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Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

2.2.1. Dass das Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend eine Entführung und Verletzung durch die Taliban, weil seine Brüder der Armee angehören, nicht glaubhaft war, ergibt sich aus einer Gesamtschau der im Folgenden dargelegten beweiswürdigenden Erwägungen. Im Besonderen steigerte der Beschwerdeführer sein Vorbringen im Laufe des Verfahrens deutlich. Seine Angaben weisen eine Reihe klarer Widersprüche und Ungereimtheiten auf und der vorgebrachte Ablauf der Ereignisse sowohl für sich genommen als auch im Sinne der Länderinformationen zum Vorgehen der Taliban absolut nicht plausibel. Schließlich scheinen andere aus den Angaben ableitbare Ausreisegründe insgesamt naheliegender.

In seiner polizeilichen Erstbefragung brachte der Beschwerdeführer vor, wegen der Taliban und des IS habe er seine Heimat verlassen. Sonst habe er keine Fluchtgründe (vgl. AS 9).

In der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl brachte der Beschwerdeführer zusammengefasst vor, dass er von den Taliban entführt worden sei. Sie hätten ihn gefesselt und an einem Baum festgebunden, er sei insgesamt drei Tage gefangen gewesen. Ein Mann habe ihn geschlagen und mit einem Messer an beiden Beinen verletzt. Sie hätten ihn nach seinen Brüdern gefragt und wollten wissen, wo sich diese befinden und warum sie nicht nachhause kämen. Schließlich habe ihn ein Führer der Taliban freigelassen.

Er habe danach eine Woche im Krankenhaus verbracht. Die Taliban hätten sie weiterhin belästigt und nach Essen gefragt. Ein Cousin, der bei der Armee gewesen sei, sei ebenfalls von den Taliban entführt und getötet worden. Sein Vater und sein Bruder XXXX seien bei Kämpfen zwischen den Taliban und Sicherheitskräften verletzt worden (vgl. AS 93-97).

In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht brachte der Beschwerdeführer zusammengefasst vor, eines Tages, als er im Schneidergeschäft gewesen sei, seien plötzlich Personen hereingekommen, die ihm eine Mütze über den Kopf gezogen und ihn entführt hätten. Er sei drei Tage dort gewesen, zuerst in einem Zimmer, dann an einen Baum gefesselt. Dann sei eine führende Person gekommen und habe gefragt, was seine Brüder so machen würden. Als er gesagt habe, dass sie Bauern seien, habe der Mann entgegnet, dass er lüge und sie bei der Armee arbeiten würden. Dann hätten sie ihm gesagt, dass er gehen dürfe. Sie hätten ihm wieder die Mütze über den Kopf gezogen und hätten ihn an einen ihm bekannten Ort gebracht. Von dort sei er nachhause gekommen. Wegen der Verletzungen an seinen Beinen sei er eine Woche im Krankenhaus gewesen. Die Taliban seien immer zu ihnen gekommen und hätten Essen haben wollen. Sowohl sein Vater als auch sein Bruder XXXX , dieser zweimal, seien bei Kämpfen verletzt worden (vgl. S. 11-15 des Verhandlungsprotokolls).

2.2.2. Diese Angaben des Beschwerdeführers weisen eine Reihe von Widersprüchen und Ungereimtheiten auf, die dieser nicht plausibel auflösen oder erklären konnte. Zunächst ist augenscheinlich, dass der Beschwerdeführer sein Fluchtvorbringen im Laufe des Verfahrens deutlich steigerte. Während er in der polizeilichen Erstbefragung bloß angab, Afghanistan

„wegen der Taliban und IS“ verlassen zu haben (vgl. AS 9), schilderte er in der Einvernahme vor der Behörde erstmals eine intensive persönliche Bedrohung samt einer dreitägigen Gefangennahme durch die Taliban.

Das Gericht verkennt bei der Würdigung der Aussagen des Beschwerdeführers in der Erstbefragung nicht, dass gemäß § 19 Abs. 1 AsylG die Erstbefragung zwar „insbesondere“ der Ermittlung der Identität und der Reiseroute eines Fremden dient und sich nicht auf die

„näheren“ Fluchtgründe zu beziehen hat. Die Beweisergebnisse der Erstbefragung dürfen nicht unreflektiert übernommen werden (vgl. VwGH 13.11.2014, Ra 2014/18/0061). Ein vollständiges Beweisverwertungsverbot normiert § 19 Abs. 1 AsylG jedoch nicht. Im Rahmen beweiswürdigender Überlegungen können Widersprüche und sonstige Ungereimtheiten in den Angaben in der Erstbefragung zu späteren Angaben – unter Abklärung und in der Begründung vorzunehmender Offenlegung, worauf diese fallbezogen zurückzuführen sind – einbezogen werden (VwGH 26.03.2019, Ra 2018/19/0607 bis 0608-12, VwGH 28.6.2018, Ra 2018/19/0271, mwN). Zudem ist bei der Würdigung der Aussagen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen zu berücksichtigen, dass er im Zeitpunkt des Verlassens seines Heimatlandes, der Erstbefragung und der Einvernahme minderjährig war. Entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine besonders sorgfältige Beurteilung der Art und Weise des erstatteten Vorbringens zu den Fluchtgründen erforderlich und die Dichte dieses

Vorbringens kann nicht mit „normalen Maßstäben“ gemessen werden. Zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers ist entsprechend diesen höchstgerichtlichen Vorgaben eine besonders sorgfältige Beweiswürdigung erforderlich (vgl. VwGH 06.09.2018, Ra 2018/18/0150).

Doch auch unter Berücksichtigung sowohl des Zwecks einer Erstbefragung als auch der damaligen Minderjährigkeit des Beschwerdeführers ist für das erkennende Gericht nicht nachvollziehbar, weshalb dieser ein so einschneidendes Erlebnis wie eine Entführung durch die Taliban, die zum diesem Zeitpunkt auch noch nicht allzu lange zurückgelegen wäre, in seiner Erstbefragung mit keinem Wort erwähnen sollte. Stattdessen verwies er, zu seinem Fluchtgrund befragt, bloß allgemein auf die Taliban und den IS, und gab an, sonst keine Fluchtgründe zu haben. Dass er damit offenbar die allgemein schlechte Sicherheitslage und nicht die später behauptete persönliche Bedrohung ansprach, ergibt sich aus der gleichwertigen Erwähnung des IS. Dass er auch von dieser Gruppierung persönlich bedroht worden wäre, behauptete er im gesamten Verfahren nicht.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein gesteigertes Vorbringen im Allgemeinen nicht als glaubhaft anzusehen. Vielmehr müsse grundsätzlich den ersten Angaben des Asylwerbers ein erhöhter Wahrheitsgehalt zuerkannt werden. Es entspricht der Lebenserfahrung, dass Angaben, die in zeitlich geringerem Abstand zu den darin enthaltenen Ereignissen gemacht werden, der Wahrheit in der Regel am nächsten kommen (VwGH 11.11.1998, 98/01/0261, mwH). Vor diesem Hintergrund bestehen bereits im Hinblick auf die – nicht allein durch den Zweck der Erstbefragung erklärbare – Steigerung des Vorbringens massive Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussagen des Beschwerdeführers betreffend seine Entführung durch die Taliban. Es liegt nahe, dass seine ersten Angaben, die das Gericht als Verweis auf die kriegerischen Zustände und schlechte Sicherheitslage versteht, eher den Tatsachen entsprechen (siehe dazu noch Punkt 2.2.4).

Widersprüchliche Angaben machte der Beschwerdeführer auch insofern, als er in der Einvernahme vor dem Bundesamt noch aussagte, sein Vater sei ca. drei bis vier Wochen nach seiner Entführung verletzt worden (als diesen bei Kämpfen unbeabsichtigt eine Kugel traf, vgl.

AS 95-97). In der mündlichen Verhandlung gab er hingegen an, sein Vater sei schon vor der vermeintlichen Entführung verletzt worden. Dies ergibt sich jedenfalls daraus, dass es seinem Vater zur Zeit des Treffens im Krankenhaus nach der Verletzung schon wieder bessergegangen sein soll (vgl. S. 11-12 des Verhandlungsprotokolls). Nicht weniger unstimmig erscheint, dass der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage der erkennenden Richterin, ob seine Familie später wieder von den Taliban bedroht worden sei, sagte, dass er

davon nichts wisse, sie aber sicher dort gewesen seien (vgl. S. 15 des Verhandlungsprotokolls).

In der Beschwerde hatte er angegeben, dass die Taliban vor kurzem jemanden zu seiner Familie nachhause geschickt und zu seinem Vater gesagt hätten, er solle sich bei ihnen melden. Sein Vater habe seither aus Angst nicht mehr zuhause übernachtet (vgl. AS 425). Dass der Beschwerdeführer diesen Vorfall „vergessen“ würde, ist nicht glaubwürdig.

2.2.3. Ganz grundsätzlich ist zu sagen, dass das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers und der von ihm behauptete Ablauf der Ereignisse absolut nicht plausibel und logisch nur schwer nachvollziehbar sind. Dies gilt sowohl bei einer Betrachtung unter dem Blickwinkel der allgemeinen Lebenserfahrung als auch bei Berücksichtigung der Länderinformationen zum Vorgehen der Taliban. Insbesondere blieb auch nach zwei ausführlichen Einvernahmen des Beschwerdeführers unklar, aus welchem Grund und mit welchem Ziel die Taliban ihn entführt und drei Tage gefangen gehalten hätten. Vor der Behörde gab er an, die Taliban hätten wissen wollen, wo sich seine Brüder befänden, ging aber auch davon aus, dass sie schon wussten, dass diese bei der Armee seien (vgl. AS 95). In der mündlichen Verhandlung gab er an, dass die Taliban das definitiv schon gewusst und ihm gegenüber auch erwähnt hätten (vgl. S. 14-15 des Verhandlungsprotokolls). Wozu diese den Beschwerdeführer dann aber entführen würden, blieb völlig offen. Die Taliban stellten ihm weder nähere Fragen zu seinen Brüdern, noch forderten sie ihn auf, auf diese Einfluss zu nehmen oder sonst irgendetwas zu tun (vgl.

S. 15 des Verhandlungsprotokolls). Obwohl er auf die Entgegnung, dass seine Brüder bei der Armee seien, nichts mehr geantwortet habe (vgl. S. 14 des Verhandlungsprotokolls), sei er nach drei Tagen ohne weitere Bedingungen freigelassen worden. Auf Nachfrage konnte er sich dieser Vorgehen der Taliban selbst nicht erklären (vgl. AS 95).

Diese schon allgemein nicht plausiblen Angaben erscheinen noch weniger nachvollziehbar, wenn man sie im Kontext der Situation im Herkunftsstaat betrachtet. Nach dem ins Verfahren eingebrachten Landinfo-Bericht vom 23.08.2017 haben die Taliban klar definierte Zielgruppen (vgl. Kapitel 4), denen der Beschwerdeführer aber auch bei Wahrunterstellung seiner Angaben nicht angehört. Er war zum Zeitpunkt der Ausreise 15 Jahre alt, lebte bei seiner Familie und war weder politisch noch militärisch aktiv (vgl. AS 93). Zwar üben die Taliban nach diesem Bericht auch Druck auf die Familien afghanischer Sicherheitskräfte aus, um deren Ausscheiden aus dem Dienst zu erzwingen (vgl. Kapitel 4). Gerade dies ist aber nach den eigenen Angaben des Beschwerdeführers im vorliegenden Fall nicht geschehen. Die Taliban hätten ihn weder aufgefordert, seine Brüder zum Ausscheiden aus der Armee zu überreden, noch hätten sie ihn nach Informationen über diese gefragt, die sie nicht bereits kannten. Ohne dieses Ziel ist aber absolut unverständlich, weshalb die Taliban mit derartigem Aufwand gegen einen 15-jährigen Zivilisten vorgehen sollten. Der Beschwerdeführer gab an, von zumindest vier bis fünf

Personen entführt, mit dem Auto zu einem unbekannten Ort gebracht, dort drei Tage lang festgehalten, an einen Baum gebunden und von einem Taliban-Führer mit Bodyguards befragt worden zu sein (vgl. S. 12-13 des Verhandlungsprotokolls).

2.2.4. Für das Bundesverwaltungsgericht scheint es in einer Gesamtbetrachtung der Angaben des Beschwerdeführers wesentlich naheliegender, dass er Afghanistan aufgrund der kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Taliban und der Regierung in seinem Heimatdorf verließ, bei denen seine Familie immer wieder unverschuldet zwischen die Fronten geriet. Er gab an, das Haus und die Grundstücke seiner Familie befänden sich zwischen einer Taliban-Basis und einem Sicherheitsposten bzw. zwischen den Taliban und den (regierungstreuen) Arbaki-Milizen (vgl. AS 95, S. 11 des Verhandlungsprotokolls). Deshalb sei es dort immer wieder zu Kämpfen gekommen. Dabei sei sein Vater von einer Kugel am Fuß getroffen und sein Bruder XXXX (auch XXXX ) gleich zweimal, davon einmal lebensgefährlich, verletzt worden. Ebenso seien 25 Tiere der Familie umgekommen (vgl. AS 95, S. 11-12 des Verhandlungsprotokolls). Diese Angaben sind glaubhaft und decken sich mit den Länderfeststellungen, nach denen die Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers, Nangarhar, zu den volatilen, zwischen Taliban und Regierung umkämpften Gebieten zählt (siehe Punkt 1.5.1.3).

Auch der zeitliche Ablauf der Vorfälle legt nahe, dass eher die Verletzungen der Familienmitglieder des Beschwerdeführers – und die dadurch noch einmal verdeutlichte gefährliche allgemeine Lage – ausschlaggebend für den Entschluss zur Ausreise waren. Seinen Angaben in der Einvernahme zufolge wurde sein Vater ca. drei bis vier Wochen nach seiner Entführung verletzt, sein Bruder eine weitere Woche später. Dann, rund eine Woche nach der Verletzung des Bruders, habe er Afghanistan verlassen (vgl. AS 97). Dass er schon in der Zeit zwischen einer vermeintlichen Entführung und den Verletzungen seines Vaters und Bruders geplant hatte, auszureisen, brachte der Beschwerdeführer nicht vor. In Anbetracht der Situation in seinem Heimatdorf geht das erkennende Gericht davon aus, dass auch die bis heute erkennbaren Narben des Beschwerdeführers (vgl. AS 95) durch Kriegshandlungen herbeigeführt wurden. Angemerkt sei auch, dass der Beschwerdeführer, als er in der mündlichen Verhandlung zu seiner konkreten Befürchtung im Fall einer Rückkehr befragt wurde, auf die Situation für Rückkehrer aus Europa und die schlechte Sicherheitslage verwies, aber keine Verfolgung durch die Taliban erwähnte (vgl. S. 15 des Verhandlungsprotokolls).

2.2.5. In einer Gesamtschau der dargelegten beweiswürdigenden Erwägungen, insbesondere der deutlichen Steigerung des Fluchtvorbringens, der unerklärlichen Widersprüche und Ungereimtheiten, der fehlenden Plausibilität im Allgemeinen und vor dem Hintergrund der

Länderinformationen sowie der schlüssigen Hinweise auf andere Ausreisegründe, konnte der Beschwerdeführer eine Entführung und Verletzung durch die Taliban nicht glaubhaft machen.

Im Übrigen ist dazu auszuführen, dass selbst bei Wahrunterstellung der Schilderungen des Beschwerdeführers nicht davon ausgegangen werden kann, dass er in ganz Afghanistan von diesen Personen verfolgt werden würde. Es bestehen keine Hinweise darauf, dass die Taliban über biometrische Daten des Beschwerdeführers verfügen, sodass ein Aufspüren des Beschwerdeführers durch die Taliban in außerhalb seiner Heimatprovinz gelegenen Landesteilen als äußerst unwahrscheinlich anzunehmen ist. Auch der Beschwerdeführer selbst verwies, zur Möglichkeit der Ansiedlung in einer afghanischen Großstadt befragt, lediglich auf wirtschaftliche und persönliche Gründe, die dem entgegenstehen würden (vgl. S.

15 des Verhandlungsprotokolls) Dem Beschwerdeführer stünde daher eine innerstaatliche Fluchtalternative in der Stadt Mazar-e Sharif zur Verfügung. Balkh zählt gemäß den Feststellungen zu den relativ stabilen und ruhigen Provinzen Afghanistans, in welcher die Taliban bisher keinen Fuß fassen konnten.

Es konnte daher nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan die Gefahr physischer und/oder psychischer Gewalt durch die Taliban droht.

2.2.6. Dass der Beschwerdeführer nicht vom Islam abgefallen ist, entspricht seinen eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, in der er mehrfach aussagte, dass er Moslem sei (vgl. S. 6, 10 des Verhandlungsprotokolls). Worauf sich das Vorbringen in der Stellungnahme vom 10.11.2020 betreffend einen Abfall vom Islam stützt, ist für das Gericht daher nicht erkennbar. Der Beschwerdeführer gab in der Verhandlung zwar an, dass er „faul geworden“ sei und „nicht mehr so wie früher“ bete. Er mache „nichts“, um seinen Glauben zu praktizieren, und respektiere alle Religionen. Entgegen islamischer Vorschriften würde er Alkohol trinken, rauchen und verbotene Speisen essen. Er identifiziere sich eher mit dem europäischen als dem afghanischen Wertesystem (vgl. S. 10-11 des Verhandlungsprotokolls). Diese Verhaltensweisen sind jedoch einer – vom Beschwerdeführer ausdrücklich nicht behaupteten – Apostasie nicht gleichzuhalten.

Dass eine Person mit dem Profil des Beschwerdeführers bei einer Rückkehr nach Afghanistan nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung ausgesetzt wäre, ergibt sich aus einer Gesamtschau der in das Verfahren eingebrachten Länderinformationen, insbesondere auch der vom Bundesverwaltungsgericht eingebrachten Anfragebeantwortung der Staatendokumentation Afghanistan „Christen, Konvertiten, Abtrünnige in Afghanistan“ vom 12.07.2017. In dieser Anfragebeantwortung wird unterschieden zwischen Personen, die vom

Islam „abgefallen“ sind („Abtrünnigen“) einerseits und Personen, die sich (bloß) „nicht an die Regeln des Islam halten“ andererseits. Insbesondere geht daraus hervor, dass Personen, die sich – ohne Zuwendung zu einer anderen Religion oder öffentlicher Kritik am Islam – lediglich nicht an islamische Verhaltensregeln halten, also etwa das Freitagsgebet nicht beten oder während des Ramadan nicht fasten, keiner relevanten Verfolgung ausgesetzt sind. Jenen, die sich nicht an derartige Regeln halten, werde zwar von der Gesellschaft „nahegelegt“, sie einzuhalten, und es komme auch zu Vorfällen „schlechter Behandlung“ durch die Gesellschaft insbesondere aufgrund des Nichtfastens im Ramadan (Frage 11.a). Es gebe jedoch keine offiziellen oder traditionellen Sanktionen deswegen (Frage 12) und die Betroffenen würden auch keine Schlechterstellung erfahren (Frage 12.a).

Auch aus den UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 ergibt sich, dass diese Verhaltensweisen zwar in Einzelfällen dem darin erwähnten Risikoprofil der „Personen, die vermeintlich gegen islamische Grundsätze, Normen und Werte gemäß der Auslegung durch regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) verstoßen“ entsprechen können, dieses bezieht sich jedoch ausschließlich auf Gebiete unter tatsächlicher Kontrolle der Taliban oder des IS (vgl. UNHCR-Richtlinien, S. 74-75), wozu die als innerstaatliche Fluchtalternative geprüfte Stadt Mazar-e Sharif nicht zählt.

Es konnte daher nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer aufgrund der Tatsache, dass er derzeit nicht betet und gegen islamische Verhaltensregeln verstößt, in Afghanistan bei einer Ansiedelung in einer Großstadt physische oder psychische Gewalt droht.