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Zusammenfassung und Handlungsoptionen

Szenario 7: „Adaptive“ – Individualisierte Lernangebote

5. Zusammenfassung und Handlungsoptionen

Das Ziel dieser Studie bestand darin, die vielfältigen Ansätze, Projekte und Tools des digitalen Prüfens im Hochschulsektor zu recherchieren und in eine strukturierte Übersicht zu bringen. Hierfür wurden fünf Assessment-Typen unterschieden: beratend, diagnostisch, formativ, summativ und qualitätssichernd, wobei im Zentrum diagnostische, formative und summative Ansätze beziehungsweise die entsprechenden Beispiele stehen. Neben dieser groben typologischen Einordnung wurden insgesamt zwölf Dimensionen herangezogen, mit deren Hilfe die elektronischen Prüfungsformate genauer analysiert wurden.

Auf Basis des Dimensionen-Rasters konnten schließlich sieben E-Assessment-Szenarien beschrieben und bewertet werden:

Self Assessment Feedback Safety Flexible Massive Motivation Adaptive.

Im Ergebnis lassen diese Systematisierungen des akademischen E-Assessments folgende Aussagen zu:

1. Je schwächer institutionalisiert und reguliert Lern- und Prüfungsprozesse sind, desto einfacher, verbreiteter und selbstverständlicher werden heute elektronische

Prüfungen, Tests und Assessments um- und eingesetzt. Dies bezieht sich vor allem auf diagnostische und formative Prüfungstypen. Automatische

Performance-Messungen und Auswertungen von Lernaktivitäten, die quasi auf der „Hinterbühne“

des elektronischen Lernens, teilweise unbeobachtet vom Lerner selbst ablaufen, werden ebenso zunehmend eingesetzt wie diagnostische Selbsttests

unterschiedlicher Art – sei dies obligatorisch im Verlauf eines Lernpfades oder optional als interaktiver Wissenstest via Mobile App.

2. Summative (Abschluss-)Prüfungen – noch dazu mit hohem (rechtlichem) Verbindlichkeitsgrad – werden zwar ebenfalls immer häufiger IT-systembasiert durchgeführt. Der hierfür erforderliche Aufwand für Einrichtung, Betrieb und Gewährleistung ist jedoch erheblich und steht kaum hinter der klassischen

März 2015 ǀ Seite 58 Prüfungsorganisation zurück. Dabei zeigen sich vor allem organisatorische

Herausforderungen – von der Belegungsplanung bis hin zu Sicherheitsfragen – mithin also ein gewisser trade off zwischen Effizienzgewinnen (durch Datenbasierte Workflows) einerseits und technologisch-administrativem Aufwand (für

Bereitstellung und Betrieb verlässlicher elektronischer Prüfungsumgebungen) andererseits.

3. Als Spielform des social learnings werden Peer-Assessments, -Feedbacks, -Reviews und -Gradings zwar als vielversprechende Alternative zu klassischen Wissenstests empfohlen (speziell im Kontext von MOOCs), allerdings ist der Erfahrungsstand mit dieser Art des Testens noch in einem frühen Stadium – insbesondere wenn es um Abschlussprüfungen geht. Für komplett virtualisierte Lern- und Prüfungsszenarien, wie sie paradigmatisch MOOCs darstellen, werden daher zusätzlich zu peerbasierten Verfahren auch automatische Performance-Messungen (auch learning analytics), E-Portfolios und/oder Online-Proctoring-Verfahren eingesetzt werden müssen. In dieser Mischung, eventuell ergänzt um mediengestützte Identitätsprüfungen, kann heute bereits ein sehr hohes Verlässlichkeitsniveau des elektronischen Assessments innerhalb eines virtuellen und sozialen Lernarrangements erreicht werden.

4. Spielerische Elemente im Lernprozess – game-based assessments – scheinen derzeit auf breiter Front Einzug in die digitalen Bildungsszenarien und Lernplattformen zu halten. Das Spektrum der badges, Belohnungs- und Wettbewerbskomponenten ist extrem vielfältig. Bereits geringste Aktivitäten (wie zum Beispiel der Aufruf eines Videos) werden durch automatisch generierte digitale Abzeichen prämiert. Daneben können soziale Bewertungs- und Kommentierungsprozesse ermöglicht und

erleichtert werden, die häufig ebenfalls eine spielerische Komponente haben. All diese Elemente führen zu einer Art Beobachtung „zweiter Ordnung“: Die Lernenden reflektieren ihr eigenes Lernverhalten nicht nur durch Prüfungen, sondern

zunehmend auch im Spiegel der Beobachtung (Bewertung, Kommentierung) anderer Lerner.

5. Mobile computing und cloudbasierte Lern- und Prüfungssysteme bringen wichtige zusätzliche Qualitäten in den Prüfungsbereich: Sie ermöglichen orts- und

zeitungebundene (Selbst-)Tests und entsprechen damit in hohem Maße den Erwartungen und Gewohnheiten der Digital Natives. On-Demand-Lernen wird ergänzt durch On-Demand-Assessment – idealerweise in direkter Verbindung zu Lernprozessen. Bei allem didaktischen „Komfort“ solcher mobiler

Assessmentszenarien ist allerdings der Aufwand für die Entwicklung „intelligenter“

Test-Apps ebenso wenig zu unterschätzen wie die Herausforderung, die hierbei entstehenden Prüfungsdaten effizient weiter zu verarbeiten – beispielsweise in Lern-Management- oder Prüfungs-Verwaltungs-Systemen.

6. Abgesehen von ihrem Nutzen für mobile Lern- und Testszenarien haben Smartphones und Tablets für die Zukunft des E-Assessments mindestens zwei weitere wichtige Funktionen: Erstens ermöglichen sie kommunikative Assessment-Arrangements – beispielsweise als audience response tools in Vorlesungen, wodurch

März 2015 ǀ Seite 59 wichtige Feedback- und Beobachtungsprozesse zwischen Lernenden ermöglicht werden. Zweitens können sie für Authentifizierungs- und Autorisierungsprozesse eingesetzt werden, ähnlich wie beim Online-Banking, wodurch auch Identitäts-Checks und Zugangsberechtigungen im Rahmen von Prüfungen ermöglicht werden.

Ob und wie die Potenziale digitaler Technologien eine Veränderung von Test- und Prüfungsverfahren an deutschen Hochschulen bewirken, hängt in hohem Maße von der Bereitschaft der entsprechenden Prüfungsverantwortlichen in Hochschulen und

Bildungsministerien ab. Die Annahme liegt nahe, dass sich traditionell hoch-regulierte Prüfungskulturen – wie in Deutschland – schwer damit tun, die geschilderten, zum Teil noch mit Mängeln und Risiken behafteten Assessmentszenarien zu adaptieren (so mangelhaft die bestehenden, konventionellen Prüfungsprozesse auch immer sein mögen). Erschwerend kommen die Kosten für Entwicklung und Betrieb solcher Verfahren hinzu. Es steht weiterhin zu vermuten, dass offenere, pragmatische und experimentierfreudigere Lern- und

Prüfungskulturen die Potenziale dieser Technologien eher begrüßen werden – gerade wenn es um die Realisierung individualisierter, adaptiver Lernszenarien geht. Allerdings wäre es ein Trugschluss daraus abzuleiten, dass beispielsweise US-amerikanische Hochschulen in diesem Bereich fortgeschrittener sind. Hierfür konnte diese Studie keine Belege liefern.

Vielmehr entstehen E-Assessment-Innovationen vor allem aus dem immer stärker werdenden Bereich des informellen Social Learning sowie im Rahmen von geförderten didaktischen Forschungsprojekten.

Mit Sicherheit lässt sich sagen, dass im Bereich der diagnostischen und formativen Assessments digitale Formate heute schon zu einer Bereicherung didaktischer Formate geführt haben. Spielerische und soziale, kommunikative und interaktive Potenziale haben Wissens- und Kompetenztests in vielerlei Hinsicht positiv ergänzt.

Eine Analyse solcher Potenziale in Bezug auf unterschiedliche Studienphasen – inklusive des Studieneingangs- und -ausgangs – muss freilich ebenso weiteren Untersuchungen

vorbehalten bleiben wie eine Bewertung der E-Assessment-Formate mit Blick auf verschiedene Fächer und Disziplinen, Kompetenzen und Wissensbereiche.

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