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Die hier vorgelegten Publikationen stehen exemplarisch für meine expe-rimentellen und konzeptionellen Forschungen der letzten sechs Jahre und wer-den als kumulative Habilitationsleistung an der Freien Universität Berlin einge-reicht. Die zusammengestellten Arbeiten sollen hier kurz vorgestellt werden um ihren Zusammenhang und ihre Stellung innerhalb meines wissenschaftli-chen Konzeptes zu erläutern. Kernpunkt dieses Konzepts war schon von Be-ginn an die Neurobiologie von Spontanverhalten und operantem Lernen. Da Neurobiologie mindestens gleichzeitig auf der genetischen, physiologischen und Verhaltens-Ebene studiert werden sollte, wurden zwei komplementäre Modellsysteme ausgewählt, die beide Spontanverhalten und operantes Lernen zeigen. Eines ist jedoch eher ein genetisches Modellsystem, das andere eher ein physiologisches.

Aufgrund des einfacheren physiologischen Zugangs zu den einzelnen Neu-ronen die das Verhalten der marinen Nacktschnecke Aplysia generieren, erwei-terten wir dieses System um ein operantes Lernexperiment am intakten Tier (Brembs et al., 2002) und um eine in vitro Präparation in der operante und klassische Vorgänge gleichzeitig untersucht werden können (Brembs et al., 2004). Diese Experimente am Fressverhalten von Aplysia zeigten wie ein ein-zelnes Neuron (B51; Aktivität in B51 trägt wesentlich zu der Entscheidung bei, welches Verhalten generiert wird) durch Dopamin-vermittelte Belohnung so modifiziert wird, dass das belohnte Verhalten häufiger auftritt. Experimente an einem Einzellzell-Analog operanten Lernens demonstrierten wie Aktivitäts-abhängige Plastizität den Eingangswiderstand und die Aktivitäts-Schwelle von B51 verändert. Diese Modifikationen traten nur dann auf, wenn iontophoreti-sche Dopamingaben direkt auf Aktivität in B51 folgten und nicht, wenn sie nicht mit Aktivität in B51 gekoppelt waren (Brembs et al., 2002). Weil B51 erst spät während des Verhaltens aktiv ist, kann es nicht an der Initiierung des Verhaltens beteiligt sein, sondern nur daran, welches verhalten produziert wird. Daher besteht ein Teil eines laufenden, DFG-geförderten Projektes darin, die Aktivität aller Neurone im spontan Verhalten generierenden, isolierten Buc-calganglion optophysiologisch abzuleiten und die zugrundeliegenden Netzwer-ke zu untersuchen.

Aufgrund der besseren genetischen Möglichkeiten in der Taufliege Dro-sophila wurden wildtypische und transgene Fliegen herangezogen um die Neu-robiologie des Spontanverhaltens und des operanten Lernens sowohl in frei fliegenden/laufenden Tieren als auch in fixierten Tieren erforscht. Angespornt durch die spontanen Ausbrüche von Aggressivität und der darauffolgenden Entwicklung von Territorialität in sich frei bewegenden Fliegen starteten wir die neue Forschungsrichtung der neurobiologischen Faktoren aggressiven Verhal-tens (Baier et al., 2002). Interessanterweise waren zwei dieser Faktoren die biogenen Amine Oktopamin und Dopamin, von denen man später herausfinden sollte dass sie bei der Vermittlung von appetitiven und aversiven Reizen beim Lernen eine entscheidende Rolle spielen. Rezeptoren für beide Amine sind prä-ferentiell in den Pilzkörpern exprimiert. Eine genetische Blockade des Aus-gangs dieses Neuropils reduziert aggressive Verhaltensweisen in der Fliege.

Als weiterer wichtiger Faktor erwies sich β-Alanin, dessen Konzentration über die Aktivität der Gene black und ebony reguliert wird. Daher begannen wir den

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black Genlocus weiter zu charakterisieren. Wir fanden, dass Fliegen mit der black

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Mutation keine nachweisbare Aktivität der Pyroxidal-5-Phosphat, PLP-abhängige Decarboxylase, Dgad2, zeigen. Diese Mutanten zeigen neben redu-ziertem Aggressionsverhalten auch Veränderungen des Verhaltens im Buridan-Paradigma, die nicht durch einen Verlust primärer Sehfunktion erklärt werden können, da sie keine Defekte im Elektroretinogramm oder in der Zielerken-nung aufweisen (Phillips et al., 2005). Das Dgad2 Gen ist ein exzellentes Beispiel für Pleiotropie, typisch für so viele Verhaltens-relevante Gene und der Grund, warum genetische Verhaltensstudien oft raffiniertere genetische Mani-pulationen erfordern als konstitutive Gen-Ausschaltung. Eine weitere unserer Studien demonstriert diese Problematik auch (Brembs et al., 2007). Diese Arbeit untersuchte den Einfluss von Oktopamin und dessen Vorstufe Tyramin auf die Flugleistung der Tiere. Da Oktopamin in mehreren Insekten Arten eine prominente Rolle bei der Kontrolle des Flugverhaltens spielt, wichtig für nor-males Aggressionsverhalten ist und darüber hinaus auch essentiell beim Ler-nen mit appetitiven Reizen involviert ist, drängte es sich auf, die bereits be-stehenden Null-Mutanten für das Tyramin- β -Hydroxylase Gen auf deren Leis-tung im stationären Flug zu untersuchen, da in diesen Tieren kein Oktopamin mehr nachweisbar ist. Unsere transgenen und pharmakologischen Manipulati-onen deckten eine komplexe, degenerierte Orchestrierung der Flugleistung auf, in der sowohl das Fehlen von Oktopamin als auch das von Tyramin alleine kompensiert wurde, und nur eine Ablation aller tyraminergen und oktopami-nergen Neurone zum vollständigen Verlust ausdauernden Fluges führte. Diese Ergebnisse lassen sich erklären, wenn man annimmt, dass die oktopaminergen und tyraminergen Systeme aus mehreren Subpopulationen von Neuronen be-stehen, die überlappend zu den beobachteten Phänotypen in Aggression, Mo-torkontrolle und Lernen beitragen.

Fixiert man wildtypische Fliegen wie in den letzten Experimenten, so kön-nen sie stundenlang fliegen. Mit einem Drehmomentmessgerät kann man beo-bachten, dass diese Tiere unter anderem ständig hochvariables Steuerverhal-ten um ihre Hochachse zeigen (Gierungs-Drehmoment). Wir haben die zeitli-che Struktur dieses Drehmoment-Signals sowohl in völlig gleichförmiger Reiz-situation, als auch mit verschiedenen, operant kontrollierten visuellen Reizen untersucht (Maye et al., 2007). Es stellte sich heraus, dass diese Variabilität Anzeichen für einen nicht-linearen Mechanismus enthält. Dieses Ergebnis schliesst einfachen Zufall als Ursache für die Variabilität im Verhalten aus und legt stattdessen nahe, dass selbst scheinbar zufällige Verhaltensentscheidun-gen vom FlieVerhaltensentscheidun-gengehirn endoVerhaltensentscheidun-gen und spontan gefällt werden. Dieser Befund reiht sich nahtlos in eine ganze Reihe von neurobiologischen, evolutionstheo-retischen und ökologischen Arbeiten ein, die Spontanverhalten als evoluierte Eigenschaft mit neurobiologische Grundlage sehen (Brembs, 2008, subm.).

Spontanverhalten ist auch eine der Grundlagen von operantem Lernen und so untersuchten wir eine ganze Reihe operanter Lernphänomene an stationär fliegenden Fliegen am Drehmoment Kompensator.

Damit fixierte Drosophila Fliegen konsistent lernen, müssen sie nach ei-nem strengen Zuchtprogramm aufgezogen werden. Um die Reizumgebung des Tieres vollständig unter die Kontrolle des Experimentators zu bringen, bedarf es eines ausgeklügelten mechanischen Aufbaus mit speziell angefertigter Elektronik und Software. Das Zuchtprotokoll, sowie der Versuchsaufbau wur-den kürzlich zum ersten mal ausführlich in einer begutachteten

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Publikation detailliert beschrieben (Brembs, 2008). Die dort gezeigte Anord-nung erlaubte es uns einen auffälligen Effekt auch bei einem Lernenvorgang höherer Ordnung zu beobachten, der bereits hinlänglich aus einfachen Lernex-perimenten bekannt war: die operante Kontrolle über externe Reize fördert das Lernen über diese Reize (Brembs and Wiener, 2006). In diesem Fall ermöglichte die operante Kontrolle über Farbreize, die bestimmten welches von zwei visuellen Mustern bestraft wird, diese ‚Occasion Setting’ Situation erfolgreich zu lösen. Klassische Präsentation der Farbreize führte nicht zu ei-nem Lernerfolg. Die Pilzkörper waren für diese operante Förderung von Occa-sion Setting nicht wichtig und genau wie wildtypische Tiere konnten Tiere mit blockiertem Pilzkörper-Ausgang auch das klassische Occasion Setting nicht lernen. Occasion Setting führt zu einer Art von Kontext-abhängigem Gedächt-nis: bei der einen Gelegenheit (z.B. grün) wird eines von zwei visuellen Mus-tern bestraft, bei der anderen (z.B. blau) wird das andere bestraft. Fliegen die dieses Verhältnis lernen, haben ein Mustergedächtnis entwickelt, das vom Farbkontext abhängt. Mit diesem neuen Occasion Setting Experiment sowie mit einem bereits bestehenden Experiment das zu Kontext-unabhängigem Ge-dächtnis führt (d.h. Kontext-Generalisierung), konnten wir herausfinden, dass Generalisierung und Diskriminierung bei Fliegen von zwei unterschiedlichen Parametern der Farben abhängt (Brembs and Hempel de Ibarra, 2006).

Generalisierung trat nur auf, wenn die Chromatizität der Farben ähnlich genug ist, während Diskriminierung auf Helligkeitsunterschieden zwischen den beiden Farben beruhte.

Die Prozesse Generalisierung und Diskriminierung sind auch zentral für eine Versuchsreihe, die darauf abzielt die genetischen Grundlagen des operan-ten Lernens und dessen Interaktionen mit anderen Lernformen wie dem klas-sischen Lernen zu verstehen. Unsere genetische Studie fand eine doppelte Dissoziation der molekularen Mechanismen des operanten und des klassischen Lernens (Brembs and Plendl, 2008, re-subm.). Die rutabaga (rut-)Adenylat-Zyklase wird für das klassische jedoch nicht für das operante Lernen benötigt. Umgekehrt ist die Protein Kinase C (PKC) für das operante jedoch nicht das klassische Lernen essentiell. Ein wichtiger Befund hierbei war zudem, dass diese doppelte Dissoziation nur dann galt, wenn das operante Experiment frei von prädiktiven äusseren Reizen war (‚rein’ operantes Lernen). Sobald ein prädiktiver Reiz eingebunden wurde, dominierte das Lernen über diesen Reiz das Experiment. Dieses Ergebnis bestätigte und erweiterte Resultate aus mner Diplom- und Doktorarbeit, wo ich herausgefunden hatte, dass Fliegen ei-nen so operant gelernten Reiz über Verhaltenskontexte hinweg generalisieren können. Mit anderen Worten, prädiktive Reize in operanten Lernsituationen werden klassischen Reizen nicht nur im Hinblick auf deren Verhaltensunab-hängigkeit äquivalent, sondern diese Experimente sind auch genetisch nicht mehr von klassischen Lernexperimenten zu unterscheiden. Da bereits bekannt war, dass die Pilzkörper eine Rolle bei der Kontext-Generalisierung spielen, wurden Tiere mit blockiertem Pilzkörper in einer solchen Situation (operantes Lernen mit prädiktivem Reiz) trainiert und nach dem Training auf die operante Komponente sowie die Generalisierung der klassischen Komponente getestet (Brembs, 2008, in prep.). Die Ergebnisse legen nahe, dass die Dominanz von klassischen Reizen in operanten Lernsituationen von den Pilzkörpern ver-mittelt wird. Dass die Pilzkörper auch in diesen Experimenten nicht an der operanten Förderung klassischen Lernens beteiligt sind, bestätigt die

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nisse der Occasion Setting Experimente. Diese Daten passen zu der Hypothe-se, dass es reziproke, hierarchische Interaktionen zwischen einem rut-abhängigen, klassischen System und einem PKC-rut-abhängigen, operanten Sys-tem gibt. Das klassische SysSys-tem dominiert Lernsitationen mit sowohl operan-ten als auch klassischen Anteilen und inhibiert operantes Lernen mittels der Pilzkörper. Eine Komponente des operanten Systems, operantes Verhalten, fördert die Funktion des klassischen Systems über unbekannte, nicht-Pilzkörper Bahnen. Die putative Funktion dieser reziproken Organisation ist es, eine Behinderung der Generalisierung von klassischem Gedächtnis durch das operante System zu verhindern. In dieser Sichtweise besteht die mögliche Be-hinderung der Generalisierung aus dem Abspeichern von operanten Verhal-tens-Gedächtnissen als Gewohnheiten.

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