• Keine Ergebnisse gefunden

3 Interview am 19. Mai 1990

15. Zurück aus Amerika

Als ich aus Amerika zurückkam [Ghani war 1930-1932 in Louisiana, um etwas über die Zuckerfabrikation zu lernen], kam ich mit den Menschen in meinem Dorf nicht mehr zurecht. Ich habe niemals im Dorf gelebt, ich lebte in diesem verdammten Internat [der Azad-Schule]. Mein Vater hatte unser Frauen-Haus in eine Schule verwandelt. Ich wusste nicht mehr, was pathanische Bräuche waren. Als ich 14 oder 15 war, schickten sie mich zu Jesus & Mary [ins Kloster] und dann nach England und von dort ging ich in die USA. Was ich also über soziales Leben gelernt habe, habe ich in England und Amerika gelernt. Ich wusste nicht mehr, wie Pathanen die Dinge angingen.

Als ich zurückkam, ging ich in Anzügen umher und trug einen Hut oder etwas Ähnliches auf dem Kopf. Die Dorfbewohner und Ältesten kamen zu mir und fragten mich: Warum setzt du einen englischen Hut auf? Ich sagte: Das ist, verdammt noch mal, mein Kopf und ich setzte alles auf, was ich mag! Ich hatte Pferde sehr gerne, deshalb hatte ich ein sehr gutes Rassepferd von meinem Onkel mitgebracht, um darauf ins Dorf meines Großvaters zu reiten. Er hatte zehn oder zwölf Dörfer und ich wollte dort nach den Feldern und den Pächtern und allem anderen sehen. Mir folgten nicht sechs oder sieben Diener mit Gewehren, deshalb fanden sie, es sei sehr seltsam, dass ich auf einer Seite des Pferdes ritt. Warum sitzt du nicht wie ein Khan mit 5 oder 6 Kissen um dich herum und lässt alle Dorfältesten zu dir kommen? Sie wollten, dass ich mich wie ein würdevoller Khan benähme.

104

16. Shantineketan

Sie schrieben meinem Vater: Ihr Sohn ist hergekommen und irritiert die Dorfbewohner. Er schickte aus dem Hazari-Bagh-Gefängnis [in Bihar, Indien] nach mir. Er nahm mir den Rückfahrschein weg und steckte ihn in die Tasche. Dann sagte er: Geh zu Jawaharlal [Nehru], und er schickte mich zu Jawaharlal. Jawaharlal war eben aus dem Gefängnis gekommen [Mai 1941]. Mein Vater schrieb ihm, ich sei amerikanisiert und er möge mich bitte das einfache Leben und alles Übrige lehren. Jawaharlal sah mich an und sagte: Du siehst einfach genug aus, verdammt noch mal. Ich war etwa 22.

Ich fuhr also zu ihm und er war mit Indira allein, die ja später Ministerpräsidentin wurde. Sie war etwa 14. Ich lebte bei ihnen.

Er hatte keine Söhne. Ich wurde so eine Art Sohn für ihn. Ich lebte neun Monate dort. Dann schickte er mich und Indira in Tagores Universität Shantiniketan [in Bengalen].

Wir hatten denselben Tutor, Nan Lal Bhose. Sie kam ins Mädchen-Heim, das einzige pukka [massive] Gebäude dort, sehr gut gebaut. Wir gingen in die Schule der Künste, weil unser Tutor dort der Leiter war. Shantineketan hat drei Colleges. Eines ist das Kalkutta-Universitäts-College. Dort kann man einen Abschluss bekommen, der von der Universität Kalkutta anerkannt ist. Dann gibt es ein Vishwa Bharati. Dort lehrt man das, von dem man denkt, dass ein junger Mann es wissen sollte. Es wird von der Regierung nicht anerkannt. Und dann haben sie Kalaban, die Heimat von Kunst, Musik und Tanzen und Malen und Bildhauerei und so etwas. Weben und alles.

Ich trat in die Journalismus-Klasse in der englischen Abteilung ein. Sie gaben mir ein Thema und ich schrieb darüber und dann hatte ich weiter nichts zu tun. Also ging ich zu meinem Tutor und fragte ihn: Was soll ich tun, Sir? Er sagte: Alles, was

du möchtest. Also ging ich einen weiteren Tag umher und fragte ihn noch einmal. Er sagte: Alles, was du möchtest. Er konnte kein Wort Englisch oder Urdu, er sprach nur Bengali.

Da hatte ich genug. Stellen Sie sich vor, ich war 22, stark und gesund und so, da möchte man natürlich etwas tun. Auch am dritten Tag ging ich zu ihm und fragte ihn: Was soll ich tun? Er antwortete: Was du möchtest.

Ich sagte: Ich möchte ein Pferd. Er sagte: Dann beschaff dir eins.

Ich fragte: Wie steht es mit einem Stall? Er antwortete: Neben dem Heim ist ein Platz, bau dort deinen Stall. Jedenfalls baute ich einen Stall, ich brachte meine Freunde dazu, mir dabei zu helfen.

Aber ich bekam das Pferd nicht, denn als es so weit war, war mir das Geld ausgegangen.

Ich freundete mich mit einem Professor der Bildhauerei an. Ich wusste nicht, dass er Professor der Bildhauerei war. Er sang und tanzte um das Heim herum, ein sehr fröhlicher Bursche. Also ging ich mit ihm in sein Atelier und sah, wie die Jungen dort mit Ton arbeiteten. Ich nahm auch ein Stück Ton und ich glaube, ich formte einen Frosch oder eine Eidechse oder so etwas.

106

17. Malen

Am nächsten Tag ging ich wieder zu ihm. Sobald ich meinen Essay, oder was mir der Lehrer sonst für eine Aufgabe gegeben hatte, fertig hatte ging ich wieder zu ihm. Ich wurde ehrgeiziger. Ich machte ein Selbstporträt und dann formte ich Adam und Eva. Dann sah Nan Lal Bhose sich das an und sagte:

Das ist sehr gut. Dann begann ich zu zeichnen. Ich ging in den Laden und kaufte etwa Zeichenpapier und einige Bleistifte und sie gaben mir einen Gummi [Radiergummi], nein, keinen Gummi, den bekam man einfach nicht [wegen des Zweiten Weltkrieges]. Also fing ich auch zu zeichnen an.

Als wir einmal einen Picknick-Ausflug machten, nahmen einige Lehrer Schachteln mit Kreide mit und ich fand sie sehr brauchbar.

Deshalb kaufte ich mir auch eine Schachtel Kreiden und begann künstlerisch zu arbeiten. Die anderen sagten, was ich mache, sei gut. Ich dachte, die Zeichnungen seien nichts wert und die Leute seien verrückt. Ich dachte: Wie kann man nur von diesem kindischen Zeug begeistert sein? Auf diese Weise fing ich an.

F: Was haben sie zu Anfang gezeichnet?

A: Ich habe nur Gesichter gezeichnet. Seit meiner Kindheit, also ganz von Anfang an, habe ich nur Gesichter gezeichnet. Ich zeichne nichts anderes, ich denke, es ist alles Zeitverschwendung. Ich meine, als ich Skulpturen von Erwachsenen geformt habe. Ich formte eine große Figur des Propheten, sie ist so groß und steht im Shantineketan-Museum. Bei dieser Skulptur formte ich natürlich den ganzen Körper mit allem Drum und Dran. Aber sonst machte ich nur Gesichter.

F: Was faszinierte Sie an Gesichtern?

A: Wissen Sie, ich wollte die Persönlichkeit einer Person aufs Papier bringen. Und die kann man nur durch ihre Augen und ihr Gesicht zeigen. Von den großen, die ich gemacht habe, sagen die Leute, dass man nicht sagen könne, ob es ein Mann oder eine Frau sei.