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Zusammenfassung und Ausblick 109

Im Dokument Bindungszuständen Joachim Welker (Seite 124-128)

Diese Arbeit befasste sich mit der quantitativen Analyse der chemischen Bindung mittels der kombinierten Rasterkraft- und Rastertunnelmikroskopie. Dafür spielen zum Einen die technischen Voraussetzungen eine Rolle, wie die Entfaltungsmethode der Kraft als auch die Sensoreigenschaften. Zum Anderen wird die Wechselwirkung zwischen Spitze und Probe durch die involvierten elektronischen Zustände bestimmt.

Daher ist die Charakterisierung des Spitzenzustands von großer Bedeutung.

In Kapitel 3 wurde die Implementation der Sader-Jarvis- und der Matrix-Kraftent-faltungsmethode für diskrete Daten vorgestellt. Beide Methoden liefern eine gute Entfaltungsqualität. In bestimmten Fällen gibt es allerdings signifikante Unterschiede in der Entfaltungsqualität abhängig von der Schwingungsamplitude des Cantilevers.

Die Abweichungen vom Kraftminimum eines Morse- bzw. Lennard-Jones-Kraftgesetzes waren für beide Methoden im schlechtesten Fall 7%. Die Matrix-Methode hat sich als empfindlich gegenüber dem Verhältnis A/d von Amplitude A undz-Abstand d der

f(zi) Datenpunkte herausgestellt. Für eine optimale Entfaltung sollte das Verhältnis eine ganze Zahl bzw. möglichst groß sein. Die Abweichungen bei der Sader-Jarvis Methode stammen hingegen nicht von der diskreten Natur der Datenpunkte. Die Entfaltungsqualität hängt vielmehr von dem Verhältnis der Amplitude zur charakte-ristischen Abklinglänge der Kraft ab. Dies folgt aus der verwendeten Approximation bei der Herleitung. Für ein Morse-Kraftgesetz mit der Abklingkonstante κ wurde eine optimale Entfaltung für κA= 1,5 gefunden. Im Allgemeinen liefert die Matrix-Methode die höhere Entfaltungsqualität, da immer auf ein optimales VerhältnisA/d interpoliert werden kann. Die Sader-Jarvis-Methode ist eine gute Alternative, wenn die Entfaltung mit der Matrix-Methode zu numerischen Artefakten führen würde.

In Kapitel 4 wurde der qPlus-Sensor auf Basis einer Quarzstimmgabel vorgestellt, der hochauflösende FM-AFM mit Schwingungsamplituden unter 100 pm ermöglicht.

Dadurch wird die Messung sehr sensitiv auf die kurzreichweitigen Bindungskräfte.

Es wurde mit Hilfe einer optischen stroboskopischen Aufnahme der Bewegung der Quarzstimmgabel gezeigt, dass die Sensitivität der Auslenkungsmessung 51% des Wertes beträgt, der mit Hilfe der Balkentheorie berechnet wurde [50]. Dies ist auf die angenommene idealisierte Elektrodenkonfiguration zurückzuführen. Des Weiteren

wurde die Temperaturabhängigkeit der thermischen Auslenkungsamplitude Ath der Quarzstimmgabel untersucht. Diese Abhängigkeit zeigte deutlich das lineare Verhal-ten in A2th, das nach dem Äquipartitionstheorem zu erwarten war. Somit kann das Äquipartitionstheorem zur Bestimmung der thermischen Amplitude verwendet werden.

Außerdem wurde die Anwendung des Äquipartitionstheorem auf qPlus-Sensoren bei LHe-Temperatur diskutiert. Da die Güte von qPlus-Sensoren bei kryogenen Tempera-turen auf bis zu 5·105 ansteigen kann, sind diese Sensoren leicht durch Vibrationen zu Schwingungen mit Amplituden größer als die thermische Auslenkungsamplitude anzuregen. Die mechanische Stabilität muss in der Größenordnung von Attometern liegen, damit das Äquipartitionstheorem für die Amplitudenbestimmung verwendet werden kann. Das Äquipartitionstheorem kann aber auch dafür verwendet werden, dem qPlus-Sensor eine effektive Temperatur zuzuschreiben. Damit kann ein realistischer Wert für das minimale Frequenzrauschen angegeben werden.

Neben der Detektion der Auslenkung spielt die Spitze des qPlus-Sensors eine entschei-dende Rolle. Für eine erste Charakterisierung der Spitze wurde ein Feldionenmikroskop implementiert. Mit dem FIM war es möglich die Spitzen auf atomarer Skalain situ im UHV-System des AFM/STM zu untersuchen. Die Spitzen wurden durch Feldeva-poration bei einer angelegten Spannung von bis zu 15 kV von Kontaminationen befreit.

Außerdem kann der Krümmungsradius und die Struktur der Spitze bestimmt werden.

Eine weitergehende Charakterisierung der Spitzen erlaubte die Untersuchung der Winkelabhängigkeit der Bindungskräfte zwischen einen auf Cu(111) adsorbierten CO-Molekül und einem W-Spitzenatom in Kapitel 5. Durch Stoßprozesse konnten W-Spitzen in Zustände mit definierten Symmetrien gebracht werden. Es wurden tomographische Bilder der Kraft und des Tunnelstroms als Funktion des Abstands zwischen dem W-Atom und dem CO-Molekül gezeigt. Die Winkelabhängigkeit der Bindungskräfte war schwach für Abstände, in denen die Attraktion zuerst messbar wurde, aber stiegt drastisch an, als der Abstand der chemischen Bindungslänge erreicht wurde. Die Kraftbilder zeigten je nach Spitzenorientierung ein, zwei oder drei attraktive Minima. Es wurde ein semi-empirisches, winkelabhängiges Modell für die BindungsenergieVW-CO/Cu(111) in Gl. (5.8) vorgestellt, das die experimentellen Daten in alle beobachteten Richtungen und Abständen gut beschreibt. Demnach führt eine W[001]-Spitze zu einem attraktiven Minimum, eine W[011]-Spitze zu zwei und eine W[111]-Spitze zu drei attraktiven Minima über einem CO-Molekül. Das W-Atom bindet dabei mit den attraktiven Minima in dieh100i-Richtungen der übernächsten Nachbarn des W-Atom in einem bcc-Kristallgitter. Dies lässt sich dadurch verstehen, dass das CO-Molekül keine kovalente Bindung mit dem W-Atom eingeht. Auf Basis des Feynmann-Hellmann-Theorems kann die attraktive Wechselwirkung der W-Valenzelektronen, die in denh111i-Richtungen der nächsten Nachbarn lokalisiert sind, mit dem Dipolmoment

Tunnelstroms konnte auf die Verschiebung des CO-Moleküls im lateralen Kraftfeld zwischen Spitze und Probe zurückgeführt werden. Dadurch bietet sich die Möglichkeit die Symmetrie der Bindungskraft indirekt im STM zu bestimmen. Letztendlich kann das AFM im Gegensatz zum STM aber Zustände abbilden, die energetisch weiter von der Fermi-Energie entfernt und dadurch stärker lokalisiert sind.

In Kapitel 6 wurde die Auswirkung des Spitzenzustandes auf die Messung der Si(111)-7×7-Oberfläche diskutiert. Die Oberfläche hat wegen der Rekonstruktion vier inäquivalente Bindungsplätze in der Adatomlage und eine variierende Atomdichte. Es wurden Messungen mit einer W[001]- und einer W[111]-Spitze, die nach dem Verfahren in Kapitel 5 charakterisiert wurden, und mit zwei Si-terminierte Spitzen durchgeführt.

Die W-Spitzen zeigten die gleichen Symmetrien über den Si-Adatomen wie über dem CO-Molekül. Daraus lässt sich auf einen ähnlichen Bindungsmechanismus schließen. Da die beobachteten Kräfte im Vergleich zu den Si-terminierten Spitzen gering sind, binden die W-Spitzen in dem beobachteten Bereich nicht kovalent mit den Si-Adatomen. Die Si-Spitzen zeigen dagegen eine große Bindungskraft, die aus einer kovalenten Bindung herrührt. Die z-Spektroskopien über den inäquivalenten Adatomen zeigen, dass die Bindungskräfte sowohl von dem Spitzenzustand als auch von der lokalen Umgebung der inäquivalenten Adatome abhängt. Eine Simulation konnte zeigen, dass die Variation der vdW-Kraft auf der Si(111)-7×7-Oberfläche keine Rolle bei der Unterscheidung der inäquivalenten Adatome spielt. Der Unterschied in der lokalen Umgebung liegt vielmehr in der Bindung an die Atome in der unterliegenden Kristallebene. Für eine zuverlässige Unterscheidung der Adatome ist eine gut charakterisierte Spitze ohne ausgeprägte Winkelabhängigkeit der Bindungskraft notwendig.

Eine theoretische Berechnung im Rahmen der DFT der vorgestellten experimentellen Ergebnisse steht noch aus. Erste Berechnungen sind bereits für eine W[001]-Spitze auf Graphit in Referenz [69] durchgeführt worden. Durch die wohldefinierten Spitzen können DFT-Rechnungen zukünftig besser an das Experiment angepasst werden, was die Interpretation der Messdaten und der theoretischen Rechnungen vereinfacht. Das in dieser Arbeit vorgestellte Verfahren zur Charakterisierung und Manipulation des Spitzenzustands lässt sich auf weitere Spitzenmaterialien ausweiten. Dadurch kann es möglich werden, die Messungen der Kraft und des Tunnelstroms auf absolute Standards zu kalibrieren. Da die Spitzen bei LHe-Temperaturen stabil sind, können beliebige Probensysteme in der Art, wie es für die Si(111)-7×7-Oberfläche gezeigt wurde, untersucht werden. Ein Studie auf Graphen mit wohldefinierten Spitzen [115] ist bereits durchgeführt worden. Ein Spitzenatom mit bekannter chemischer Identität und Bindungssymmetrie ist ein Schlüsselelement für die zukünftige quantitative Analyse der chemischen Bindung in der Rastersondenmikroskopie.

A. Anhang

A.1. Implementierung der Kraftentfaltung

Im Folgendem werden die MATLAB-Skripte zur Kraftentfaltung nach der Sader-Jarvis-und der Matrix-Methode vorgestellt. Die Skripte sind mit Kommentaren (Zeilen mit

%) ausführlich dokumentiert.

Im Dokument Bindungszuständen Joachim Welker (Seite 124-128)