1.2 Workshop 2 – Engagementmessung und -berichte
Der Workshop stellte verschiedene Beispiele der Engagementmessung aus den Mitgliedstaaten Italien, Portugal und Deutschland vor und diskutierte diese im Lichte des ILO-Handbuchs zur Engagementmessung.
Ksenija Fonovic vom Centro di Servizio per il Volontariato del Lazio (SPES) präsentierte zunächst das ILO-Handbuch zur Messung von Engagement, ging in der Folge auf das European Volunteer Measurement Project (EVMP) und dessen Arbeit für eine europaweite Umsetzung des Handbuchs ein, um abschließend kurz die Umsetzung des ILO-Handbuchs in Italien zu skizzieren. Ksenija Fonovic stellte zunächst fest, dass europaweit ein „methodologisches Chaos“ herrsche und unterschiedliche Definitionen von Freiwilligen-tätigkeit zu verschiedenen Daten führen. In der Folge fehle die Grundlage für eine Vergleich-barkeit der Ergebnisse von Engagementmessung. Als Kriterien für ein gemeinsames Erhebungssystem nannte sie eine möglichst breite Definition von Freiwilligentätigkeit, konzeptionelle Klarheit der Erhebungen, Objektivität der empirischen Methoden, Vergleich-barkeit der Daten und DurchführVergleich-barkeit, d.h. die Einbettung in bereits bestehende Erhebungsverfahren und -systeme. Mithilfe des ILO-Handbuchs und dessen Umsetzung bei der Engagementmessung könnten diese Kriterien erfüllt werden. Das ILO-Handbuch führt u.a. Fragen zu folgenden Aspekten: Dauer in Stunden, die sich die Befragten in den letzten vier Wochen freiwillig engagiert haben, Art und Weise, Ort11 und Sektor der Tätigkeit.
Außerdem enthält es einen Berechnungsschlüssel zur Ermittlung des ökonomischen Werts der Freiwilligentätigkeit12. Durch die Umsetzung des Handbuchs könne Engagement europa- und weltweit vergleichbar gemessen werden.
Das EMVP setzt sich für die europaweite Anwendung des ILO-Handbuchs ein. Dazu informiert es über Engagementmessung, ist beratend bei der Umsetzung tätig und macht seinen Einfluss auf politische Akteure auf nationaler und EU-Ebene geltend.13 Aus ihren Erfahrungen berichtete Ksenija Fonovic, dass viele Statistikämter, die sich am EMVP beteiligt haben, über mangelnde finanzielle und zeitliche Ressourcen klagten, um die Befragungen zu planen und durchzuführen. Sie konnte außerdem berichten, dass die Ergebnisse des EMVP in ein neues Projekt namens „Third Sector Impact“ einfließen. Dieses Projekt untersucht den Beitrag von zivilgesellschaftlichen Organisationen und Bürger-schaftlichem Engagement auf die sozio-ökonomische Entwicklung in der EU.
Abschließend erwähnte Ksenija Fonovic noch, dass der Survey zu den Aspekten des täglichen Lebens im Jahr 2013 in Italien um eine Erhebungskomponente bezüglich des
11 innerhalb einer Organisation (formal) oder direkt (informell).
12 Stunden der Tätigkeit x Art der Tätigkeit (nach Berufsklassifikation, ISCO Code).
13 Das ILO-‐Handbuch wurde bisher in Portugal, Ungarn, Polen und Italien bei der Engagementmessung
1.2 Workshop 2
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Beobachtungsstelle für gesellschaftspolitische Entwicklungen in Europa
Bürgerschaftlichen Engagements entlang der Vorgaben des ILO-Handbuchs erweitert wurde.
Die Arbeit mit diesen Daten solle fortgesetzt werden.
Ana Cristina Ramos vom Instituto Nacional de Estatística (Nationales Statistikamt Portugal) berichtete über die Umsetzung des ILO-Handbuchs in Portugal durch den Survey on Volunteer Work im Jahr 2012. Dieser Survey wurde angegliedert an den Labour Force Survey durchgeführt. Die Erhebung orientierte sich – konzeptionell vereinfacht – am ILO-Handbuch und erfasste daher sowohl
formales Engagement in Organisationen als auch informelles Engagement, das auf direktem Wege stattfand. Referenzzeitraum war ein Jahr, das Engagement musste unbezahlt und freiwillig erfolgt sein und dabei mindestens eine Stunde betragen haben. Probleme bei der Erhebung ergaben sich laut Ramos dadurch, dass Engage-ment innerhalb der erwerbsorientierten Befragung des Surveys als spezifisches und sensibles Thema wahrgenommen
wurde und Näherungsantworten möglich waren. Hierunter litten sowohl die Akzeptanz der Fragen als auch die Sorgfalt bei der Beantwortung. Positiv hob sie hervor, dass durch die Angliederung an die bestehende Surveyform dessen bereits institutionalisierte Verfahren genutzt werden konnten. Es zeigte sich nach Ansicht von Ana Christina Ramos hierbei, dass die Koordinierung zwischen den beteiligten Abteilungen des Statistikamtes eine Heraus-forderung darstellte. Sie bedauerte, dass aufgrund des Zeitdrucks der sehr wichtige Dialog mit zivilgesellschaftlichen Akteuren nur unzureichend möglich war.
Anhand der Ergebnisse legte Ramos dar, dass Portugal mit 11,5% im Vergleich zu den anderen europäischen Staaten eine geringe Freiwilligenquote aufweise. Im europäischen Vergleich14 zeigte sich jedoch, dass den Sektoren der sozialen Dienste und konfessioneller Aktivitäten relativ gesehen eine höhere Bedeutung am Gesamtanteil des Bürgerschaftlichen Engagements in Portugal zukomme. Deutlich wurde auch, dass in Portugal ausgeprägte regionale Unterschiede beim Anteil der Freiwilligen an der Bevölkerung bestehen. Regionale Differenzen zeigten sich auch bei der Bedeutung der Sektoren für das Bürgerschaftliche Engagement. Der Survey machte zudem deutlich, dass der ökonomische Wert des Bürger-schaftlichen Engagements im Erhebungszeitraum 4,1% der gesamten Erwerbsstunden in Portugal entsprach. Dieser Wert sei insbesondere für die Regierungspolitik von großer
14 Basis des Vergleichs waren der Survey on Volunteer Work 2012 für Portugal und Daten des Eurobarometers von 2011 für die anderen Mitgliedstaaten.
Ana Cristina Ramos (Instituto Nacional de Estatística)
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Bedeutung, da der „wirtschaftliche Anteil“, der durch Bürgerschaftliches Engagement entsteht, beziffert werden kann. Diskutiert wurde anschließend u.a. über den Referenz-zeitraum der Befragung, da bei der Erhebung in Portugal die letzten 12 Monate, im ILO-Handbuch jedoch nur die letzten 4 Wochen abgefragt werden.15
Prof. Dr. Clemens Tesch-Römer vom Deutschen Zentrum für Altersfragen (DZA), das seit 2012 die wissenschaftliche Leitung des Deutschen Freiwilligensurveys (FWS) inne hat, stellte den Ansatz der Engagementmessung in Deutschland vor, der sich vom ILO-Handbuch unterscheidet. Beide Ansätze ähneln sich darin, dass es um Tätigkeiten geht, die außerhalb des eigenen Haushalts unentgeltlich durchgeführt werden. Ein Unterschied besteht darin, dass der FWS nicht allein nach "unbezahlter Arbeit", sondern auch nach weiteren Aktivitäten und Aufgaben fragt. Ein zweiter Unterschied besteht darin, dass der FWS einen Schwerpunkt auf Freiwilligentätigkeiten innerhalb von Organisationen legt. Allerdings wird seit 1999 auch im FWS informelles Engagement erfasst. Dieser Bereich wird im FWS 2014 zudem ausgeweitet, z.B. mit Blick auf Nachbarschaftshilfe und neue Formen des Engagements. Ziel der regelmäßigen Befragungswellen des FWS sei es laut Tesch-Römer, gruppenspezifische16 Veränderungen über Zeit zu beobachten sowie diese sektoren-spezifisch aufzuschlüsseln. Daher erfasse der FWS detailliert die Art der freiwilligen Tätigkeit sowie Motive für das Engagement, die zusätzlich nach sozioökonomischen Gruppen differenziert werden. Trends zeigten sich bei der Freiwilligenquote, sowohl insgesamt als auch in den erhobenen Sektoren, bei der Quote der Personen mit Bereitschaft zum Engagement und bei neuen Formen des Engagements, wie z.B. dem Online Volunteering.
Tesch-Römer erläuterte, dass es zusätzlich zum bundesweiten Engagementbericht bundeslandspezifische Berichte geben werde, um Unterschiede zu beleuchten und für die Länderebene, die engagementpolitisch sehr bedeutend sei, differenzierte Daten liefern zu können.
Im Anschluss ging Clemens Tesch-Römer auf die Veränderungen in der vierten Welle des FWS ein, dessen Erhebung 2014 stattfinden wird.17 Neu integriert werden Fragen nach der Lebenssituation von Freiwilligen und Nichtfreiwilligen sowie solche, die neue oder sich verändernde Formen des Bürgerschaftlichen Engagements erheben. Außerdem wird die Telefonbefragung auf Mobilfunkanschlüsse ausgeweitet, die in Zukunft 30% der Befragungen ausmachen werden. Schließlich wird der Fragenkatalog auf Türkisch, Russisch, Polnisch, Arabisch und Englisch übersetzt, um mehr Bürger mit Migrations-hintergrund in die Befragung einbeziehen zu können. Dieser Punkt wurde in der anschlie-ßenden Diskussion als positiv bewertet. Eine Teilnehmerin aus dem Vereinigten Königreich
15 Hier ergeben sich ggf. Verzerrungen, wenn für die unterschiedlichen Zeiträume Engagement jeweils bereits ab einer Stunde Freiwilligentätigkeit erfasst wird.
16 z.B. Geschlecht, Alter, Bildungsstatus, Migrationshintergrund, etc.
17 Die bisherigen Erhebungen fanden im Fünfjahresrhythmus in den Jahren 1999, 2004 und 2009 statt.
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merkte an, dass Menschen mit Migrationshintergrund dort noch zu wenig erreicht würden.
Ein weiterer Diskussionspunkt ergab sich bei der Frage nach der Monetarisierung. Hier wurde der FWS von einigen Teilnehmern als defizitär dargestellt, da er der Unterscheidung zwischen „Erwerbsarbeit“ und „freiwilligem Engagement“ aufgrund seines Ansatzes, insbe-sondere durch die einleitenden Fragen, nicht angemessen Rechnung trage.18 Es wurde vorgeschlagen, entgeltliche Leistungen aus der Statistik des FWS herauszunehmen und vielmehr genauer nach der entsprechenden Tätigkeit zu fragen, um Erwerbstätigkeit und Engagement trennscharf zu unterscheiden. Herr Tesch-Römer stellte dar, dass die Art der Tätigkeit im FWS differenziert erfasst wird, zudem wird nach Aufwandsentschädigungen und Kostenerstattungen gefragt. In den einleitenden Frageformulierungen im FWS wird darüber hinaus deutlich gemacht, dass es um Tätigkeiten geht, die außerhalb des Berufs (und außerhalb der Familie) unbezahlt oder gegen geringe Aufwandsentschädigung ausgeübt werden. Im FWS 2014 wird in einem zweiten Schritt des Interviews noch einmal überprüft, ob alle genannten Tätigkeiten ehrenamtlich oder freiwillig ausgeübt werden.
In der abschließenden Diskussion wurde auf die Messung der Freiwilligentätigkeiten weiter eingegangen. Unterschiedliche Referenzrahmen aus den Mitgliedstaaten für die Beschrei-bung der Tätigkeiten wurden dargestellt und diskutiert. Ein weiterer Aspekt, der Erwähnung fand, war der ungenügende Einbezug von internationalem freiwilligem Engagement in der Messung. Hier könnten Informationen vermehrt über die jeweiligen Organisationen generiert werden. Herr Tesch-Römer wies darauf hin, dass im FWS 2014 nach dem geographischen Raum gefragt wird, dem das jeweilige Engagement zugutekommt und in dem es ausgeübt wird. Betont wurde zudem, dass eine Unterscheidung zwischen „civic engagment“ und
„volunteering“ weiterer Überlegung bedürfe, um die Engagementmessung zu verbessern.
Festzuhalten bleibt, dass europaweit vergleichbare Daten über Bürgerschaftliches Engage-ment weitgehend befürwortet werden, wenngleich bisher keine Einigkeit über die Erhebungs-verfahren besteht. Hier bedarf es eines fortlaufenden Dialogs und Erfahrungsaustausches sowie der Offenheit aller Akteure. Festzuhalten bleibt jedoch auch, dass dabei eine Flexibilität erhalten bleiben sollte, die es ermöglicht, nationale Spezifika zu berücksichtigen.
18 Die einleitenden Fragen im FWS lauten:
1. „Es gibt vielfältige Möglichkeiten, außerhalb von Beruf und Familie irgendwo mitzumachen, beispielsweise in einem Verein, einer Initiative, einem Projekt oder einer Selbsthilfegruppe. Ich nenne Ihnen verschiedene Bereiche, die dafür in Frage kommen. Bitte sagen Sie mir, ob Sie sich in einem oder mehreren dieser Bereiche aktiv beteiligen. Sind Sie irgendwo aktiv“ (Aufzählung von 14 Bereichen).
2. „Uns interessiert nun, ob Sie in den Bereichen, in denen Sie aktiv sind, auch ehrenamtliche Tätigkeiten ausüben oder in Vereinen, Initiativen, Projekten oder Selbsthilfegruppen engagiert sind. Es geht um freiwillig übernommene Aufgaben und Arbeiten, die man unbezahlt oder gegen geringe Aufwandsentschädigung ausübt.“
Beobachtungsstelle für gesellschaftspolitische Entwicklungen in Europa 1 Konferenzbericht – WS 3
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1. 3 Workshop 3 – Engagementprogramme auf nationaler und europäischer