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Wo stehen wir im Konjunkturzyklus?

Im Dokument Neue Herausforderungen (Seite 32-35)

Es ist erstaunlich, dass gemessen an der Entwicklung des BIP (preis-, saison- und kalenderbe-reinigte Quartalswerte) ein Aufschwung in Deutschland nie länger als rund vier Jahre durchge-halten hat. Das gilt für die 1970er, 1980er und 1990er Jahre für Westdeutschland und für die Zeit ab 1991 für Deutschland (siehe Abbildung; zugegebenermaßen ist die Festlegung der je-weiligen Wendepunkte nicht immer ganz einfach, insbesondere für die 1980er Jahre; zur Me-thodik siehe Schirwitz, 2007).

Nimmt man den Aufschwung von 1/2005 bis 1/2008 zum Maßstab, würde dem Zyklus schon Anfang 2016 langsam die Luft ausgehen, zieht man den Aufschwung von 4/1993 bis 4/1996 heran, würde er spätestens Ende 2016 an die Decke stoßen. Zu erwarten wäre vor diesem Hin-tergrund, dass ein neuerlicher konjunktureller Wendepunkt im Laufe der Jahres 2016 sehr wahrscheinlich ist.

Abbildung 18 Konjunkturaufschwünge in Deutschland Entwicklung des preis-, saison- und ar-beitstäglich bereinigten Bruttoinlandsprodukts

Quellen: Deutsche Bundesbank; Institut der deutschen Wirtschaft Köln

Oder gilt „this time is different“? Was könnte dem Zyklus im Laufe von 2016 neues Leben ein-hauchen? Impulse könnten vom anhaltenden Flüchtlingszustrom ausgehen. Die öffentliche Hand wird ihre Ausgaben im nächsten Jahr voraussichtlich um 13 Mrd. Euro steigern (6 Mrd.

Euro Sachleistungen plus 7 Mrd. Euro Sozialleistungen), ohne vermutlich an anderer Stelle da-für die Ausgaben entsprechend zu kürzen. Diese Maßnahme würde folglich wie ein kleines kre-ditfinanziertes keynesianisches Konjunkturprogramm wirken. Ceteris paribus steigt dadurch die inländische Nachfrage um etwa 0,4 Prozent (weitere mögliche Multiplikatoreffekte nicht mitge-rechnet und ohne Brücksichtigung gegenläufiger Preis- und Substitutionseffekte; siehe Frage 13). Dem entgegenstehen die Probleme in den Emerging Markets, allen voran in China, aber auch in Südamerika. Ein kräftiges Durchstarten der Euro-Zone ist angesichts der ungelösten Schuldenproblematik unwahrscheinlich. Die nach wie vor positive Einstellungsbereitschaft der Wirtschaft und die entsprechend günstigen Arbeitsmarktperspektiven sprechen nicht gegen einen beginnenden Abschwung in 2016, denn der Arbeitsmarkt war schon immer ein nachlau-fender Indikator.

Eine besondere Herausforderung in Deutschland stellt der Investitionszyklus dar. Konjunkturelle Wechsellagen entstehen in Deutschland oftmals durch außenwirtschaftliche Einflüsse. Das gilt für offene Volkswirtschaften in guten wie in schlechten Zeiten. Als ein wichtiger Teil des Kon-junkturmusters kann für Deutschland angeführt werden, dass ein Aufschwung immer dann an Breite und Stärke gewinnt, wenn der „Exportfunke“ auf die Inlandskonjunktur überspringt. Ein wichtiges Scharnier dazwischen bilden in der Regel die Ausrüstungsinvestitionen. Die

Beschäf-70 75 80 85 90 95 100 105 110

1/2016 1/2017

tigung wird nach dieser Impulsübertragung erst zeitverzögert angeregt, was letztlich dann auch den privaten Konsum in Bewegung bringt (siehe Übersicht).

Übersicht: Stilisiertes Konjunkturmuster Exporte  Ausrüstungsinvestitionen

 Gewerbeinvestitionen

 Beschäftigung  Konsum

Einerseits war das intakte Konjunkturmuster mit beeindruckender Deutlichkeit in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre und von Ende 2004 bis Anfang 2009 zu beobachten (Abbildung 19).

Auch der Zeitraum Mitte 2009 bis 2011 zeigt diesen durchgehenden Konjunkturzyklus. Ande-rerseits fand diese Übertragung des „Exportfunkens“ auf die inländischen Ausrüstungsinvestiti-onen nicht permanent statt, was zumindest bei einer mittelfristigen Betrachtungsweise auf Struktur- und Standortprobleme hinweisen kann (Bardt/Grömling/Hüther, 2015). Der Exportfun-ke sprang zum Beispiel Mitte der 1990er Jahre, im Zeitraum 2000 bis 2004 und offensichtlich auch seit dem Jahr 2011 nicht mehr auf die inländischen Ausrüstungsinvestitionen über. Wäh-rend die preisbereinigten Exporte von Mitte 2011 bis zum zweiten Quartal 2015 um insgesamt gut 14 Prozent zulegten, gab es bei den realen Ausrüstungsinvestitionen nur einen mageren Zuwachs von insgesamt 1,6 Prozent.

Folgt man allerdings Abbildung 16 und markiert das Ende des Erholungszyklus nach der globa-len Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise im Winterhalbjahr 2012/2013, als das preis-, saison- und arbeitstäglich bereinigte BIP zwei Quartal hintereinander jeweils gegenüber dem Vorquartal rückläufig war, dann ergibt sich ein differenziertes Bild:

 Von 2011 bis 2013 ging die anhaltende, aber schwache Exporterholung mit einem deutli-chen Rückgang der realen Ausrüstungsinvestitionen einher. Während die realen Exporte vom dritten Quartal 2011 bis zum ersten Quartal 2013 um knapp 3 Prozent zulegten, gingen die realen Ausrüstungsinvestitionen um fast 9 Prozent zurück.

 Seit dem letzten konjunkturellen Tiefpunkt im ersten Quartal 2013 zeigt sich insgesamt be-trachtet bis zum zweiten Quartal 2015 ein Gleichlauf von realen Exporte und Ausrüstungsin-vestitionen. Zeitweise übertraf die Investitionsdynamik sogar die der Exporte. Dabei muss allerdings auch der vorhergehende Einbruch bei den Investitionen und der danach auch sichtbare Basiseffekt berücksichtigt werden. Dies war bei den Exporten nicht der Fall.

Die gesamte Entwicklung kann dahingehend interpretiert werden, dass zwar mit der Erholung nach der globalen Finanzmarktkrise zunächst die sich erholende Exportkonjunktur deutlich zu einer Erholung der Ausrüstungsinvestitionen geführt hat. Dies gilt auch für die Zeit seit dem ers-ten Quartal 2013. Mit Blick auf die anderen Glieder der Konjunkturkette fand auch hier eine gleichgerichtete Entwicklung statt: Die Beschäftigung und auch der Inlandskonsum stiegen deutlich an. Mit Blick auf die Konsumkonjunktur muss neben der günstigen Beschäftigungsent-wicklung allerdings auch beachtet werden, dass hier ausgeprägte Sondereffekte wirksam wa-ren: zum einen dämpfen die niedrigen Zinsen die Kosten für Konsumentenkredite und die Spar-anreize. Zum anderen haben zuletzt die kräftig gefallenen Energiepreise zu erheblichen Kauf-krafteffekten und zu entsprechenden Konsumimpulsen geführt.

Nimmt man allerdings den gesamten Zeitraum – nach der Konjunkturwende im Jahr 2009 oder nach Abschluss der ersten Erholung im Jahr 2011 in den Blick, dann zeigt sich eine merkliche Abkopplung der Investitionstätigkeit vom Auslandsgeschäft.

Abbildung 19 Exporte und Investitionen in Deutschland: Preis-, saison- und arbeitstäglich be-reinigte Werte; Index: jeweiliger Tiefpunkt = 100

Quellen: Statistisches Bundesamt; Institut der deutschen Wirtschaft Köln

Im Dokument Neue Herausforderungen (Seite 32-35)