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Unsere Auffassung der Nukleinsäuren hat sich durch zahlreiche wissenschaftliche Entdeckungen der letzten Jahrzehnte grundlegend verändert. Die einstige Ansicht, dass ihre einzige Aufgabe der Speicherung und Übertragung genetischer Information gilt, ist längst überholt. Vor allem RNAs erfüllen ein wesentlich breiteres Spektrum an Funktionen, die für das Überleben einer Zelle essentiell sind. Beispielsweise wurden RNA-Klassen identifiziert, die biochemische Reaktion katalysieren [11], und wiederum andere, die die Einführung post-transkriptionaler Modifikationen kontrollieren oder die Expression von Genen regulieren [9,10]. Ebenso ist auch die genomische DNA kein reines Speichermedium für die Sequenz des genetischen Codes, denn sie enthält zusätzlich auch weitere Informationen, die für die Regulation zellulärer Vorgänge von grundlegender Bedeutung sind [18]. Demzufolge überrascht es nicht, dass das strukturelle Repertoire von Nukleinsäuren nicht durch die 4

‚Standard‘ Nukleotide A, C, G und T (oder U) begrenzt wird. Tatsächlich sind mehr als 150 enzymatisch eingeführte und chemisch einzigartige Nukleotid-Modifikationen in zellulären RNAs bekannt [14] und auch eine vergleichsweise kleinere Zahl in genomischer DNA [44,66,69,70,305,306]. Die Modifikationen der DNA ragen generell in die große Furche der Doppelhelix, wo sie die Interaktion mit Proteinen beeinflussen können. So fungieren sie als Regulatoren eukaryotischer Genexpression [52,53] und wirken am bakteriellen Restriktions-Modifikations-System mit [307]. In ähnlicher Weise wird die strukturelle und chemische Vielfalt von RNA-Molekülen durch modifizierte Nukleotide enorm vergrößert und deren vielseitiger Einsatz für umfangreiche zelluläre Aufgaben auf diese Weise erst ermöglicht. So sind Modifikation beispielswiese für die Feinabstimmung von Faltung und RNA-RNA- und RNA-RNA-Protein-Wechselwirkungen verantwortlich [12,13]. Darüber hinaus übernehmen sie auch Funktionen in der Regulation der Genexpression. Hier sind insbesondere die dynamischen Modifikationen der Protein-kodierenden mRNAs hervorzuheben, die starken Einfluss auf den mRNA-Metabolismus ausüben [13,15].

Die relativ jungen Forschungsfelder der Epigenetik [18,22] und Epitrankriptomik [16,17]

haben es sich zur Aufgabe gemacht diejenigen DNA- und RNA-Modifikationen zu erforschen, die eine funktionale Rolle innehaben, ohne dabei den genetischen Code zu verändern. Beide Felder schreiten derzeit rapide voran. Dennoch sind viele aktuelle Forschungsaufgaben durch den Umstand beeinträchtigt, dass keine effizienten Methoden zur Detektion von Modifikationen zur Verfügung stehen. Zwar hat die Forschung an Nukleinsäuren im allgemeinen in höchstem Maße von neuen PCR- und Sequenzierungs-Technologien profitiert [23-26], jedoch konnte das enormen Potential dieser Technologien bis heute nicht für die direkte Analyse von Modifikationen ausgenutzt werden. Dies ist dem Umstand geschuldet,

dass Modifikationen während der reversen Transkription und PCR-Amplifikation grundsätzlich gelöscht werden, und somit in Sequenzierungsbibliotheken keinerlei Information über die Modifikationen der ursprünglichen DNA- oder RNA-Moleküle vorhanden ist. Aktuelle Detektionsmethoden müssen folglich der eigentlichen Analyse einen modifikationsspezifischen Schritt voranstellen. Hierbei werden Modifikationen zumeist durch selektive chemische Reaktionen umgesetzt oder durch direkte molekulare Erkennung (z.B.

durch Antikörper) angereichert [28-30]. Die Notwendigkeit eines zusätzlichen Schrittes vor der Analyse birgt jedoch einige Nachteile und Risiken. So sind etwa die Protokolle sehr zeit- und arbeitsaufwendig und es können Kontaminationen oder menschliche Fehler auftreten.

Zusätzlich besteht bei diesen Methoden eine hohe Gefahr des Auftretens systematischer Fehler und der Bildung von Artefakten. Aus diesem Grund werden neuartige Methoden benötigt, die eine Diskriminierung modifizierter Nukleotide direkt während der PCR- oder NGS-Analyse erlauben. Zu diesem Zweck wären DNA Polymerasen hilfreich, die direkt auf Modifikationen in ihrem Templat reagieren und die Information über Modifikationsstellen in der reversen Transkription und PCR auf irgendeine Weise weitergeben können.

In der vorliegenden Arbeit testete ich das Verhalten verschiedener thermostabiler DNA Polymerasen, wenn sie auf unterschiedliche Modifikationen in ihrem DNA- oder RNA-Templat treffen. Des Weiteren wendete ich Methoden des Protein-Engineerings an um neue DNA Polymerase Varianten mit einer ausgeprägten Diskriminierung von modifizierten und unmodifizierten Nukleotiden in ihrem Templat zu evolvieren. Daraufhin erarbeitete ich Protokolle, um die neu generierten Enzyme zur direkten Detektion von Modifikationen in DNA- und RNA-Oligonukleotiden und auch in zellulären DNA- und RNA-Extrakten einzusetzen. Hierfür wurden zwei verschieden Ansätze verfolgt. Zur Analyse individueller Modifikationsstellen wurden Echtzeit-PCR Systeme konzipiert, die unterschiedliche RT- oder PCR-Effizienzen einer DNA Polymerase auf modifizierten und unmodifizierten Templaten nutzten um Modifikationen zu detektieren. Mit anderen Worte, galt bei dieser Methode eine verzögerte oder auch beschleunigte PCR Amplifikation als Signal für das Vorhandensein einer Modifikation an der untersuchten Stelle. Bei diesem Ansatz fokussierte ich mich auf die Detektion von 5mC in genomischer DNA und 2‘-O-methylierten Nukleotiden in zellulärer RNA. Der zweite Ansatz hatte eine flächendeckendere Analyse von RNA-Modifikationen zum Ziel. Hier wurde ein Konzept für eine direkte m6A-Sequenzierungsmethode entworfen, in der Modifikationen unmittelbar aus den generierten Sequenzdaten als Stellen mit erhöhter Fehlerrate ausgelesen werden können. Zu diesem Zweck wurde eine neue DNA Polymerase

evolviert, die eine erhöhte Fehlerrate gegenüber m6A, nicht jedoch gegenüber unmodifiziertem A aufweist

Der Ausgangspunkt für den ersten Teil dieser Arbeit war die Erkenntnis, dass sowohl KlenTaq DNA Polymerase als auch KOD exo- DNA Polymerase fehlgepaartes C von fehlgepaartem 5mC diskriminieren [290]. Darauf aufbauend generierte ich eine KOD exo- G498M DNA Polymerase Mutante mit deutlich verbesserter Diskriminierung und setzte diese in einer neuartigen methylierungs-spezifischen PCR ein, um 5mC direkt aus unbehandelter genomischer DNA zu detektieren. Die Anwesenheit eines 5mCs im Templat gegenüber eines fehlgepaarten 3‘-Primer-Terminus resultierte hierbei in einer signifikant erhöhten Effizienz der Amplifikation. Dieses System könnte – weiterentwickelt und optimiert – in Zukunft die Analyse zahlreicher potentieller 5mC-Stellen im humanen Genom durch einfache PCR-Methoden ermöglichen.

Im Rahmen eines weiteren Projektes beschäftige ich mich mit 2‘-O-methylierten Nukleotiden in RNA und fand heraus, dass diese Modifikation die reverse Transkription durch RT-KTq (eine RT-aktive Variante der KlenTaq DNA Polymerase [188,189]) deutlich hemmt.

Durch den Einsatz von Protein-Engineering in Verbindung mit adäquaten Screening-Methoden konnte eine RT-KTq V669L Einzelmutante identifiziert werden, die signifikant erhöhte Diskriminierung von 2‘-O-methylierter RNA aufwies. Die evolvierte Mutante wurde daraufhin in einer Methylierungs-sensitiven qRT-PCR eingesetzt, um die Methylierungsfraktionen an 5 bekannten Modifikationsstellen in humaner 18s rRNA direkt aus totalen RNA-Extrakten zu bestimmen. Diese Methode ermöglicht die Untersuchung einzelner Methylierungsstellen durch die einfache Zugabe eines ‚PCR-Mastermix‘ zu den Proben und der Durchführung eines herkömmlichen PCR-Programms und kann somit den Weg für eine zukünftig erheblich erleichterte Analyse von RNA-Modifikationen bereiten.

Das dritte Projekt befasste sich mit der Etablierung einer geeigneten Screening-Methode zur Identifizierung von DNA Polymerase Varianten mit einer erhöhten Fehleinbaurate gegenüber modifizierten Nukleotiden. Hierfür kombinierte ich Primerverlängerungs-Reaktionen mit fluoreszenzmarkierten Primern und Kapillarelektrophorese-Methoden [301], um die Fehleinbauraten einer große Anzahl von RT-KTq Mutanten mit hohem Durchsatz zu untersuchen. So konnte eine RT-KTq G668Y Y671A Doppelmutante identifiziert werden, die während der reversen Transkription charakteristische Spuren an m6A-Stellen hinterließ. Wenn dieses Enzym in einem geeigneten Protokoll zur Erstellung von Illumina Sequenzierungsbibliotheken [264,265] eingesetzt wurde, konnten m6A-Stellen in einem RNA-Oligonukleotid und in E.coli tRNA durch eine erhöhte Fehlerrate detektiert werden. Die

innerhalb dieser Studie gewonnenen Erkenntnisse können sich in Zukunft als sehr förderlich für die Entwicklung neuer Technologien zur transkriptomweiten m6A-Kartierung erweisen.