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Zwei Ansätze der datenbasierten Unterrichtsentwicklung

Mit einer in den letzten Jahren verstärkten wirkungsorientierten Steuerung des Bildungssystems finden vermehrt standardisierte Leistungstests, sogenannte Checks5, Eingang in die Schule. Es werden dabei viermal in sieben Schuljahren Daten zu Lernleistungen der Schülerinnen und Schüler erhoben. Dabei werden die Erhebungsinstrumente von externen Fachleuten entwickelt, die auch die erhobenen Daten auswerten. Anschliessend an den jeweiligen Check soll die Lehrperson die Er-gebnisse interpretieren. Die ErEr-gebnisse sollen sowohl Basis für eine Rückmeldung an die Schülerin-nen und Schüler zu ihren Lernleistungen und -fortschritten sein als auch der Lehrperson Anregun-gen für die Weiterentwicklung des eiAnregun-genen Unterrichts geben.

4 siehe Berufsauftrag und Arbeitszeit der Lehrpersonen - Handreichungen (August 2011). Link::

http://www.avs.bl.ch/index.php?id=259 (Abrufdatum: 9.2.2017).

5 Standardisierte Leistungstests an der Volksschule in den Kantonen Aargau, Basel-Landschaft, Basel-Stadt und Solothurn.

Untersuchungen belegen (Koch, 2011; Rückmann, 2016; Tresch, 2007; ), dass viele Lehrkräfte stark herausgefordert sind, solche Daten für die Gestaltung des eigenen Unterrichtshandelns zu nutzen.

Doch dies ist wichtig, um die Effektivität des Unterrichts – speziell bezogen auch auf den Zuwachs von Leistungen der Schülerinnen und Schüler – zu steigern (evidenzbasierte Unterrichtsentwicklung, Hattie, 2014/2015).

Datenerhebungsinstrumente für unterrichtsbezogene Evaluationen können auch durch Interne – die Lehrpersonen selber – erstellt werden. Diese sind passgenau, da sie von der jeweiligen Fragestel-lung der einzelnen Lehrpersonen zu ihrem Unterricht ausgehen. Evaluationsgegenstand sind hier zielorientierte Unterrichtsinterventionen, die zur Lösung einer didaktischen Knacknuss6 führen sol-len. Die Nutzung der Ergebnisse für den eigenen Unterricht wird von Anfang an in der Untersu-chungsplanung mitgedacht. Optimal eignen sich unterrichtsintegrierte Datenerhebungsinstrumente, die gleichzeitig mit dem Unterrichten eingesetzt werden und damit besonders wenig Zusatzaufwand erfordern. In der Lehrpersonen-Selbstevaluation wird die Lehrperson zur Selbstevaluatorin ihres eigenen Unterrichts.

Damit Lehrende zu Lernenden werden, die Genaueres über ihren Unterricht erfahren und gleichzei-tig das Lernen sichtbar machen, wird die Wirkung des eigenen Unterrichtshandelns im Fokus von Untersuchungen gestellt (Hattie, 2014/2015).

6 „Didaktische Knacknüsse sind die wiederkehrenden Situationen im Unterricht, welche die Lehrperson stören, sie am Lehrerfolg zweifeln lassen, die den Unterricht oder Lernprozess blockieren, verzögern, erschweren etc., und von der sich die Lehrpersonen vorstellen kann, sie mit gezielten Interventionen ‚aufzubrechen’.“ (Beywl, 2011, S. 37).

2 Aktualität des Themas – John Hattie und sein Werk „Visible Learning“

John Hattie – neuseeländischer Bildungsforscher, heute Professor an der University of Melbourne (Australien) – hat 2009 „Visible Learning“7 herausgebracht. Ergänzt wurde das Werk im Jahr 2012 um das Buch „Visible Learning for Teachers“8. Zu diesen beiden Büchern hat Hattie über 900 Meta-Analysen (basierend auf über 52‘000 Studien mit geschätzt rund 240 Millionen Lernenden9) im eng-lischsprachigen Raum zu Einflussfaktoren auf schulisches Lernen und Lernresultate untersucht und ausgewertet. Die Studie nimmt für sich in Anspruch, die wichtigste Frage der Bildungsforschung umfassend zu beantworten: Was führt zu Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler?

Die Studie belegt: Unterrichtsnahe datengestützte Rückmeldeverfahren wie Feedback und formative Evaluation zählen zu den wirksamsten Möglichkeiten, Unterricht zu stabilisieren und zu verbessern, sodass gute Lernfortschritte und -leistungen erreicht werden. Die zentrale Bedeutung evaluations-orientierten Handelns ist daran abzulesen, dass die verschiedenen datengestützten Rückmeldever-fahren in den ersten zehn Rängen in Hatties Faktorenliste zu finden sind – Feedback mit der Effekt-stärke d = .7510 und formative Evaluation des Unterrichts mit d = .70. Ein entsprechendes Handeln der Lehrperson ist darauf ausgerichtet, alle verfügbaren Informationen zu nutzen, die Auskunft über Lerndispositionen, Lernstand, Lernprozesse und Lernergebnisse der Schülerinnen und Schüler lie-fern – dies im Hinblick auf die Gestaltung von lernförderlichen Lehr- und Lernarrangements.

„Wenn Lehren und Lernen sichtbar sind, dann ist die Wahrscheinlichkeit grösser, dass die Lernen-den höhere Leistungen erbringen“ (Beywl/Zierer, 2014, S. 20).

Diese prägnante Aussage fasst das wichtigste Argument von John Hatties „Visible Learning“ zu-sammen. Den Lehrpersonen kommt eine zentrale Rolle als „Evaluator und Regisseur“ (Hattie, 2014, S. 20) zu. Sie sollen das Wissen und Verstehen der Schülerinnen und Schüler durch eine grosse Bandbreite von Lernstrategien anreichern und unterstützen. Zu diesem Zweck sollen sich die Lehr-personen fortlaufend selbst evaluieren und für den Erfolg ihrer Arbeit einstehen. Hattie appelliert an die Lehrpersonen sicherzustellen, „dass sie sich der Wirksamkeit ihres Handelns bewusst sind“.11 Die Lehrpersonen müssten nicht nur wissen, was sie unterrichten wollen, sondern auch, wie sie ih-ren Unterricht organisieih-ren und strukturieih-ren, um den Besonderheiten der jeweiligen Unterrichts-stunde und ihrer Schülerinnen und Schüler gerecht zu werden. Hattie rät den Lehrpersonen, ver-mehrt Rückmeldungen über die Wirksamkeit von Lehr- und Lernprozessen einzuholen. Dabei sollen

7 2015: Lernen sichtbar machen. Überarbeitete deutschsprachige Ausgabe von "Visible Learning", besorgt von Wolfgang Beywl und Klaus Zierer.

8 2014: Lernen sichtbar machen für Lehrpersonen: Überarbeitete deutschsprachige Ausgabe von "Visible Learning for Teachers", besorgt von Wolfgang Beywl und Klaus Zierer.

9 Vgl. dazu auch Beywl/Zierer, 2014, S. 12.

10 Hattie extrahierte zunächst 138, dann 150 , neuerlich 195 (vgl. Anm. 15) Faktoren aus weit über 1‘000 Meta-Analysen. Die Faktoren nehmen in unterschiedlichem Ausmass (ausgedrückt durch statistisch berechnete Effektstärken) Einfluss auf die Lernleistungen von Schülerinnen und Schüler. Der durchschnittliche Effekt aller Einflussgrössen, die Hattie untersuchte, beträgt ca. d = .40. Faktoren, welche über diesem durchschnittlichen Umschlagspunkt von d = .40 liegen, weisen auf einen mittleren bis starken Effekt auf den Lernerfolg von Schülerinnen und Schülern hin.

11 „Zurück zum Kerngeschäft. Der neuseeländische Forscher John Hattie hat ermittelt, was Schüler erfolgreich macht – und was nicht. Sein Befund muss übereifrige Reformer stoppen: Auf den Unterricht kommt es an.” Artikel von Jan Friedmann im Spiegel 16/2013, S. 40.

aus vertretbaren und empirisch verlässlichen Quellen Belege zusammengetragen werden, um mit den Schülerinnen und Schülern und im Kollegium Diskussionen über die Befunde anzuregen (Hattie, 2014, S. 21 f.).

Im Folgenden werden die Bedeutung der Lehrperson und die Relevanz wechselseitiger Rückmel-dungen – darunter die Faktoren Feedback sowie formative Evaluation des Unterrichts – detailliert vorgestellt, da sie im Zusammenhang mit Luuise12 relevant sind.