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Z USAMMENHANG VON M AHL UND W ORTVERKÜNDIGUNG IN K ORINTH

Im Dokument GOTTESDIENST IN KORINTH (Seite 178-185)

IV. WORTTEILE DER VERSAMMLUNG

7. Z USAMMENHANG VON M AHL UND W ORTVERKÜNDIGUNG IN K ORINTH

Nachdem nun die Ordnung in der Herrenmahls- und Wortversammlung behandelt worden ist, muss das Verhältnis der beiden gottesdienstlichen Aktivitäten untereinander in Korinth bestimmt werden. Bis heute stehen in der Forschung zwei Positionen gegenüber, wie es das Kapitel über die Forschungsgeschichte am Anfang dieser Arbeit gezeigt hat. Die Spaltung besteht in der Frage, ob die urchristlichen Versammlungen eine Teilung in einen Wort- und einen Mahlgottesdienst kannten oder ob Mahl und Wort Teile eines Gottesdienstes waren. Erinnert werden soll hier beispielsweise an die Position von Walter Bauer, der zwei Arten von Gottesdiensten annimmt, die er auch schon in den Mysterienkulten, aber ansatzweise auch bei Jesus sieht. Er nennt erstens einen offenen, missionarischen Wortgottesdienst zur Ausbreitung des Glaubens und zweitens gottesdienstliche Veranstaltungen nur für Gläubige.608 Zuletzt macht diese Unterscheidung so eindeutig Jorg Salzmann, der 1.

Kor 11 und 1. Kor 14 je verschiedenen Versammlungen zuweist.609

Allerdings gibt es daneben Autoren, die mindestens die Lesung der paulinischen Briefe im Gottesdienst voraussetzen. So sieht Hans Lietzmann in den Abschlussversen der paulinischen Briefe die Abendmahlsliturgie, die nach der Verlesung des Briefes stattfand.610 Mit anderen Argumenten postuliert Matthias Klinghardt die Einheit von 1. Kor 11-14, der in diesen Kapiteln die Widerspiegelung der sympotischen Abfolge sieht. So sieht er in Kapitel 11 den Bezug auf den Syssition, d.h. auf das Gemeinschaftsmahl und wenn es so ist, gehört auch ein Symposion, also ein Unterhaltungsteil dazu, deren christliches Pendant er in der Ausübung der Charismen in der Versammlung verordnet.611

Neben diesen beiden entgegengesetzten Positionen gibt es auch Autoren, die darauf verzichten, bestimmte Typen der Versammlungen für die Urchristenheit zu

608 Bauer, Wortgottesdienst, 17.

609 Salzmann, Lehren, 50-81.

610 Lietzmann, Messe, 229.

611 Klinghardt, Gemeinschaftsmahl, 344.

... 178 definieren. So ist darunter z.B. Hans-Josef Klauck zu nennen, der in den urchristlichen Versammlungen grundsätzlich eine größere Pluralität voraussetzt:

"An verschiedenen Abenden in der Woche kann Verschiedenes getan worden sein. Neben Mahl- und Wortgottesdienst stehen Tauffeier, Missionspredigt und katechetische Unterweisung, die je ihren eigenen Ort brauchen.“ 612

Ihm schliesst sich auch Roger W. Gehring an, der mit vielmehr Freiheit in der Organisation der Zusammenkünfte rechnet. Doch findet er auch, dass die Texte in 1.

Kor 11, 17-34 und 1. Kor 14 je eine andere Versammlung ins Auge fassen.613

Der Übersichtlichkeit halber fasse ich hier die Argumente, die einerseits für die Einheit der Versammlung in 1. Kor 11,17-34 und 1. Kor 14 sprechen, und andererseits die entsprechenden Gegenargumente zusammen. Gegen die Einheit sprechen:

1) Paulus behandelt das Mahl und die Wortverkündigung separat. In den Kapiteln 12-14, die sich mit dem Problem der Geistesgaben befassen, wird das Herrenmahl mit keinem Wort erwähnt, auch nicht, wenn Paulus eindeutig die Aufmerksamkeit auf die Versammlung der Gemeinde lenkt wie in 14,23 (Ea»n ou™n sune÷lqhØ hJ e˙kklhsi÷a o¢lh e˙pi« to\ aujto\... Wenn dann die ganze Gemeinde zusammenkommt an einem Ort...). Auch in 11,17-34 wird die Wortverkündigung nicht erwähnt.

2) 1. Kor 14,23f setzt voraus, dass auch a‡pistoß h· i˙diw¿thß (ein Ungläubiger oder Unkundiger) teilnehmen konnte. Die Teilnahme der Ungetauften wäre einerseits aus theologischen Gründen schwierig. Wenn diejenigen, die nicht zur Gemeinde gehörten, am Herrenmahl teilgenommen hätten, würde diese Teilnahme das vorwegnehmen, was in der Taufe geschieht.614 Andererseits besteht eine Schwierigkeit darin, dass die paulinische Aussage ein Auftauchen eines Fremden in einem Privathaus während des Mahls voraussetzt.

612 Klauck, Hausgemeinde, 38f.

613 Gehring, Hausgemeinde, 299-302.309.

614 Salzmann, Lehren, 60.

... 179 3) Ein weiteres Argument für zwei Typen der Versammlung kommt schliesslich von den Zeugnissen ausserhalb der paulinischen Briefe. Zunächst bezeugt die Apostelgeschichte eine Trennung zwischen den Wortversammlungen im Tempel und dem Brotbrechen zu Hause in der Jerusalemer Gemeinde (Apg 2,42ff; 5,42). Als Beleg aus der ausserneutestamentlichen Literatur lässt sich hier Plinius anführen, der in seinem Brief an Kaiser Trajan X,96,7 über die Gewohnheit der Christen berichtet, einen Wort- und einen Mahlgottesdienst zu feiern. So meldet er beim Verhör entnommene Nachrichten, dass es morgens einen Lobgottesdienst vor dem Sonnenaufgang und eine spätere Versammlung zum gemeinsamen Mahl gegeben habe:

„Sie versicherten jedoch, ihre ganze Schuld oder ihr ganzer Irrtum habe darin bestanden, dass sie sich an einem bestimmten Tage vor Sonnenaufgang zu versammeln pflegten, Christus als ihrem Gott einen Wechselgesang zu singen und sich durch Eid nicht etwa zu irgendwelchen Verbrechen zu verpflichten, sondern keinen Diebstahl, Raubüberfall oder Ehebruch zu begehen, ein gegebenes Wort nicht zu brechen, eine angemahnte Schuld nicht abzuleugnen. Hernach seien sie auseinandergegangen und dann wieder zusammengekommen, um Speise zu sich zu nehmen, jedoch gewöhnlich, harmlose Speise...“.615

Auf der anderen Seite kann man einige Zeugnisse des paulinischen Berichts selbst wie auch der Apostelgeschichte als Indizien für die Einheit des Herrenmahls mit der in 1. Kor 14 erwähnten Wortversammlung deuten.

1) Paulus gebraucht an beiden Stellen die gleiche Sprache, um die Versammlungen zu bezeichnen. Wie in 11,17 so auch in 14,26 ist die Versammlung durch das Verb sune÷rcomai erkennbar.

2) Die Themen Mahl und Verkündigung lösen einander seit 1. Kor 10,16 ab. An dieser Stelle wird das Thema Herrenmahl im Brief zum ersten Mahl erwähnt, dann folgt in 11,2-16 die Abhandlung, welche die Haltung beim Beten und

615 Plinius, Epistulae, X,96,7: Adfirmabant autem hanc fuisse summam vel culpae suae vel erroris, quod essent soliti stato die ante lucem convenire, carmenque Christo quasi deo dicere secum invicem seque sacramento non in scelus aliquod obstringere, sed ne furta ne latrocinia ne adulteria committerent, ne fidem fallerent, ne depositum appellati abnegarent.

Quibus peractis morem sibi discedendi fuisse rursusque coeundi ad capiendum cibum, promiscuum tamen et innoxium; quod ipsum facere desisse post edictum meum, quo secundum mandata tua hetaerias esse vetueram.

... 180 Prophezeien betrachtet. Die Kapitel 12-14 schliesslich fassen wiederum die Wortäusserungen in der Versammlung ins Auge.

3) Auch Apg 20,7 zeigt, dass das Mahl und die Lehre zusammengehören konnten - Paulus belehrt die Gemeinde dann, wenn sie zusammengekommen ist, das Brot zu brechen.

Wenn nun die Argumente für und gegen einen Typ der Versammlung betrachtet werden, scheinen diejenigen, die gegen die Aufnahme der liturgischen Ordnung in den paulinischen Briefen sprechen, stärker zu sein. Doch erlaubt m.E. der paulinische Brieftext keine wirklich sicheren Schlüsse in Bezug auf den Zusammenhang zwischen Mahl und Wort zu ziehen. Auf der Textebene kann man weder gegen noch für die Einheit des Mahls und der Wortverkündigung sein, denn man kann nicht erweisen, dass Paulus in seinem Brief einem Ablauf des Gottesdienstes folgt. In Kapitel 10 z.B. wird das Herrenmahl in dem bestimmten Kontext der Teilnahme an den heidnischen Opfermählern erwähnt. Die Kapitel 12-14 sprechen die Versammlung zunächst gar nicht direkt an; Paulus beginnt mit peri«

de÷ und spricht von den Geistesgaben allgemein, womit er offenbar auf die schriftliche Anfrage der Korinther Bezug nimmt. Paulus will ja nicht einen Gottesdienst mit der Gemeinde besprechen, sondern auf die Missstände in der Gemeinde hinweisen, mit denen er nicht einverstanden sein kann. So kommen die verschiedenen Themen im Brief ziemlich frei aneinandergereiht vor, wie das schon am Anfang dieser Arbeit besprochen wurde.616 Also ist seine Rhetorik nach den Problemen im christlichen Lebensvollzug in der Korinthergemeinde gestaltet und nicht nach dem Ablauf der Versammlung in Korinth. Dass Paulus einen Zusammenhang zwischen Versammlung zum Mahl und Wortverkündigung sehen konnte und es dadurch abwechslungsweise behandelt, ist durchaus möglich; die Gemeinde macht in ihren Zusammenkünften wohl beides, sei das in einer oder in verschiedenen Versammlungen.

Das wichtigste Argument für eine Annahme zwei verschiedener Arten der Versammlung ist die Gegenwart der Nichtgetauften. Wäre es möglich, dass in der paulinischen Zeit auch Nichtgetaufte Zugang zum Gemeinschaftsmahl der Gemeinde

616 S. Seite 39f.

... 181 hatten? Wie ist das überhaupt möglich, dass in diesem Hauskreis Fremde auftauchen?

Man muss erkennen, dass die Teilnahme eines Fremden an einem häuslichen Mahl durchaus nicht undenkbar war. Einen Gast hätte ja auch jemand aus der Gemeinde mitgenommen haben können. Auch das Auftauchen von nicht eingeladenen Gästen war nicht unüblich in der antiken Welt. Wenn auch die Privatsphäre vor den Augen der Fremden stark geschützt wurde, war es trotzdem möglich, dass jemand von der Strasse direkt durch die offene Tür in ein Haus hineingelangen konnte.617 Wenn nun die Gemeinde ihre Versammlungen zum Mahl nicht nur ausschliesslich in dem Triclinium abgehalten hat, was aus den Platzgründen unwahrscheinlich ist, ist es möglich, dass eben ein a‡pistoß oder i˙diw¿thß in der Versammlung erschien. Dafür ist die Beschreibung der Räume bei Vitruvius, dem Architekten des 1. Jahrhunderts v. Chr., relevant. Laut ihm gab es Räume im Haus, die für jedermann zugänglich waren, nämlich Vestibül, Atrium und Peristyle. Wenn nun die Gemeinde ihre Versammlung auf ein Atrium ausgedehnt hat, wäre die Erscheinung eines Neugierigen nicht unmöglich. Allerdings zählt Vitruvius Räume wie Schlafzimmer, Bad und auch Triclinium (!) zu denjenigen Räumen, die nur für den privaten Gebrauch offen sind.618 Das kann aber noch nicht als Beweis für das Nicht-Auftauchen eines Fremden beim Gastmahl aufgefasst worden, denn solche Situationen werden in der antiken Literatur immer wieder dargestellt. Ein ungeladener Gast ist sogar zu einem Typus in der Symposienliteratur geworden.619 Ein Beispiel dafür ist der in Xenophon´s „Symposion“ vorkommende ungeladene Gast Philippos, der sich unerwartet im Gastmahl einfindet und als „Lustigmacher“

die Gemeinschaft unterhält.620

Eine solche Situation ist auch in den Erzählungen der Evangelien über die Salbung Jesu durch eine Frau belegt (Mk 14,3-9 par). Diese Stelle ist für uns umso interessanter, da sich die ganze Geschichte während des Mahls ereignet. Also wäre es nicht unmöglich, dass ein Fremder im Haus auftaucht, in dem sich die Christen zu einem gemeinsamen Mahl versammelt haben. Freilich erscheint es bei dieser Situation insgesamt als weniger wahrscheinlich als bei einer offenen Versammlung.

617 Osiek/Balch, Families, 17.

618 Vitruvius, De architectura, 6.5.1.

619 Ausführlich dazu Klinghardt, Gemeinschaftsmahl, 84-90.

620 Xenophon, Symposium, 1,11.

... 182 Doch bleibt nun noch das theologische Problem. Ist es möglich, dass in der korinthischen Gemeinde auch Nichtgetaufe das Herrenmahl mitgefeiert haben? Man muss Günther Bornkamm Recht geben, dass das Neue Testament selber nirgends explizit ein solches Verbot aufstellt.621 Zum ersten Mal sehen wir in Didache (9,5), dass die Taufe zur Voraussetzung für die Teilnahme an der Eucharistie wurde.

Zweifellos liegt zwischen den beiden Dokumenten Didache und 1. Korintherbrief ein räumlicher und zeitlicher Abstand, so dass man in Korinth nicht die gleichen Bedingungen voraussetzen darf. Dass eine Veränderung stattgefunden hat, zeigt sich schon dadurch, dass in der Didache zum ersten Mal überhaupt in der Versammlung feste Formen bestimmt werden, während im 1. Korintherbrief nur das ethische Verhalten der Korinther untereinander das Thema ist.

Es gibt aber im 1. Korintherbrief selbst ein paar Texte, die eher einen Schluss ziehen lassen, dass ein a‡pistoß h· i˙diw¿thß kaum das Herrenmahl mit der Gemeinde gefeiert hat. Das sind Texte, in denen Paulus eine Grenze zwischen „Gemeinde“ und

„Nicht-Gemeinde“ zieht. So wird zunächst in 1. Kor 10,16 die Gemeinschaft der Gemeinde als Mahlgemeinschaft definiert, von der die Teilnahme an den heidnischen Opferkultmählern unterschieden wird und nicht mehr damit vereinbar ist, wie das Beispiel der Einladung bei einem „Ungläubigen“ (a‡pistoß 10,27) zeigt.

Auch scheint 1. Kor 11,27-29 die Annahme zu unterstützen, dass das Mahl nur der Gemeinde vorbehalten war. Dieser Text bezieht sich zunächst eindeutig auf eine falsche Einstellung von Gemeindemitgliedern, also von Getauften, und betrifft die ethischen Missstände in der Gemeinde. Doch Paulus setzt ebenso ein bestimmtes Verhältnis zum Leib und Blut des Herrn voraus. Man muss den Leib unterscheiden können oder man muss sich selbst prüfen, denn dieses Brot und der Kelch sind auch ein gefährliches Essen; man kann sich damit unter Gericht stellen. So ist es kaum glaubwürdig, dass jemandem, der einfach von der Strasse reinspaziert wäre, die Teilnahme am Herrenmahl der Gemeinde erlaubt worden wäre.

Schliesslich zieht Paulus auch in 1. Kor 16,22 mit dem Anathema eine sehr scharfe Trennlinie zwischen diejenigen, die sich zu Christus bekennen, und diejenigen, die das nicht tun. So ist aus den paulinischen Aussagen zu entnehmen, dass er mindestens eine Grenze zwischen „Gläubige“ und „Ungläubige“ setzt. Es ist

621 Bornkamm, Verständnis, 126.

... 183 wahrscheinlich, dass beim Herrenmahl, dem zentralen gemeinschaftsstiftenden Ritus der Gemeinde, diese Grenze auch eine Rolle gespielt hat.

Somit muss man den Schluss ziehen, dass die Versammlung, die in 14,23f angesprochen wird, eine andere sein muss als die Mahlversammlung, wovon 11,17-34 handelt.

Was nun die Zeugnisse der Apostelgeschichte und des Briefes von Plinius betrifft, so sind diese m.E. die besten Zeugnisse dafür, dass man in den Formen des urchristlichen Gottesdienstes mit Pluralität zu rechnen hat. Schon die Apostelgeschichte allein bezeugt in den oben genannten Stellen verschiedene Typen der Versammlung. Der Brief von Plinius hat natürlich auch keine grosse Aussagekraft für die korinthischen Gemeinden. Es liegt zwischen Korinth bzw. deren Gemeindesituation und der römischen Provinz Bithynien, in der Plinius kurz nach der Jahrhundertwende Statthalter war, eine räumliche und zeitliche Distanz. Es ist nicht denkbar, dass eine Form der Versammlung über diese Distanz und diese Zeit hinweg starr geblieben ist. Eine solche Einheit der Versammlungsformen lässt sich schon aufgrund des NT selber nicht bezeugen.

... 184

Im Dokument GOTTESDIENST IN KORINTH (Seite 178-185)