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Die Diskussion der traditionellen These, der Modigliani/Miller-These sowie der neo-institutionalistischen Sichtweise zur Finanzierungstheorie hat gezeigt, daß ei-ne Analyse des Aktienr¨uckkaufs allein auf der Basis der zuletzt genannten Sicht-weise erfolgen kann.Im Kern muß der Aktienr¨uckkauf demnach vor dem Hinter-grund der Informations- und Anreizkonflikte in den Beziehungen zwischen den Eigenkapitalgebern, den Fremdkapitalgebern sowie dem Management eines Un-ternehmens betrachtet werden.Um die Richtung der Anreiz- und Signalwirkungen eines Aktienr¨uckkaufs beurteilen zu k¨onnen, m¨ussen die wirtschaftlichen Rahmen-bedingungen sowie die Kontrollstrukturen innerhalb des deutschen Finanzsystems explizit ber¨ucksichtigt werden.

124Vgl. o.V. (2002), Aktienr¨uckk¨aufe fallen unter ¨Ubernahmegesetz, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 3.5.2002, Nr. 102, S. 17.

Vor dem Hintergrund der oben skizzierten theoretischen ¨Uberlegungen lassen sich folgende Ausgangshypothesen formulieren: Eigenkapitalgeber m¨ußten einen Aktienr¨uckkauf in der Tendenz positiv beurteilen, denn eine erh¨ohte Gewinn-aussch¨uttung erfordert im Anschluß an den Aktienr¨uckkauf einen verst¨arkten R¨uckgriff auf externe Finanzierung durch das Management und erh¨oht somit die Kontrolle ¨uber den Markt.Die Verfolgung einer Empire-Building-Strategie wird dem Management durch die reduzierte Gewinnthesaurierung erschwert.Ferner f¨uhrt die disziplinierende Wirkung von Fremdkapital zu einer Abschw¨achung der Problematik des Consumption on the Job.Eine zus¨atzliche Abschw¨achung dieses Moral-Hazard-Problems zeichnet sich ab, sofern ein pers¨onlicher Eigenkapital-anteil in der Hand des Managers vorhanden ist und im Zuge des R¨uckkaufs eigener Aktien ansteigt.125

Im Zuge eines Aktienr¨uckkaufs steigen das Risiko und damit die erwartete Rendite der Eigenkapitalgeber.Dies d¨urfte nicht im Interesse des Managements liegen, das auf der Ebene der Investitionspolitik aufgrund der geringeren Diversifikation sei-nes Verm¨ogens beziehungsweise seiner Einkunftsquellen sowie im Sinne einer Ar-beitsplatzsicherheit in der Tendenz eine sicherere Investitionspolitik durchf¨uhren m¨ochte als die Eigenkapitalgeber mit breit diversifiziertem Wertpapier- oder Verm¨ogensportfolio.Auch die Fremdkapitalgeber bewerten Aussch¨uttungen so-wie eine Erh¨ohung des Fremdkapitalanteils aufgrund der Reduktion des Schul-dendeckungspotentials sowie des steigenden Risikos der Investitionst¨atigkeit als eine Schw¨achung ihrer Position.

Manager wie Gl¨aubiger d¨urften einem Aktienr¨uckkauf demnach eher kritisch ge-gen¨uberstehen.Ihre ¨ubergeordnete Zielsetzung l¨aßt sich mit dem Begriff der Insol-venzvermeidung beschreiben.Vor diesem Hintergrund erscheint es ¨uberraschend, daß sich Manager in den USA in großem Umfang dazu entschließen, eigene Aktien zur¨uckzukaufen.126Denn ein Aktienr¨uckkauf steht im Widerspruch zu der Zielset-zung der Insolvenzvermeidung.Es stellt sich mithin die Frage, welche Faktoren

125Vgl. Grossman/Hart (1982); Jensen (1986); Jensen/Meckling (1976); Stulz (1990).

1261998 wurden auf dem US-amerikanischen Kapitalmarkt nach Jagannathan/Stephens (2001) allein 1.434 Open-Market-Repurchase-Programme in einem Wert von ca. $ 216 Mrd. an-gek¨undigt.

innerhalb eines Corporate-Governance-Systems zu einer st¨arkeren Ann¨aherung des Managements an die Eigenkapitalgeberseite beziehungsweise welche Fakto-ren den Manager zu einer positiven Einsch¨atzung des Aktienr¨uckkaufs f¨uhren k¨onnten.

In der Literatur findet man hierzu verschiedene Erkl¨arungsans¨atze.Zun¨achst sind die Entlohnungsstruktur des Managers beziehungsweise die H¨ohe der Eigenkapi-talbeteiligung des Managers von Bedeutung.Bei entsprechender Ausgestaltung der Entlohnungsstruktur und/oder der Eigenkapitalbeteiligung k¨onnen beide Fak-toren ein eigenkapitalgeberkonformeres Verhalten des Managers induzieren und einen Aktienr¨uckkauf auch aus Sicht des Managers vorteilhaft erscheinen lassen.

Auch bestimmte wirtschaftliche Rahmenbedingungen k¨onnen das Verhalten des Managers den Interessen der Eigenkapitalgeber ann¨ahern.Insbesondere f¨uhrt ei-ne hohe Insolvenzwahrscheinlichkeit tendenziell zu eiei-nem riskanteren Investitions-verhalten des Managers; in der Literatur wird dieses Verhalten in der extremsten Form als Gambling for Resurrection bezeichnet.Ein prominentes Beispiel f¨ur ein solches Verhalten sind die US-amerikanischen Saving and Loan Associations.127 Diese erh¨ohten in der Krise der achtziger Jahre des 20.Jahrhunderts das Risiko ihres Aktivgesch¨afts, indem sie vor dem Hintergrund einer staatlichen Einlagen-sicherung hoch verzinste Großkredite mit enorm hohem Ausfallrisiko vergaben und hofften, auf diese Weise die Krise zu ¨uberwinden.

Schließlich k¨onnen politische Interessen beziehungsweise Verflechtungen zwischen der Industrie und dem staatlichen Sektor eines Landes beziehungsweise Verflech-tungen innerhalb des Unternehmenssektors dazu f¨uhren, daß Insolvenzvermei-dung f¨ur den Manager nicht mehr von ¨ubergeordneter Bedeutung ist.128 In der Asienkrise offenbarte sich in einigen L¨andern beispielsweise eine politisch moti-vierte oder politisch vorgegebene Kreditvergabe der Banken, die h¨aufig in Verbin-dung mit impliziten oder expliziten staatlichen Garantien auftrat.Unter solchen Voraussetzungen r¨uckt Insolvenzvermeidung als Zielsetzung in den Hintergrund.

127Vgl. Bonn (1998); Brandenburg (1994); Mayer, M. (1990).

128Japan und Indien k¨onnen hier als Beispiele angef¨uhrt werden.

Im Zentrum der nachfolgenden Untersuchung wird daher die Analyse des spezi-fisch deutschen Corporate-Governance-Systems und seiner Auswirkungen auf die Nutzung und folglich die Beurteilung des Instruments

’Aktienr¨uckkauf‘ stehen.

Hierbei stellt sich im Kern die Frage, ob durch die Liberalisierung des Aktienr¨ uck-kaufs in Deutschland eher eine St¨arkung der Outsider-Kontrolle, das heißt, der Kontrolle durch die Eigenkapitalgeber, erfolgt oder prim¨ar der Handlungsspiel-raum der Insider, respektive der Manager, erweitert wird.In den USA deuten theoretische und empirische Untersuchungen auf eine tendenzielle St¨arkung der Outsider hin, außer im Falle der gezielt ausgehandelten Aktienr¨uckk¨aufe.

Einen Beitrag zur Beurteilung der spezifischen Nutzung des Aktienr¨uckkaufs in-nerhalb des deutschen Corporate-Governance-Systems sollen die nachfolgenden Kapitel leisten.In Kapitel 3 wird zun¨achst der Einsatz des Aktienr¨uckkaufs in einer extremen Krisensituation (deutsche Bankenkrise von 1931) betrachtet.In Kapitel 4 schließt sich eine Analyse des Aktienr¨uckkaufs im gegenw¨artigen deut-schen Finanzsystem an.Schließlich wird in Kapitel 5 der R¨uckkauf eigener Anteile in der Rechtsform der Gesellschaft mit beschr¨ankter Haftung beleuchtet.

Der Aktienr¨ uckkauf und die Bankenkrise von 1931

3.1 Motivation und Fragestellung

1Die zunehmende Zahl von Finanzkrisen in der j¨ungeren Vergangenheit hat nicht nur in Politik und Praxis, sondern auch in der Wissenschaft deutliche Spuren hin-terlassen.Im Zuge der zahllosen Beitr¨age zur Erforschung von Krisenursachen und Krisenfolgen sowie der M¨oglichkeiten ihrer Pr¨avention und Bew¨altigung erfahren auch diejenigen Krisen wieder breitere Beachtung, die bisher eher Wirtschafts-historikern als Analyseobjekt dienten.Dies gilt auch f¨ur die deutsche Bankenkrise von 1931,2 aus der man heute wieder Lehren f¨ur die Bew¨altigung der Finanzpro-bleme von morgen zu ziehen sucht.

Sehr wenig wissenschaftliche Aufmerksamkeit findet dabei jedoch ein Krisen-ph¨anomen, das im Mittelpunkt dieses Kapitels stehen soll: Vor und nach dem Ausbruch der deutschen Bankenkrise wurden in massivem Umfang, insbesondere auch bei Banken, eigene Aktien zur¨uckgekauft.Die negativen Erfahrungen, die damals mit dem Aktienr¨uckkauf einhergingen, wirkten im deutschen Gesetzes-rahmen bis in j¨ungste Zeit nach.Per Notverordnung wurde 1931 ein allgemeines Verbot f¨ur den R¨uckkauf eigener Aktien erlassen, das – unter Zulassung eng be-grenzter und genau umrissener Ausnahmef¨alle – bis 1998 erhalten blieb.

1Die Argumentation in Kapitel 3 wurde gemeinsam mit Eva Terberger erarbeitet.

2Vgl. beispielsweise G¨odde (2000).

Im folgenden soll untersucht werden, welche Beweggr¨unde daf¨ur verantwortlich sein k¨onnten, daß deutsche Bankvorst¨ande vor der Bankenkrise von 1931 in mas-sivem Umfang eigene Anteile erwarben.Diese Aktienr¨uckk¨aufe geben ein R¨atsel auf, denn sie fanden im Umfeld einer nahenden Krise und noch dazu bei Ban-ken statt, in einer Situation also, in der die Aussch¨uttung von Liquidit¨at an die Aktion¨are dem Ziel der Insolvenzvermeidung, das bei Managern und Gl¨aubigern grunds¨atzlich h¨ochste Priorit¨at genießt, zuwiderl¨auft.

Um die aufgeworfenen Fragen zu beantworten, wird zun¨achst ein ¨Uberblick ¨uber die gesetzlichen Regelungen zum Aktienr¨uckkauf von 1870 bis zum Krisenjahr 1931 gegeben.Die Auswirkungen der Krise auf die gesetzliche Weiterentwicklung in Deutschland werden angedeutet.Im Anschluß sollen die mit dem R¨uckkauf eigener Aktien im Zuge der Bankenkrise von 1931 verbundenen Ereignisse skiz-ziert werden.Schließlich untersuchen wir denkbare Motive von Managern zum R¨uckkauf eigener Aktien, die sich aus einer finanzierungstheoretischen Analyse des Beziehungs- und Interessengeflechts zwischen Managern, Eignern und Gl¨ aubi-gern ableiten lassen, auf ihre m¨ogliche Relevanz f¨ur die Erkl¨arung des massiven Aktienr¨uckkaufs vor und w¨ahrend der Bankenkrise von 1931.

3.2 Die gesetzlichen Regelungen zum