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Zirkulationen und Output

Im Dokument transformationen städtischer umwelt (Seite 86-186)

Im 18. Jahrhundert verstärkte sich – nicht nur in Linz – der Diskurs zu Badeku-ren und Heilwasser. Dies betraf zwar eher mittlere und obere soziale Schichten, es sensibilisierte möglicherweise aber zunehmend für das Thema der

Trinkwasserqua-85 LR BIIB2, Reg. 507 (28), 11.4.1767 ; Grünn, Wäschergewerbe, 581 – 589 u. 595 ; Bohdanowicz, Pöst-lingberg, 221f.

86 Vgl. Suter, Wasser, 41 – 50 ; Tomory, Water, 704 u. 707 – 714.

87 LR E1a, Reg. 425 (85).

88 LR CIIIH1 – 3, Reg. 478 (316f.).

89 Ebd., Reg. 415 (266f.).

90 AStL, HS 859 (Kerschbaum, Chronologische Notizen, Teil 2, undat.), eingeklebt bei fol. 87 ; LR CIIIC3, Reg. 537 (226f.) ; AStL, HS 439 (Unterkammeramtsrechnung 1824), pag. 70 ; vgl. dazu Massard-Guil-baud, Einspruch, 79f. u. Suter, Wasser 84 – 88.

91 Massard-Guilbaud, Einspruch, 80.

lität und bot einen Rahmen für das Nachdenken über ideales und weniger ideales Wasser.92 Während sich für die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts nur einzelne Hin-weise auf Kuraufenthalte und den Bezug von Heilwasser finden, nahm ab den 1750er Jahren das Interesse an diesem Bereich spürbar zu :93 Es wurden Mineralwasser in der »Linzer Zeitung« angeboten,94 die »Sint-Chronik« verwies auf eine Quelle von

»sehr frisch[em] und heilsamen Wasser« am Kalvarienberg,95 Druckschriften und Annoncen kündigten bestehende und neu erschlossene regionale »Gesundbrunnen«

an.96 Für Linz gewann in dieser Hinsicht der ca. 10 Kilometer nördlich von Linz und 600 Meter höher gelegene Ort Kirchschlag an Bedeutung. Die 1753 gedruckte Pub-likation »Von der Beschaffenheit und Gebrauch Des Kirchschlager Baads« war eine Werbeschrift des Landschaftsarztes Johann Georg Mayer und ist vermutlich als Auf-tragsarbeit der starhembergischen Grundherrschaft zu sehen, was auch der Umstand unterstreicht, dass Mayer Hausarzt der Starhemberger war. In diesem Büchlein be-tonte Mayer nach einer »Approbation Medica« durch einen Linzer und einen Steyrer Arzt, dass das Kirchschlager Wasser seit mehr als 50 Jahren »viel tausend Menschen sowohl zur Cur als Praeservation nutzlich« gewesen sei.97 Unter den Fallgeschichten, die Mayer zitiert, finden sich auch Stadtbewohner/innen : »Eine Frau von Lintz / wel-che lange Zeit grosse Glieder-Schmerzen gelitten / ist gleich nach dem Baad davon befreyet worden«,98 ein Linzer, dessen Arm nach einem Schlaganfall gelähmt war, »ist mit dem gesund und starcken Arm zuruck gekommen«.99 An prominenter Stelle geht die Druckschrift auf die Frage der Wasserreinheit ein : Das Wasser der Kirchschlager Quelle sei »so rein«, dass es »scheinet / als wann es ein eigentlich lüfftiges solches Was-ser wäre«.100 Mayer selbst habe das Wasser »sowol Medicè als Chymicè« untersucht,101

»ich habe das Wasser inspissirt / evaporirt / putrificirt / destillirt / multaque alis ten-tavi & figula per Organa Vitrea, ich habe es pondirt gegen anderen gewogen / auch mit verschiedenen Sachen vermischet« und es »abrauchen lassen«.102 Schlussendlich sei nur ein »Häutlein« auf dem Wasser übrig geblieben, auch habe er als Inhaltsstoff

»Vitriol« (Sulfat) entdeckt.103

92 Vgl. EdN, s.v. Bäderstadt u. Lotz-Heumann, Repräsentationen.

93 LR BIIA3, Reg. 3713 (136) ; LR BIIB1, Reg. 58 (53f.), 14.10.1733 ; LR BIIA7, Reg. 9702 (149) ; LR E1g, Reg. 434 (182f.) ; LR E1d, Reg. 3683 (91).

94 LR E7e-g, Reg. 2451 (614).

95 AStL, HS 861 (»Chronologische Beschreibung«, 1770er Jahre), fol. 59a.

96 LR E7a u. b, Reg. 46 (16) ; ebd., Reg. 1091 (274).

97 Mayer, Vorbericht, 4.

98 Ebd., 43.

99 Ebd., 44.

100 Ebd., 8f.

101 Ebd., 15.

102 Ebd., 16.

103 Ebd., 17f. u. 25.

87 Kontinuität, Adaption und neue Bedürfnisse | Kontinuität, Adaption und neue Bedürfnisse

Das Wasserversorgungssystem blieb bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts von erheblichen Kontinuitäten gekennzeichnet :104 Der Topograph Benedikt Pillwein zählte Mitte der 1830er Jahre 16 öffentliche Brunnen, also kaum mehr, als es vermutlich bereits im ausgehenden 18. Jahrhundert gegeben hatte.105 Bestehende Nutzungen und Praktiken wurden fortgeschrieben,106 auch die Bauordnung für Linz und Salzburg aus dem Jahr 1846 sah die Errichtung von Hausbrunnen »in der Regel, und wo es möglich ist«, bei Neubauten vor.107 Die wenigen Wasserleitungen scheinen sich kaum verändert zu haben : In einzelnen Fällen wurden – wie schon im 18. Jahrhundert – Nutzungen des Überwassers genehmigt,108 signifikante Erneuerungen unterblieben jedoch, und die in den 1830er und 1840er Jahren erfolgte grundbücherliche Eintragung des Rohr-verlegungsrechtes für die ständische Wasserleitung deutet ebenso auf die intendierte Persistenz dieser Infrastruktur hin.109 Auch die Ausgaben der Stadt für die Wasser-versorgung waren – anders als in anderen Bereichen – kaum angestiegen. 1849 hatte man für die Wasserinfrastruktur 489 fl 12 kr ausgegeben, hingegen im gleichen Jahr für Säuberung und Beleuchtung der Stadt das mehr als 18-Fache.110

Dennoch zeichnen sich Veränderungen ab : Einerseits reagierte man auf einen realen (oder befürchteten) Wassermangel in der Stadt, andererseits scheint die Frage nach der Qualität der Wasserversorgung an Bedeutung gewonnen zu haben. Ein Mangel konnte sich aus einer Vermehrung der Nutzer/innen ergeben, aber ebenso aufgrund neuer Praktiken entstehen : Die Feuerordnung aus dem Jahr 1808 forderte explizit ein, »die öffentliche Sprüngbrünne und Wasserbehälter nach Gelegenheit des Orts, und nach Erforderniß der umliegenden zahlreicheren, oder wichtigeren Gebäude zu vermehren«,111 und auch das seit den frühen 1820er Jahren praktizierte Aufspritzen einzelner städtischer Straßen und Plätze während der Sommermonate (vgl. Kap. 7.

Geordnete und modifizierte Umwelt) erhöhte den realen – oder gefühlten – Bedarf an Wasser.112 Dass es durchaus neue Bedürfnisse im Hinblick auf das Wasser gab, zeigt das beim Landhaus nach dem Stadtbrand neu errichtete Freihaus in der Theatergasse :113

104 Dies ist auch für Salzburg festgestellt worden – vgl. Ebner/Weigl, Wasser, 91 – 93.

105 Pillwein, Wegweiser, 167.

106 AStL, HS 152 (Oberkammeramt Ausgaben 1830), pag. 236.

107 LZ, 13.4.1846.

108 LR BIIA36, Reg. 18998 (23f.) ; AStL, Altakten, Sch. 171 ; GRP 1850, fol. 219b.

109 OÖLA, Landschaftsakten, Sch. 447, D.XV.3/No. 62.

110 AStL, HS 192 (Oberkammeramt Ausgaben 1849), pag. 624.

111 Feuer-Ordnung, 29.

112 LZ/IB, 12.4.1822.

113 Ehemaliges Freihaus Thürheim, 1800 abgebrannt, danach Kauf durch Khevenhüller, heute Altstadt 30 resp. Promenade 26 (Kreczi, Häuserchronik, 24) ; die Baurechnung und eine Hausbeschreibung finden sich in : OÖLA, Neuerwerbungen, HS 74 (»Bau-Rechnung« Kremsmünsterer Haus, 1804).

Neben 62 Zimmern, 11 Kaufmannsgewölben und 2 Pferdeställen wies das Haus auch eine demonstrative Wasserinfrastruktur auf, die, wie in der »Linzer Zeitung« betont wurde, der »gute[n] Errichtung der Brunnen« in Neapel ähnele. Das Haus verfügte über zwei Pumpbrunnen, wovon einer das Wasser bis zum letzten Stockwerke brachte, was »nebst dem Angenehmen auch den weitern Vortheil [… aufwies], daß an Zeit und Lohn der Dienstbothen gewonnen wird, und man im Augenblick frisches und wohlfeiles Wasser erhält«.114

Auch zur Qualität des städtischen Wassers finden sich in den ersten Jahrzehn-ten des 19. Jahrhunderts erstmals publizistische Überlegungen : Im Schloss gebe es, so Benedikt Pillwein in den 1820er Jahren, »das reinste und hellste Wasser«,115 ein Topograph der 1810er Jahre hielt fest, dass das Wasser aus der ständischen Wasserlei-tung »einen widrigen Geschmack hat, aber ziemlich klar und hell ist«,116 wobei dieses Wasser etwas später aber auch als »ein Mineralwasser« bezeichnet wurde.117 Dazu in-tensivierte sich besonders ab den 1820er und 1830er Jahren der Diskurs zum Baden und zu mit Gesundheit verbundenem Wasser : Ab diesem Zeitpunkt finden sich in der

»Linzer Zeitung« regelmäßig Anzeigen von Solebädern (im Salzkammergut), Heil-quellen und Kuranstalten außerhalb von Linz,118 im nahen Kirchschlag scheint der Badebetrieb in den 1830er Jahren stark expandiert zu haben.119 In diesen Jahrzehnten gewann auch das Kaltwasserbaden in der Donau stark an Bedeutung : Aus der militäri-schen Schwimmschule beim »Fischer im Gries« (vgl. oben) entwickelte sich ein ziviler Bade platz, der ab 1822 mit einem Badefloß als »Schwimmanstalt« durch die Landes-regierung und später den Linzer Magistrat betrieben wurde.120 1846 errichtete man dort – dem Vorbild anderer österreichischer Städte folgend – ein Bassin und Kabi-nen.121 Daneben gab es ein Badehaus, das in den 1830er Jahren interessanterweise auf den Betrieb »mit reinstem Quellwasser« verwies.122 An der östlichen Peripherie der Stadt, im Spitzfeld (Untere Vorstadt), etablierte ein Gastwirt zur gleichen Zeit eine

»Trink-Kur-Anstalt«, deren »Gartenanlagen« auch zur »Körperbewegung« einluden.123 Am Schullerberg, einem an einem Ausläufer des Freinbergs gelegenen peripheren Teil der Oberen Vorstadt, konstatierte die Stadt Linz zuerst einen »Wassermangel«. In

114 LZ, 29.7.1803 ; vgl. OÖLA, Neuerwerbungen, HS 74 (»Bau-Rechnung« Kremsmünsterer Haus, 1804), pag. 243, 292, 299 – 306.

115 Pillwein, Beschreibung, 276.

116 Gielge, Beschreibung, 136.

117 Schultes, Donau-Fahrten, 111.

118 Vgl. LR E7k, Reg. 8566, 8584 u. 8585 u. LR E7m, Reg. 11178, 11189, 11195 u. 11197.

119 Leonhartsberger, Freizeiträume, 101 – 103 ; Pfeffer, Kirchschlag, 31f.

120 LZ/IB, 4.7.1817 ; ebd., 29.5.1820 ; ebd., 22.7.1822 ; Pillwein, Wegweiser, 167 ; Pillwein, Beschreibung, 311f.; Mayrhofer/Katzinger, Geschichte, Bd. 2, 85 ; vgl. zu Dresden und Wien : Butenschön, Geschichte, 277 u. Haidvogl et al., Wasser, 292 – 296.

121 Fink, Geschichte, 102 ; vgl. zu Graz : Allgemeine Bauzeitung 6 (1841), 51 – 56.

122 LZ/IB, 17.4.1835 ; Pillwein, Beschreibung, 311f.

123 LZ/IB, 25.4.1831.

89 Kontinuität, Adaption und neue Bedürfnisse | einer Anzeige im Linzer »Intelligenzblatt« versprach man im Dezember 1828 eine Be-lohnung von 50 fl (CM), was zu dieser Zeit ca. 160 Taglöhnen eines ungelernten Arbei-ters entsprach,124 wenn eine »ergiebige Quelle« aufgefunden werde, deren Wasser man zu den Häusern auf dem Schullerberg leiten könne.125 Woher kam diese Empfindung eines Mangels ? Der Schullerberg bildete eine wasserarme Gegend, in der zahlreiche Bewohner/innen das Wasser aus den in der Stadt gelegenen Brunnen holen mussten.

Vermutlich hatte die zunehmende Bebauung des Schullerberges wesentlich dazu bei-getragen, dass ein latenter zu einem manifesten Mangel geworden war, der auch als Bedrohung bei Bränden gesehen wurde.126 1832 begannen die Planun gen zur Fassung einer nahen Quelle, die mit Holzrohren zu einem öffentlichen Brunnen am »oberen neuen Weg« geleitet werden sollte.127 Die Wasserleitung und der Brunnen waren ab dem Frühjahr 1833 in Betrieb, wobei es sich offenbar um keine sehr leistungsfähige Infrastruktur handelte :128 Wegen »des spärlichen Wasserzuflusses und zeitweiliger Versiegung« habe, so eine in den 1860er Jahren entstandene Linzer Chronik, diese Wasserleitung »dem Bedürfnisse nicht genügt«.129 Schon in den 1850er Jahren wurde deshalb ein Pumpbrunnen errichtet, der aber ebenso nur wenig Wasser, sporadisch sogar gar keines führte. Die hölzerne Wasserleitung wurde vermutlich nicht einmal zwei Jahrzehnte lang genutzt.130 Die Schullerberger Leitung steht für einen punk-tuellen Wandel, mit dem man kurzfristig auf Probleme oder Forderungen reagierte, städtisches (oder allgemein herrschaftliches) Engagement zeigte, aber gleichzeitig das bestehende System der Wasserversorgung nicht infrage stellte. Für Wien lässt sich zu dieser Zeit Ähnliches beobachten : Die durch Erzherzog Albert und Kaiser Ferdinand initiierten (und kofinanzierten) Wasserleitungen sollten ab 1804 resp. 1841 quanti-tative oder qualiquanti-tative Defizite beseitigen, stellten aber nur Teillösungen dar.131 Den begrenzenden Faktor bildeten die Kosten : Bestehende Infrastrukturen konnten in der Regel nicht erweitert werden, da die Kapazität der genutzten Quellen und der Lei-tungssysteme begrenzt war, die Etablierung eines neuen zentralen Versorgungssystems war aus dem »normalen« Budget einer Stadt nicht zu finanzieren : Noch 1870 hatte die Stadt Linz für die Wasserversorgung nur 763 fl 38 kr ausgegeben.132

124 Vgl. Hillbrand, Türme, 109f.

125 LZ/IB, 22.12.1828.

126 Den Konnex zwischen Feuersicherheit und Leitungserrichtung legen zumindest die Stadtratsproto-kolle nahe – AStL, HS 1109 (Stadtratsprotokoll 1828), fol. 5a.

127 OÖLA, Karten- und Plänesammlung, VI/23.

128 AStL, Altakten, Sch. 171 ; LR E7m, Reg. 10768 (1619) ; Pillwein, Wegweiser, 167.

129 Fink, Geschichte, 123.

130 OÖLA, Musealarchiv, HS 51 (Materialien zur Geschichte der Stadt Linz von Ignaz Fink, undat.), pag.

672 ; AStL, HS 462 (Unterkameramts Contobuch pro 1848), pag. 84 ; Schreinzer, Methode, 11 – 13 ; vgl. AStL, HS 1129 (Sitzungsprotokolle des Gemeindeausschusses 1848), fol. 221a u. LVB, 30.11.1875.

131 Vgl. Brunner/Schneider, Umwelt, 151 u. 192f.; Meißl, Hochquellenleitungen, 158 u. 161 ; Stadler, Was serversorgung, 38 – 40 u. 43 – 54 ; Weigl, Wandel, 186f.; Birkner, Stadt, 129.

132 AStL, HS 237 (Kammeramt Ausgaben 1870), pag. 104f.

Deutlich intensivierten sich die Diskurse zu den städtischen Wasserinfrastrukturen und zur Qualität des städtischen Wassers ab den 1840er Jahren : Auf der einen Seite diskutierten Techniker über die Umsetzbarkeit neuer zentraler Infrastrukturen und stellten bereits verwirklichte Projekte vor. 1840 wurden in der in Wien erschienenen

»Allgemeinen Bauzeitung« die »Wasserleitungen zu Frankfurt am Main, Charenton, Paris und London« vorgestellt, wobei man einleitend betonte, dass es für »eine Stadt kaum ein größeres Bedürfniß als gutes und trinkbares Wasser« gebe, »sowohl in Rück-sicht auf Reinlichkeit und Gesundheit, als auch in Bezug auf Gewerbe und Industrie«.133 In den Folgejahren wurden die Mitte der 1830er Jahre errichtete New Yorker Wasser-leitung und die Wasserversorgung in Udine beschrieben.134 1843 erschien ein Bericht über die New Yorker Wasserleitung in der »Linzer Zeitung«, in dem darauf verwiesen wurde, dass derzeit auch in Marseille eine »ähnliche« Leitung errichtet werde.135 Inte-ressanterweise wurden in der »Allgemeinen Bauzeitung« erst wieder ab der Mitte der 1850er Jahre städtische Wasserversorgungssysteme thematisiert – dafür dann aber in

zahlreichen Berichten.136

Parallel dazu zeichnet sich ein lokaler bürgerlicher Diskurs zur Qualität des Was-sers ab. 1847 plädierte ein Artikel im in Linz erschienenen »Österreichischen Bürger-blatt für Verstand, Herz und gute Laune« für die Filtrierung von Trinkwasser : »Die Nothwendigkeit eines guten Wassers für jede Stadt liegt außer Zweifel, und doch ist ein reines und gutes Wasser sehr selten«. Das Wasser enthalte oft »eine Menge Kalksalze«, die man »mit geringen Kosten« über einen »Filtrirbrunnen« (ein Fass mit Schichten aus Sand und Knochenkohle) reinigen könne.137 Anfang der 1850er Jahre führte der Linzer Realschullehrer Edmund Schreinzer eine Trinkwasseruntersuchung durch, die wesentlich auf einem Aufsatz, der 1850 in den Sitzungsberichten der Wie-ner Akademie der Wissenschaften veröffentlicht worden war, basierte.138 Schreinzers

»Härtebestimmung des Wassers« wurde 1854 im »Jahres-Bericht« seiner Schule veröf-fentlicht und damit vermutlich auch durch die lokale Elite rezipiert.139 Schreinzer ging von der Prämisse aus, dass die »harten Wässer sogar die besten Trinkwasser«,

»vorzüglich tauglich und gesund« seien, und er wählte Wasserentnahmestellen, die

133 Allgemeine Bauzeitung 5 (1840), 39 – 50 ; Zitat auf S. 39.

134 Allgemeine Bauzeitung 6 (1841), 217 – 223 ; Allgemeine Bauzeitung 7 (1842), 5f.

135 LZ, 17.3.1843.

136 1855 Berlin, 1856 Magdeburg, 1858 Liverpool, 1861 London und 1862 Paris – Allgemeine Bauzei-tung 20 (1855), 260 – 264 ; Allgemeine BauzeiBauzei-tung 21 (1856), 314f.; Allgemeine BauzeiBauzei-tung 23 (1858), 202 ; Allgemeine Bauzeitung 26 (1861), 98f.; Allgemeine Bauzeitung 27 (1862), 207 – 223 ; vgl. Schott, Urbanisierung, 266 u. Lenger, Metropolen, 39.

137 ÖB, 8.10.1847.

138 Es handelte sich dabei um Ignaz Moser, Ueber Th. Clark’s Methode, die Härte des Wassers durch eine titrierte Seifenlösung zu ermitteln, in : Sitzungsberichte der kaiserlichen Akademie der Wissen-schaften. Mathematisch-naturwissenschaftliche Classe 4 (1850), 484 – 500 ; Clarks Untersuchungen erschienen 1841 resp. 1847/1849 – vgl. ebd., 485.

139 Schreinzer, Methode ; vgl. Linz und seine Umgebung, 28 u. Stifter, HKG, Bd. 8/3, 221.

91 Kontinuität, Adaption und neue Bedürfnisse | er als für Linz »besonders« relevant einschätzte. Insgesamt waren dies 13 Brunnen in oder vor der Stadt, dazu untersuchte Schreinzer das Wasser der Donau und der Traun, das er jeweils bei den Brücken entnommen hatte, zudem das Wasser der Kirchschla-ger Kur quelle.140 Schreinzer kam zu dem Ergebnis, dass die Grundwasserbrunnen

»vorzügliches Trinkwasser enthalten, welche in westlicher Richtung der Stadt, in der Nähe des Frein- und Schullerberges liegen«, die Qualität in Richtung Osten abnehme, wenngleich das dortige Wasser »für industrielle Zwecke, so wie für den gewöhnlichen Haushalt als Koch- und Waschwasser ganz gut geeignet sein wird«. Weil sie über kalk-haltiges Wasser verfügten, schätzte Schreinzer die Hauptplatzbrunnen, den Grund-wasserbrunnen beim Landhaus und einzelne Brunnen in der Altstadt als »die besten Trinkwässer«. Für das Wasser aus Kirchschlag konstatierte Schreinzer eine »besondere Reinheit«, positiv erschien ihm auch die niedrige Temperatur des Wassers, die sehr geringe Wasserhärte thematisierte Schreinzer hingegen nicht.141 Zu den Proben der Donau und der Traun, für die eine relativ geringe Wasserhärte bestimmt wurde, gab Schreinzer kein explizites Urteil ab, merkte aber an, dass das Donauwasser »ziemlich trübe« gewesen und es vor der Untersuchung gefiltert worden sei, das Traunwasser hingegen »rein und klar ohne die geringste Trübung« gewesen sei.142 Der Geschmack bildete bei Schreinzer kein Kriterium.

Überlegungen zur Wasserqualität finden sich auch bei einem anderen Vertreter des damaligen Linzer Bildungsbürgertums : Für Adalbert Stifter wurde das Wasser be-sonders in dessen letzten Lebensjahren »zu einer Materie, mit der er sich geradezu obsessiv befasst[e]«, wie es Petra-Maria Dallinger – möglicherweise etwas zu drama-tisch – formuliert hat.143 Bereits in der Korrespondenz der 1850er Jahre findet sich ein Nachdenken über Trinkwasser, was mit Stifters Sommeraufenthalten im – nahe der österreichischen Grenze gelegenen – bayerischen Ort Lackenhäuser und dem, wie Stifter es bezeichnete, dortigen »unaussprechlich herrlichem Wasser« zusammenhing.

Stifter hob die »Klarheit und Durchsichtigkeit« des Wassers hervor und auch dessen Herkunft aus dem Wald (»Waldwasser«) und Urgestein (»Granitlager«).144 Zwischen Wasser und Gesundheit sah Stifter eine kausale Verbindung, was nicht überrascht, wenn man die obigen Diskurse und die stetige Expansion von wasserbasierenden Kur-betrieben im Hinterland von Linz zu dieser Zeit betrachtet.145 Mit der Verschlechte-rung von Stifters Gesundheitszustand in den 1860er Jahren taucht das Wasser erneut – und diesmal häufiger  – in den Briefen auf. Im Juni 1864 schrieb Stifter, dass ihm sein Arzt geraten habe, »die heißeste Zeit in einer hochgelegenen nadelwaldartigen

140 Schreinzer, Methode, 9 u. 12f.

141 Ebd., 14.

142 Ebd., 13.

143 Dallinger, Hunger, 311.

144 Stifter, PRA, Bd. 18, 266, 268 u. 306.

145 Linz und seine Umgebung, 28, 31 u. 42 ; Stauber, Ephemeriden, 36 ; vgl. Leonhartsberger, Freizeit-räume, 98 u. 101 – 103.

Gegend« zu verbringen, in der »herrliche Luft[,] das Wasser [… und der] Wald« seine Gesundheit verbessern würden.146 Ein Brief aus dem Frühjahr 1865 zeigt wiederum ein intensives Nachdenken (und eine empfundene Ungewissheit) über die Qualität von Wasser. Ein Linzer »Chemiker Apotheker« werde das Lackenhäuser Wasser un-tersuchen : »Ich hoffe, er wird in dem Wasser gar nichts finden, als nur das Wasser«.

Gleichzeitig fungierte das städtische Wasser als Negativfolie : Als Stifter im Herbst 1864 nach Linz gekommen war, »ekelte es« ihn »vor dem hiesigen Wasser durch

Wo-chen hindurch. Ich konnte es nur mit etwas Wein trinken.«147

Ab dem Herbst 1865 wurde Kirchschlag für Stifter zu einem wiederholten Auf-enthalts- und Kurort, was einerseits mit persönlichen Verbindungen, andererseits mit den dortigen naturräumlichen Bedingungen und besonders mit dem Wasser zu-sammenhing.148 In zahlreichen Briefen dieser Zeit finden sich Lobeshymnen auf das Kirchschlager Wasser, etwa in einem Brief an seine Frau vom Oktober 1865 : »Es ist unendlich lieblicher und kräftiger als das bei Rosenberger [in Lackenhäuser], es hat gar keinen Geschmack nach Süß oder Sauer«.149 Stifters Euphorie gipfelte in der An-kündigung, Wasser in einem Fass nach Linz zu schicken – was Stifter zumindest im Herbst/Winter 1865 und im Herbst des Folgejahres tatsächlich mehrfach tat (vgl. un-ten) : »Trinke keinen anderen Tropfen. Dieses Wasser löst alle übeln Stoffe im Körper auf, und führt sie fort.«150

Diese Überhöhung des nichtstädtischen (Kirchschlager) Wassers zeigt sich auch deutlich in den »Winterbriefen aus Kirchschlag«, die im Winter 1865/1866 entstan-den und im Frühjahr 1866 in der »Linzer Zeitung« veröffentlicht wurentstan-den.151 In diesen Texten findet eine Reflexion über verschiedene Elemente, von Licht, Luft und Wasser bis hin zu Wärme und Elektrizität statt, neben praktischen Überlegungen (z. B. zu Vorteilen der Höhenlage im Hinblick auf die herbstlichen und winterlichen Tal nebel) stehen aber ebenso vage Wortkaskaden zur Schönheit und Gesundheit des Ortes. Stif-ters Brief zum Wasser greift zahlreiche der bereits genannten Punkte auf, stellt nun aber einen expliziten Vergleich mit dem städtischen Wasser (in diesem Fall dem Lin-zer Wasser) her und lässt damit erkennen, dass Stifters Meinung nicht stark von den Einschätzungen anderer Zeitgenossen abwich : »Was thun wir ? Wir graben in den meisten Fällen ein Loch in die Erde, und trinken das Wasser, das wir da finden.« Dies sei in den Bergen »und besonders im Granitboden« zulässig, in tieferen Lagen sei je-doch »ein solcher Brunnen wenig mehr, als ein Sumpf«. Wenn nun eine Stadt am Fluss oder »gar wie Linz« an zwei Flüssen gelegen sei, dann trinke man Flusswasser und dieses habe zwar »durch Seihung der Erde« Schwebstoffe verloren, die gelösten Stoffe

146 Stifter, PRA, Bd. 20, 196f.; vgl. ebd., 217 u. Begemann/Giuriato, Stifter-Handbuch, 174 – 177.

147 Stifter, PRA, Bd. 20, 275.

148 Pfeffer, Kirchschlag, 38 – 49 ; vgl. Stifter, HKG 8/3, 359.

149 Stifter, PRA, Bd. 21, 39.

150 Ebd., 59 ; vgl. ebd., 97 – 99 u. Pfeffer, Kirchschlag, 43.

151 Stifter, HKG, Bd. 8/3, 199 – 228 ; vgl. ebd., 105.

93 Kontinuität, Adaption und neue Bedürfnisse | (»pflanzliche oder thierische Ausscheidungen oder Verwesungsstoffe«) seien jedoch noch vorhanden : »Man kann aber denken, was ein Strom aus Städten und bewohnten Niederungen mit sich bringen mag.«152 In großen Städten gelange »der menschliche und thierische Unrath in verschiedener Menge in der Erde«, was wiederum die Brun-nen »mit Jauche durchsetzt«.153 Interessanterweise verwies Stifter auf die Untersu-chung des Lehrers Schreinzers (wobei Stifter hartes Wasser als unsauber einstufte) und auf die Diskussionen zur Wiener Wasserversorgung und er betonte den städtischen Handlungsbedarf (»Dringlichkeit«) im Bezug auf die Wasserversorgung.154

Die Frage, welche allgemeinen Aussagen sich aus diesen spezifischen Wahrnehmun-gen ableiten lassen, wird man nicht wirklich beantworten können. Man darf aber das zeitgenössische Interesse an den »Winterbriefen« nicht unterschätzen, der Brief zum Wasser wurde immerhin im März 1866 unter dem Titel »Wasserfrage« in der Wie-ner »Neuen Freien Presse« abgedruckt.155 Aber auch im allgemeinen Diskurs dieser Zeit zeichnet sich immer häufiger eine Verbindung zwischen Krankheit und Wasser ab, was – in Bezug auf die Linzer Tageszeitungen – besonders ab der Mitte der 1860er Jahre und im Kontext der Cholera festgestellt werden kann. Ab 1866 verknüpften

Die Frage, welche allgemeinen Aussagen sich aus diesen spezifischen Wahrnehmun-gen ableiten lassen, wird man nicht wirklich beantworten können. Man darf aber das zeitgenössische Interesse an den »Winterbriefen« nicht unterschätzen, der Brief zum Wasser wurde immerhin im März 1866 unter dem Titel »Wasserfrage« in der Wie-ner »Neuen Freien Presse« abgedruckt.155 Aber auch im allgemeinen Diskurs dieser Zeit zeichnet sich immer häufiger eine Verbindung zwischen Krankheit und Wasser ab, was – in Bezug auf die Linzer Tageszeitungen – besonders ab der Mitte der 1860er Jahre und im Kontext der Cholera festgestellt werden kann. Ab 1866 verknüpften

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