• Keine Ergebnisse gefunden

Zwischen Magie und Religion: Glocken und Hörner

Im Dokument Ist es der Sindtfluss? (Seite 66-69)

Meistens sind es ganz besondere Musikinstumente, die eingesetzt werden, um die Natur zu bezwingen oder wenigstens in Schranken zu halten. Sie sollen einerseits die Menschen warnen, andererseits aber auch das Unheil direkt abwehren. Das trifft besonders auf Glocken und Hörner zu. Von Hörnern wissen wir, dass sie – ebenso wie Glocken – zur Warnung vor, und Abwendung von, Unwettern eingesetzt wurden. Ihre diesbezügliche Rolle ist für den mitteleuropäischen Raum noch kaum beleuchtet worden, wohingegen sie aus anderen Ländern bekannt ist. Der Klang der Hörner wird in vielen aussereuropäischen Kulturen in Verbindung gebracht mit einer besonderen Kraft, die bewirkt, dass etwas erscheint oder geschieht (vgl.

Lawergren 1988). Aus den Alpen weiß man, dass man mit Bockshörnern gegen Gewitter vorgegangen ist (Strele 1898, 124). Besser vertraut ist man hier jedoch mit dem Klang der Glocken, der sowohl im Herdengeläute, wie auch bei den Kirchen-glocken und darüber hinaus in vielen mit Glocken bestückten Bräuchen begegnet.

Dabei werden dem Glockenklang je nach Situation viele Bedeutungen zugeschrieben: glückbringende, fruchtbakeitsfördernde, aber auch

unheil-57 Klänge gegen Naturgefahren

abwehrende. Seit der Christianisierung werden viele Glocken mit christlichen Heilszeichen versehen und auch entsprechend beschriftet; man traut ihnen Macht und Kraft, besonders über Naturkatastrophen, zu. Dieser Glaube lebt aktuell weiter:

In Blons im Großen Walsertal wurde zum Gedenken an die Lawinenopfer von 1954, aber auch zu künftigem Schutz, eine eigene Lawinenglocke geweiht, die folgende Aufschrift trägt:

Am 11. Jänner, an e i n e m Tag, riß fünfzig und mehr, des führ ich Klag, der weiße Tod von Ofen und Herd, er bettet sie alle in kalter Erd.

St. Nikolaus, heiliger Schutzpatron, steh ein für sie an Gottes Thron, verbirg ihre Seelen in Gottes Arm, behüt die Lebenden sicher und warm.

An Glocken knüpfen sich zahlreiche Glaubensvorstellungen. Ein im Mittelalter weitverbreiteter Glaube besagt, dass ein fahrender Schüler auf einem Drachen reitend die Gewitter bringe. Ihn könne man vertreiben, indem man die Glocken läutet und so das Gewitter zerschlägt. Verbreitet ist auch der Glaube, dass der Klang der Glocken die Gewitterwolken auseinander treibt, auch, dass Hexen das Unwetter machen, und dass man sie durch Glockenläuten vertreiben kann. Aus solchen Vorstellungen entstand das Wetterläuten. Für das Wetterläuten waren nach dem Glauben vieler Menschen noch im 19. Jh. verschiedene Glocken verschieden

Abb. 1: Wetterglocke von Längenfeld bei der Glockenweihe, “Anna Katharina heiss’ ich, alle Wetter weiss ich, alle Wetter verteib’ ich, in Längenfeld bleib ich!”

Foto: H. Haid, 2005

begabt, manche waren besonders gut. „Im Ötzthale hat…Huben ein wettergerechtes Glöcklein, dann Östen ein gar arges, auch das Köfler Glöckel ist ein gar mächtiges, dann der Ötzer Stier; die Glocken zu Sölden vertrieben die Feichtenhexe.“ (Strele 1898, 138). Steirische Almhalter pflegten ein aufziehendes Gewitter durch Geschrei und Lärmen, durch Klingeln mit Kuhschellen, Klappern mit Brettern, Rasseln mit Ketten und Blechpfannen von der Gegend abzuschrecken (Strele 1898, 124).

Das Wetterläuten wurde seit der Aufklärung immer wieder – gegen das Empfinden vieler gläubiger Menschen – verboten. Viele diesbezügliche Akten sind aus Tirol bekannt geworden, wo die Opposition gegen die Aufklärung, und damit auch gegen das Läuteverbot, integrierter Teil des Freiheitskampfes war. Zahllose Zeugnisse belegen, dass der Kampf um das Wetterläuten zwischen Volk und Obrigkeit sehr vehement geführt wurde. „Das Wetterläuten wird ganz verboten“ (Brixen 1787). Es ist „das Wetterläuten sowohl überhaupt, als auch als ein Zeichen des Segens, bey Strafe von 30 Reichs Thalern gegen Vermögliche und einer körperlichen Züchtigung gegen Unvermögliche verbothen“ (Kreisamt Imst 4.9. 1807). „Das Wetterläuten soll nach und nach ganz abgeschafft werden.“ (Brixen 1820). „Man soll sich mit Ungestümigkeit nicht entgegensetzen, wenn das Volk läutet, jedoch sollen immer die schon oft gegebenen Aufklärungen über diesen Gegenstand in Anregung gebracht werden“ (Brixen 1826). „…vom Wetterläuten...ganz nach dem Sinne des hinter-legten landesgerichtlichen Dekretes vom 16. 8. 1834“ vorzugehen (Brixen 1834;

Pfarrarchiv Längenfeld; vgl. Haid 1973, 36-37). In Lüsen wurde im November 1807 die neue Gottesdienstordnung mitgeteilt. Unter anderem hatte im September davor die Regierung das Wettersegnen angeordnet; jetzt wurde dasselbe ebenso wie das Wetterläuten wieder verboten (vgl. Heyl 1890, 93-94).

Wetterläuten wird auch gegenwärtig noch in ländlichen Gegenden geübt, um heran-ziehende Unwetter abzuwenden. In Villgraten (Osttirol) erhält der Mesner heute noch zu Neujahr in der Kirche das „Läutkorn“ als Entlohnung für das Wetterläuten.

Die wichtige Rolle von Glocken und verschiedenen Lärminstrumente bei diversen Bräuchen ist darüber hinaus bis in die Gegenwart ungebrochen. Es sei nur – als ein Beispiel von vielen – an die glockenbehängten „Roller“ und „Scheller“ der Tiroler Fasnachtsbräuche erinnert. Deren Aufladung mit apotropäischen, unheilabwerenden Bedeutungen mag gegenwärtig wohl nur eine von vielen Facetten in dem ganzen möglichen Deutungsspektrum sein, sollte aber nicht grundsätzlich außer Acht gelassen werden.

59 Klänge gegen Naturgefahren

Hörbeispiel 1. Schellerlaufen aus Nassereith 1

Aufgenommen von Gerlinde und Hans Haid und Maria Walcher am 2. 2. 1986 bei der Fasnacht in Nassereith, ÖVLA K 41. Aus: Musica Alpina IV/17. Auf der Aufnahme sind die Glocken der Scheller‘ und Roller‘, das Peitschenknallen der Schnöller‘ und das Juchzen der Hexen zu hören.

Im Dokument Ist es der Sindtfluss? (Seite 66-69)