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Die isolierten Verbindungen zeigten im Proliferations-Assay mit HMEC-1 eine gute bis moderate anti-proliferative Aktivität. Darüber hinaus konnte für Substanzen 1 und 2 eine Hemmung der Migration und für Substanz 8 ein inhibitorischer Effekt auf die Tube-formation der mikrovaskulären Endothelzellen im einstelligen µM-Bereich ermittelt werden. Im Folgenden sollen diese Ergebnisse anhand von Strukturmerkmalen aber auch im Vergleich mit anderen Naturstoffen diskutiert werden.

3.2.4.1 Mögliche Struktur-Wirkungs-Beziehungen

Der Einfluss der Acyl-Seitenkette auf die anti-proliferative Aktivität macht sich bei den isolierten Verbindungen in der Hemmung der Proliferation bemerkbar, wobei eine höhere Lipophilie der Seitenkette wohl für die kleineren IC50-Werte verantwortlich zu sein scheint, wenn man die Werte der Isobutyryl- direkt mit denen der entsprechenden 2-Methylbutyryl-Derivaten vergleicht. Diese Tendenz ist im Hinblick auf eine anti-oxidative Aktivität auch für das Hyperguinone A und B gezeigt worden (Heilmann et al. 2003). Zudem erwies sich Substanz 8 im direkten Vergleich mit 7 als diejenige Verbindung mit der höheren anti-bakteriellen Aktivität gegen verschiedene Staphylococcus epidermidis und S. aureus Stämme (Sarkisian et al. 2012). Im Gegensatz dazu zeigten die beiden Verbindungen 7 und 8 in COX-1 und -2 sowie LOX-Assays ein völlig konträres Verhalten (Crockett et al. 2008). Zwei O-geranylierte Verbindungen aus H. densiflorum zeigen die gleiche gegenläufige Tendenz hinsichtliche der Acyl-Seitenkette in Bezug auf die Hemmung der COX-1 und -2 Aktivität (Henry et al. 2009).

Es lässt sich keine eindeutige Struktur-Wirkungs-Beziehung, aber eine Tendenz hinsichtlich der anti-proliferativen Aktivität auf HMEC-1 der isolierten Verbindungen ableiten: Die Methylbutyryl-Derivate sind im direkten Vergleich mit den strukturell sonst gleichen Isobutyryl-Derivaten aktiver.

3.2.4.2 Vergleich mit anderen anti-angiogen aktiven Naturstoffen

Hyperforin und das Aristoforin hemmen die Proliferation von HUVEC, dermalen LEC (lymphatic endothelial cells) und Lungen LEC im einstelligen µM-Bereich (Rothley et al.

2009). Es konnte außerdem eine Hemmung der Tube-formation von HBMEC (human bone marrow endothelial cells) bei c = 0,1 und 1 µg/ml ermittelt werden (Quiney et al. 2006a).

Aktiv zeigte sich das Hyperforin auch gegen HDMEC (human dermal microvascular endothelial cells) im Tube-formation assay bei 5 µg/ml (Schempp et al. 2005). Die Hemmung der Proliferation (IC50 7 ± 3 µM) und der Tube-formation an BAEC (bovine aorta endothelial cells) wurde bereits von Martinez-Poveda et al. (2005) für Hyperforin gezeigt, was einige Jahre später mit dem DCHA-stablisierten Salz und verschiedenen Hyperforin-Derivaten in beiden Assays bestätigt werden konnte (IC50 2,1 ± 0,7 µM, Martínez-Poveda et al. 2010). Hyperatomarin, ebenfalls ein Acylphloroglucinol-Derivat, zeigt auch anti-proliferative Aktivität gegenüber HUVEC (IC50 6,09 ± 2,20 µM, Biljali et al. 2012).

Das Humulon hemmt in Konzentrationen von 3 bis 30 µM im Tube-formation-Assay mit RLE (Rattenlungenendothel) sowie im Proliferations-Assay mit KOP2.16 (murinem Endothel, Shimamura et al. 2001). Auch Lupulon zeigt sowohl im Tube-formation-Assay als auch im Migrations-Assay mit HUVEC anti-angiogene Aktivität (Siegel et al. 2008). Das XAN wurde in der vorliegenden Arbeit im Proliferations-Assay als Positiv-Kontrolle eingesetzt (IC50 11,4 ± 1,1 µM), weil eine Hemmung der Migration (IC50 = 0,03 µM) als auch der Tube-formation (1, 5, 10 µM) an HMEC-1 gezeigt werden konnte (Mojzis et al. 2008). Isoxanthohumol, das Flavanon-Derivat des XAN zeigt in allen drei beschriebenen in vitro- Assays (Proliferation, Migration, Tube-formation) mit HMEC-1 eine gute Aktivität (Bertl et al. 2004).

Verschiedene Flavonoide hemmen die Proliferation von BBCE (bovine brain capillary endothelial), BAE (bovine aorta endothelial), ACE (adrenal cortex endothelial) und HUVEC (human umbilical vein endothelial cells). Zwei Flavone, nämlich das 3‘,4‘-Dihydroxyflavon und das Luteolin waren die potentesten Verbindungen im Proliferations-Assay mit IC50 -Werten von 1,4 bzw. 1,9 µM gegenüber BBCE. Die Aktivität gegenüber den anderen Endothelzellen war vergleichbar (Fotsis et al. 1997). Die in der vorliegenden Arbeit getesteten Verbindungen auf eine anti-proliferative Aktivität zeigen eine ähnliche Potenz wie andere phenolische Naturstoffe, was eventuell auf den phenolischen bzw.

polyphenolischen Charakter der Substanzen hindeutet. Allerdings waren sehr viele

verschiedene sowohl primäre makro- und mikrovaskuläre Endothelzellen als auch immortalisierte Zelllinien Gegenstand der diversen Untersuchungen. Für den Einsatz von Zelllinien spricht, dass sie oft besser charakterisiert werden können und stabiler sind (Bouïs et al. 2001).

Der anti-angiogene Effekt des Phloroglucinols auf endotheliale Vorläuferzellen (EPC, Kwon et al. 2012) konnte zumindest im Tube-formation-Assay mit HMEC-1 nicht bestätigt werden (Abbildung 119, S. 151). Ein entscheidender Grund liegt möglicherweise in der Zellart. Neben HUVEC, welche Endothelzellen aus großen Gefäßen darstellen und HMVEC, also humanen mikrovaskulären Endothelzellen sollen vor allem die EPCs die entscheidende Rolle bei der Tumor-Angiogenese spielen (Bagley et al. 2003, Nikitenko und Boshoff 2006). In einer Untersuchung von Mukai et al. (2008) wird die Beteiligung von Früh- und Spät-Formen von EPCs in Zusammenhang mit HUVEC in verschiedenen in vitro und in vivo-Modellen diskutiert, wobei wohl nur die Spät-Form an der Ausbildung neuer Blutgefäße beteiligt ist.

Es sind weitere Untersuchungen in in vivo-Assays notwendig, um die anti-angiogene in vitro-Aktivität für Substanz 8 zu bestätigen. Gerade weil die beiden Substanzen 7 und 8, wie bereits unter 3.2.4.1 angedeutet, sowohl proliferative (Tabelle 40, S. 146) als auch anti-oxidative Aktivitäten zeigen (Crockett et al. 2008), sollte dem prinzipiellen Zusammenhang zwischen angiopräventiven und auch anti-angiogenen Effekten nachgegangen werden, was für das Celecoxib von Masferrer et al. (2000) bereits in vitro als auch in vivo gezeigt werden konnte. Ansatzpunkte für die Inhibierung verschiedener Signaltransduktionswege, die bei dem komplexen Vorgang der Angiogenese eine Rolle spielen könnten, sind bei Albini et al.

(2007) zu finden.

4 Zusammenfassung

Hypericum gehört mit etwa 450 Arten zu einer der größten Gattungen innerhalb der Ordnung der Malpighiales. Verschiedene Botaniker, darunter auch N.K.B. Robson, haben eine Einteilung der Arten in insgesamt 36 Sektionen vorgenommen. Die in der vorliegenden Arbeit untersuchte Art Hypericum empetrifolium gehört neben fünf weiteren Arten zur Sektion 19 Coridium und wird in Griechenland und der Türkei volksmedizinisch unter anderem gegen Magengeschwüre und zur Wundheilung eingesetzt. Es konnten bereits anti-oxidative, anti-inflammatorische als auch zytotoxische sowie anti-bakterielle Aktivitäten für vorwiegend methanolische Extrakte nachgewiesen werden. Neben einigen analytischen Arbeiten zur Zusammensetzung des ätherischen Öls sowie dem Gehalt an Flavonoiden bzw.

den Naphthodianthronen Hypericin und Pseudohypericin ist die Art phytochemisch kaum untersucht.

In der vorliegenden Arbeit konnten 23 Acylphloroglucinolderivate per DC- aber insbesondere NMR-geleiteter Fraktionierung mittels Flash-Chromatographie an Kieselgel und RP-18, sowie präparativer HPLC an RP-18 aus einem Petrolether-Extrakt aus den oberirdischen Teilen von H. empetrifolium isoliert werden. Die Strukturaufklärung erfolgte mit Hilfe von 1D und 2D-NMR-spektroskopischen als auch hochaufgelösten massenspektrometrischen Daten. Bei den Verbindungen handelt es sich um mono-, bi-, tri- und polyzyklische Phloroglucinole, die durchweg eine aliphatische Acyl-Seitenkette besitzen. Die Monozyklen (1-9) waren bis auf die O-prenylierte Substanz 6 allesamt C-geranyliert, wobei Empetrifelixin A-D (1-4) und Empetrikajaforin (5) ungewöhnliche Terpen-Addukte darstellen, bei denen ein Limonen bzw.

Bornan-Rest mit einer Sauerstofffunktion des Phloroglucinol-Gerüstes verknüpft ist. Darüber hinaus konnten drei trizyklische Verbindungen mit einer Xanthen-Struktur (Empetriferdinan A und B, Empetriferdinol, 18-20) sowie drei polyzyklische Acylphloroglucinole (Empetrifranzinan A-C, 21-23) mit einem Citran-Grundgerüst isoliert werden. Den bizyklischen Chroman- und Chromen-Derivaten (10-17) könnte für die Sektion 19 eine Rolle als ‚Biomarker‘ zukommen, da ähnliche Verbindungen in allen der bisher untersuchten Arten von Coridium nachgewiesen werden konnten.

Hyperforin, das wohl bekannteste polyprenylierte Acylphloroglucinol aus Hypericum perforatum kann als einer der wirksamkeitsmitbestimmenden Inhaltsstoffe im Hinblick auf die antidepressive Wirkung des Johanniskrautes angesehen werden. Darüber hinaus konnten in den letzten Jahren anti-angiogene Effekte auf humane Endothelzellen sowohl in vitro als auch in vivo beschrieben werden. Die Hemmung der Angiogenese spielt mittlerweile eine wichtige Rolle in der Behandlung verschiedener Tumorerkrankungen sowie in der Therapie der altersbedingten Makuladegeneration (AMD).

In der vorliegenden Arbeit wurden die in ausreichender Menge isolierten Verbindungen zunächst auf eine mögliche anti-proliferative in vitro Aktivität gegen humane mikrovaskuläre Endothelzellen (HMEC-1) getestet. Die ermittelten IC50-Werte lagen im Konzentrationsbereich von 6 bis 30 µM. Die beiden aktivsten Verbindungen, Empetrifelixin A (1) und Empetrifelixin B (2) zeigten in einem weiteren in vitro-Assay einen hemmenden Effekt auf die Migration der HMEC in den Konzentrationen 1, 10 und 20 µM.

Für die weitere Testung wurde Substanz 8 verwendet, welche in wesentlich höherer Menge aus dem Extrakt isoliert werden konnte und im Proliferations-Assay eine ähnlich gute Aktivität wie 1 und 2 zeigte. In einem Tube-formation Assay hemmte die Verbindung in den Konzentrationen 6,25 und 12,5 µM die Fähigkeit der Endothelzellen, sogenannte ‚Tubes‘ auf einer extrazellulären Matrix (MatrigelTM) auszubilden. Die Ausformung kapillarähnlicher Strukturen war bis auf 50% reduziert, wobei die Viabilität der Zellen in einem MTT-Assay überprüft und offensichtlich nicht beeinflusst wurde. Als Kontrolle diente Phloroglucin (1,3,5-Trihydroxybenzol), welches die Bioaktivität von endothelialen Vorläuferzellen zu hemmen in der Lage war (Kwon et al. 2012). In der vorliegenden Arbeit allerdings konnte im Konzentrationsbereich von 6,25 bis 50 µM keine Auswirkung weder auf die Proliferation noch die Tube-formation von HMEC-1 festgestellt werden.

In weiteren in vivo-Assays müssen diese ersten Ergebnisse der Acylphloroglucinolderivate aus Hypericum empetrifolium bestätigt werden, um anschließend den Mechanismus der anti-angiogenen Aktivität der Substanzen näher zu beleuchten.

Darüber hinaus sind systematische phytochemische Untersuchungen, insbesondere der Arten der Sektion 19 notwendig, um die in der vorliegenden Arbeit angedeuteten chemotaxonomischen Zusammenhänge zu bestätigen.