Diese Arbeit gliedert sich in drei Teile und beinhaltet die folgenden Themenkomplexe mit unterschiedlichen Fragestellungen.
2.1 Thermische Eigenschaften und Mesophasenverhalten von Tricarboxamiden
Im Hauptteil dieser Arbeit soll ein umfassender und systematischer Vergleich der thermischen Eigenschaften, des Phasenverhaltens und der Mesophasenstrukturen von 1,3,5‐Benzol‐ und 1,3,5‐Cyclohexantricarboxamiden mit linearen und verzweigten Alkylsubstituenten (Abb. 14) durchgeführt werden.
Abb. 14: Allgemeine Strukturformeln der 1,3,5‐Benzoltricarboxamide (links) und 1,3,5‐
Cyclohexantricarboxamide (rechts).
Aufgrund ihrer Fähigkeit, intermolekulare Wasserstoffbindungen zu bilden, besitzen diese Verbindungsklassen ein außerordentlich wichtiges und vielseitiges Strukturelement zum Aufbau supramolekularer Nanoobjekte. Sie bieten großes Anwendungspotenzial u. a. als Nukleierungsmittel und Klarmodifizierer für isotaktisches Polypropylen, als Nukleierungsmittel für Polyvinylidenfluorid[45‐447] und als Additive zur Verbesserung der Elektreteigenschaften von Polypropylen.[48, 49]
Außerdem bilden sie Nanofasern mittels Selbstorganisation, die als Filtermaterialien verwendet werden können.[50] Um dieses Potenzial besser auszuschöpfen, ist ein genaues und grundlegendes Verständnis der Struktur‐Eigenschaftsbeziehungen dieser Verbindungsklassen erforderlich.
Ziel der Arbeit ist ein systematischer und umfassender Vergleich der thermischen Eigenschaften einer breiten Auswahl von 1,3,5‐Benzol‐ und 1,3,5‐
Cyclohexantricarboxamiden, um das Verhalten dieser Verbindungsklassen zu verstehen, und Struktur‐Eigenschaftsbeziehungen aufzustellen. Die vielfältigen Strukturen der auftretenden Mesophasen sollen als Funktion der Temperatur aufgeklärt werden. Dabei soll untersucht werden, wie mit steigender Temperatur die Ordnung schrittweise abnimmt. Die Charakterisierung der Verbindungen soll dabei mittels Dynamischer Differenzkalorimetrie (differential scanning calorimetry, DSC), Polarisationsmikroskopie und Röntgendiffraktometrie erfolgen. Zwar wurden von Matsunaga et al. bereits Untersuchungen an 1,3,5‐Benzoltricarboxamiden vorgenommen, allerdings konnten die Mesophasen seinerzeit nicht klassifiziert werden.[25, 26] Die supramolekularen Strukturen der gestapelten 1,3,5‐Benzol‐ und 1,3,5‐Cyclohexantricarboxamid‐Moleküle wurde zwar bereits von Lightfoot et al.
verglichen, aber es wurde nur jeweils eine Verbindung jeder Serie mit polaren Substituenten beschrieben.[35]
Von grundlegendem Interesse bei flüssigkristallinen supramolekularen Systemen ist auch der Übergang von der flüssigkristallinen Phase in die isotrope Schmelze und damit verbunden die Frage, wie weit die Ordnung dabei verloren geht. Dazu soll an ausgewählten Beispielen mittels temperaturabhängiger IR‐Spektroskopie die Stärke der intermolekularen Wasserstoffbindungen und damit die supramolekulare Aggregation in den verschiedenen Phasen untersucht werden. Die molekulare Struktur der von einigen 1,3,5‐Cyclohexantricarboxamiden gebildeten nematischen Phase ist dabei von großem Interesse. Die Existenz einer nematischen Phase wurde zwar bereits von Tomatsu et al.[29] gefunden, ihre Struktur wurde aber nicht näher klassifiziert. Da es sich um einen Zwischenzustand zwischen einer höher geordneten kolumnaren Phase und der isotropen Schmelze handelt, kann er helfen, zu verstehen, was beim Übergang in die isotrope Phase passiert. Die erhaltenen Daten zum Phasenverhalten sind wichtig für die Anwendung der Substanzen. Mit ihrer Hilfe können geeignete Verarbeitungsbedingungen gewählt werden, um die jeweilige Substanz beispielsweise aus einer Mesophase oder der isotropen Schmelze zu verarbeiten. Auch zur Anwendung dieser supramolekularen Strukturen in Bauteilen oder als fibrilläre Nanomaterialien müssen das thermische Verhalten und die Ordnungsstruktur in der jeweiligen Phase bekannt sein.
In Kooperation mit Prof. Dr. Rodrigo Q. Albuquerque (Universität Bayreuth, Lehrstuhl für Theoretische Physik IV, Prof. Dr. S. Kümmel; jetzt: Chemisches Institut der São Carlos Universität São Paulo) sollen die Geometrien der gestapelten Moleküle simuliert werden. Die so erhaltenen Strukturinformationen sollen mit den experimentell erhaltenen Ergebnissen verglichen werden und diese stützen. Diese Ergebnisse sind in Kapitel 3 dieser Arbeit zu finden.
2.2 Tricarboxamide als Gelatoren für isotrope Flüssigkeiten
Während sich der Hauptteil dieser Arbeit mit den thermischen Eigenschaften der Tricarboxamide als Reinstoffe beschäftigt, soll in Kapitel 4 das Verhalten ausgewählter Verbindungen in organischen Lösemitteln untersucht werden. Neben den eindimensionalen Strukturen der Tricarboxamide entlang der Säulenachse sind, wie oben beschrieben, auch Wechselwirkungen zwischen den Säulen möglich. Im Lösemittel kommen bei hinreichend hoher Konzentration auch diese schwächeren Wechselwirkungen zum Tragen. Somit können dreidimensionale Überstrukturen gebildet werden, die unter geeigneten Bedingungen zur Bildung von physikalischen Abb. 15: Schematische Darstellung eines Gelnetzwerks bestehend aus einer isotropen
Flüssigkeit (z. B. Toluol) und einem Gelator auf der Basis von Benzol‐ bzw.
Cyclohexantricarboxamiden).
Ziel dieser Arbeit ist es, geeignete Verbindungen zur Anwendung als Gelatoren oder Verdicker zu finden und zu untersuchen.
Mit diesen Verbindungen soll die Gelierbarkeit verschiedener Lösemittel erprobt werden.
Der Gel‐Sol‐Übergang soll mit verschiedenen thermischen Verfahren (DSC, Kugelfallmethode) untersucht werden.
Die Eigenschaften der erhaltenen Gele wie thermische Stabilität und Trübung sowie die minimal notwendige Gelatorkonzentration sollen verglichen werden.
Schließlich soll versucht werden, nematische Flüssigkristalle zu gelieren.
2.3 Gelatoren für nematische Flüssigkeiten
Im Gegensatz zu den Gelen aus isotropen Flüssigkeiten sollen in Kapitel 5 Gelatoren für nematische Flüssigkeiten gefunden und untersucht werden (Abb. 16).
N
O N R
O R' H
H
CN N
O N R
O R' H
H
CN
Abb. 16: Schematische Darstellung eines Gelnetzwerks in einem nematischen Gel, bestehend aus einer nematischen Flüssigkeit (z. B. 5‐CB) und einem amphiphilen Phenylenbisamidgelator.
Im Einzelnen sollen folgende Punkte untersucht werden:
Der Gel‐Sol‐Übergang der erhaltenen Gele soll mittels thermischer Verfahren (DSC, Kugelfallmethode) untersucht werden.
Die Fließeigenschaften am Gel‐Sol‐Übergang sollen als Funktion der Temperatur mit Hilfe eines besonders empfindlichen Rheometers verfolgt werden.
Die Morphologien der Gelnetzwerke sollen mittels Elektronenmikroskopie abgebildet werden.
Die optischen Eigenschaften dieser Gele im elektrischen Feld sollen in Kooperation mit Matthias Müller (Universität Bayreuth, Lehrstuhl für Experimentalphysik V, Prof. Dr. I. Rehberg) untersucht werden. Dabei wird besonderes Augenmerk auf den Fréedericksz‐Übergang gelegt, der die Grundlage für die Anwendung in Flüssigkristallanzeigen bildet.
Eine Zusammenfassung dieser Arbeit in deutscher und englischer Sprache ist in den Kapiteln 6 und 7 zu finden.