• Keine Ergebnisse gefunden

Flexibilität, keine baulichen Maßnahmen und ökologische Verbesserungen

Im Dokument Oasen im Beton (Seite 69-72)

4. URBAN GARDENING ALS INSTRUMENT ZUR REAKTIVIERUNG VON

4.2. Kann Urban Gardening die bekannten Wiedernutzungshemmnisse umgehen?

4.2.1. Flexibilität, keine baulichen Maßnahmen und ökologische Verbesserungen

Viele Nutzungsideen werden auf Brachflächen nicht umgesetzt, weil Investoren wegen ihrer baulich-strukturellen Mängel mit versteckten Kosten in unbekannter Höhe rechnen müssen. Zu diesen Mängeln zählen klassischerweise die zuvor in dieser Arbeit beschriebenen Sanierungsmaßnahmen von Fundamen-ten oder anderen GebäuderesFundamen-ten, AltlasFundamen-ten, durch die der Erdboden kontaminiert ist, und Ausgleichsmaß-nahmen, die Investoren im Gegenzug für ihre baulichen Maßnahmen durchführen müssen. Diesen Hin-dernissen begegnen urbane Gemeinschaftsgärten mit einer großen Anpassungsfähigkeit.

Umgang mit Fundamenten

Für den Aufbau eines Gemeinschaftsgartens benötigen die Initiativen Raum, auf dem sie gärtnern können, das heißt entweder Frei- oder unbebaute Fläche, da auch in mobilen Behältern ohne Erdboden ange-pflanzt werden kann. Auf vielen Flächen der befragten urbanen Gärten befinden sich verschiedene Rest-bestände an Leitungen, Fundamenten oder Bauteilen, die von den vorherigen Nutzungen übrig geblieben sind. So lange trotz dieser genug Anbaufläche besteht und für die Sicherheit der Gärtner gesorgt ist, kön-nen die Garteninitiativen äußerst flexibel auf diese Restbestände reagieren.

Die meisten Gemeinschaftsgärten entstehen aus ehrenamtlichem Einsatz der Teilnehmer, größere

Geldbe-träge stehen den Gärten kaum zur Verfügung. Kostenintensive Umstrukturierungen der Flächen sind

da-mit nicht möglich. Folglich gehen die Garteninitiativen da-mit dem um, was der Ort hergibt. So werden

Fun-damente wenn möglich selbsttätig entfernt, ignoriert oder kreativ in die Gestaltung des Gartens

einbezo-gen. Tote Wasserleitungen können im Boden verbleiben, entfernbare Elemente wie Plastikrohre, Kabel

oder Metallschrott werden von den Gärtnern entsorgt. In einem Projekt wurde ein vorhandenes

Schwimmbad mit Erde gefüllt und als Beet integriert (vgl. Website Simonswolde). In einem anderen

Pro-jekt beließ man ein kleines Fundament ebenfalls und stellte einfach eine Regentonne darauf. Die Sandkuh-le eines abgerissenen Wohnhauses wurde mit Kompost und Pferdemist versetzt, um den Boden für An-pflanzungen bereitzustellen.

Umgang mit Altlasten und Bodenkontamination

Auch mit Altlasten und der Kontamination von Böden müssen sich neue Nutzungen auf Brachflächen in vielen Fällen auseinandersetzen. Dabei gelten gerade Altlasten als eine der größten Hemmnisfaktoren (vgl. Kapitel 2.5.1). Beim Umgang mit schadstoffbelasteten Böden unterstreicht die Urban Gardening Be-wegung ihre Flexibilität und umgeht die Altlastenproblematik auf pragmatisch-kreative Weise: Sie setzt ihr Konzept in Form eines mobilen Gartens um, wie es bspw. die Initiatoren des Prinzessinnengartens getan haben (vgl. Kapitel 3.5.1).

Die Idee ist einfach: An Stelle einer Pflanzung in den Boden wird in diesen Gärten in diversen transportab-len Kisten und Behältern gegärtnert, die mit ungiftiger Erde befüllt werden und selbst keine Schadstoffe freisetzen. Verwendung finden hierbei ausrangierte Bäcker- oder Lebensmittelkisten, Tetrapaks, Reissä-cke, Fässer und Hochbeete, die auf Europaletten gestellt werden, oder skurrile Objekte wie Waschbecken oder Badewannen.

10

So kann die Anpflanzung unabhängig vom Erdboden und möglichen Kontaminatio-nen durchgeführt und die Errichtung des Garten sofort umgesetzt werden, sobald die Absprachen mit dem Eigentümer erfolgreich beendet wurden.

Diese mobile Art des Urban Gardening bietet einen weiteren Vorteil: Sie ermöglicht die Entstehung eines Gartens auch auf versiegelten Flächen oder Flachdächern. Für den Aufbau eines mobilen Gartens ent-scheiden sich viele Initiativen auch, um rasch umziehen zu können. So können die Kästen relativ einfach in entfernt liegende Winterquartiere gebracht, unter den Teilnehmern verteilt, an Kooperationspartner ab-gegeben oder auf externen Veranstaltungen eingesetzt werden. Bei einem Umzug des Gartens können die Pflanzen mitgenommen werden. Das erlaubt, die bereits gewachsenen Pflanzen weiterzuentwickeln.

Abb. 31 Urbanes Gärtnern in Reissäcken und Lebensmittelkisten, UrbanOase Dortmund (Quelle: Eige-nes Foto)

10 Gesehen bei einem Besuch des Stadtgarten Nürnberg im September 2012

Urban Gardening als Instrument zur Reaktivierung von Brachflächen 59

Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen

Plant ein Flächeneigentümer auf seinem Grund bauliche Maßnahmen durchzuführen, so ist er laut §15 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) als Verursacher des Eingriffs zur Veranlassung und Finanzierung einer Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahme verpflichtet. Land-, forst- und fischereiwirtschaftliche Bodennut-zung sind von dieser Regelung ausgenommen

solange sie die Ziele von Naturschutz und Landschafts-pflege, wie sie im §1 BNatSchG definiert sind, berücksichtigen.

Die Gemeinschaftsgärten stellen eine Art landwirtschaftlicher Tätigkeit im kleinen Rahmen dar und arbei-ten als solche mit den Ressourcen des Bodens, deren unbeeinträchtigte Funktion Basis für den Anbau der Pflanzen in den Gärten ist. Wie bereits in Kapitel 3.4.3 dargestellt, ist den Gärtnern eine klimatische Ver-besserung und der ökologische und biologische Anbau von Nahrungsmitteln sehr wichtig und ein Grund zur aktiven Teilnahme in den Gärten. Durch den vielfältigen Anbau verschiedener Pflanzen, den Einsatz von Permakultur und der Verwendung sortenreiner Saat werden die ökologischen Funktionen des Bodens bewusst gestärkt. Ein Schutz der biologischen Vielfalt, der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Natur-haushaltes und der Vielfalt, Eigenart und Schönheit, wie sie als Ziele des Naturschutzes in BNatSchG §1 Abs. 1 definiert werden, sind folglich immanenter Bestand der Gartenprojekte.

Abb. 32 Die im Zuge von Baumaßnahmen verursachten Bodenversiegelungen müssen durch Ersatz- oder Ausgleichsflächen egalisiert werden (Quelle: Website Hausbauinhaburg)

Die Gründung eines urbanen Gemeinschaftsgartens beinhaltet kaum bauliche Maßnahmen. Diese finden in

den Gärten im kleinen Rahmen nur in Form der Errichtung einer Gartenhütte oder eines

Werkzeugschup-pens statt. Bodenversiegelungen sind dabei flächenbezogen als gering zu betrachten und fallen im

Ver-gleich schwächer aus als in Kleingartenanlagen. Gemeinschaftsgärten unterstützen vielmehr eine

natürli-che Entwicklung im dicht bebauten urbanen Raum als dass sie als Eingriff deklariert werden können. Sie

stellen ein Konzept dar, mit dem die Ökologie und das Mikroklima eines Ortes verbessert werden und

Natur in die Stadt gebracht wird. In mobiler Form können diese Gärten selbst auf versiegelten Flächen klimatische Verbesserungen erwirken und Natur entstehen lassen.

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass im Gegensatz zu anderen Neunutzungen von Brachflächen urbane Gemeinschaftsgärten von der in §14 und §15 des BNatSchG festgelegten Ausgleichs- und Ersatzregelung nicht betroffen sind. Dies gilt auch für den Denkmalschutz, da sich die Konzeption der Gärten nicht auf die Nutzung von Gebäuden bezieht.

Zwischenfazit

Für urbane Gemeinschaftsgärten stellen die Auseinandersetzung mit Fundamenten,

Sanierungsmaßnah-men, Altlasten oder Ausgleichsflächen kein Hindernis für die Errichtung des Gartens dar. Das hängt vor

allem mit dem Fehlen baulicher Maßnahmen und der Flexibilität der Gärten zusammen. Diese Flexibilität

lässt sich bereits aus der Vielfältigkeit der Flächen, an denen die Gärten entstehen, ablesen und vom

parti-zipatorischen Aufbau ableiten (vgl. Kapitel 4.1.2 und 3.5), denn: ein öffentlicher Ort, an dem Menschen aus

unterschiedlichen Kultur- und Altersgruppen mit verschiedenen Prägungen, Vorstellungen und Wünschen

zusammenkommen, individuell oder gemeinsam Inhalte erarbeiten und einbringen, muss zwangsläufig

eine gewisse Flexibilität in Form und Inhalt aufweisen. Die Bereitschaft der Gärtner, dies anzunehmen, ist

immanent und wirkt sich auch auf die Ansprüche an potentielle Flächen aus.

Im Dokument Oasen im Beton (Seite 69-72)