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Die Entwicklung eines Embryos und Fetus im Uterus beeinflusst die Anfälligkeit für kardiovaskuläre Erkrankungen im weiteren Verlauf des Lebens entscheidend. Die zugrundeliegenden molekularen und zellulären Mechanismen sind jedoch weitestgehend unbekannt. Das pränatale Mausherz weist eine beachtliche Regenerationsfähigkeit auf. So resultiert die Herz-spezifische Inaktivierung des X-chromosomalen „holocytochrome c synthase“ (Hccs) Gens in einem Zellmosaik für mitochondriale Dysfunktion. In Embryonen, welche heterozygot für den kardialen Hccs Knockout (cHccs+/-) sind, kompensieren die gesunden Kardiomyozyten den Verlust der 50 % dysfunktionalen Hccs-defizienten Zellen durch vermehrte Proliferation. Dadurch wird bis zur Geburt ein funktionsfähiges Herz gebildet. Möglicherweise beeinflusst diese embryonale Herzregeneration jedoch das peri- und postnatale Herzwachstum. Tatsächlich sind neugeborene cHccs+/- Herzen hypoplastisch und beinhalten eine reduzierte Kardiomyozytenzahl. Damit ähnelt das cHccs+/- Modell klassischen Tiermodellen für intrauterine Wachstumseinschränkung („intrauterine growth restriction“, IUGR), welche bei der Geburt ebenfalls hypoplastische Herzen mit einer verminderten Anzahl an Kardiomyozyten haben. Interessanterweise konnte in Herzen ausgewachsener cHccs+/- Mäuse gezeigt werden, dass ein verstärktes Größenwachstum der Kardiomyozyten zur Normalisierung der Herzgröße führt.

Die vorliegende Doktorarbeit zielt auf die Identifikation prä- und postnataler adaptiver Wachstumsmechanismen ab, welche dem hypoplastische cHccs+/- Herz die Anpassung der Organgröße und die Aufrechterhaltung einer normalen Herzfunktion im Verlauf des Lebens ermöglichen. Funktionelle Annotationsanalysen differenziell exprimierter Gene in neugeborenen cHccs+/- Herzen identifizierten viele Gencluster, welche im Aminosäuremetabolismus und in der Proteinhomeostase eine Rolle spielen. Die

„mechanistic target of rapamycin“ (mTOR) Signalkaskade ist ein zentraler Regulator des postnatalen kardialen Metabolismus und Wachstums und ist außerdem sensitiv gegenüber der Aminosäureverfügbarkeit. Wir vermuteten, dass sowohl eine ausgeglichene Aminosäurehomöostase als auch die Aktivität der mTOR Signalkaskade eine entscheidende Rolle bei der pränatalen Regeneration und dem postnatalen kompensatorischen Wachstum der cHccs+/- Herzen spielen und sind somit am Aufbau der regulären Organgröße und der Aufrechterhaltung der normalen postnatalen Herzfunktion beteiligt sind.

Tatsächlich haben wir eine erhöhte Aktivität der mTOR Signalkaskade in neugeborenen cHccs+/- Herzen im Vergleich zu Wurfkontrollen festgestellt. Um die Rolle der mTOR Signalkaskade hinsichtlich Entwicklung, Wachstum und Funktion der cHccs+/- Herzen zu analysieren, haben wir den mTOR Komplex 1 (mTORC1) in fetalen und neugeborenen Mäusen mittels einer Behandlung in trächtigen Weibchen inhibiert. Rapamycin-behandelte Neugeborene zeichneten sich durch ein vermindertes Gesamtwachstum sowie

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einer Entwicklungsverzögerung aus. Dabei war die kardiale Entwicklung besonders betroffen, was sich mit größter Deutlichkeit in den cHccs+/- Herzen zeigte (z.B. Reduktion von Herzgröße, -gewicht, Verhältnis von Herzgewicht zu Körpergewicht sowie deutliche Verdünnung und mangelnde Kompaktierung des ventrikulären Myokards). Proliferationsraten in Herzen Rapamycin-behandelten Neugeborenen waren nicht verändert. Jedoch konnte die verminderte Herzgröße auf eine verringerte Kardiomyozytengröße sowie auf eine erhöhte Apoptoserate (verglichen mit Vehikel-behandelten Neugeborenen) zurückgeführt werden.

Beide zellulären Veränderungen waren erneut besonders deutlich in den Rapamycin-behandelten cHccs+/- Herzen ausgeprägt. Diese Beobachtungen heben einerseits die Bedeutung der mTOR Signalkaskade für das grundlegende perinatale kardiale Wachstum hervor und zeigen andererseits, dass eine erhöhte Aktivität der mTOR Signalkaskade in cHccs+/- Herzen nach gestörter pränataler Entwicklung von besonderer Bedeutung ist.

Überraschenderweise führt die pränatale mTORC1 Inhibierung nur zu geringfügigen Veränderungen der Herzfunktion neugeborener Mäuse. Des Weiteren normalisierte sich das reduzierte Körper- und Herzgewicht der neugeborenen Rapamycin-behandelten Mäuse weitestgehend im weiteren Verlauf des Lebens bis zum Alter von 11 Wochen. Die postnatale Normalisierung der Herzgröße wird durch eine erhöhte Kardiomyozytengröße gewährleistet.

Vermehrte Ablagerungen extrazellulärer Matrix oder pathologische Fibrose waren dabei nicht zu beobachten. Anhaltspunkte für pathologische Zustände oder myokardialen Gewebeumbau in 11 Wochen alten Mausherzen nach pränataler Rapamycin-Behandlung wurden ebenfalls nicht gefunden. Auch die Herzfunktion war normal. Zusammenfassend schlagen wir die pränatale mTORC1-Inhibierung durch Rapamycin-Behandlung trächtiger Weibchen als ein neues IUGR Modell vor, welches Untersuchungen von Programmierungs-Mechanismen vor allem in der fötalen und perinatalen Entwicklung erlaubt.

Angesichts der Induktion von Aminosäuremetabolismus-relevanten Genen in neonatalen cHccs+/- Herzen, untersuchten wir die Auswirkungen prä- und postnataler Aminosäurerestriktion auf Herzentwicklung, -wachstum und -funktion. Hierfür wurde Mäusen während der gesamten Schwangerschaft eine Niedrigproteindiät („low protein diet“, LPD) gefüttert. Die Nachkommen wurden anschließend fortführend auf LPD gehalten. Zwar fanden wir keine weitreichenden Veränderungen hinsichtlich Körper- und Herzgröße neugeborener Hccs+/+ und cHccs+/- Mäuse, jedoch konnten wir eine deutlich erhöhte Kardiomyozytengröße in beiden LPD Genotypen verglichen mit den jeweiligen Standardproteindiät (SPD) Kontrollgruppen bei der Geburt feststellen. Um zu untersuchen, wodurch die Herzgröße trotz erhöhter Kardiomyozytengröße konstant gehalten wird, fokussierten wir uns auf Proliferationsraten. Kardiale Proliferationsraten in neugeborenen LPD Mäusen waren unverändert verglichen mit neugeborenen SPD Mäusen. Demnach könnte eine pränatale Aminosäurerestriktion jedoch Auswirkungen auf die Proliferationsraten in pränatalen Herzen

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haben und somit eventuell zu einer verringerten Zellzahl in neugeborenen Herzen führen.

Allerdings waren die Proliferationsraten in 13.5 dpc embryonalen Herzen ebenfalls nicht durch Aminosäurerestriktion verändert. Analysen der Proliferationsraten in fetalen LPD Herzen wurden bisher jedoch nicht durchgeführt. Herzgröße und -funktion in 11 Wochen alten ungestressten LPD Mäusen waren normal obwohl die Kardiomyozytengröße in adulten LPD Herzen verringert war. Diese Daten lassen daher vermuten, dass andere kardiale Zelltypen die verringerte Kardiomyozytengröße kompensieren, was in einem normalen Herzgewicht in 11 Wochen alten LPD Tieren resultiert. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass embryonale Mausherzen erstaunlich resistent gegenüber intrauteriner Aminosäurerestriktion sind. Jedoch scheint die späte Fetalphase die entscheidende und am meisten verwundbare Phase während der Entwicklung im Uterus zu sein, welche daher möglicherweise besonders empfindlich für maternale Mangelernährung ist. Perspektivisch könnte dies bedeutende Auswirkungen im Hinblick auf IUGR und der Prävention von Erkrankungen im Erwachsenenalter im Menschen haben.

INTRODUCTION