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Der Shootingstar und die Hypothek des Unfertigen

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Bayerisches Ärzteblatt 11/2009 531

Der Shootingstar und die Hypothek des Unfertigen

Er ist jung, witzig und – das dürfte viele Mediziner am allermeisten begeistern – er ist Arzt. Wenn die Demokratie Sinn für Humor hat, dann war das einer ihrer besten Witze seit langem: Rekord-Ge- sundheitsministerin Ulla Schmidt, Lieblingsfeindin der deutschen Ärzteschaft, hat ihr Amt im Zuge der Bundestagswahl ausgerech- net an einen Mediziner verloren – an Philipp Rösler. Prompt sah sich der 36-Jährige mit einer lan- gen Wunschliste der Ärzteschaft konfrontiert, deren Erfüllung dem Shootingstar der FDP allerdings alles andere als leicht fallen dürfte.

Abgesehen davon, dass aus guten Medizinern nicht automatisch gute Gesundheitspolitiker werden, stehen die Vorzeichen für den ersehnten radikalen Kurswechsel in der Gesundheitspolitik nicht besonders günstig. Denn dem Koalitionsvertrag zwischen Union und FDP wohnt nicht der Zauber des Anfangs inne, sondern die Hypothek des Unfertigen.

Das wurde bereits am Tag nach der Unterzeichnung der Verein- barung deutlich, als die drei Partner in völlig unterschiedliche Richtungen marschierten. Gesundheitsfonds? „Bleibt“, schallte es aus der CDU; „wird abgeschafft“, erwiderte die FDP; „werden wir verändern“, meinte die CSU. Kopfpauschale? „Na klar“, war aus der FDP zu hören; „der lohnbezogene Beitragssatz muss bleiben“, ließ sich die CSU vernehmen; „irgendwie schon“, kam es aus der CDU. Jetzt soll eine Regierungskommission klären, worauf man sich in den Koalitionsgesprächen nicht einigen konn- te. Ob sie Erfolg haben wird, ist mehr als ungewiss, denn die Ausgangspunkte der drei Partner könnten unterschiedlicher nicht sein.

Bereits in ihrem Wahlprogramm lavierten sich CDU und CSU um eine klare Antwort auf die zentrale gesundheitspolitische Frage – die zukünftige Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversiche- rung (GKV) – herum. Weil Kanzlerin Merkel ein Loblied auf den Gesundheitsfonds singen wollte, die CSU von ihm aber nichts mehr wissen möchte, traf man lieber gar keine Aussage. Und die Re-Regionalisierung der Ärztehonorierung, wie sie sich der baye- rische Gesundheitsminister Dr. Markus Söder auf die Fahnen geschrieben hat, dürfte an den anderen CDU-regierten Ländern scheitern, die mit dem Mittelabfluss aus dem Freistaat sehr gut leben können.

Es droht also eine unionsinterne Blockade auf den wichtigsten gesundheitspolitischen Problemfeldern. Erschwerend kommt hin- zu, dass die FDP dem deutschen Gesundheitswesen eine Ra-

dikalkur verordnen will, der CDU und CSU niemals zustimmen können, wollen sie nicht den Kern der solidarischen Krankenver- sicherung opfern. Sicher, mit der CSU ließe sich gut darüber re- den, den Gesundheitsfonds abzuschaffen – auch wenn das ein Affront gegen Kanzlerin Merkel wäre.

Der Geldpool muss aber aus Sicht der Freidemokraten zwingend sterben, weil er das größte Hindernis für das zentrale Reform- element liberaler Gesundheitspolitik ist. Die FDP will nämlich die GKV (ebenso wie die Pflege- und die Rentenversicherung) zu ei- ner Grundsicherung eindampfen – und das dürfte mit CDU und CSU endgültig nicht mehr zu machen sein.

Nach den Vorstellungen der Liberalen soll nur noch die Behand- lung existenzbedrohender Krankheiten staatlich abgesichert wer- den. Wer mehr Schutz haben möchte, muss privat vorsorgen, Be- dürftige bekommen Hilfe aus dem Steuertopf. Was sich zunächst progressiv anhört, ist in Zeiten gigantischer Haushaltslöcher al- lerdings ein gemeingefährlicher Vorschlag. Der Finanzminister, der begeistert Milliarden für den sozialen Ausgleich zur Verfü- gung stellt, während gleichzeitig noch die horrenden Schulden aus der Finanzkrise abgetragen werden müssen, muss erst noch erfunden werden.

Die Union tut daher gut daran, sich nicht auf diesen riskanten Weg einzulassen. Doch welchen Kurs soll sie stattdessen steuern, an- gesichts der großen gesundheitspolitischen Probleme, welche die Große Koalition hinterlassen hat? Bekanntlich konnten Union und SPD ihr Versprechen nicht einlösen, die Finanzierung der Kassen auf eine neue Basis zu stellen, die den demographischen Wandel bewältigt und alle Versicherten am medizinischen Fort- schritt teilhaben lässt. Und auf diesen großen Wurf werden wir wohl auch diese Legislaturperioden vergeblich warten – schlicht, weil es Union und Liberalen an einer gemeinsamen Vision für diese Mammutaufgabe mangelt. Stattdessen werden wir das Krisenbewältigungsprogramm erleben, das wir seit Jahrzehnten kennen und das inzwischen bei Ärzten wie Bürgern gleicherma- ßen verhasst ist: Kostendämpfung bei den Leistungen und neue Belastungen für Versicherte wie Patienten. So wird unter ande- rem nicht nur der Zusatzbeitrag, den die Kassen einfordern dür- fen, wenn sie mit den Zuweisungen aus dem Fonds nicht aus- kommen, zur Normalität werden, sondern auch seine Deckelung auf ein Prozent des Einkommens fallen.

Große Eile wird die neue Koalition mit diesen kosmetischen Kor- rekturen allerdings nicht an den Tag legen: Schließlich sind am 9. Mai Wahlen in Nordrhein-Westfalen – und die will sich der selbsternannte CDU-Arbeiterführer Jürgen Rüttgers sicher nicht durch eine neue, ungeliebte Gesundheitsreform verhageln las- sen.

Armin Jelenik, Politik-Redakteur, Schwerpunkt Gesundheits- und Sozialpolitik, „Nürnberger Nachrichten“

Armin Jelenik

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