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Dennis Rubbenstroth

Untersuchungen zur Taxonomie des Genus Riemerella und Diagnostik von Riemerella-Infektionen beim Wirtschaftsgeflügel und bei Tauben

Riemerella anatipestifer (RA) und Riemerella columbina (RC) bilden gemeinsam den Genus Riemerella innerhalb der Familie der Flavobacteriaceae. RA hat große wirtschaftliche Bedeutung als Erreger der „Infektiösen Serositis“ des Wassergeflügels, ebenso wie als Sekundärerreger bei anderen Geflügelspezies, vor allem der Pute. In Deutschland ist RA vor allem in Regionen mit hoher Geflügeldichte weit verbreitet. Im Gegensatz dazu wurde RC bislang vor allem aus Tauben isoliert. Die Bedeutung des Keims als Krankheitserreger ist noch weitgehend unklar, auch wenn sein Nachweis in Reinkultur aus pathologisch veränderten Organen erkrankter Tauben ein zumindest fakultativ pathogenes Potential vermuten lässt.

Erkenntnisse über das Vorkommen von RC beim Wirtschaftsgeflügel liegen nicht vor.

Trotz der großen wirtschaftlichen Bedeutung von RA sind noch immer viele Fragen in Bezug auf die Diagnostik von Riemerella-Infektionen offen. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass RA und RC nur eine geringe biochemische Aktivität besitzen und daher nur schwer voneinander oder von anderen Vertretern der Flavobacteriaceae abzugrenzen sind. Das Ziel dieser Studie war daher, neue Erkenntnisse zur Identifikation und Typisierung von Riemerella spp. zu liefern und dadurch dazu beizutragen, die Diagnostik von Riemerella-Infektionen zu verbessern.

Ziel des ersten Teilprojekts dieser Dissertation (Kapitel 4) war es, die Rolle und Verbreitung von RC in Taubenpopulationen zu untersuchen und die gesammelten Isolate phenotypisch und genotypisch zu analysieren. Etwa 70 % der untersuchten Rachentupferproben von gesunden Haus- bzw. Stadttauben (Columba livia f. domestica) und Ringeltauben (Columba palumbus) waren positiv. Dies spricht zum einen für eine weite Verbreitung des Erregers in norddeutschen Taubenpopulationen, zum anderen deuten die Zahlen an, dass RC bestenfalls als fakultativ pathogener Erreger einzustufen ist. Die Fähigkeit zur Hydrolyse von Äskulin wurde bisher als wichtigstes Merkmal zur biochemischen Abgrenzung von RC gegenüber RA beschrieben.

Jedoch fehlte 17 der insgesamt 81 im Rahmen dieser Studie untersuchten RC-Isolate dieses

Merkmal, so dass sie mit biochemischen Routineuntersuchungen nicht von RA zu unterscheiden waren. Als alternative Methoden zur Differenzierung wurde neben der Sequenzanalyse des 16S rRNA Gens und des „outer memrane protein A“ (ompA) Gens auch die massenspektrometrische Analyse mittels „Matrix assisted laser desorption/ionisation - time of flight mass spectrometry“ (MALDI-TOF MS) getestet. Mit Hilfe dieser Methode konnten alle getesteten RC-Stämme korrekt identifiziert und von RA abgegrenzt werden.

Im Rahme derselben Studie wurden außerdem elf weitere Bakterien-Stämme von den Rachenschleimhäuten untersuchter Tauben isoliert, die morphologisch und biochemisch große Ähnlichkeit mit den bekannten Vertretern des Genus Riemerella aufwiesen. Ziel des zweiten Teilprojekts der Dissertation (Kapitel 5) war daher eine umfassende phenotypische und genotypische Charakterisierung sowie die auf diesen Daten basierende taxonomische Einordnung der Tauben-Isolate. Die Isolate ließen sich von RC zuverlässig durch die fehlende Pigment-Expression sowie durch das Fehlen einer CAMP-Cohämolyse-Reaktion unterscheiden.

Im Gegensatz dazu war eine morphologische oder biochemische Differenzierung der neuen Isolate von RA nicht möglich. Das Verhalten der Tauben-Isolate in Kultur unterschied sich von dem der beiden bekannten Riemerella-Vertreter dahingehend, dass sie unter mikroaeroben Bedingungen langsameres Wachstum zeigten und während der Lagerung im Kühlschrank nur für kurze Zeit lebensfähig blieben. Diese Eigenschaften eignen sich jedoch nur sehr bedingt als diagnostische Unterscheidungsmerkmale. Die Analyse von MALDI-TOF Massenspektren ergab eine hohe Übereinstimmung der elf Isolate untereinander sowie eine deutliche Abgrenzung zu RA und RC sowie zu weiteren getesteten Vertretern der Flavobacteriacea-Familie. Phylogenetische Analysen der 16S rRNA und „RNA polymerase beta subunit“ (rpoB) Gene sprachen für eine Klassifizierung der Isolate als neue Spezies innerhalb des Genus Riemerella. Der vorgeschlagene Name für die neue Spezies ist Riemerella columbipharyngis sp.

nov. (RCP). Da alle elf bisherigen Stämme aus gesunden Tauben isoliert wurden, kann davon ausgegangen werden, dass RCP voraussichtlich keine große Pathogenität für Tauben besitzt.

Die Ergebnisse der Kapitel 4 & 5 haben gezeigt, dass es aufgrund der recht geringen biochemischen und morphologischen Unterschiede der Riemerella-Vertreter schwierig ist, diese sicher mit Hilfe etablierter routine-diagnostischer Methoden voneinander zu differenzieren. Für die Diagnostik von RA besteht trotz seiner großen Bedeutung als Geflügelpathogen die Problematik, dass molekularbiologische Nachweis- und Typisierungsverfahren nicht in

ausreichendem Maße etabliert und standardisiert sind. Das Ziel des dritten Teilprojekts (Kapitel 6) bestand daher darin, alternative Methoden für den Nachweis und die Identifikation von RA zu entwickeln bzw. zu validieren.

PCR-Tests eignen sich sowohl zur sicheren Identifikation von Bakterien-Isolaten, als auch zum schnellen und sensitiven Nachweis von Erregern direkt aus diagnostischem Material. Für den Nachweis von RA wurden mehrere Tests veröffentlicht, von denen sich jedoch aufgrund unzureichender Spezifität oder fehlendem Nachweis aller RA-Varianten keiner für den Einsatz in der Routinediagnostik eignet. Ein weiterer als potentielle Diagnostik-PCR veröffentlichter Test lieferte im Rahmen dieses Projekts falsch positive Ergebnisse bei der Untersuchung von Trachealtupfern aus RA-freien Puten.

Aufgrund des Fehlens einer spezifischen PCR wurde, basierend auf Sequenzen von 20 RA-Serotyp-Referenzstämmen, ein neuer PCR-Test entwickelt. Der Test lieferte Banden der korrekten Größe mit allen 20 Referenzstämmen und mit allen 18 getesteten RA-Feldisolaten verschiedener Serotypen. Negative Ergebnisse wurden mit 10 Nicht-RA-Stämmen (u.a. RC, RCP, Ornithobacterium rhinotracheale, Coenonia anatina) sowie Tupfern von RA-freien Puten erzielt. Die vergleichende Untersuchung von eingesandten Proben aus 69 Geflügelbeständen zeigte eine gute Übereinstimmung zwischen RA-Anzucht und PCR-Nachweis. Insgesamt 28 der 69 Bestände waren positiv mit beiden Verfahren, während im Fall von drei Beständen, für die die Anzucht aufgrund langer Versanddauern unmöglich war, RA nur noch mit der PCR nachgewiesen werden konnte.

Wie schon in den vorangegangenen Teilprojekten für RC und RCP gezeigt, eignete sich die massen-spektrometrische Analyse von Protein-Profilen mittels MALDI-TOF MS auch für den schnellen und zuverlässigen Nachweis von RA. Innerhalb der Gruppe der RA Stämme konnte eine weitere Unterteilung der Profile in verschiedene Untergruppen beobachtet werden. Vor allem eine Gruppe von 12 möglicherweise in epidemiologischem Zusammenhang stehenden RA-Isolaten aus Puten bildete einen deutlich abzugrenzenden Subcluster. Inwieweit die Zuordnung zu derartigen Subclustern in Zukunft auch für diagnostische oder epidemiologische Aussagen herangezogen werden kann, bedarf weiterer Untersuchungen.

Die Serotypisierung ist ein weiterer wichtiger Baustein der Diagnostik von RA-Infektionen. Da zwischen den einzelnen RA-Serotypen bestenfalls geringe Kreuzimmunität besteht, ist das

Wissen über die in einem Bestand oder einer Region zirkulierenden Serotypen von großer Bedeutung für die Auswahl und Herstellung bestandsspezifischer Vakzinen. In der Praxis wird die Serotypisierung von RA jedoch dadurch erschwert, dass Referenzseren nur einer kleinen Zahl spezialisierter Labore zur Verfügung stehen. Die Verfügbarkeit eines Satzes kommerziell erhältlicher Anti-RA-Seren könnte hier Abhilfe schaffen. Da das angebotene kommerzielle System jedoch nicht auf Serotyp-Referenzstämmen basiert und die Bezeichnungen der Seren von der allgemein akzeptierten Nomenklatur für RA-Serotypen abweicht, kann es bei paralleler Anwendung beider Nomenklaturen zu Missverständnissen und Fehlinterpretationen kommen.

Um eine bessere Vergleichbarkeit des kommerziellen Systems mit der RA-Serotyp-Nomenklatur zu erreichen, wurden im Rahmen dieser Studie RA-Serotyp-Referenzstämme und Feldisolate mit den kommerziellen Anti-RA-Seren getestet. Von den 14 kommerziellen Seren reagierten sechs Seren mit jeweils einem RA-Referenzstamm, vier Seren reagierten mit mehr als einem der getesteten Stämme, während die verbliebenen vier Seren keinen der getesteten Stämme agglutinierten. Diese Ergebnisse verdeutlichen, dass bei der Interpretation von Serotypisierung-Ergebnissen die Kenntnis über das verwendete System sowie dessen Besonderheiten von großer Bedeutung sind.

Die vorliegende Dissertation beschreibt die Isolation der neuen Riemerella-Spezies RCP sowie atypischer Isolate der Spezies RC aus Rachentupfern gesunder Tauben. Die Charakterisierung dieser neuen Vertreter des Genus Riemerella deckte Probleme in der sicheren biochemischen Abgrenzung gegenüber dem wirtschaftlich bedeutenden Geflügel-Pathogen RA auf. Es konnte gezeigt werden, dass Spezies-Bestimmung mittels MALDI-TOF MS das Potential besitzt, dieses diagnostische Problem zu lösen. Darüber hinaus wurde ein neuer, RA-spezifischer PCR-Test etabliert und validiert, der sich zur Identifikation sowie zum raschen und sensitiven Nachweis von RA direkt aus diagnostischem Material eignet. Zusammengefasst tragen die Ergebnisse dieser Dissertation dazu bei, die Möglichkeiten der Diagnostik von Riemerella-Infektionen des Geflügels weiter zu verbessern.