEs.Die
Ersetzung
des
Lustprinzip
durch das
Realitatspririzip bedeutet fürFREUDebennichteine Absetzung
desersten,
‘sondern
nureine
Sicherung desselben’.
Nun,wieentstehtdasIch?
Beschranken
wirunsbeidiesersehr
knappen Betrachtung
FREUDscher
Positionaufdashier
Notwendige,
aufdie
Entstehung
des
Aspektes
des Ichs,dasfirdie
moralische
Position
zustandig
ist,die
Gewissensinstanz,
beiFREUDals
Uber-Ich bezeichnet.
Das
Uber-Ich
entstehtalsem
“Niederschlag
der
aufgegebenen
Oh
jektbesetzungen”.
40Diesen
Vorgang
nenntFREUDeine
Identifizierung.
41Waspassiert dabei?
Zunächst
einrnalFREUDselbst: erstens[ist]die
Identifiziemng
die
ursprunglichste
Formder
Gefiihlsbindung
an emObjekt
[],
zweitens
[wird][]sicauf
regressivem
WegezmnErsatzfüreineIi
bidinOse Objektbindung
[1.
gleichsarn
durch
Introjektion
desObjektsinsIch.42 [Dabeinimmtdas
Uber-Ich]
dieZUgedes
Objektes
[an.Esfindetalsoeine]
Umwandlung
der
Eltembeziehung
indas
Uber-Ich
43 start.Etwas
vereinfacht ausgedruckt
steiltsichFREUDdieBildungdes
Uber-Ich
als das
Ergebnis
des
Verzichts
auf
Wunsche (Objektbesetzungen)
vor,wasdenEffekthat, daBdie
Verhaltenseigenschaften
derEltern(des
versagenden Objekts) angenommen
(ins 36Freud,S.
Erganzungsband
zur
Studienausgabe.
S.332 aaO.S.332 38ders.Bd.III.S.22 aaO.S.22,303,315 40aaO.S.297 41aaO.S.296 42ders.Bd.IX.S.100 ders.BdI.S.501
Ich
introijiziert)
wird.
Wunsche
müssenalso
Versagung
fmden
(Frustration), damitCha
rakterbildung stattfindet.
AlleEltemkennentheses
Verhalten:
Das
zunächst
so
renitente
Kindstelitnachhaiter
Auseinandersetzung plotzlich
die
ursprunglich
vonauBenanes
herangetragenen Forderungen
ansichselbst.Dabeiistdie
Versagung
sozu
gestalten,
daBdie
Bereitschaft
oder
Fahigkeit,
die
Beziehung aufrechtzuerhalten,
nichtzerstörtwird.SPITZsprichtdeshalbauchvonder
Notwendigkeit optirnaler Frustration
44.MIT
SCHERLICH
ziehtdieGrenze
gegluckter Erziehung,
Grenze
notwendiger Frustration
vorder
Zerstorung
des
kritischen Subjekts.
FREUDlegtnunnochfest,das
Uber-Ich
mUssebei
gegluckter Entwicklung
“genugend
unpersonlich”
werden.Auchdiesist
unmittelbar einsichtig.
Wirddieerste
Verzichts
forderung
nochvondenEltern
vermittek,
nirnrntdas
Uber-Ich
rut“Laufeder
Entwicklung
[]auchdie
Einflusse
der
Personen
an,dieandieStellederElterngetretensind,alsovon
Erziehern, Lehrern,
idealen
Vorbildem.”
46 Hatmannundieletzten40Jahre
sozialpsychologischer Diskussion
einwenig
verfolgt,
uberrascht
einekaumnoch
hinreichende moralisehe
Instanz(ein
schwaches Uber-Ich)
nicht.“
Moralgesteuertes Verhalten
hatsichdoch
zusehends zugunsten egoistischen
Nutzlichkeitsdenkens verschoben.
Elterngeratenjaheuteoftmalsin
Schwierigkeiten,
wennsicihreWerte
darstellen
sollen,die
weiterzugeben
sind48,
Tradierte burgerliche
Normensind
durchaus
insWankengeraten:derVater,deralledreiJahredenneuenWagenbestellt,eignetsichnurnoch
begren.zt
als
Identifizierungsobjekt,
verlangterBe
friedigungsverzicht
vonsemen
Nachkommen.
Ein
‘moralisches
Korsett’ist,folgenwirder
FREUDschen Position,
nicht,wasma!eben
ubergestreift
wird,wennichmichinsSport-spielbegebe,esbedarfdes
glaubwurdigen Vorlebens,
desRingensurn
Kompromisse
innerhaib
menschlicher Beziehungen.
Appelleelner
Gesellschaft,
die
erschrocken
obderDingediesicerzeugt,erinnem
allzudeutlich
anden
Zauberlehrling.
Wemischoninder
Grundschule
deralsdunimgilt,derimFuBballnichtdie
‘Notbremse
zieht’49,
gegenseitiges
indieBeineTreten
plotzlich
alsfairgilt,nurweilheideSeitentretenso,wenndas
Anzielen
von
sozialem Verhalten
im
Sportunten-icht
immermehrals
flberflussiges
Reliktder68crgilt,anstattden
Spannungsbogen
vonmdi
vidueller Leistung
und
sozialem Miteinander zuntindest
emStuckweitzudenken,bevormanihn
verwirft,
mUssenwirunsnicht
wundern,
dalIschonbei
Jugendlichen Fairnef3
als
entbehrlich
gilt51 BegriffewiederderFairneBtaugendochmchtalsformale
Kategorie,
diesichgegen
einander
aufhebt,wo
plOtzlich Unfaires
zuFairemwird,nurweilbeidetreten.HERINGERs
Versuche,
einen
FairneBbegriff
zu
entwickeln,
derzeit-und
kulturunabhangig
ist,diesenausder
Spielidee
zu
entwickeln
52
erscheint
mir
abwegig, bestinirnt
sichdochder
subjektiv erwünschte
Modusdes
Miteinanders
itnrnerauchausden
Erfahrungen
des
Miteinanders
inder
Sozialisation,
istinsofemim.merzeit-und
kulturabhangig.
Erbehan ‘Spitz,Renê.VomDialog.Studienuberden
Ursprung
der
menschiiclien Komunikation undihrerRolleinder
Personhichkeitsbildung ErnstKlettVerlag:
Stuttgart,
1976.5.44‘5Freud,S.Erg.S.314 46ders.Bd.I.S.502 ‘vgl.Ziehe,
Thomas.
Puberttund Narzillmus.
Fft./Main
-Köln3.1979.
Mitscherlich, Alexander.
AufdemWegzur
vaterlosen Gesellschaft.
Munchen
196848vgl.Ziehe. ‘vgl.Pilz,GuntherA.
Ergebnisse
von
Befragungen jugendlicher Fu6ballspieler.
Vortrag.
9.
Sportwissenschaftlicher Hochschultag.
Freiburg
1989.5uvgl.
Heringer, HansJurgen.RegeinundFairne8.in:
Sportwissenschajt.
1990.1.5.27-42.S.28,3551vgl.Pilz,GuntherA.aaO.
52Heringer.
S.28
SPECTRUM
1993/2
SPECTRUM
1993/2
82 RoIf Peuke SportpsychoLogie
und
FairneB?
- deltdas
Spielverhalten
alsem
Phänomen,
das
ganzlich kognitiv bestimmt
ist,das
gelernt
wird
wiedas
Einmaleins,
in
dem alles geht, wasalletun, auch Doping
ist
vollig unprob
lematisch.
Nwisteine
Haltung wiedie FairneB keine bloB kognitive Kategorie,
diebe
liebig ausgewechselt werden kann
53.Wie
auch
bei
GERHARDT
5
muB HERINGER
entgegengehalten werden, welches Konzept, welches Menschenbild
ihrn
ermoglicht,
da von
auszugehen, Verhalten
im
Spiel seiem kognitiver Akt, nurvonder Vernunft
be
stimmt.
Daist
dann Spiel kein menschliches Bedurfnis nach zwanglosem Miteinander
mehr, sondem
der
andere wird lediglich noch gebraucht,
“urn gewinnen
zu
können”
Das
Interessante
am
FairneBbegriff
ist
doch
sein
utopischer Gehalt,
das
heiBt,
er
spricht
eine
Sehnsucht nach spezifischem Miteinander inunsan.
Darauf komme
ich
spater noch
eimnal zurück.
Zunächst
willich
lcurz darstellen,
wiesich
PIAGET
die
moralische
Entwicklung denkt.
Warum nunbierdie PIAGETsche Position?
Weil
die
FREUDschen
und
PIAGETschen
Vorstellungen bezuglich
der
Moralentwicklung
sich
deutlich ergänzen
und
übereinstimmen.
Giltes dann, Entwicklung
von
Gewissen
als
einer Kontrollinstanz
nachzuvollziehen, hole
ichdie
Konzepte
zu
Hilfe, diemirdiesam deutlichsten
zu
leisten
scheinen.
Ausgehend
von
einem frühkindlichen Egozentrismus
56
entwickelt
sich
nach
den
PIAGETschen Vorstellungen
der
Mensch
zu
einem Wesen,
das
nicht nurinder Lage
ist, die
Positionen
des
jeweiligen Gegenuber
im
Rahmen
des
Erkennbaren
zu
berucksichtigen, sondern auch davon bestimmt
ist,
zwischen
den
eigenen
undden
Positionen
des
Gegenuber einen Ausgleich
zu
schaffen.
Der
PIAGETsche Egozentrismus
meint
nun
nicht
eine
Haltung,
diesich
uber
den
jeweils anderen einstuft,
also
einen
Egoismus, sondern
eine
Haltung,
die
zentriert isturndie jeweils eigene Welt,
inderdas
Subjekt
die
Position
der
anderen noch nicht kennt undinderdasIchunddie Welt immer
vorlaufiges Ergebnis eines Konstruktionsvorganges
ist5’.
PIAGET zeigt auf,daBesim Zeitraum etwa
der
ersten zwölf Lebensjahre
eineEnt
wickiung
des
Kindes
von
einer blol3en Unterwerfung unter
die
Autorität
der
Erwachsenen
zu
einer Moral
der
ausgleichenden Gerechtigkeit unter Kindern kommt, beiderdie
Regeln
derder
Gruppe angemessen erscheinenden Veranderung unterliegen.
Zunächst
einmal fálltauf,daBdasvon HERINGER angestrebte Ziel,
die
bloBe Unterwerfung unter
eine
feste Regel
58,inder
Entwicklung
em
fruhes primitives Stadium darstelit.
(Eine
Position,
die
durchaus ähnlich
in
KOHLBERGs Stufenmodell niederschlägt).
Em
kurzer Blick zurück
zur
Psychoanalyse zeigt
eine
erste deutliche Parallele
zur
Strukturbildung
qua
Identifizierung.
Auch
dort
findet
inder
frühesten Situation
eine
bloBe
Unterwerfung unter
die
Normen
der
Elterninstanz statt.
Was Wunder,
hat
doch
das
kleine
Kind
den
Eltern gegenuber weder hinreichende Stabilität noch konturierte Struktur,
urn sich
elterlicher Forderung
zu
widersetzen.
FREUD
hat
diese frühe Strukturbildung
tref
fend mitder Formulierung belegt:
Der
Schatten
des
Objekts
(der
Elterninstanz;
Mm.
R.P.) fälltaufdasIch.Im L.auf
der
Entwicklung findet
nun
nach PIAGET
-sodie
Eltern
den
notigen Freiraum gewahren
-eine
zunehmende Emanzipation
vonder
Position
der 53
Volkarner argumentiert
ineine
ähnliche Richtung, wennerden erwOnschten Effektder FairneB-Kampagnen
bezweifelt (S.186)und darauf verweist,
daBFaimeBeine
Gesinnung sei(S189).in:
Volkamer, Meinhart.
FairneBerziehung
im
Schuisport.
in:
Sportunterricht
12/91.S.
186490.
Gerhardt.
S.130,142 55
Heringer.
S.29
56Piaget,
Jean.
Sprechen undDenkendesKindes.
Düsseldorf
4.1979.5.47 ibid.S.80 58
Heringer.
5.29
Unterordnung statt
zu
einem System
der
ausgleichenden Gerechtigkeit
kommt esnunzu dieser Entwicklung?
Daran laBt PIAGET keinen Zweifel:
Die der
Erwachsenen wird durch
die
Zusammenarbeit
der
Kinder
zuFall
gebracht
veranlaBt aber
die
Kinder
zur
Zusammenarbeit, dieja,wie PIAGET behauptet,
trisch
indie
Welt treten.
Nun, zum einen
sagt
PIAGET lediglich, daBem erheblicher
derzu beobachtenden Sprech-
und
Verhaltensakte egozentrisch ist,esist sozusagen
merem
kleines Fenster
zur
Sozialität
bin
offen.
Woher diese Offenheit?
Die
darauf lOst zwei Probleme.
Einmal
die
Frage nach dem Grund
der
Offenheit, zweitens
Frage nach
der
Ursache
des
Abbaus
des
Egozentrismus.
Kinder erleben,
sosie
erfoigreich
sozialisiert werden,
eine
Angewiesenheit
aufdie
AuBenwelt.
Sicher nicht
bei
Nahrungsaufnahme, gewiB aber
irn
Lauf
der
frühesten Kindheit.
Jedes Unwohisein,
Hunger
wie
Geborgenheitsbedurfnis wird
vonder
einfühlenden Mutter
befriedigt,
em
Zustand
des
Gleichgewichts
also
offenkundig
von
auBen wiederhergestellt.
Dies veranlaBt Psychoanalytikerlnnen,
die
Objektgebundenheit
des
Menschen
ten.61 So
werden unsere Kinder
also
nicht rnüde, miteinander
zu
spielen, weil
sie
dürfnis nach Nähe haben,
und
sind
so
gezwungen, sichzu verstandigen,
trainieren
also
gegenseitig
den
Egozentrismus
ab62
Wen
dies
nicht uberzeugt,
der
beachte einmal
die
Forschungen
von
René SPiTZ.
serhatdie Objektgebundenheit
sehr
deutlich gezeigt.
Die
groBe ZahL kleiner Waisenkin
der
nach dem zweiten Weltkrieg
hatihm
Forschungen über
die
Frage,
was
ter(Objekt)verlust
mit
dem Kind passiert, ermOglicht:
Eine erhebliche Anzahl
wandfrei ernährt
und
untergebrachten Kinder stirbt, wenn
sie
nicht
eine
stabile
person haben
63•
Folgt man diesen Positionen, solite man erneut reflektieren, ohem faires miteinander
Agieren, undseiesim Sportspiel, nicht tiefere Ursachen hatalsichsiebei
HERINGER,
stellvertretend
für
viele Beitrage inder Sportwissenschaft,
dargestellt finde.
Don
lichzu sehen, wasdie Folge
ist,
wenn ohne
em
explizites Menschenbild
über
der
FairneB nachgedacht wird.
Noch einmal
also
I{ERINGER:
Die
Achtung
vor
meinem Gegner ergibt
sich
direkt
ausder
Spielidee:
Ich ihn
einfach,
urn
gewinnen
zu
kOnnen.
64
Dies
ist
gewiB,
wieich
oben gezeigt habe, falsch, ausder Spielidee ergibt
sich
keine Achtung
vor
dem Gegenuber.
Letztere
ist
Produkt gegluckter Sozialisation
halb einer stabilen Beziehung.
Esistalsozu folgern,
daB
entwicldungspsychologisch gesehen,
die
Forderung
fragloser Unterordnung unter
em
vorgegebenes Regelwerk
em
Rückschritt
istund che
Reife mOglicherweise unterschätzt.
vgl.Piaget,Jean.Das moralische UrteilbeimKinde.
Fft./Main
1983.S.334ff).60vgl.ibid.S.63 61vgl.
FuBnote
33.mm
verweisen deshaibauchaufdiesoziale
Bestimmtheit
der
Persönlichkeit.
vgl.Berndetal.Hrsg.DerStachelFreud.
Fft./Main
1980.S.
327f
32862AmRandesei
bemerkt, daBPiagetdas Bedurfnis nachKontaktfursowichtig
erachtet, daBerUrsacheder
Entwicklung
der
Vorstellung unddamitderSprachehalt.vgl.Piaget.
Sprechen
und
Denken.
Opper/Ginsburg.
S139,PiagetGW.SIT370f,Piaget.Das moralische UrteilbeimKinde.S.63,224)65etwa40%.vgl.SpitzObjekt112ff.vgLa.
Klafki,W./ROckriem,G.M./Wojf,W.
u.a.
Funk-Kolleg Erziehungswis
senschaft.
Eine
Einfuhrung.
Bd.1.Fft./M.1970.S176f
Heringer.
S.29
:.
SPECTRUM 1993
/2
SPECTRUM
84--
RolfPeuke Sportpsychologie
und
Fairnefi?
Dies
istnun
kein Piädoyer gegen
die
Weitergabe tradierter Spielforrnen nebst
Einsteuerung inem Regeiwerk.
her gaitesnurzu zeigen,
daB-
beachtet man
die
FREUDsche oder PIAGETsche Entwicklungspsychologie
-
Fairnel3
em
Symbol
für
freundschaftliches Miteinander,
alsoeine Haltung
ist,die
Kinder
inder
Regel
im
Verlauf
spieierischen Miteinanders rnehr
und
rnehr zueigen wird
-
ohne
das
Zutun
des
Sportlehrers.
PIAGET würde sagen:
falls
er
nicht allzusehr stört.
65
Was heiBt diesnunfürdie Praxis?
Sportunterricht
ist
gewiB nicht allein verantwortlich
fur
Personlichkeitsentwicklung junger Menschen.
Wenn
er
aber beansprucht,
zu
deren
BildungsprozeB einen Beitrag
Zn
leisten, gilteszu fragen, wieer strukturiert
sein
muB,
damit
em
sachlicher Beitrag
zu
diesem ProzeB stattfindet,
das
heiBt hier,
wie
sozial
erwünschtes Verhalten
irn
Sport unterstützt, unerwunschtem Verhalten entgegengesteuert
wird.
Zwei Folgerungen sind evident.
Esgilt,
unterrichtliche Szenerie
alsem
Beziehungsgeschehen
zu
erkennen und, soilsie produktiv
im
Sinne gegluckter
Sozialisation sein, siesozu konstruieren, daBinihr auch subjektiv
als
sinnvoii erlebte
soziale Erfahrungen
in
hinreichender Weise stattfinden können.
Das
heiBt, Schule istso
auszustatten,
daB
interaktionsfahige Gruppen(groBen)
auf
Lehrer treffen, denen neben
den
Optimierungsbedingungen fürdie Uberwindung
(!)
von Turngeraten Grundlagenmenschlichen Miteinanders deutlich sind.
Wer
also
FairneB fordert, muB zunächst fragen,
warum
sie
nicht daist,urn hernach
die
Bedingungen
fürdie
Etablierung fairer Urn
gangsweisen
zu
schaffen.
Vom Sportlehrer einerseits erfolgsorientierte
Taientsichtung,
andererseits
von
Fairnet3 bestimmte Schüierlnnen
zu
erwarten, übersieht,
daB
menschli
ches Miteinander keine Siege sucht.
Wenn Sieger dann gefordert werden, muB
der
For
dernde schauen,
obdies
menschlicher Umgangsweise
so
olme weiteres entspricht.
Schaut
er
nicht, muB
ersich
nicht wundern.
Die
zweite Folgerung
ist
haufig erörtert (SCHERLER), seialsonur kurz angesprochen:
PIAGETs Uberlegungen fordern auch nach offenen Erfahrungsrnoglichkeiten.
Etwas
p0-
intiert:
Wer
im
Sport
nur
Erfolgsorientierung beiohnt, wird auch
nur
Erfolgsorientierung
ernten. Wer
den
Nachbarsjungen herausklingelt,
urnmitihm zum FuBbali
zu
gehen,
hat
doch
nicht
das
Spielziel
zu
gewinnen,
wie
HERINGER behauptet, sondern
mit
dem anderen
zu
spielen.
Und genau
in
dieser
Zeit
bekommen doch Begriffe
wie
FairneB, Gerechtigkeit
und
Miteinander
ihre
subjektive Bedeutung.
Wenn dann
inder
Schule
der
Sportlebrer
mit
einem FairneBbegriff
a
laHERINGER kommt, wird doch
der
vorhandene nicht schlicht
ausradiert, sondern bestenfalis miteinander verlötet.
67
Wird
der
FairneBbegriff sovon seinem utopischen Gehalt nach respektvoliem, freund
schaftlichem Miteinander gereinigt, verliert erden Kontakt
zur
Realität,
zur
subjektiven
Bedeutung.
Nurder utopische Gehalt,
der
etwas
im
Betroffenen schon Vorhandenes enthält,
derdie
tiefsitzende Sehnsucht
nach dem anderen anspricht,
istes
letztlich, derden Begriff
tauglich
für
Uberzeugungskampagnen macht.
Auch soilte man vorsichtig sein, wenn man gegen PIAGET einwendet,
die
Bedingun
gen,
die
seine Probanden
inder
Entwicklung ihrer moralischen Vorstellungen
batten,
seien unrealistisch, weil innerhalb einer geschutzten Welt.
Spricht
dies
doch vielleicht
eher
für
notwendigen Schutz, wenn
die
Bedingungen unrnenschlich
werden
und
zwi
schenrnenschliche Gewalt
produzieren
.
Wenn
wir
annehmen,
der
Sportier habe gewichtige Gründe, sichso unfair
zu
verhalten,
so
kann man zwar
qua
Sanktionen UnfairneB unterdrücken,
jedoch wird
die
Ursache
damit kaurn beseitigt sein,
das
heiBt aber,
sie
wird weiter wirken undsich einen anderen
Aktionsweg suchen.
Inder
Regel wird
im
durch Sanktion,
also
Regelanderung
modifizierten sportlichen Handlungsfeld
auch
die
UnfairneB sicheine
neue
Ausdruckswejse suchen, urndas Ziel,
den
Sieg,
zu
erreichen.
Sogibtes dann
em
Wechselspiel
von
Regelanderung
und
Anpassung
der
Sportier, diein Zerstorung
des
Spiels endet.
Nun kann man unterstellen, daBder
Sportier unfair
ist,
weil Zielund Inhalt sportlicher
Bewegung nicht
das
gemeinsame Sich-Bewegen,
sondern
der
Sieg undder damit erfol
gende ökonomische
Gewinn unddie gesellschaftliche
Anerkennung ungleich wichtiger
seien.
Befragt man einmal dazu nicht
die
Damen
und
Herren
der
sportlichen Rundfunk
und
Fernsehredaktjonen,
die
allzu selbstsicher sagerl,
was
Sport
ist,
sondern unsere Kin
der,so wird man erfahren, daBdas Bedürfnis
nach Ausgieich
und
dem gegenseitigen
Re
spekt seine Wurzel inder Einsicht hat,den anderen
als
Spielpartner auch morgen noch
zu
benotigen
und
darin,
den
anderen
zu
mogen undvon diesem auch gemocht
zu
werden.
Nun willich zugeben, daBesz.B.
Herrn Augenthaler recht naiv erscheinen mag, wenn
em
kleiner Sportwissenschaftler
sich
dazu versteigt
zu
fordern,
er
solle Herrn Völler
mO
gen.
So
würde
es
Profis sicher auch nicht
sehr
beeindrucken,
daB
auch groBe Psychologen
die
soziale Interaktionsfãhigkeit
des
Menschen
inder
Angewiesenheit aufden anderen
verwurzelt sehen.
Aber
ist
erschreckende Gewait
im
Sport wirklich
zu
verändern oder
in
verstehen, ohne
zu
sehen, welch uiimenschliche
Umgangsweisen
im
Sport schon selbstverständlich
er
scheinen.
Wen würde
es
denn wundern, wenn
em
Tennisspieler
den
Gegner beim Gang
zur
Pausenbank umrennt?
Wenn Sportier
den
anderen alszu schiagenden Gegner
begreifen, densie dann inder
Regel
em
halbes
Jahr
oder länger nicht mehr sehen,
auf
dessen Sympathie siealso nicht
angewiesen sind,
der
Sieg deutlich rnehr verheiBt
als
freundschaftliches Miteinander,
er
scheint esmir eher naiv vom Profi FairneB
in
erwarten
69 67vgl.
Lorenzer, Alfred.
Zur
BegrUndung einer materialistischen
Sozialisationstheorie.
Fft.fMain 1972.
S.
100ff.
68vgl.a.
Milscherljch,
A.Die
Unwirtlichkeit unserer Städte.
Anstiftung zum Unfrieden.
Ff1/Main 1965
69vgl.
Horkheimer, Max.
Materialismus
und
Moral.
in:
Zeitschrift
für
Sozialforschung 11,2.
S.168
SPECTRUM 1993
/2
Wenn
also
zwei
so
unterschiedliche Positionen wiedie FREUDsche
unddie
PIAGET
sche beim Thema
der
Sozialgebundenheit
so
deckungsgleich sind, wenn siealsomitun
terschiedlichem Verfahren
zu
gleichen Ergebnissen gekommen sind, soilte
das
doch An
laB
sein, darüber nachzudenken,
ohes
vernunftig
ist,
Kinder
als
Wesen
zu
betrachten,
denenwirinder
Schule einen Modus
des
Sich-Miteinander-Bewegens beizubringen
haben.
Obes nicht vielmehr gilt,vor sportivern Aktivismus
des
Sportlehrers
zu
verstehen, wel
che
Bedeutung
und
Funktion Haitungen
der
Kinder haben undwo sportive Angebote
ne ben
einer Leistungsorientierung
Platz
für
soziales Miteinander lassen.
Lassen diese An
gebote diesen Platz nicht, muB gefragt werden, weiche Legitimation leistungsorientierte
Bewegungsangebote
inder
Schule haben konnen,
die
offensichtlich
den
sozialen Habitus
der
Kinder zerstören helfen.
65vgl.
Piaget GW.
Bd.V.S.38
Prohi, Robert.
Bildung durch Sport
-em Uberholter gesellschaftlicher Anspruch?
Zur
Problematik
sportdidaktischer Leitkategonen
am
Beispiel
der
“Gesundheitsförderung”.
in:
Sportunterricht 12/91.
483-490
SPECTRUM 1993/2
I -_.-c
86 WiesehrdasmenschlicheMiteinanderzerstOrtwird,ohnedaBdasSubjektsichirnGe wirrgesellschaftlichbelohnterHandhmgsweisenundsubjektiverBedUrfnissenochzu rechtfmdet,zeigtemSPIEGEL-InterviewmitEffenberg.Diesermemtzunächstganzer folgsorientiert:“WaszäliltistdieKohie,kiarerFall.Alsokannderjenige,dermemePo sitionhabenwill,auchnichtmeinFreundsem.DennderwillanmeinGeld...”.Schonin seinemübemächstenSprechbeitraghaterdiesvergessenundbeklagtsich:“Dennim Gnmdehatsichhier(inMUnchen.Anrn.R.P.)keinerurntinsgekuinrnert,womitichvor nehnilichmeineMannschaftskarneradenmeine.”70 WirhabenalsozweiMoglichkeiten: 1.WirkonnendenokonomischenGewinndesSiegesmiddiedamitverbundenensoziale Anerkennungdeutlichreduzieren,wasdenProfisportbeendenwürde. 2.BetrachtenwirdenProfisportalsberuflichesBetatigungsfeldnachdenRegelndesLei stungsprinzipsundbefreienihnvonForderungenwiederFairnel3.Fairnefistehtseiner konsequentenErfolgsorientierungineinemsohohemMaBentgegen,daBnurwenige SportlersichdenLuxusdesmenschlichenMiteinanderimSportleisten. DarausergibtsichabereinedritteForderung: 3.Solangenichtsicherist,daBmenschlicheBewegungfUrdieEntwicklungjunger MenschenzurPersönlichkeitnichtunwichtigist-unddazusoiltenwirvielleichteher FachleutealsSportredaktionenbefragen,wirfragenjaauchnichtnurdenApotheker, obwirmiserKindimpfensoliten-soiltenwirsehrgenauhinschauen,weiche BewegungsformenfurunsereKinderrichtigsind.Warumnimmtmaneigentlichnicht zurKenntnis,daBderSchuisport,dereindeutigaufolympischverwertbareDisziplinen ausgerichtetist,einessichererreicht-midalleEltemwissendasgenau-ermachtaus bewegungshungrigenkleinenKindernbewegungsabstinentegrol3e.Nurca.15%der Bevolkerungbetreibtregehnal3igSport.Gibtesalsovielleichtdochsoetwaswiedas BedürfnisnachfreudvollemMiteinanderohneTriumphgeheul? EmvorlaufigabschlieBendesWortfürweitergehendInteressierte:EthischeFragen, derenDiskussionichfürnotwendighalte,habeichbiernurgestreift,bierwardie sportpsychoiogischePerspektiveniaBgebend. WennmenschlicheBewegunginderSchulewesentlichdaInnausgelegtwird,Kindern inderPrimarstufeimSportunterVernachlassigungkindlicherBewegungsweltneben demErlemenetablierterBewegungsformendieVerbesseningdereigenenLeistungals Hauptzielnahezulegen,darfmannichtuberraschtsein,daBdieKinder-groBgeworden- eigeneLeistungsfähigkeitnotfailsauchaufKostendesGegenspielersbelegenwollen. DenProfiserscheintesoffenkundigseibstverständlich,mitMittein,diedeutlichauBer haibderRegelnliegen,angegangenzuwerden,daBjederSportlehrersicherschrocken fragenmuB,waserzusolcheinerHaltungzurnmenschlichenMiteinanderbeigetragen hat: FrankMill:“IchweiB,daBichfaile,wenuichdurchbin.Daistesmirlieber,ich werdeamTrikotumgerissenwievonBuchwald.Festhalten,Zerren-dasgehortda.zu,ich 70SPIEGEL,Der.Interviewmit:Eifenberg,Stefan.WaszAhltistdieKohie.in:DerSpiegel.32/1991.S.159if SPECTRUM1993/2
SportpsychologieundFairnell? machedasauch.BlessurenhatteichnachdemDuellmitBuchwald,aberdasist71 Wasichallerdingsfürnotwendighalte,sollendieFairneBappellenichtlediglich nesErschreckenabwehren,sonderninanderessportlichesMiteinandereinrnBnden, isteinegrundlicheBeschaftigungmitderFragenachdenUrsachenfürunfaire miteinerentsprechendenöffentlichenDiskussionuberMOglichkeitenderErzeugung derer,gesellschaftlicherwunschterHaltungen.Machenwiruiisdochnichts machtsichschonernsthaftGedankenuberdenBeitrag,denerzumenschlicherem einanderleistenkann?WersteiltFernsebreportemFragennachihrerBerechtigung, letzungenirnFuBballmitderBemerkung‘diesseijakeinMadchenpensionat’oder fliegendenSpielermitdenWorten‘esseijaderBallgespieltworden’männlich-chauvi nistischzukommentieren.EswirderstaunlichwenigUberdieerzieherischeVerantwor tungderMedienkommentaregeredet.1stesdennsosicher,daBAuBerungen Spielwie‘diesesSpielistfürdiedeutscheNationalmamischaftnuremTrainingsspiel’ oder‘B.hatStephanEdbergvomPlatzgefegt’wirklichfolgenlosistfürunsere lungenvonmenschlichemMiteinander?Wokomrntesdennher,daBSportierdann sichtlichbemühtsind,denGegnernichtmehralsMitspielerzubegreifen,sondern vomPlatzzufegen’.SportspielewerdenkaurndemWortnachalsSpielebegriffen. Spiele,indenenalleAkteuremiteinanderspielen.AllzuhaufigzähltnurdasErgebnis, spielerischeGeschehenistweitgehendunwichtig.HierwirddiereineErgebnisorientie rungevident.AberistdiesdennSinndesSpiels?KinderlemenauchdurchdieGroBen FemsehenmidinderSchule,sichfürdasErgebniszuinteressieren.Vorherspielen niiteinander,urnzuspielen.Wirsoiltenunswirklicheinmalfragen,obwirilmen RichtigebeigebrachthabenoderobwirnichtvielmehrdenSinndesSpielszugunsten nerauswertbarenZielorientierung(Zensur,Goldmedaiile,Siegpramie)zerstOrthaben. WennwirdasSportspielnachdenRegeinderLeistungsgeseiischaftbenutzen, Match-WinnerzuvergötternoderaufdenLooserherabzublicken,müssenwir wundern,wenndannauchdieRegelnderLeistungsgesellschafttinSportangewandt den. Nein,FairneflistallemaleineHaltung,dieinderFarnilie,inderGesellschaft zeBderGroi3werdens-alsoUbereinenlangenZeitraum-entsteht.Appellewie vor’kOnnennurTeildergesellschaftlichenBemuhungsein,einanderesMiteinander erreichen.Soilletztereswirklicherreichtwerden,gilteszuverstehen,wormUnfairneB wurzelt.SonstsindsoicheAktionenmôglicherweiseGelegenheitzurSelbstdarstellung undAusdruckfrommerWunschewieschiechtenGewissens,nichtaberwirklich hafterVersuchzubetrachten,menschlichesMiteinandernachVerstehenzuandem. EintieferKermermenschlichenVerhaltenhateinrnaigesagt:IchmöchteIhnen ThrentherapeutischenEhrgeizzuvergessenmidzuverstehen,waswirklichgeschieht. WemiSiedasgetanhaben,wirddieTherapieschonvonalleinekommen.(S.FREUD)
Lileratur CACHAY,Klaus.WievielDoppelmoralverträgtderSport?in:OlympischeJugend3/90?COURT,Jurgen.LenksDifferenzierunginformelleundinformelleFairnell.in:SpoWi.1/92,S.107-111.ELIAS,Norbert.UberdenProzel3derZivilisation.Bd.1u.2.Fft.fMain.6.1978 FREUD,Sigmund.StudienausgabeinzehnBändenundErgänzungsbancj.Frankfurt/Main.4.1975. 71in:Sports5/8938S. SPECTRUM