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Zusammenfassung Peer-Beziehung

4. Ergebnisse

4.2 Peer-Beziehung

4.2.7 Zusammenfassung Peer-Beziehung

Eine wichtige Voraussetzung des Peer Counseling-Ansatzes findet sich in der Notwenigkeit, eine all-tagsnahe zwischenmenschliche Beziehung zu konstituieren, damit unter anderem Ratsuchende Hilfe annehmen können und eine präventive Wirkung erreicht werden kann (vgl. Nörber 2003: 56). In den untersuchten Peer-Tandems scheinen sich teilweise geeignete Voraussetzungen für eine tragfähige Coaching-Beziehung im Sinne von gegenseitigem Verständnis sowie wechselseitigem Vertrauen und Wertschätzung nach Schäfter (vgl. 2010) entwickelt zu haben.

In diesem Rahmen zeigen die Antworten der Jugendlichen zur Motivation, dass die meisten der Peers und Peer Coaches grundsätzlich motiviert sind, sich im Rahmen des Peer Counselings auszutauschen.

Die Antworten weisen jedoch darauf hin, dass dies insbesondere zu Beginn des KOM-Programms der Fall ist. Während des KOM-Jahres scheint diese Motivation jedoch tendenziell abzunehmen. Die Ju-gendlichen berichten in den Interviews zudem von verschiedenen individuellen (z.B. Sympathie, per-sönliche Stimmung, Vergessen etc.) und strukturellen Faktoren (z.B. Zeit-Ressource), welche ihre Motivation generell gefördert oder behindert haben.

Verschiedene Aussagen der Peer Coaches zeigen, dass eine altruistische Haltung des Coaches (ei-nem Gleichaltrigen mit ähnlicher Ausgangslage helfen zu wollen) eine motivationsförderliche Kom-ponente darstellen kann. Zudem kann mitspielen, dass die Peer Coaches in ihrem (vorhergegangenem) Jahr als Peer schlechte Erfahrungen mit ihrem damaligen Coach gemacht haben. Es ist demnach als Reaktion und Ansporn zu verstehen, die eigene Leistung entsprechend daran zu messen oder es besser zu machen.

Für eine tragfähige Coaching-Beziehung ist nach Schäfter wichtig, dass in der Beziehung u.a. ein wechselseitiges Vertrauen (vgl. Schäfter 2010: 102) vorhanden ist. Seitens der Coaches wird diesbe-züglich hervorgehoben, dass das Signalisieren von Hilfsbereitschaft eine gute Basis für Vertrauen schafft. Zudem wird ein kollegialer Umgang miteinander als Weg zum ungezwungenen Austausch und zur Vertrauensbildung deklariert. Beides scheint für einen empathischen und lockeren Austausch und somit einen vertrauensvollen Umgang essentiell und eröffnet die Chance, dass insbesondere die Peers ein Gefühl des Angenommen-Seins und der Wertschätzung entwickeln können. Weiter sind sowohl für Coaches als auch für Peers Gefühle wie „sich verstanden fühlen“ und „den anderen verstehen“ vertrauensförderlich und können dazu führen, dass auch schwierige Themen im Peer Counseling besprochen werden. Diese Antworten schliessen an die Überlegungen von Schäfter (2010) an, dass tragfähige Beratungsbeziehungen auch durch gegenseitiges Verständnis gefördert werden.

Demnach scheint es zentral, dass auch der Peer Coach von sich selbst erzählt und dadurch die Gefahr kleiner ist, dass ein einseitiges Verstehen die Beziehungsqualität mindert.

Neben weiteren förderlichen Faktoren wie Erfahrung des Coaches, Sympathie oder Offenheit, sind auch Hinweise für Misstrauen in den Antworten der Jugendlichen identifizierbar. Insbesondere die ausdrückliche Ablehnung persönlicher Treffen ist keine gute Basis für ein Gefühl des Vertrauens.

Deshalb und hinsichtlich der oben aufgeführten Erkenntnisse erscheint die Vorbereitung von Peers und Coaches im Themenbereich „vertrauensvolle Beziehung“ zu Beginn des Programms angezeigt.

Für eine Beziehungsentwicklung ist der Austausch zwischen Peer Coach und Peer vorausgesetzt. Die Jugendlichen haben sich in den Interviews dazu geäussert, welche Faktoren einen Austausch er-schweren können. Aus den Interviews geht hervor, dass die geringe Erreichbarkeit des/der Tandem-Partners/-in für den Austausch erschwerend sein kann. Hierbei erscheint es wichtig, dass die Tandems zu Beginn des Programms klären, wann jemand beispielsweise in internetbasierten sozialen Netzwer-ken „online“ sein kann oder welche Zeitfenster regelmässig nicht zur Verfügung stehen. Den Aspekt der Nutzung neuer Medien bietet neben Chancen auch Gefahren für den Austausch in

Peer-Beziehungen. Demnach können falsch platzierte Nachrichten – je nach dem – zu unliebsamen Reak-tionen aus mitlesenden Kreisen führen. Es ist hierbei angezeigt, dass die Nutzungsmöglichkeiten neuer Medien im Rahmen von Medienkompetenz-Förderung thematisiert werden. Von einzelnen Jugendli-chen wurde zudem als erschwerend beschrieben, dass ein Coach die Verantwortung für zwei Peers hatte und ihm entsprechend weniger Zeit für die einzelnen Peers zur Verfügung stand und vom Coach als (zu) grosse Verantwortung erlebt wurde. Letztlich zeigt ein Interview, dass eine vorab bestehende private Beziehung zwischen Jugendlichen kein Garant für eine spätere tragfähige Peer Counseling-Beziehung ist. Private Konflikte können sich folglich auf den Verlauf des Programms und dessen Ge-lingen auswirken.

Peers und Peer Coaches äusserten sich in den Interviews zu verschiedenen Erwartungen an ihr Gegen-über. Werden diese Erwartungen erfüllt oder nicht, kann dies letztlich zu einer positiven resp. negati-ven Einschätzung des Austauschs und/oder der Peer-Beziehung führen. Über alle interviewten Jugend-lichen hinweg lässt sich feststellen, dass das persönliche Interesse an den KOM-Themen (Ernäh-rung, Sport, Gewicht, etc.) an sich eine Erwartung ist, die Peers und Peer Coaches gegenseitig an sich stellen. Weiter wird von den meisten Peers erwartet, dass die Coaches ihre Fragen beantworten können und dass diese an den KOM-Veranstaltungen präsent sind.

Bei den Erwartungen an die Peers sind neben Ehrlichkeit oder Interesse am Thema insbesondere die Bringschuld von Fragen sowie die Erreichbarkeit über neue Medien zu erwähnen. Demnach sol-len die Peers grundsätzlich auf die Coaches zukommen, wenn sie ein Unterstützungsbedürfnis haben.

Nach Nörber ist neben verschiedenen anderen Voraussetzungen für ein gelingendes Peer Counseling vom Coach insbesondere gefordert, sich als „gleichen“ Tandem-Partner zu geben und kein Machtge-fälle offensichtlich und für den Peer spürbar zu machen (vgl. Nörber 2003: 57). Dabei ist in den Ant-worten der Jugendlichen deren Definitionen des Beziehungsstatus bzw. des eigenen Rollenverständnis interessant. Die Mehrheit der Jugendlichen bezeichnet sich gegenüber dem Peer-Tandem-Partner als Kollegin, resp. Kollege. Dies vor allem deshalb, weil sie neben KOM-Themen auch andere Sachen bereden können und die Beziehung als ebenbürtig erleben. In diesem Kontext nannte ein Jugendli-cher die Wichtigkeit eines dynamischen Rollenverständnis'. Dies bedeutet gemäss dem Jugendlichen, dass je nach Situation und thematischem Inhalt eher die Funktion als Lehrer eingenommen wird (z.B.

Fragen beantworten) oder bei privaten und schwierigen Themen die Funktion des Kollegen adäquat erscheint. Eine solche Flexibilität und ein Feingefühl wären in diesem Kontext wertvoll, aber auch entsprechend anspruchsvoll.

Vereinzelt wurden die Peer-Beziehungen von den Jugendlichen auch als problematisch eingestuft.

Dabei wurden als Gründe Antipathie, Ablehnung des Kontakts oder persönliche Probleme genannt. Es

scheint offensichtlich, dass es in der Planung der Peer-Tandems schwierig ist, solche Konstellationen vorherzusehen. Konstruierte Peer-Tandems sind nicht immer konfliktfrei und müssen deshalb mit entsprechendem Feingefühl implementiert und begleitet werden. So erscheint es angezeigt, dass sei-tens der Peer Counseling-Leitung, gerade in der insei-tensiven Anfangsphase, besondere Aufmerksamkeit im Hinblick solcher Tendenzen gesetzt wird. Dies insbesondere auch deshalb, weil die erste Phase des Programms hoch relevant ist, damit sich eine vertrauensvolle und tragfähige Peer-Beziehung entwi-ckeln und sich letztendlich die Chance des intendierten Nutzens, bzw. die Wirkung für Peer und Peer Coaches, erhöhen kann.