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Die Mobilisierung von Zellen des Immunsystems zu den Orten einer Infektion ist eine der wichtigsten Funktionen des angeborenen und des adaptiven Immunsystems. Dabei ist die Rekrutierung der Zellen Teil der Entzündungsreaktion und wird von Zelladhäsionsmolekülen

vermittelt, deren Expression an der Oberfläche des lokalen Blutgefäßendothels induziert wird.

Die Zellmigration in ein Gewebe hinein bedarf multipler chemotaktischer Signale. Dabei wächst die Anzahl der Leukocyten-Attraktoren mit der Charakterisierung der extensiven Chemokinfamilie ständig weiter. Die Chemokine induzieren die Chemotaxis der Leukocyten und regulieren zudem die adhäsiven Fähigkeiten der Leukocyten-Integrine (Oppenheim et al., 1991; Baggiolini, 1998). Vor der eigentlichen Migration unterlaufen die Zellen eine Polarisierung mit der Bildung eines Lamellipodiums am Leitsaum sowie eines Uropodiums an der hinteren Seite. Diese Zellform erlaubt den Zellen, die Kräfte des Cytoskelettes in das Voranschreiten des Zellkörpers umzuwandeln. Diese morphologischen Veränderungen des Cytoskelettes, die Bildung von Integrin-vermittelten fokalen Adhäsionspunkten sowie die koordinierte Bindung und Ablösung der Zelle von den Endothelzellen, welche die gerichtete Migration bewirkt, sind beeindruckende Effekte der Chemokine (Sanchez-Madrid und Pozo, 1999).

Eines der ersten Ereignisse bei der Polarisierung der Leukocyten, welches durch Chemoattraktoren ausgelöst wird, ist die Veränderung der Verteilung des filamentösen F-Aktins von einer radialen Symmetrie über die gesamte Zelle zur Akkumulation an dem späteren Leitsaum der Zelle, woraus die typische, Amöben-ähnliche, polarisierte Form resultiert. Die Migration und die Polarisierung der Zelle benötigt des Weiteren eine drastische Rekonfiguration des Tubulin. Eine weitere Konsequenz der Polarisierung ist die nur am Leitsaum der Zelle stattfindende Extension einschließlich der Bildung von Lamellipodien und Filopodien. Die Lamellipodien sind breite, flache Strukturen mit vernetzten Aktinfilamenten, während die Filopodien eher dünne und zylindrische Formen haben, und die Aktinfilamente in seilartigen Bündeln gruppiert sind. Bei der Extension von Lamellipodien und Filopodien als Antwort auf einen chemotaktischen Stimulus kommt es zur lokalen Aktin-Polymerisierung. Dabei erfolgt zunächst ein Anstieg der Aktin-Polymerisierungstellen.

Hierauf folgt eine Addition von monomerem G-Aktin (globuläres Aktin) an diese F-Aktin- Wachstumsstellen in der Nähe der Zellmembran sowie ein Abbau des Aktinnetzes am Uropodium.

Während der Migration ist das Aktinnetzwerk stabil mit den Oberflächenrezeptoren verbunden, welche ihrerseits mit dem Substrat interagieren. Für die Adhäsion an das Substrat sowie für die Extension von Filopodien und Lamellipodien werden eine Gruppe von Cytoskelett-assoziierten Proteinen von Phosphoproteinen wie der Fokal-Adhäsions-Kinase (FAK), Paxillin oder Tensin an Tyrosinen phosphoryliert. Auf Aktin und Myosin basierende Kontraktionen in Fibrillenbündeln (so genannte „stress fibers“) vermitteln die

Vorwärtsbewegung der Zelle. Dabei ist die kontinuierliche Bewegung der Zelle in eine Richtung durch die ununterbrochene Regeneration des Netzwerkes durch die Aktin-Polymerisierung am Leitsaum und der Depolymerisierung an der Hinterseite der Zelle (Lauffenburger und Horwitz, 1996). Die Migrationsgeschwindigkeit der Leukocyten beträgt dabei ca. 5µm pro Minute. Nur wenig Erkenntnisse gibt es bis dato in Bezug auf die Membran-Cytoskelett-Interaktionen, welche zur Konzentrierung von chemosensorischen Rezeptoren am Leitsaum führen. Die Abbildung 5 stellt die Abläufe der Migration von Zellen schematisch dar.

Abb. 5: Modell zur Migration einer Zelle. Dabei bewegt sich die Zelle durch die Aktin-Polymerisierung sowie durch die Verknüpfung von fokalen Adhäsionskontakten am Leitsaum vorwärts . Die Kontraktion der Zelle an der Rückseite mit Hilfe des Myosin II vermindert die Zugkraft, welche durch die Aktin-Polymerisierung entstanden ist. Durch den Wechsel von Polymerisierung und Depolymerisierung sowie durch den Auf- und Abbau der Fokalkontake kommt es zur Zellmigration. Das neu polymerisierte Aktin der Zellrinde ist rot dargestellt. Diese Abbildung wurde einem Lehrbuch von Alberts und Mitarbeitern (Alberts et al., 2004) entnommen.

Für die Mobilisierung von Leukocyten sind drei Familien von Zelladhäsionsmolekülen essenziell: die Selektine, welche zu Beginn der Leukocyten-Endothel-Wechselwirkung eine große Rolle spielen. Bei den Selektinen handelt es sich um membranständige Glykoproteine, welche an spezifische Kohlenhydratgruppen binden. Die Wechselwirkungen zwischen den Leukocyten und dem Endothel werden durch die Bindung der Selektine an fucosylierte

Oligosaccharidliganden auf den vorüberziehenden Leukocyten ausgelöst. Die Bindung zwischen Selektinen und Leukocyten ist nicht stark genug, um den Scherkräften des Blutstromes Stand zu halten. Dadurch rollen die Zellen durch den ständigen Wechsel zwischen Bindung und Ablösung am Endothel entlang.

Die rollende Adhäsion ermöglicht allerdings eine festere Bindung der Leukocyten durch interzelluläre Adhäsionsmoleküle (ICAMs) des Endothels. Diese ICAMs verbinden sich mit den heterodimeren Integrinen der Leukocyten nach Aktivierung durch das Chemokin IL-8 Diese stabile Bindung beendet die Rollbewegung und es kann zur Extravasion, der Wanderung der Leukocyten aus den Blutgefäßen durch die Endothelzellen, kommen.

Für diesen Vorgang ebenso wie für die Migration entlang eines Chemokingradienten, sind adhäsive Wechselwirkungen zwischen Integrinen und dem immunglobulinähnlichen Adhäsionsmolekül CD31, welches sowohl auf den Leukocyten als auch an den Verbindungen zwischen den Endothelzellen exprimiert wird, nötig. Durch diese Interaktion gelangen die Zellen durch die Endothelschicht und durchqueren die Basalmembran mit Hilfe proteolytischer Enzyme, welche die Membran zerstören. Diese Wanderung durch die Gefäßwand wird auch als Diapedese bezeichnet. Anschließend wandern die Leukocyten entlang der Konzentrationsgradienten der von den Zellen am Infektionsherd ausgeschütteten Chemokine.

Die einzelne Schritte, die zur Extravasion der Leukocyten durch die Endothelzellen der Blutgefäße hin zu den Orten der Entzündung führen, werden in der folgenden Abbildung 6 gezeigt.

Abb. 6: Chemokin-vermittelte Migration von Leukocyten aus den Blutgefäßen durch Endothelzellen zum infizierten Gewebe. Rollende Adhäsion: durch schwache Bindung von s-Lex (Sialyl-Lewisx-Rest) der Leukocyten an E-Selektine der Endothelzellen. Feste Bindung: die Verlangsamung der im Blutstrom fließenden Leukocyten ermöglicht stärkere Wechselwirkungen zwischen Endothel und Leukocyten durch die von IL-8 induzierte Aktivierung des ICAM-1 Rezeptors LFA (funktionelle Leukocytenantigene, Integrine) auf den Leukocyten. Diapedese: CD31-vermittelte Migration der Leukocyten durch die Endothelzellen sowie die Basalmembran. Wanderung: Migration der Leukocyten entlang eines Chemoingradienten zum Infekionsherd.

Die Abbildung wurde von Janeway und Mitarbeitern entwickelt (Janeway et al., 2002).