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Hepatitis Delta hat seinen Schrecken auch nach fast 40 Jahren noch immer nicht verloren und stellt insbesondere in Endemiegebieten eine ernstzunehmende Belastung für die Menschen und das Gesundheitssystem dar (Rizzetto, 2016). Dabei ist die Inzidenz in Deutschland vergleichsweise niedrig: 2016 wurden nur 33 Neuinfektionen dem Robert-Koch-Institut gemeldet, wobei ein Teil der Neuinfektionen im Ausland erfolgt ist (Robert-Koch-Institut, 2017). Jedoch liegt die geschätzte Prävalenz von HDV unter HBsAg-positiven Patienten bei etwa 8% bis 14%, weshalb die Relevanz von CHD auch hierzulande nicht unterschätzt werden sollte - auch im Hinblick auf Migrationsbewegungen (Wedemeyer et al., 2007; Wedemeyer & Manns, 2010; Chen et al., 2018).

Ein wichtiges Instrument der Patientenbetreuung ist das Einschätzen des Krankheitsprogresses und der Prognose. Um in diesem Bereich die Möglichkeiten für CHD Patienten weiter zu verfeinern, wurden in dieser Dissertation vier Ziele verfolgt (siehe auch Kapitel 2): (1) die Evaluation und Adaptation bereits existierender nicht-invasiver Fibrose-Scores; (2) die Berechnung eines neuen, auf CHD zugeschnittenen Scores; (3) die Validierung viraler Dominanzen und die Ableitung etwaiger Unterschiede in Klinik, Histologie und immunologischen Markern sowie (4) die Überprüfung, ob virale Dominanzen mit Therapieansprechen assoziierbar sind.

Ziel 1: Evaluation und Adaptation existierender nicht-invasiven Scores

Um möglichst keinen Patienten mit Therapiebedarf zu übersehen, lag das Hauptaugenmerk bei der Erkennung einer Fibrose auf einer hohen Sensitivität (>80%) und hoher Zuverlässigkeit eines positiven Testergebnisses (positiv prädiktiver Wert [PPW] >90%). Hierbei ist zu erwähnen, dass letzterer von der Prävalenz des zu untersuchenden Merkmals, in diesem Fall dem Vorhandensein einer Fibrose, abhängt.

In der untersuchten Kohorte hatten 80 von 100 Patienten mindestens eine fortgeschrittene Fibrose, was unter unbehandelten CHD Patienten nicht unüblich ist (Wranke, Pinheiro Borzacov, et al., 2017). Als Cutoff- und prävalenzunabhängiger Qualitätsparameter diente zudem die Fläche unter der Receiver Operating Characteristic Kurve (AUROC), deren Wert über 0,8 liegen sollte. Keiner der acht für andere Lebererkrankungen etablierten Scores (siehe Kapitel 1.6.2.2) erwies sich bei den zuvor genannten Kriterien als zuverlässig genug (siehe Tabelle 3 des 1. Manuskripts).

Der NAFLD fibrosis score hatte mit 0,72 die höchste AUROC, wobei 5 der insgesamt 8 Scores mit einer AUROC unter 0,65 sich nicht als zuverlässig erwiesen (siehe Abbildung 1C und 1D des 1. Manuskripts). Der NAFLD fibrosis score erkannte

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allerdings nur 4% der Patienten mit Fibrose (Sensitivität) und auch bei erheblicher Absenkung des Cutoffs wurden nur 53% dieser Patienten detektiert. Trotz der niedrigeren AUROC von 0,62 erwies sich der ELF Score mit einer maximalen Sensitivität von 93% und einem PPW von 81% als am zuverlässigsten. Diese Werte ließen sich mit einer Adaptation des Cutoffs nicht grundlegend verbessern. Der Score, der sich durch eine Anpassung des Cutoffs in Hinblick auf Sensitivität und PPW am ehesten verbessern ließ, war der APRI. So konnte mit einer starken Verschiebung des Cutoffs nach unten (von 1,50 auf 0,63) zwar eine Sensitivität von 83% und ein PPW von 85% erreicht werden, doch bleibt die Zuverlässigkeit dieser Anpassung bei einer AUROC von 0,55 fraglich. Bemerkenswert ist, dass der NAFLD fibrosis score die höchste AUROC der evaluierten Scores besaß. Ursächlich könnte die Vielzahl an verwendeten Parametern sein. Zwar ist der Score mit einem PPW von 95% sehr zuverlässig, erkennt aber trotz erheblicher Verschiebung des Cutoffs in die sensitive Richtung nur etwa die Hälfte der Patienten mit Fibrose. Hintergrund für dies ist womöglich der gänzlich andere Pathomechanismus hinter der NAFLD, der primär über eine Steatose mit metabolischen und oxidativen Stress erklärt wird (Diehl & Day, 2017). Die vergleichsweise gute Zuverlässigkeit des ELF Scores hingegen erscheint naheliegend, da dieser in einer Kohorte mit zehn verschiedenen chronischen Lebererkrankungen entwickelt wurde (Rosenberg et al., 2004). Dabei sind die verwendeten ECM sehr kostspielig und insbesondere in den Endemiegebieten in der Regel nicht verfügbar. Hinzu kommt ein starker Einfluss durch Alter, entzündlicher Aktivität und Geschlecht (Rosenberg et al., 2004; Wahl et al., 2012; Lichtinghagen et al., 2013; Fagan et al., 2015). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass alle in dieser Studie evaluierten Scores an Zuverlässigkeit und/oder Praktikabilität für die Hepatitis Delta missen ließen. Dieses Ergebnis wurde in der Zwischenzeit durch eine andere Studie des National Institute of Health in Bethesda, USA, bestätigt (Takyar et al., 2017).

Insbesondere war in dieser Studie der direkte Vergleich der Zuverlässigkeit von nicht-invasiven Scores bei Hepatitis Delta Patienten (n=62) mit HBV- und HCV-monoinfizierten Patienten (n=240, bzw. n=701) möglich. Trotz einer abweichenden Fibrose- und Zirrhosedefinition (ISHAK F≥4, bzw. F=6) untermauert die Auswertung der Gruppe um Takyar et al. unsere Ergebnisse und legen ebenfalls eine eingehendere Untersuchung von nicht-invasiven Fibrosemarkern nahe.

Ziel 2: Berechnung eines auf CHD zugeschnittenen Scores

Um auch für Patienten mit chronischer Hepatitis Delta eine zuverlässige nicht-invasive Fibrose-Diagnostik zu ermöglichen, wurden in einer univariaten Analyse insgesamt vier Prädiktoren für das Vorhandensein einer fortgeschrittenen Fibrose

identifiziert: höheres Alter (p<0,001), niedrigere CHE-Werte (p=0,002), niedrigere Albumin-Werte (p=0,041) und höhere gGT-Werte (p=0,049). Einflussfaktoren wie Geschlecht und Alter wurden minimiert, indem die messbaren Parameter ausschließlich in Bezug auf den oberen/unteren Referenzwert (ULN/LLN) genutzt wurden. Mit Hilfe der Receiver Operating Characteristic und dem Youden-Index wurde der Delta Fibrosis Score (DFS) errechnet (siehe Tabelle 2): DFS = 1 (wenn Albumin<1.19[*LLN]) + 1 (wenn gGT>0.5[*ULN]) + 1 (wenn CHE<1.46[*LLN]) + 1 (wenn Alter>42).

Der Score erwies sich mit einer AUROC von 0,87 als signifikant zuverlässiger als die evaluierten Scores (siehe Tabelle 4 und Abbildung 1B des 1. Manuskripts). Bei einer möglichen Punktzahl zwischen 0 und 4 konnte man bei Patienten ohne einen einzigen Punkt sicher sein, dass diese keine Fibrose haben (negativ prädiktiver Wert [NPW]

von 100%), während Patienten mit 3 oder 4 Punkten allesamt fibrotisch waren (PPW von 100%). Der Cutoff von ≥2 Punkten erwies sich entsprechend als am besten balanciert mit einer Sensitivität von 85% und einem PPW von 93% (siehe Tabelle 3 und Abbildung 1A des 1. Manuskripts). Während der DFS somit sehr zuverlässig bei positiven Ergebnissen ist, ist bei einem negativen Testergebnis bei einem NPW von 55% Vorsicht geboten. Von 74 Patienten hatten 59 eine fortgeschrittene Fibrose oder Zirrhose, von denen 50 mit einem Cutoff von ≥2 Punkten erkannt wurden. Die übrigen 9 Patienten, die falsch-negativ getestet wurden, erfüllten jeweils nur eines der vier Punktekriterien. Diese diagnostische Lücke könnte in der Praxis durch regelmäßige Kontrollen des DFS möglicherweise ausgeglichen werden.

Die Validierung einer neuentwickelten Methode in einer unabhängigen, möglichst realitätsnahen Kohorte ist unabdingbar. Der DFS wurde in der HIDIT-1 Kohorte (siehe Kapitel 3.2) evaluiert. Die sehr gute Zuverlässigkeit des DFS in der HIDIT-2 Studienkohorte konnte hier nicht im gleichen Ausmaß bestätigt werden: die AUROC lag bei 0,65 und der Cutoff von ≥2 Punkten resultierte in einer Sensitivität von 66%

und einem PPW von 79% (Tabelle 6 des 1. Manuskripts). An dieser Stelle ist zu erwähnen, dass die HIDIT-1 Kohorte einige markante Nachteile beinhaltete: Zum einen musste die CHE in Patientenseren nachgemessen werden, die seit etwa 10 Jahren bei -80°C gelagert wurden. Zum anderen lagen keine Referenzwerte für Albumin und gGT vor, sodass diese anhand von Literaturwerten geschätzt werden mussten. Da der Score abhängig von den Referenzbereichen nicht zu errechnen ist, könnte in der womöglich inadäquaten Schätzung dieser ein großer Störfaktor begründet liegen.

Außerdem wurde in der HIDIT-1 Studie die Histologie anders als bei der Nachfolgerstudie nicht zentral evaluiert. Die Frage, worin die mangelnde Zuverlässigkeit des DFS in der HIDIT-1 Kohorte begründet liegt, kann in dieser Arbeit nicht abschließend geklärt werden. Weitere Limitationen der Aussagekraft dieser

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Auswertungen sind zu beachten. Bei der untersuchten Kohorte handelt es sich um eine Interventionsstudie mit Patienten, die an einer kompensierten chronischen Hepatitis Delta litten und keine Kontraindikationen für die Interferontherapie besaßen. Dieses gute Profil der Kohorte entspricht daher womöglich nicht der Realität. Auch das übermäßige Anpassen (Overfitting) der adaptierten Scores und des neuentwickelten DFS lässt sich nicht ausschließen. Da die Patienten dieser Studie ausschließlich mit HDV-Genotyp 1 infiziert waren und es sich um eine vorwiegend zentraleuropäische Kohorte handelt, ist womöglich eine Adaptation an andere Verhältnismäßigkeiten notwendig. Aus diesem Grunde sollte unbedingt eine Validierung des Scores in einer unabhängigen Kohorte erfolgen, mit deren Hilfe der DFS auf regionale Besonderheiten zugeschnitten werden kann.

Interessanterweise legen die Ergebnisse der univariaten Analyse eine große Bedeutung der CHE in der untersuchten Kohorte nahe. Deren AUROC war mit 0,73 nach dem Alter (0,76) höher als die des Albumins (0,66) oder der gGT (0,64). Die CHE wird in Deutschland routinemäßig zur Abschätzung der Lebersynthesefunktion eingesetzt, während hierfür in anderen Ländern zumeist nur auf Albumin und INR zurückgegriffen wird. Dies mag an der redundanten Bestimmung von CHE und Albumin liegen, wobei die CHE ebenfalls stark vom Ernährungszustand des Patienten abhängt und es verschiedene Enzymvarianten gibt (Pantuck, 1993; Sugihara et al., 2015). Dabei korreliert die CHE eng mit abnehmender und auch wieder zunehmender Leberfunktion (Meng et al., 2013; Deterding et al., 2015). Bei der Diagnostik der abnehmenden Lebersyntheseleistung erwies sich die CHE als zuverlässig und lässt sich auch in anderen Ländern aufgrund der alternativen Messindikation z.B. bei Organophosphatvergiftungen messen (Ogunkeye & Roluga, 2006; Santarpia et al., 2013). Der Wert der CHE als Diagnoseparameter wurde kürzlich in einer pakistanischen Kohorte bestätigt und sollte daher insbesondere bei CHD als hilfreicher Parameter bedacht werden (Abbas & Abbas, 2017).

Ziel 3: Validierung der viralen Dominanzen und Ableitung von klinischen, histologischen und immunologischen Unterschieden

Obwohl bei chronischer Hepatitis Delta die höhere Viruslast von HDV im Vergleich zu HBV schon häufig beschrieben wurde, ist die Bedeutung dieser viralen Dominanz bisher nicht genauer charakterisiert (Zachou et al., 2010; Hughes et al., 2011). Selbst bei Patienten mit einer Dreifachinfektion mit HIV, HBV und HDV überwiegt letzteres (Mathurin et al., 2000). Die Arbeit von Schaper et al. aus dem Jahr 2010 legte den Grundstein für eine nähere Untersuchung dieses Phänomens, indem sie die virale Dominanz als das Überwiegen eines Virus mit mehr als einer logarithmischen Stufe

definierten (Schaper et al., 2010). In der HIDIT-2 Kohorte, die vorwiegend aus zentraleuropäischen und türkischen Patienten rekrutiert wurde, war die D-Dominanz mit einer Häufigkeit von 75% noch stärker vertreten als in der überwiegend spanischen Kohorte (55%). Während der Anteil an Patienten ohne Dominanz (ND) vergleichbar war (17% HIDIT-2, 15% Schaper et al.), lag der Anteil an B-dominanten Patienten in der hier untersuchten Kohorte bedeutend unter dem zuvor berichteten (7% in HIDIT-2, 30% Schaper et al.).

Die klinisch direkt messbaren Unterschiede zwischen den viralen Dominanzgruppen fielen eher gering aus (siehe Tabelle 1 des 2. Manuskripts): die INR war bei B-dominanten Patienten höher als bei D-B-dominanten (p=0,007) und solchen ohne Dominanz (p=0,011). Zudem war die CHE der D-dominanten Patienten im Vergleich zu ND Patienten signifikant niedriger (p=0,025). Die Viruslasten unterschieden sich entsprechend der Definition signifikant zwischen den einzelnen Dominanzgruppen (siehe Abbildung 1a des 2. Manuskripts). Interessanterweise lagen die gemessenen HBsAg-Werte in den drei Gruppen auf einem Niveau und wiesen keine signifikanten Unterschiede auf. Dies lässt sich vermutlich auf die Abhängigkeit des HDV vom HBsAg im Rahmen des Krankheitsprozesses zurückführen (Rizzetto et al., 1977). Auch die histologische Aktivität oder Progress der Lebervernarbung unterschieden sich nicht maßgeblich (siehe Zusatztabelle 2 des 2. Manuskripts).

Aufgrund der begrenzten Anzahl an B-dominanten Patienten, beschränkte sich die uni- und multivariate Analyse der löslichen Immunmediatoren in dieser Arbeit auf den Vergleich zwischen ND und D-dominanten Patienten. Interessanterweise - aber von geringer statistischer Aussagekraft - waren 40 der 45 auswertbaren SIM-Parameter in D-dominanten Patienten numerisch niedriger als bei ND Patienten (siehe Tabelle 2 des 2. Manuskripts). Dies schließt alle gemessenen Interleukine ein, von denen vier signifikant niedriger in D-dominanten Patienten waren: IL-2ra, IL-13, IL-16 und IL 18 (siehe Abbildung 2a des 2. Manuskripts). Zudem wurden für zwei Chemokine (CTACK und MCP-1), ein Adhäsionsmolekül (ICAM-1) und zwei andere Zytokine (M-CSF und TRAIL) signifikant niedrigere Werten in D-dominanten Patienten gemessen (siehe Abbildung 2b des 2. Manuskripts). Die univariat signifikanten Parameter wurden nun in einem multivariaten logistischen Regressionsmodell analysiert. Die Variablen wurden schrittweise mit Hilfe der Wald-Statistik ausgeschlossen. Dabei blieben IL-2ra, IL-13 und ICAM-1 signifikant mit dem Vorhandensein einer D-Dominanz assoziiert (siehe Zusatztabelle 4 des 2.

Manuskripts). Dieses Modell konnte mit einer AUROC von 0,79 zwischen Patienten mit D-Dominanz und keiner Dominanz differenzieren.

Insgesamt scheint in D-dominanten Patienten im Vergleich zu ND Patienten eine geringere Expression der meisten gemessenen SIMs stattzufinden. Die Frage, ob dies

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Ursache oder Konsequenz der viralen Dominanz ist, lässt sich anhand dieser Arbeit nicht weiter ergründen. Letztlich könnten diese Ergebnisse jedoch einen Hinweis darauf geben, dass bei D-dominanten Patienten das Immunsystem stärker beeinträchtigt wird als es bei ND Patienten der Fall ist. Interessanterweise entgeht eine reine HBV-Monoinfektion der Interferon-vermittelten angeborenen Immunreaktion, während die Replikation des HDV eine Interferonantwort induziert (Mutz et al., 2018;

Zhang et al., 2018). Dies legt also in diesem Kontext eine sekundäre Erschöpfung des angeborenen Immunsystems nahe. Ähnliche Phänomene konnten zum Teil bei HCV-Patienten beobachtet werde (Hengst et al., 2016). Fraglich bleibt, ob sich dies durch ein unterschiedliches Ansprechen auf pegyltiertes Interferon a2a der verschiedenen Dominanzen ausdrückt.

Ziel 4: Assoziation der viralen Dominanzen mit Therapieansprechen

Aufgrund der langen Therapiedauer und Schwere der Nebenwirkungen ist es wünschenswert, die Erfolgsaussichten der Interferontherapie prognostizieren zu können. Bisher lässt sich zwar anhand des BEA-Scores das Risiko für eine Dekompensation abschätzen, jedoch fehlen Marker, die die Empfänglichkeit und Kapazität der Patienten auf eine weitere Induktion der Immunreaktion durch zusätzliches Interferon bereits vor Therapiebeginn beschreiben können (Calle Serrano et al., 2014). Nun konnte in dieser Arbeit erstmals gezeigt werden, dass virale Dominanzen mit unterschiedlichem Therapieansprechen assoziierbar sind.

Verglichen mit ND und B-dominanten Patienten erreichten D-dominante Patienten zu Woche 12 der Therapie signifikant seltener eine HDV RNA-Negativität (siehe Abbildung 3a des 2. Manuskripts). Dieser Unterschied wurde zu Therapiewoche 48 geringer und insignifikant, sodass zu diesem Zeitpunkt 53% (ND), 41% (D-Dominanz) und 38% (B-Dominanz) der Patienten keine messbare HDV RNA mehr im Blut aufwiesen. Dass D-dominante Patienten länger brauchen, um auf die Induktion durch Interferon zu reagieren, zeigt sich auch im HDV RNA-Abfall. Zu Woche 12 der Therapie war der Anteil an Patienten mit einem HDV RNA-Abfall von mehr als zwei Logarithmusstufen bei ND Patienten (67%) signifikant häufiger als bei D-dominanten Patienten (29%) (siehe Zusatzabbildung 1 des 2. Manuskripts). Auch hier holten die Patienten mit D-Dominanz im Verlauf der Therapie auf, sodass der Unterschied insignifikant wurde. Dies ist insbesondere unter dem Gesichtspunkt der deutlich höheren HDV RNA-Werte der D-dominanten Patienten bei Therapiebeginn interessant. Der Abfall des HBsAg von mehr als 0,5 Logarithmusstufen war zu Woche 12 ebenfalls häufiger bei ND als D-dominanten Patienten, glich sich aber im Verlauf der Therapie an. Der Verlust von HBsAg war bei den Gruppen vergleichbar und eher

selten (siehe Zusatzabbildung 2 des 2. Manuskripts). Bei der Betrachtung der HBV DNA-Negativität gilt es zu beachten, dass ein Teil der Patienten Tenofovir erhalten hat.

Aufgrund der hier festgestellten Unterschiede in der viralen Kinetik wurde der Wert des frühen Therapieansprechens als prognostischer Marker für HDV RNA-Negativität zu Woche 48 untersucht. Das frühe Ansprechen wurde als HDV RNA-Negativität zu Woche 12 definiert und erwies sich bei ND und B-dominanten Patienten als zuverlässiger Marker mit einer jeweiligen AUROC von 0,80, bzw. 0,73, während Ansprechen zu Woche 12 bei D-dominanten Patienten sich mit einer AUROC von 0,50 nicht zur Prognostik nutzen ließ (siehe Abbildung 3b des 2. Manuskripts). Bei diesen Patienten war Therapiewoche 24 der zuverlässigere Marker mit einer AUROC von 0,78. Eine Nichtnachweisbarkeit von HDV zu diesem Zeitpunkt wurde in der Literatur bereits mit HDV RNA-Negativität 24 Wochen nach Therapieende in der HIDIT-1 Studie assoziiert (Keskin et al., 2015). Die Analyse der viralen Kinetik in der HIDIT-2 Studie untermauert diese Assoziation, doch verbessert die Einbeziehung der viralen Dominanzen die Vorhersagekraft deutlich.

Nachdem festgestellt wurde, dass sich die viralen Dominanzen im Ansprechen auf Interferontherapie und in der Expression von SIMs unterscheiden, stellte sich die Frage nach einer direkten Verknüpfung dieser Ergebnisse. Dies würde nahelegen, dass eine Herabregulation der SIMs mit einem schlechteren Therapieansprechen assoziiert werden könnte – so wie es bei D-dominanten Patienten der Fall ist.

Gegenteiliges müsste bei Patienten ohne Dominanz der Fall sein. Diese Hypothese ließ sich jedoch nicht bestätigen. So zeigten ND und D-dominante Patienten gegenteilige Assoziationen von SIMs mit HDV RNA-Negativität zu Woche 48. Besonders deutlich war dies bei IL-1, IL-7, IFN-g und FGFbasic, deren Werte bei ND Patienten mit Therapieansprechen jeweils erhöht waren, während sie bei D-dominanten Patienten mit Therapieansprechen erniedrigt waren. Andersherum war der Effekt bei ICAM-1 (siehe Abbildung 4a und Zusatztabelle 5 des 2. Manuskripts). Dieses Phänomen sollte durch weitere Studien nähergehend untersucht werden, da sich hieraus womöglich potentiell wertvolle Rückschlüsse auf die virale Interaktion und den Pathomechanismus von HDV ableiten ließen.

Die Ergebnisse dieser Arbeit unterstreichen die Bedeutung der viralen Dominanzen bei Hepatitis Delta-Patienten. Bereits zuvor wurde darüber berichtet, dass die Viruslast alleine nicht direkt mit Krankheitsgrad und Zellschaden korreliert (Guilhot et al., 1994; Zachou et al., 2010). An dieser Stelle konnte gezeigt werden, dass die Kombination beider Viren eine erweiterte Aussagekraft besitzt. So konnte für CHD das Wissen um eine deutliche Veränderung der Funktionalität der Virusabwehr und

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des immunmodulatorischen Milieus bestätigt werden, wie sie bei anderen viralen Hepatitiden bekannt ist. So konnte gezeigt werden, dass eine chronische HDV Infektion zu einer verstärkten Ausbildung von NK-Zellen führt, die im Zuge einer Interferontherapie funktionell beeinträchtigt werden (Lunemann et al., 2015). Bei Patienten mit chronischer Hepatitis C konnte insbesondere im Vergleich zu gesunden Patienten eine Herauf- und Herabregulation verschiedener SIMs gezeigt werden (Hengst et al., 2016). Hierbei wiesen hohe IP-10 Werte auf eine stetige Induktion der Interferon-vermittelten Virusabwehr hin. Diese Patienten sprechen allerdings schlechter auf eine zusätzliche therapeutische Induktion an (Heim & Thimme, 2014).

Im Gegensatz hierzu zeigen CHB Patienten mit einem induzierten Interferon-System ein besseres Ansprechen auf eine Interferontherapie (Sonneveld et al., 2013;

Papatheodoridis et al., 2014). So liegt es nahe, den Zustand des immunmodulatorischen Milieus von D-dominanten Patienten mit dem von CHC Patienten zu vergleichen, während ND Patienten in diesem Kontext eher CHB Patienten ähneln. Jedoch lässt sich wie oben beschrieben ein supprimiertes immunmodulatorischen Milieu nicht direkt in ein schlechteres Therapieansprechen übersetzen. Über mögliche Ursachen hierfür kann an dieser Stelle nur spekuliert werden. So könnte die unterschiedliche virale Aktivität von HBV und HDV in den Dominanzgruppen zu einer variablen Blockade der Tyrosinkinase 2 führen, die für die Interferon-induzierte Ausbildung von Interferonrezeptoren verantwortlich ist (Pugnale et al., 2009).

Bedeutung der beiden Manuskripte und Ausblick

Diese Arbeit fokussierte sich auf die nicht-invasive Charakterisierung von Patienten mit chronischer Hepatitis Delta. Es wurde zunächst erneut deutlich, dass sich der klinische Verlauf von Infektionen mit verschiedenen Hepatitisviren unterscheidet, sodass sich sogar die Veränderung der Blutparameter im Rahmen der Lebervernarbung nicht vollends mit HBV und HCV vergleichen lässt. So konnte zunächst gezeigt werden, dass für andere Erkrankungen etablierte Fibrose-Scores bei der chronischen Hepatitis D für den klinischen Gebrauch nicht zuverlässig genug sind.

Um den daraus resultierenden Mangel an nicht-invasiver Fibrose-Diagnostik zu kompensieren, identifizierten wir höheres Alter, niedrigere Cholinesterasewerte, niedrigere Albuminwerte sowie höhere gamma-Glutamyltransferasewerte als Prädiktoren für das Vorhandensein einer fortgeschrittenen Fibrose. Diese Parameter bildeten die Grundlage für den neuentwickelten Delta Fibrosis Score, dessen Zuverlässigkeit in der HIDIT-2 Kohorte allen anderen Scores deutlich überlegen war.

Dieser Score könnte Ärztinnen und Ärzten weltweit ein Instrument zur Einschätzung

des Krankheitsstadiums liefern, mit dem der Einsatz von pegyliertem Interferon a gesteuert werden kann. Eine Validierung des Scores in einer unabhängigen Kohorte sollte jedoch erfolgen. Darüber hinaus wurde in dieser Arbeit erstmalig die Bedeutung der viralen Dominanzen analysiert, die trotz geringer Unterschiede in klinischen Werten und Histologie nicht nur eine deutliche Assoziation mit einem unterschiedlich stark aktivierten Immunsystem zeigte, sondern sich auch unterschiedlich auf das Therapieansprechen der Patienten auswirkte. Die Identifizierung von viralen Dominanzen als wichtiger Marker für das systemische inflammatorische Milieu ergibt neue Erkenntnisse zur Pathophysiologie der HDV-Infektion, was auch Konsequenzen für antivirale Therapien hat. Insbesondere sollten in zukünftigen Therapiestudien virale Dominanzen als Einflussfaktor beachtet werden.

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6. Literaturverzeichnis

Abbas, M. & Abbas, Z. (2017) ‘Serum cholinesterase: A predictive biomarker of hepatic reserves in chronic hepatitis D’, World Journal of Hepatology, 9(22), p. 967. doi:

10.4254/wjh.v9.i22.967.

Alten, T. A., Negm, A. A., Voigtländer, T., Jaeckel, E., Lehner, F., Brauner, C., et al.

(2014) ‘Safety and performance of liver biopsies in liver transplant recipients’,

(2014) ‘Safety and performance of liver biopsies in liver transplant recipients’,