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Zusammenfassende Empfehlungen und Anregungen des Ausschusses für Angelegenheiten der psychiatrischen Versorgung an den Landtag des Landes

Sachsen-Anhalt und des Ministeriums für Arbeit und Soziales gemäß § 29 PsychKG LSA

Auf Grund der vom Ausschuss und seiner Besuchskommissionen innerhalb des ersten Jahres ihrer Tätigkeit gewonnenen Erfahrungen und Erkenntnisse werden folgende Empfehlungen ausgesprochen:

1. Der Ausschuss hält eine bessere Koordinierung und Beschleunigung der Aktivitäten der Landesregierung zur Umsetzung ihres Programms zur psychiatrischen Versorgung unter Federführung des Ministeriums für Arbeit und Soziales für dringend erforderlich. Anderenfalls droht ein beachtlicher Rückstand gegenüber dem Bereich der allgemeinen Krankenhausversorgung.

2. Die Missstände bei der Umsetzung des Maßregelvollzugsgesetzes im personellen, strukturellen und baulichen Bereich müssen dringend abgestellt werden. Der Ausschuss sieht sich bei der Würdigung der gegenwärtigen Verhältnisse in den psychiatrischen Krankenhäusern Uchtspringe und Bernburg gezwungen, von einem bereits eingetretenen Notfall auszugehen, dessen Auswirkungen auf die Betroffenen, auf die Mitarbeiter der Krankenhäuser und darüber hinaus auf die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu verheerenden Folgen führen kann.

Der Ausschuss empfiehlt die unverzügliche Einrichtung einer ressortübergreifenden Arbeitsgruppe „Maßregelvollzug“ unter maßgeblicher Beteiligung des Landesamtes für Versorgung und Soziales und der betroffenen Fachkrankenhäuser.

In dieser Arbeitsgruppe sollten auch die vom Ausschuss gewonnenen Erkenntnisse über die bisherige unzureichende Vertretung der Forensischen Psychiatrie im Hochschulbereich eingebracht werden.

Darüber hinaus empfiehlt der Ausschuss, die Frage zu prüfen, inwieweit die therapeutische Aufgabenstellung des Maßregelvollzuges durch die Einrichtung einer funktionsfähigen psychiatrischen Abteilung an einen Haftkrankenhaus entlastet werden könnte.

Dies gilt z. B. auch für Begutachtungsfragen nach § 81 StPO.

3. Der schleppende Fortschritt bei der baulichen Sanierung der psychiatrischen Landeskrankenhäuser unter Berücksichtigung der Überbelegung und zum Teil völlig unzureichenden, als menschenunwürdig zu qualifizierenden Sanitärbereiche, bedürfen nach Auffassung des Ausschusses dringender zusätzlicher Aktivitäten. Der Ausschuss verkennt dabei keinesfalls die Schwierigkeiten bei der Planung und der Umsetzung dieser Vorhaben im Hinblick auf die nach der Wende angelaufene Verbesserung der Struktur dieser Fachkrankenhäuser (Stichwort: „Enthospitalisierung“). Er hat aber mit Unverständnis davon Kenntnis erhalten, dass für Sanierungsmaßnahmen in den psychiatrischen Landeskrankenhäusern bestimmte Haushaltsmittel nicht abgerufen wurden und in Folge administrativer Verzögerungen verfallen sind. Die Schwerfälligkeit des Bewilligungsverfahrens für Neu- und Umbaumaßnahmen ist bei dem Zustand dieser Fachkrankenhäuser für den Ausschuss nicht nachvollziehbar. Für eine dringend erforderliche Beschleunigung sind unter Umständen auch Änderungen der Landeshaushaltsordnung oder eine Änderung der Trägerschaft der psychiatrischen Fachkrankenhäuser zu diskutieren.

4. Eine Änderung der Trägerschaft der psychiatrischen Fachkrankenhäuser empfiehlt der Ausschuss nur bei Berücksichtigung der unter den Abschnitten 1-3 angeführten Gesichtspunkte, d. h. unter anderem der Sicherstellung hoheitlicher Aufgaben, der Personalsicherung und der Berücksichtigung der Gemeindeintegration. So können z. B.

Zweckverbandslösungen (Trägerschaft der Landkreise oder kreisfreien Städte des jeweiligen Einzugsbereiches) die Problemlösung „Trägerschaft“ positiv beeinflussen.

5. Der gesamte Heimbereich einschließlich der so genannten vorläufigen Heimbereiche in den psychiatrischen Landeskrankenhäusern bedarf dringend der Inangriffnahme einer abgestimmten Generalplanung unter verstärkter Einbeziehung des Landesamtes für Versorgung und Soziales und der Kommunen. Der Ausschuss vermochte sich nicht von einer landesweiten erkennbaren Umsetzung des Auftrages an die Liga der freien Wohlfahrtspflege zur behindertengerechten gemeindenahen Versorgung und der von der Liga übernommenen Aufgaben zu überzeugen. Er beanstandet insbesondere auch die bürokratische Form der zuständigen Abteilung des Ministeriums für Arbeit und Soziales und die fehlende Rücksichtnahme auf gewachsene bzw. bewährte kommunale Initiativen sowie eine mangelnde Übersicht über die Bedürfnisse der behinderten Einzelpersonen und ihres persönlichen oder familiären Umfeldes.

Eine nur auf dem Verwaltungswege angeordnete Trennung von seelisch und geistig Behinderten nach jahrelanger gemeinsamer Heimunterbringung muss zwar beim Vorhandensein geeigneter spezifischer Heimbereiche vertretbar sein und sollte auch Grundlage weiterer Planungen bleiben. Sie wird aber inhuman, wenn gewachsene Bindungen der behinderten Menschen zueinander oder zu ihren Bezugspersonen außeracht bleiben.

6. Bisher offensichtlich weitgehend vernachlässigte Gesichtspunkte der Versorgung psychisch Kranker oder seelisch behinderter alter Menschen, die unauflösbare Verzahnung der vorläufigen Heimbereiche in den psychiatrischen Landeskrankenhäusern mit diesen Einrichtungen, die Aufgabenstellung der Sozialpsychiatrischen Dienste, das schwerwiegende Problem der Einrichtung und Strukturierung von Heimen für erheblich verhaltensauffällige, zumindest zeitweise in geschlossenen Bereichen zu versorgenden Kindern und Jugendlichen und vielfältige andere Fragestellungen veranlassen den Ausschuss zu der Empfehlung, die Zuständigkeit für die Gesamtheit der Planungen der psychosozialen Versorgung innerhalb des Ministeriums für Arbeit und Soziales in einem übergreifenden Referat zusammenzufassen.

Dazu wird auch gehören, dem Landesamt für Versorgung und Soziales und den Kommunen klarere Kompetenzen und Aufgaben als bisher zuzuweisen. Ebenso muss nach Auffassung des Ausschusses auch der Heimaufsicht eine weitaus stärkere Möglichkeit eingeräumt werden, die innere Struktur der Heime, d. h. auch die Art und Weise der Förderung ihrer Bewohner kritisch zu überprüfen und nicht vorrangig den einzelnen Behinderten zustehenden Flächenbedarf in den Mittelpunkt ihrer Aktivitäten zustellen.

7. Der Ausschuss und die Besuchskommissionen haben festgestellt, dass die Umsetzung der gesetzlichen Bestimmungen über freiheitsentziehende Maßnahmen in den psychiatrischen Fachkrankenhäusern und in Heimen teilweise unzureichend ist und die diesbezüglichen Bestimmungen sowohl des PsychKG LSA als auch des Betreuungsgesetzes nicht hinzureichend Beachtung finden: Der Ausschuss hält es für dringend erforderlich, dass die Mitarbeiter von Krankenhäusern und Heimen in regelmäßigen Abständen auf die Einhaltungen dieser das neu gewonnene hohe Rechtsgut sichernden Bestimmungen hingewiesen werden und eine verbesserte Zusammenarbeit mit dem Vormundschaftsrichtern und den Betreuern eingeleitet wird.

8. Die vom Ausschuss und den Besuchskommissionen erkannten Missstände und Probleme im psychiatrischen Versorgungsbereich der Universitätskliniken in Halle und Magdeburg bedürfen dringender Abhilfe. Dies gilt für die Einrichtung einer funktionsfähigen

psychiatrischen Universitätsklinik mit geschlossener Abteilung in Magdeburg ebenso wie für die weitere Sanierung der psychiatrischen Universitätsklinik in Halle. Den im Zusammenhang mit der geschlossenen Abteilung der psychiatrischen Universitätsklinik Magdeburg entstandenen Problemen stand und steht der Ausschuss verständnislos gegenüber.

Er bedauert, dass er offensichtlich erst zu einer massiven Intervention gegenüber dem Landtag bzw. dem zuständigen Ministerium gezwungen war, bevor sich eine Änderung der unvertretbaren Verhältnisse abzuzeichnen begann.

VIII. Schlussbemerkungen

Der Ausschuss bittet abschließend den Landtag Sachsen-Anhalt, diesen ersten Tätigkeitsbericht des Psychiatrie-Ausschusses für die Periode vom 01.05.1993 bis 30.04.1994 baldmöglichst in die Beratung seiner zuständigen Ausschüsse zu übernehmen.

Der Ausschuss würdigt die Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in allen Einrichtungen der psychosozialen Versorgung unseres Landes, insbesondere in Anbetracht der teilweise noch außerordentlich schwierigen Verhältnisse, unter denen sie in engagierter Weise die Versorgung und Betreuung der Kranken und Behinderten realisieren.

Dem Ministerium für Arbeit und Soziales und dem Landesamt für Versorgung und Soziales dankt der Ausschuss für die bisherige Unterstützung seiner Tätigkeit.

Der Ausschuss und seine Besuchskommissionen werden gemäß ihrer gesetzlichen Aufgabenstellung weiterhin bemüht sein, als Interessenvertreter der psychisch Kranken und der geistig und seelisch Behinderten in Sachsen-Anhalt tätig zu werden.

Ausschuss für Angelegenheiten der psychiatrischen Krankenversorgung des Landes Sachsen-Anhalt

Prof. Dr. med. Hans Heinze Vorsitzender