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7.1 Streptomyces sp. Tü 6077 − Spirodionsäure (23)

Im Rahmen der vorliegenden Arbeit konnte das bestehende Metabolitenspektrum des Stammes Streptomyces Tü 6077 um einen weiteren, für die Aufklärung der Biosynthese von 23 entscheidenden Sekundärstoffes erweitert werden. Dihydrosarkomycin (30) konnte erstmalig aus dem Stamm Tü 6077 in Ausbeuten von 10-14 mg/L isoliert werden.

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Dihydrosarkomycin (30)

Dieser Metabolit sowie sein instabiles Analogon Sarkomycin (31), welches als Antitumormittel Verwendung fand, wurden bereits aus Streptomyces erythrochromogenes isoliert.[70, 71] Es konnte gezeigt werden, dass Sarkomycin (31) unverzichtbare Informationen für die Biosynthese von Spirodionsäure (23) lieferte.

Im Rahmen der Biosynthesestudien an Spirodionsäure (23) konnte durch Variationen der Nährmedienzusammensetzung, des Kulturvolumens, der Kultivierungsgefäße, der Durchmischungsart, der Fermentationslänge und der Kultivierungsdauer die optimalen Fermentationsbedingungen für eine ausreichend hohe Produktion von 23 durch den Stamm Tü 6077 ermittelt werden. Für die Vorkulturen erwiesen sich 100 mL Medium S in 1 L Erlenmeyerkolben ohne Schikane, die für 48 h bei 120 spm auf einen Längsschüttler inkubiert wurden als optimal für die Produktion von 23. Die beste Ausbeute an 23 zeigte sich im Biostat-B Fermenter, wobei hier zu 2 L Medium S zwischen der neunten und zehnten Fermentationsstunde α-Ketoglutarat (1 g/L) zur Förderung der Spirodionsäure-Biosynthese zugegeben wurde. Eine optimale Produktion im Fermenter wird erreicht, wenn die Kultivierung über einen Zeitraum von 96 Stunden bei 28 °C, 500 rpm und einer Luftzufuhr von 4 vvm durchgeführt wird. Diese detaillierten, mikrobiologischen Arbeiten machten die folgenden Biosynthesestudien überhaupt erst möglich.

Auf Grund dieser Variationen konnte die maximale Ausbeute von Spirodionsäure von ca.

1 mg/L auf 15 mg/L erhöht werden. Innerhalb dieser Studien konnte auch die essentielle Bedeutung des Nährmedienbestandteils Glycerin für die Produktion von 23 durch verschiedene Kultivierungsansätze nachgewiesen werden. Ebenso konnten Analysen des pH-Verlaufs relevante Hinweise bezüglich der Produktion von 23 liefern. Dieser Parameter konnte nun als entscheidendes Werkzeug für die Abschätzung der Produktion von 23 bereits während der Kultivierung des Stammes Tü 6077genutzt werden.

Im Rahmen der Biosynthesestudien an Spirodionsäure (23) konnten hier Fütterungsexperimente mit markierten Vorläufern erfolgreich durchgeführt werden. Die Zufütterung von [2-13C]Malonat führte zu signifikanten Anreicherungen in 23. Der Kultivierungsansatz mit Zufütterung von [U-13C3]Glycerin in Form eines „separated-cell“-Experimentes führte zu einem erfolgreichen Einbau in 23, 29 und außerdem auch 30, und lieferte bedeutende Hinweise bezüglich ihrer Biosynthese. Es wurde eine schlüssige Biosynthesehypothese von 23 aufgestellt, die durch diese Fütterungsexperimente belegt werden konnte. [64] Man konnte auf Grund der durchgeführten Fütterungsexperimente von markierten Vorläufern erstmalig für einen bakteriellen Produzenten eine intermolekulare Diels-Alder-Typ-Reaktion für die Biosynthese von 23 ableiten. Nach dieser Hypothese kommt es zu einer Cycloaddition des Dienophils 31 mit dem 2H-Pyron (29). Die Triebkraft dieser Reaktion ist Decarboxylierung des Diens 31 an dem Kohlenstoffatom C-2.

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Die aufgestellte Biosynthesehypothese schließt außerdem die genaue Betrachtung des biosynthetischen Mechanismus ein. Neben einer eher konzertiert ablaufenden Diels-Alder-Typ-Reaktion, könnte die Addition von 29 und 31 auch als zweistufige Reaktion formuliert werden. Das umfasst die Möglichkeit einer ionischen, doppelten Michael-Addition, die zum gleichen Addukt wie eine Diels-Alder-Reaktion führt. Die letztendlich detaillierte Feststellung, ob eher konzertierte Diels-Alder-Reaktion oder ionische, zweistufige Michael-Addition stattfindet, konnte auch jüngst bei dem pilzlichen Metaboliten Makrophomsäure (19) nicht geklärt werden, obwohl die Röntgenstruktur des Enzyms und quantenmechanische Berechnungen vorlagen.[22, 44]

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Feststeht, dass die Bildung eines einzigen Stereoisomers von 23 unter physiologischen Bedingungen und die hohe, ungezielte Reaktivität der exoständigen Doppelbindung in 31 gute Argumente für die Annahme einer enzymatischen Reaktion sind.[64] Damit wurde erstmalig ein Spiro[4.5]decan bakteriellen Ursprungs gefunden und in seiner Biosynthese untersucht.

Und erstmals wurde für einen bakteriellen Naturstoff überhaupt eine intermolekulare Diels-Alder-Reaktion experimentell fundiert belegt.

Die durchgeführten Fütterungexperimente mit der Methode der Vorläufer-dirigierten Biosynthese erbrachten bisher keine biologischen Derivate von Spirodionsäure (23).

In Bezug auf die Klärung der absoluten Konfiguration wurde erfolgreich der p-Bromphenacylester (49) von Spirodionsäure (23) hergestellt, der jedoch in verschiedenen Kristallisationsansätzen keine Kristallbildung zur Folge hatte. Im Rahmen eines Kooperationsprojekt mit dem Arbeitskreis von P. von ZEZSCHWITZ konnte durch den Vergleich der spektroskopischen Daten der synthetischen, racemischen Spirodionsäure (50) mit denen des isolierten Naturstoffs 23 die eindeutige Bestätigung der Konstitution von 23 erhalten werden. Ebenso war es möglich die absolute Konfiguration von Spirodionsäure (23) zu ermitteln, indem die diastereomeren Camphersultam-Derivate 51a und 51b der synthetischen Spirodionsäure (50) mit dem Camphersultamamid nativen Ursprungs über NMR-Spektroskopie und HPLC-Analytik untersucht wurden. Dieser Vergleich führte abschließend zur Bestimmung der absoluten Stereokonfiguration von 23, die als (1R,5R,9S)-6-Ethyl-7,9-dimethyl-4,8-dioxospiro[4.5]deca-6-en-1-carbonsäure zugeordnet werden konnte.[64]

7.2 Biosynthesestudien an Kirromycin (24)

Molekularbiologische Arbeiten des Arbeitskreises von T. WEBER im Rahmen des BMBF-Projektes „MetabolitGenomik-Actinomycetes“ identifizierten den Biosynthese-Gencluster Kirromycin (24).

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Innerhalb dieser BMBF-Korporation wurden zwei Fütterungsexperimente mit markierten Vorläufern an den Produzentenstamm Tü 365 durchgeführt, mit dem Ziel die Biosynthese zweifelsfrei zu belegen. Die Ergebnisse des Kultivierungsansatzes mit Zugabe von [U-13C315N]β-Alanin konnten eindeutig zeigen, dass β-Alanin der unmittelbare Vorläufer von 24 ist und somit die auf genetischen Arbeiten basierende Hypothese erfolgreich bestätigen.

Ebenso ist dieser direkte Nachweis des Vorläufers β-Alanin in Bezug auf die Biosynthesen anderer Elfamycine bisher einzigartig. Das Einbaumuster des Fütterungsexperimentes mit [1-13C]Acetat wies auf eine Abweichung der Biosynthese von 24 in Bezug auf die biologische Synthese seines N-Methylderivates, Aurodox (53), hin und lässt unterschiedliche Biosynthesewege oder andere Metabolismusraten vermuten.

Chemisch-analytische Arbeiten mit den Deletionsmutanten kirB-1, kirAVI::thio und TL-kirOI, die im Arbeitskreis von W. WOHLLEBEN und T. WEBER erzeugt wurden, zeigten eindeutig, dass die Produktion von Kirromycin (24), entsprechend der aufgestellten Hypothese, ausgefallen war. Somit konnten die Grenzen des Biosynthese-Genclusters experimentell eindeutig aufgezeigt werden. Zusätzlich konnte nachgewiesen werden, dass die durch T. LAIPLE durchgeführte Komplementation mit dem nativen kirOI-Gen in die TL-kirOI::thio-Mutante erfolgreich durchgeführt worden war.[53] Die Analyse der aus eigenen Kultivierungen erhaltenen Extrakte zeigte eindeutig, dass wieder eine Produktion von 24 stattfand. Somit konnte zweifellos gezeigt werden, dass der Ausfall der Kirromycin (24) Produktion in der TL-kirOI::thio-Mutante auf die Inaktivierung von kirOI zurückzuführen ist.

In den bisherigen Arbeiten mit diesen Deletions-Mutationen des Kirromycin-Produzenten S.

collinus Tü 365 unter verschiedenen Kultivierungsbedingungen konnten keine putativen Vorläufer von 24 über HPLC-gekoppelte Massenspektrometrie reproduzierbar identifiziert oder in mg-Mengen präparativ isoliert werden. Jedoch weisen erste Fütterungsversuche mit verschiedenen Zusätzen als Stressinduktoren auf Möglichkeiten für eine Steigerung der Sekundärstoffproduktion hin. Sowohl die Zufütterung von β-Alanin als auch Malonsäure induzierte die Produktion neuer Sekundärstoffe. Der Kultivierungsansatz unter Zugabe von DMSO zeigte keine Produktion neuer Metaboliten. Laufende Kultivierungsarbeiten mit dem Wildtyp-Stamm Tü 365 unter Zufütterung von Ancymidol und der Deletionsmutante TL-kirOI::thio zeigen hierbei viel versprechende Ansätze, da die Analyse der erhaltenen Rohextrakte ein interessantes Signalmuster präsentierte. Zusammenfassend stellt sich das Auffinden möglicher Biosynthesevorläufer und die chemisch-präparative Reindarstellung der Produkte heutzutage noch als problematisch dar, da die Expression, Produktionsraten oder Transportsysteme der genetisch veränderten Mutanten noch hohen Optimierungsbedarf haben. Der interdisziplinäre Ansatz von molekularbiologischen und chemisch-analytischen Arbeiten hingegen hat zweifelsfrei ein detailliertes Bild der ungewöhnlichen Kirromycin-Biosynthese ergeben.

B Experimenteller Teil