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Die aus Südostasien stammende Mu-schel Corbicula fluminea gräbt sich im Substrat ein, wo sie die Dynamik von organischen Stoffen im Sediment und im Freiwasser beeinflussen kann. Sie ist eine invasive Art, die weltweit in diversen Süßwassersystemen etabliert ist. C. flu-minea wurde 2003 erstmals im oligotro-phen Bodensee nachgewiesen, wo sie in den Weichsubstraten lokale Massenvor-kommen mit bis zu 3520 Individuen > 5 mm pro m² (1580 g Trockenmasse m-2) entwickelte. Die Populationen von C.

fluminea und assoziierten Makroinverte-braten wurden an unserer Untersu-chungsstelle (Rohrspitz) entlang eines Tiefengradienten über drei Jahre hinweg untersucht. Die Population von C. flumi-nea im Bodensee wächst langsam, hat eine maximale Lebenserwartung von 4 Jahren und pflanzt sich – abgesehen von einer zusätzlichen Kohorte von Jungmu-scheln in Hitzesommern und in sehr flachen Tiefen – einmal im Jahr fort.

Niedere Wassertemperaturen (über 3 Monate um 2 °C) und ein gleichzeitiges Jahrhundertniederwasser im Winter 2005/2006 führten zu einem tiefen- und größenklassenspezifischen Massenster-ben der C. fluminea-Population. In der größten Tiefe überlebten mehr Muscheln

>5 mm als in den drei flacheren Tiefen, in denen die Populationen fast voll-ständig erloschen. Nur etwa 1% der A-bundanz und 3 % der Biomasse der ge-samten C. fluminea-Population verblieb

tion erholte sich danach nur langsam, aber das Habitat, das von den verblei-benden Schalen gebildet wurde, erhöhte die Substratdiversität und die für Mak-roinvertebraten besiedelbare Oberfläche beträchtlich.

Die benthische Lebensgemeinschaft der Weichsubstrate unterschied sich tiefen-abhängig und zeigte eine hohe saisonale Dynamik. Die Muster innerhalb der Le-bensgemeinschaften zeigen, dass physi-kalische Störungen wie Wasserstands-schwankungen und Wellenschlag die Biozönose beeinflussen, da Artenzahl, Dichte und Biomasse mit der Tiefe und der damit verbundenen Habitatstabilität zunahmen. Die Biomasse der Lebens-gemeinschaft wurde von den Neozoen C.

fluminea und Dreissena polymorpha domi-niert; zusammen machten sie über 95%

der Gesamtbiomasse aus.

Ob C. fluminea Auswirkungen auf die benthischen Invertebraten hatte, war von der Strukturkomplexität des jeweiligen Habitats abhängig. Auf reinem Sand stiegen die Dichten von D. polymorpha und von anderen epifaunischen Taxa mit der Biomasse von C. fluminea; in makro-phyten-dominierten Tiefen hingegen hatte C. fluminea keinen Effekt. Die Dich-te von im Substrat lebenden Taxa war von der Biomasse von C. fluminea unab-hängig.

Die Muster, die im Freiland gefunden wurden, sollten in Experimenten in den sandigen Bereichen an unserer

Untersu-untersucht werden. Die nach oben offenen Kunststoffbehältnisse enthielten entweder nur Sand, Sand mit 2000 Schalen von C. fluminea m-2 (die von 1000 Individuen stammten) oder Sand mit lebenden C. fluminea (1000 m-2).

Nach zweimonatiger Expositionszeit unterschieden sich die benthischen Le-bensgemeinschaften zwischen den drei Ansätzen nicht. Nur die Dichte der Eintagsfliegenlarven Caenis spp. war in den Boxen mit den Schalen im Vergleich zu den Boxen mit Sand oder lebenden Muscheln erhöht. Unsere Ergebnisse bestätigen die wichtige Funktion der Mu-schelschalen, die insbesondere auf struk-turarmen Weichsubstraten wertvolles Hartsubstrat für strukturliebende Arten bilden. Zusätzlich zeigten juvenile C. flu-minea in den Boxen mit lebenden adulten Muscheln geringere Dichten als in den Boxen, die nur Sand oder Sand mit Scha-len enthielten. Möglicherweise ist das auf ein chemisches Signal zurückzuführen, das die Ansiedlung juveniler Muscheln in Gebieten mit hoher interspezifischer Konkurrenz verhindern soll. In situ korrelierte die Dichte der Juvenilen jedenfalls auch nicht mit der Biomasse von C. fluminea.

In Habitatwahlversuchen untersuchten wir im Labor, wie zehn verschiedene Makroinvertebratentaxa auf verschiede-ne Effekte von C. flumiverschiede-nea (1012 Ind. m-2) reagieren. Wir unterschieden zwischen biotischen und strukturellen Effekten der Muschel. Lebende C. fluminea, die sich im

Bioturbation und Nährstoffumverteilung) oder mussten hungern (nur Bioturbation).

Die strukturellen Effekte von C. fluminea wurden anhand von Muschelschalen untersucht, die auf dem Sand lagen.

Jeder Ansatz wurde jeweils paarweise gegen Sand getestet. Wir untersuchten die Habitatwahl von Taxa, die charakteristisch für das Litoral des Bodensees sind: 2 Egelarten (Hirudinae), 3 Arten Crustacea, 3 Gastropodenarten und 2 Taxa Insektenlarven. Kein Taxon vermied die Bereiche mit lebenden C.

fluminea oder ihren Schalen. Jedoch hatten lebende Muscheln weniger Aus-wirkungen auf die Habitatwahl benthi-scher Taxa als die Muschelschalen, da nur 3 Taxa die lebenden Muscheln gegen-über Sand bevorzugten: die detritivore Schnecke L. stagnalis und der Flohkrebs G. roeselii bevorzugten gefütterte C. flumi-nea und der Flohkrebs Dikerogammarus villosus hungernde Muscheln. Sechs epi-faunische Taxa bevorzugten Bereiche mit Schalen von C. fluminea. Demgegenüber selektierten Gastropoda und Chironomi-nae die Schalen der Muscheln nicht.

In der letzten Studie betrachteten wir den Einfluss von intra- und interspezifi-schen Wechselwirkungen auf das Wachs-tum von C. fluminea und D. polymorpha in Laborexperimenten. Nach 30 Tagen mit limitierenden Nahrungsbedingungen verzeichneten jeweils fünf Exemplare von C. fluminea oder D. polymorpha ge-ringere Zuwachsraten als einzelne Indivi-duen. Bei unlimitierter Nahrungszugabe

der Dichte ihrer Artgenossen abhängig, was intraspezifische Konkurrenz be-weist. Wenn beide Arten zusammen gehältert wurden (eine C. fluminea und vier angeheftete D. polymorpha), konnte C. fluminea die Wachstumsrate auf Sand im Vergleich zu allen anderen Beding-ungen trotz unlimitierten Futterbeding-ungen noch steigern. Das Wachstum von C. fluminea wurde vermutlich durch das Biodepositionsmaterial der assoziierten D. polymorpha gefördert. Dieser positive Effekt trat nicht auf, wenn C. fluminea mit der gleichen unlimitierten Nahrungs-menge auf Kies wuchs, da das Biode-positionsmaterial von D. polymorpha ins Substratinterstitial fiel und dadurch für C. fluminea unerreichbar war. In den dynamischen Interaktionen zwischen den Individuen beider Arten wechselten sich fördernde Effekte und Konkurrenz mit den Umweltbedingungen ab. Unsere Er-gebnisse zeigen, dass Biodeposition und das Sediment eine wichtige Rolle im Ausgang der Interaktionen zwischen bei-den invasiven Muschelarten spielt. Die Biodeposition von D. polymorpha fördert das Wachstum von C. fluminea auf Sand und D. polymorpha kann sandige Bereiche nur dank C. fluminea, die bio-genes Hartsubstrat bildet, dauerhaft besiedeln. Die erfolgreiche Koexistenz der beiden Arten in zahlreichen Süß-wassersystemen könnte zumindest teil-weise auf diese positiven Interaktionen zurückzuführen sein.

Zusammenfassend kann C. fluminea auf strukturarmen Sedimenten die besiedel-bare Oberfläche vergrößern und die

Sub-stratdiversität erhöhen, was zu einem Anstieg der meisten auf der Oberfläche lebenden Organismen führt. Der positive Effekt wirkt sich in strukturreichen Habi-taten nicht aus und könnte indirekt sein, da C. fluminea einen Ansiedlungspunkt für D. polymorpha bildet. D. polymorpha ist ein bekannter Ökosystembildner, der die meisten Makroinvertebraten fördert.

C. fluminea hatte bislang weder nach-weisbare negative Auswirkungen auf die Funktion des Ökosystems noch auf die Lebensgemeinschaften der Weich-substrate im Bodensee.