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Material und Methoden

B) während der folgenden 6 Tage n=3 pro Zeitpunkt

9 CLP und Schutz vor schockähnlichen Zuständen

10.1 Zytokinprofile und Zytokin-Produktionsfähigkeit

In der vorliegenden Arbeit sind systemische, im Serum detektierbare Zytokine als Marker herangezogen worden, um anhand ihrer Spiegel und Kinetiken mögliche Ursachen für die Entstehung und den Verlauf des als "Immunparalyse" bezeichneten Phänomens zu untersuchen. Die zwei wichtigsten Vertreter der Gruppe pro-inflammatorischer Zytokine, TNF und IL-6, und das in diesem Kontext suppressorisch agierende IL-10 als Vertreter der Gruppe anti-inflammatorischer Zytokine, sind auf Grund ihrer zentralen Funktionen bei entzündlich/infektiösen Ereignissen ausgewählt worden.

Da bisher wenig Datenmaterial über den Verlauf der Zytokin-Serum-Konzentrationen der o.g. Zytokine nach einer subletalen CLP verfügbar war, wurde zunächst eine Kinetik über die Verläufe der Serum-Konzentrationen in Tieren zu verschiedenen

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Zeitpunkten über den Zeitraum von sechs Tagen durchgeführt. Aus den Messungen lässt sich ein weitgehend übereinstimmendes Muster erkennen, bei dem alle gemessenen Zytokine nach einem sehr steilen initialen Anstieg in den ersten 4-8 Stunden in der Folge wieder deutlich absanken und sich am Rande der Nachweisgrenze bewegten. Bei TNF und IL-6 konnte jedoch nach Tag drei wieder ein marginaler Anstieg beobachtet werden, was als Anzeichen für persistierende, immunrelevante Vorgänge gewertet werden kann. Die kontinuierliche Abwesenheit von IL-10 bei diesen Messungen steht in deutlichem Kontrast zu den Kinetiken, wie sie sich in Modellen mit letaler CLP (>90% 2x1mm) (Seki et al. 1998) oder CASP (Maier et al. 2004) darstellen. Das Postulat, dass die persitierend hohen IL-10 Serum-Spiegel Mitverursacher der "Immunparalyse" sind kann somit auch als hinfällig betrachtet werden, da wie im Folgenden noch dargestellt werden wird, der nicht-erhöhte Serum-Spiegel dennoch mit einer gesteigerten Empfindlichkeit einhergeht. Diese Beobachtungen lassen, in Übereinstimmung mit der überwiegenden Mehrzahl der Publikationen, die Schlussfolgerung zu, dass IL-10 zwar durchaus immunsuppressiv in diesem Kontext wirkt, dass dieser Effekt jedoch nicht notwendigerweise auf persistierend hohe IL-10 Serum-Spiegel zurückgeführt werden kann.

Der Verlauf der Serum-Zytokinspiegel lässt somit gewisse Rückschlüsse über den Allgemeinzustand des Organismus und in begrenztem Umfang auch über den Status der Immunabwehr und Abwehrbereitschaft zu. Um konkretere Aussagen über die Abwehrbereitschaft treffen zu können, müssen jedoch nicht nur die vorhandenen Zytokine bestimmt werden, sondern vor allem die Reaktionsbereitschaft des Organismus, mit der er auf eine weitere Belastung mit einem Erreger reagiert.

Die Zytokin-Produktionsfähigkeit nach Stimulierung mit LPS ist ein Modell für die Simulation eines Gram-negativen bakteriellen Infektes und wurde in der vorliegenden Arbeit dazu verwendet, das Ausmaß der Reaktionsbereitschaft des Maus-Organismus mit der Freisetzung von Zytokinen auf eine bakterielle Stimulierung zu reagieren, darzustellen. Dieses Modell muss dabei jedoch als unphysiologisches Phänomen betrachtet werden, da das Erscheinen großer LPS Mengen in natura nicht vorkommt, und weil es zu anderen Zytokinprofilen als nach einer CLP (Remick et al. 2000; Villa et al. 1995) oder einer Infektion mit lebenden Bakterien führt. Die eingesetzte Menge von 1µg-10µg LPS von S. abortus equi hat sich in diesem Zusammenhang als optimal

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erwiesen, um eine deutliche Induktion der Zytokinproduktion zu initiieren, die systemisch messbar ist und mit ~2-20‰ der letalen Dosis deutlich unterhalb Schock-induzierender Dosen liegt.

Die Profile der LPS-induzierten Zytokinspiegel während der ersten 24 Stunden zeigten im Gegensatz zu den nativen keinen einheitlichen Verlauf, wobei vor allem die Produktionskapazität für TNF deutlich von der für IL-6 und IL-10 abweicht. TNF war unmittelbar nach der CLP nur minimal induzierbar, stieg nach einer Refraktärzeit von 12-14 Stunden kurzfristig wieder an, um dann wieder auf ein sehr niedriges Niveau abzufallen. Der Verlauf der IL-6 Produktionskapazität war demgegenüber durch einen geringen initialen Anstieg nach zwei bzw. vier Stunden gekennzeichnet, der dann abfiel, sich kurzfristig auf mittlerem Niveau stabilisierte und nach 24 Stunden deutlich erniedrigt war. Ähnlich, jedoch durch einen sehr viel steileren Abfall nach geringem Anstieg zum ersten Messzeitpunkt, gestaltete sich der Kurvenverlauf bei IL-10.

Längerfristig war nach 48 Stunden für TNF ein Minimalwert erreicht, der dann in den folgenden Tagen wieder auf das Niveau der Kontrollen, und am Tag 5 weiter deutlich anstieg. Ähnlich ist der Verlauf bei IL-6, mit dem Unterschied jedoch, dass die nachfolgende Hyperreaktivität länger anhielt. Il-10 bleibt dagegen über den gesamten Beobachtungszeitraum deutlich unterhalb der Kontrollwerte. Die näheren Umstände, die dieses späte hyper-inflammatorische Phänomen auslösen, bedürfen noch genauerer Untersuchung, sind aber nicht Gegenstand dieser Arbeit, und werden somit nur als ein Indiz für die simplifizierte Hypothese gewertet, dass ein Ausschlag in eine Richtung eine Gegenreaktion verursacht, und dass dieser Vorgang nach mehrmaliger Widerholung vermeintlich zum Einpendeln um den Kontrollwert führt.

Im Ergebnis können somit zwei relevante Befunde aus diesen Experimenten für die vorliegende Arbeit herausgestellt werden: (1) Der Zeitliche Verlauf liefert deutliche Hinweise dafür, dass es auch Mechanismen geben muss, die im Zytokinnetzwerk die Freisetzung von IL-6, IL-10 und anderen Zytokinen unabhängig von TNF induzieren können. Dieses wird auch durch die Bestimmung der Zytokinprofile in TNF-defizienten Tieren (6.2) bestätigt ebenso wie in Beobachtungen von Patienten mit Herz-Kreislauf-Versagen (Cavaillon et al. 2003).

(2) Der Zeitpunkt 48 Stunden nach CLP, zu dem ein nahezu vollständiger Zusammenbruch der Zytokin-Produktionsfähigkeit erkennbar wird, korreliert auch mit

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demjenigen einer gesteigerten Empfindlichkeit für bakterielle Superinfektionen mit S.typhimurium oder L.monozytogenes (Echtenacher et al. 2003).

Da die Anzahl Gram-positiver Sepsisfälle und nosokomialer Infektionen seit den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts, laut einigen Publikationen (Bone 1994; Kengatharan et al. 1998) zugenommen hat, war es folgerichtig, diesen Aspekt im Kontext der

"Immunparalyse" einzubeziehen und zu untersuchen, ob das Modell zur Detektion einer verminderten Reaktivität, gemessen an der Zytokin-Produktionsfähigkeit nach Stimulierung mit LPS, auch für Stimulierung mit Zellwandbestandteilen Gram-positiver Erreger und bakterieller DNA (CpG-Motive) Gültigkeit besitzt. Im Hinblick auf eine gesteigerte Prädisposition für Infektionen mit Gram-positiven Keimen war dies bereits gezeigt worden (Echtenacher et al. 2003). Die Ergebnisse aus 4.1.3 lassen klar erkennen, dass die verminderte Zytokin-Produktionsfähigkeit kein Gram-negatives Phänomen ist, sondern, dass Lipoteichonsäure (LTA) als Modellsubstanz für Gram-positive Keime und CpG-ODNs als Modellsubstanz für bakterielle Infektionen im Allgemeinen ebenfalls nicht in der Lage sind, die zum Erliegen gekommene Zytokin-Produktionsfähigkeit 48 Stunden nach einer subletalen CLP wieder zu aktivieren.

Anhand dieser Resultate kann man davon ausgehen, dass es sich bei der verminderten Zytokin-Produktionsfähigkeit um ein Ereignis handelt, dass nicht auf eine bestimmte Gruppe von Erregen limitiert bleibt, sondern allgemein einen Zustand charakterisiert, in dem ein Organismus eine verminderte Abwehrbereitschaft gegenüber bakteriellen Infektionen aufweist, wofür die reduzierte Zytokin-Produktionsfähigkeit als ein messbarer Indikator herangezogen werden kann.

10.2 Die "Immunparalyse" in C57BL/6 Mäusen

Im Fokus des Interesses dieser Arbeit stand die Interaktion von TNF und den beiden für die Signaltransduktion verantwortlichen Rezeptoren TNFR1 und TNFR2 im Kontext der "Immunparalyse" nach subletaler CLP. Die Rolle von TNF selbst bzw. die des jeweiligen Rezeptors konnte an Hand von Mäusen untersucht werden, bei denen das jeweilige Molekül durch gezielte genetische Rekombination eliminiert worden war. Da diese Mäuse auf den genetischen Hintergrund C57BL/6 zurückgezüchtet worden sind und es sich hierbei um einen Inzuchtstamm handelt, musste zunächst geklärt werden, ob das Modell der CLP auf diesen Stamm übertragbar ist. Von diversen anderen

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Inzuchtstämmen ist bekannt, dass sie Mutationen im Genom aufweisen, die Einfluss auf ihre immunologische Kompetenz haben. Bekannte Beispiele hierfür sind BALB/c- Mäuse, die hinsichtlich ihrer Empfindlichkeit gegenüber CLP Unterschiede aufweisen (Godshall et al. 2002) aber auch beispielsweise die LPS-Toleranz in C3H/HeJ-Mäusen (Freudenberg et al. 1988) und C57BL/6-Mäusen, die ein nicht funktionsfähiges NRAMP1 Protein (s. unten) exprimieren. Die Überlebensexperimente in 5.1.1 lassen jedoch klar erkennen, dass eine subletale CLP von über 90% der Tiere toleriert wird, was mit der Überlebensrate von NMRI-Mäusen vergleichbar ist. Des Weiteren konnte gezeigt werden, dass die Letalität durch Verlängerung des ligierten Abschnittes und einer im Durchmesser vergrößerten Punktion auf ca.50% gesteigert werden konnte, wie es in ähnlicher Weise auch für NMRI-Mäuse gezeigt werden konnte.

Die Experimente wurden mit männlichen und weiblichen Tieren durchgeführt, um eventuelle geschlechtsspezifische Unterschiede erkennen zu können (Diodato et al.

2001). Unter den gegebenen Bedingungen kann jedoch für das Modell der subletalen CLP kein Unterschied festgestellt werden. Für die letale CLP ist eine Tendenz in Richtung gesteigerter Sensibilität der männlichen Tiere erkennbar. Der Unterschied, der in der letalen Variante auftritt, ist auch bei NMRI-Mäusen beobachtet worden, kann aber in der vorliegenden Arbeit vernachlässigt werden, da die Gesamtheit der nachfolgenden Experimente auf dem Modell der subletalen CLP basierte. Die Verifizierung der Vergleichbarkeit beider Geschlechter war notwendig, da die im Folgenden verwendeten, genetisch modifizierten Tiere im Tierbereich der Universität Regensburg gezüchtet wurden und daher männliche wie weibliche Tiere zu annähernd gleichen Teilen zur Verfügung standen und somit beide Geschlechter für Experimente genutzt werden konnten. Die einzelnen Experimente sind jedoch jeweils mit Tieren eines Geschlechtes durchgeführt worden, was auch die jeweilig zugehörigen Kontrollen einschließt.

Ein weiterer Aspekt, der die Vergleichbarkeit der beiden Mausstämme in dem Modell bestätigt, ist die Tatsache, dass die relativen Zytokinmuster von NMRI- und C57BL/6-Mäusen 48 Stunden nach subletaler CLP nahezu identisch waren.

Besondere Aufmerksamkeit ist der Bestimmung einer LD50 für die Anzahl koloniebildender Einheiten von S.typhimurium zugekommen, da der C57BL/6-Inzuchtstamm eine bekannte Mutation aufweist, die die Bekämpfung und Kontrolle

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einer Infektion mit S.typhimurium nur sehr eingeschränkt zulässt. Der Grund ist der Austausch einer einzelnen Aminosäure im (Natural Resistance–Associated Macrophage Protein 1) NRAMP1-Protein, einem ~100 kDa integralen Membranprotein (Vidal et al.

1996), das auf Grund seiner Struktur mit großer Wahrscheinlichkeit zu einer Gruppe von Transporterproteinen mit 12 transmembranären Domänen gehört, die für den protonenabhängigen Transport von bivalenten Kationen, in diesem Fall Magnesium, zuständig sind (Jabado et al. 2000). Das Protein wird vor allem von Makrophagen und neutrophilen Granulozyten gebildet und es scheint eine Rolle bei der phago-lysosomalen Fusion (de Chastellier et al. 1997) und für die Acidifizierung von Vesikeln (Govoni et al. 1999; Hackam et al. 1998) zu spielen. Die Träger dieser Mutation sind besonders anfällig für Infektionen mit intrazellulär wachsenden Erregern der Gattung Mycobakterium, Salmonella und Leishmania (Vidal et al. 1995). Um ausreichend infektiöse aber dennoch subletale Applikations-Suspensionen herzustellen, war es notwendig bis an die unterste Grenze der Verdünnungsreihe zu gehen und die einzelnen Verdünnungsschritte in vergleichsweise kleinen Schritten und großen Volumina (1:10 in 10ml) durchzuführen, um reproduzierbare Ergebnisse zu erzielen. Die Anzahl der Keime, die die oben genannten Bedingungen erfüllt, wurde in Dosis-Effekt-Experimenten (s. 5.2) mit einer alters- und gewichtsabhängigen Varianz zwischen 5 und 25 CFU ermittelt. Dabei waren die Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Tieren vernachlässigbar gering.

Nachdem die Bedingungen für subletale CLP und S.typhimurium-Infektion bestimmt waren, ließ sich anschließend auch die gesteigerte Empfindlichkeit für Superinfektionen nach subletaler CLP in C57BL/6-Mäusen zeigen. Dabei waren, ebenso wie in den vorhergehenden Experimenten, keine geschlechtsspezifischen Unterschiede erkennbar.

Zusammenfassend kann man sagen, dass aufgrund der Ergebnisse eine Übertragung des

"Immunparalyse"-Modells auf den C57BL/6-Stamm als zulässig erachtet und mit den oben diskutierten Modifikationen als vergleichbar mit NMRI Tieren angesehen werden kann. Auf dieser Grundlage konnten daher Experimente mit den gentechnisch veränderten Linien mit dem C57BL/6 genetischen Hintergrund durchgeführt werden.

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