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4 Zusammenfassung und Ausblick

Im Dokument Situiertes Lernen im Studium (Seite 63-69)

Ich habe in diesem Beitrag angelehnt an die kürzlich publizierte „Theorie der digita-len Gesellschaft“ (Nassehi, 2019) eine kontraintuitive These entwickelt, wonach Digi-talisierung weniger einen noch ausstehenden, umfassenden Transformationsprozess darstellt, sondern bereits als eine pädagogisch-technologische Formation stattgefun-den hat und die gegenwärtige Debatte weiterhin prägt. Sie kann auch als Reaktion auf

den enorm aufgeladenen Diskurs, kulminiert etwa in Mythen wie der „digitalen Bil-dungsrevolution“ (Dräger & Müller-Eiselt, 2015) oder der „Lüge der digitalen Bildung“

(Lembke & Leipner, 2015), verstanden werden. Bei beiden Extrempositionen fehlt al-lerdings eine pädagogisch begründete, an der Lebenswirklichkeit ausgerichtete Dar-stellung von Bildung unter den Bedingungen der Digitalität. Dagegen sind die hier beschriebenen E-Learning-Varianten aus dem System emergiert und wirken als ein Residuum, das sich so schnell nicht durch politisch verordneten und technologisch ermöglichten Aktionismus austreiben lässt.

Eine sorgfältige Dechiffrierung der Muster, wie ich sie in diesem Beitrag grob skizziert habe, wäre der Schritt, mit dem sich die oft beobachteten Abfolgen „techno-logische Innovation führt zu überzogenen pädagogischen Erwartungen, die sich auf-grund der Muster, Grammatiken und Mythen nicht erfüllen und darum Enttäuschung und Resignation auslösen“ durchbrechen lassen. Ein solches Verständnis, gepaart mit reflektierten Vorstellungen von Pädagogik und Technologie (und deren vielfältigen Wechselwirkungen), kann zu einem anderen Erwartungshorizont führen.

Angesicht der nun bevorstehenden Automatisierungswelle, die auf die Frage

„Should Robots replace Teachers?“ (Selwyn, 2019) hinausläuft, ist es Zeit, endlich eine kritisch-konstruktive Gestaltung von Bildung im digitalen Zeitalter anzugehen.

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Autor

PD Dr. Markus Deimann

VDI/VDE-IT und FernUniversität in Hagen

Lehrgebiete Mediendaktik, Bildung und Wissenschaft markus.deimann@vdivde-it.de

inklusionsorientierten Lehrerbildung – ein Lehr- und Lernforschungsprojekt

Agnes Filipiak, Timm Albers

Schlagworte: Internationalisierung, Inklusion. Lehrerbildung, Kompetenzorientierung

1 Einleitung

Die Lehrerbildung nimmt durch die traditionell lokalen Organisationsstrukturen im Bildungsbereich und den vergleichsweise geringen Wettbewerbsvorteil durch Aus-landsaufenthalte im Internationalisierungsdiskurs eine besondere Rolle ein (vgl.

Leutwyler et al., 2011; Kämper-van den Boogaart, 2019). Die Forschungslage zu diesem Thema im deutschsprachigen Raum (vgl. Bühler 2017; Kricke & Kürten, 2015; Falken-hagen et al., 2019) erscheint überraschend überschaubar. In Anlehnung an Gonon (2011, S. 23 f.) lassen sich zwei zentrale Bezugspunkte des „internationalen Argu-ments“ in der Lehrerbildung identifizieren, die dennoch eine intensive Auseinander-setzung mit diesem Aspekt in dieser Domäne legitimieren:

a) Die Professionalisierungsdiskussion (US-amerikanische Diskurse um Kompe-tenzstandards und Outcome-Orientierung)

b) Reform der Lehrerbildung (EU/OECD als Bezugsrahmen)

Gerade im Zuge der Reformbemühungen haben internationale Vergleiche (z. B. Stu-dien wie PISA) einen besonderen Stellenwert. Im Rahmen einer auf den Erwerb be-rufsrelevanter Kompetenzen ausgerichteten Lehrerbildung lässt sich hier noch ein weiterer Bezugspunkt ergänzen (vgl. Leutwyler et al., 2011; HRK 2014):

c) Das interkulturelle Argument

Für zukünftige Generationen von Lehrerinnen und Lehrern werden internationale Er-fahrungen und interkulturelle Kompetenzen unabdingbar sein, um die Diversität in Klassenzimmern nutzen zu können, andere Lernkulturen und –konzepte kennenzuler-nen und als Vorbilder für grenzüberschreitendes Lerkennenzuler-nen zu diekennenzuler-nen“ (DAAD, 2013, S. 1).

Leutwyler, Mantel und Tremp (2011, S. 12–15) sprechen in diesem Kontext von einer

„inhaltlichen Internationalisierung“. Gemeint ist hier, dass Internationalisierung in der Lehrerbildung mehr ist als eine persönliche Horizonterweiterung. Sie wird

viel-mehr systematisch in den Professionalisierungsprozess eingebunden, indem sie an berufsbezogene Kompetenzen im Sinne eines angemessenen Umgangs mit migra-tionsbedingter Vielfalt und eines Denkens in globalen Zusammenhängen gekoppelt wird: „Welche Kompetenzen brauchen Lehrpersonen, um ihren Berufsauftrag in einer sprachlich, ethnisch, religiös und kulturell heterogenen, weltweit verflochtenen Gesellschaft angemessen erfüllen zu können“ (ebd., S. 13). Durch die Betonung inter-kultureller Kompetenzen im Anforderungsprofil künftiger Lehrkräfte (vgl. HRK, 2014, S. 95; Barsch & Dziak-Mahler, 2015, S. 9 ff.; KMK 1996) erfährt Internationalisie-rung eine verbindliche VerankeInternationalisie-rung in der Lehrerbildung. Auch (schulische) Inklu-sion, die Interkulturalität als eine Form von Vielfalt mitdenkt, hat durch die UN-Behindertenrechtskonvention (2006) sowie die Salamanca-Erklärung (1994) eine internationale Tragweite. Trotz unterschiedlicher Bildungssysteme und teilweise auch Inklusionsverständnisse (vgl. Europäische Kommission, 2002; Hausotter, 2008, S. 790; Bürli, 2010) befassen sich verschiedene Nationen doch mit den gleichen Frage-und Problemstellungen (vgl. Stadelmann & Rhyn, 2011, S. 113). Auch am Professiona-lisierungsdiskurs beteiligt sich inklusionsorientierte Lehrerbildung1 durch die Erfor-schung spezifischer Kompetenzen für inklusive Settings – z. B. im Rahmen des international vergleichenden Projekts „Teacher Education for Inclusion (TE41)“ (vgl.

Donelly, 2011; Merz-Atalik & Franzkowiak, 2011). Das Projekt „Kompetenzentwicklung im inklusiven Unterricht (KinU)“ schließt auf verschiedenen Ebenen (vgl. Bronfen-brenner, 1979) an diese Diskurse an:

Auf der Makro-Ebene wird der Einfluss der nationalen Bildungs- und Ausbil-dungssysteme auf die Entwicklung einer „Inklusionskompetenz“ untersucht. Auf der Meso-Ebene wird unter Berücksichtigung unterschiedlicher Internationalisierungs-strategien (vgl. Leutwyler 2013) ein Lehr- und Lernkonzept entwickelt, das den inklu-sionsorientierten Kompetenzentwicklungsprozess der Studierenden fördern soll.

Hier sollen besonders förderliche oder hinderliche Interventionen identifiziert wer-den. Auf der Chrono-Ebene wird parallel der Kompetenzentwicklungsprozess der Stu-dierenden über den Verlauf der einzelnen Interventionen in den Blick genommen.

Übergreifend soll außerdem erforscht werden, wie die Ebenen ineinandergreifen.

Im Dokument Situiertes Lernen im Studium (Seite 63-69)