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Wirkungen des Entscheids im Hauptverfahren auf den Prozesskostenvorschuss

I. Ausgangslage

Da der Entscheid über den Prozesskostenvorschuss das Verfah-ren in der Hauptsache nicht präjudiziert, können die jeweiligen Beur-teilungen divergieren. Beispielsweise ist es denkbar, dass ein Prozess-kostenvorschuss zugesprochen wird, sich im Hauptverfahren jedoch zeigt, dass die Leistung von Unterhalt unzumutbar ist. Nachfolgend ist daher zu untersuchen, was mit dem Prozesskostenvorschuss nach dem Entscheid in der Hauptsache geschieht.

II. Wirkungen

1. Vorläufige Natur des Vorschusses

Bisweilen wird vertreten, dass, was unter der Herrschaft der vorsorglichen Massnahme geleistet wurde, grundsätzlich nicht zu-rückerstattet werden müsse.134 Im vorliegenden Kontext kann dieser Auffassung allerdings nicht gefolgt werden. Denn Gegenstand der hier interessierenden vorsorglichen Massnahme ist der «Vorschuss» der – vollständigen oder teilweisen – Kosten des Unterhaltsprozesses. Wer letztlich die Prozesskosten zu tragen hat und wie hoch diese ausfallen, kann im Zeitpunkt des Entscheids über die Leistung eines Prozess-kostenvorschusses noch nicht definitiv feststehen. Der Prozesskosten-vorschuss ist daher zwingend vorläufiger Natur und soll dem volljäh-rigen Kind primär den Zugang zum Gericht ermöglichen.135 Daher sind namentlich – im Unterschied zu einer definitiven Leistung – eine Rückerstattung als auch eine Anrechnung an die Unterhaltsbeiträge, an die dem Kind zu entrichtende Parteientschädigung oder an von diesem vorgeschossene Gerichtskosten nicht per se ausgeschlossen.

134 Vgl. etwa BSK-Sprecher (Fn. 7), Art. 268 ZPO N 32, m. H. auf die kantona-le Praxis; ebenso OFK-Rohner/Wiget (Fn. 10), Art. 268 ZPO N 4.

135 Zum Zweck des Prozesskostenvorschusses als Zugang zum Gericht auch BGE 146 III 203 E. 6.3 sowie BGer 5A_217/2018 vom 7. Juni 2018 E. 1.3.1.

2. Mögliche Fallgruppen a) Überblick

Die Konstellationen, in welchen sich die Frage der Rückerstat-tung oder der Anrechnung der Prozesskosten stellt, können nach hier vertretener Ansicht in Fallgruppen unterteilt werden. Zu unterscheiden sind die Fälle des vollständigen Obsiegens (sogleich a), des vollstän-digen Unterliegens (nachfolgend  b) und des teilweisen Obsiegens/

teilweisen Unterliegens (c).

b) Vollständiges Obsiegen in der Hauptsache

Dringt das volljährige Kind mit seiner Unterhaltsklage vollstän-dig durch, sind die Prozesskosten dem oder den beklagten Elternteilen aufzuerlegen (vgl. Art. 106 Abs. 2 ZPO). Der oder die Unterliegenden haben daher dem Kind zunächst eine Parteientschädigung zu entrich-ten (vgl. auch Art. 111 Abs. 2 ZPO). Diese oder ein Teil davon wurde indes mit der Leistung des Prozesskostenvorschusses bereits zu einem früheren Zeitpunkt bezahlt. Parteientschädigung und Prozesskosten-vorschuss sind daher zu verrechnen.136 Seitens des oder der Unterlie-genden kann unter diesem Titel nur eine allfällig höher zugesproche-ne Parteientschädigung geschuldet sein.

Vergleichbar gestaltet sich die Rechtslage betreffend die Ge-richtskosten. Diese sind von der kostenpflichtigen Partei der anderen zu ersetzen (vgl. Art. 111 Abs. 2 ZPO), also von dem oder den Unter-liegenden dem Kind. Mit der Leistung des Prozesskostenvorschusses haben sich der oder die Pflichtigen des Gerichtskostenvorschusses aber wirtschaftlich bereits an den Prozesskosten beteiligt. Somit hat dies-bezüglich ebenfalls eine Verrechnung stattzufinden. Übersteigen der-weil die effektiven Gerichtskosten den Gerichtskostenvorschuss, ist der Fehlbetrag direkt bei dem oder den Unterliegenden einzufordern (vgl. Art. 111 Abs. 1 ZPO).

c) Vollständiges Unterliegen in der Hauptsache

Gelangt das Gericht im Hauptverfahren zum Ergebnis, dass infolge fehlender Voraussetzungen keine materielle Unterhaltspflicht

136 Dazu auch – im Zusammenhang mit dem ehelichen Prozesskostenvorschuss – BGE 146 III 203 E. 6.3, m. H. auf Weingart (Fn. 3), S. 681.

besteht und damit überhaupt kein Volljährigenunterhalt geschuldet ist, ist das volljährige Kind die unterliegende Partei und muss die Pro-zesskosten vollständig tragen (vgl. Art. 106 Abs. 1 ZPO). Diesfalls wäre der Prozesskostenvorschuss ohne Grund erbracht worden. Den entsprechenden Betrag müssen der oder die Leistenden zurückfordern können.137 Als materielle Grundlage für die Rückerstattung kommt dabei Art. 62 OR in Betracht.138

Fraglich ist derweil, wie dieser Anspruch auf Rückerstattung durchzusetzen ist. Nach hier vertretener Ansicht ist dieser Anspruch in einem selbständigen Verfahren geltend zu machen.139 Denn der Prozesskostenvorschuss ist eine (vorläufige) materielle Unterhaltszah-lung. Im Unterschied zur Verrechnung bei vollständigem Obsiegen ist eine Rückerstattung dieser Zahlung im Rahmen der Liquidation der Prozesskosten nicht möglich, weshalb ein selbständiges Rückerstat-tungsverfahren einzuleiten ist. Allerdings steht es dem oder den Ob-siegenden frei – wenn zulässig –, eine Widerklage auf Rückerstattung des vollständigen oder teilweisen Prozesskostenvorschusses in der Klageantwort betreffend den Unterhaltsprozess zu stellen.

d) Teilweises Obsiegen und teilweises Unterliegen in der Hauptsache

Komplexer präsentiert sich die Rechtslage, wenn das volljährige Kind mit seiner Unterhaltsklage nur teilweise durchdringt. Hier stellt sich die Frage, ob und – wenn ja – in welchem Umfang eine Rücker-stattung geschuldet ist. Eine abstrakte Beschreibung des Vorgehens erscheint hier – im Unterschied zu den vorherigen Konstellationen – nicht möglich. Denn es ist beispielsweise vorstellbar, dass zwar der vom Kind beantragte Unterhaltsbeitrag vom Gericht nur in geringerem Umfang zugesprochen wird, weshalb es insoweit als unterliegend gilt,

137 Ähnlich beim ehelichen Prozesskostenvorschuss BGE 146 III 203 E. 6.3, m. H.

auf Urteil des Kantonsgerichts Waadt vom 20. Februar 1992, in: SJZ 89/1993 S. 306.

Siehe auch schon BGE 66 II 70 E. 3.

138 Siehe dazu – allerdings in Bezug auf vorsorgliche Unterhaltszahlungen im Allgemeinen – ZPOKomm-Schweighauser (Fn. 2), Art. 303 ZPO N 27; zu aArt. 281 ZGB: BK-Hegnauer (Fn. 7), Art. 281–284 ZGB N 45; weiter auch Zogg (Fn. 4), S. 98.

139 In diesem Sinne wohl auch DIKEKomm-Pfänder Baumann (Fn. 8), Art. 303 ZPO N 11.

der Prozesskostenvorschuss mit Blick auf die Leistungsfähigkeit der Eltern aber dennoch als angemessen erscheint. Ebenso ist der umge-kehrte Fall denkbar: Der begehrte Volljährigenunterhalt wird zuge-sprochen, der Prozesskostenvorschuss erscheint nach eingehender Beurteilung jedoch als zu hoch. In diesen Fällen zeigt sich, dass Pro-zesskostenvorschusspflicht und abschliessende Kostenverteilung nicht korrelieren.140 Gelöst werden können diese Konstellationen nur mit einer Einzelfallbetrachtung.

III. Anrechnung an den Unterhalt im Besonderen

Obsiegt das volljährige Kind vollständig oder zumindest teil-weise, stellt sich zudem die Frage, ob es sich den geleisteten Prozess-kostenvorschuss an die Unterhaltsbeiträge anrechnen lassen muss.

Konkret geht es um die Frage, ob der oder die Unterhaltsverpflichteten die Unterhaltsbeiträge proportional kürzen können, bis der Betrag des Prozesskostenvorschusses erreicht ist.

Für Scheidungsverfahren wird diesbezüglich bisweilen festge-halten, dass der geleistete Vorschuss auf güterrechtliche und/oder zivilprozessuale Gegenforderungen des anderen Ehegatten angerech-net werden könne.141 Eine solche Ansicht scheint aber für den vorlie-genden Zusammenhang als nicht zutreffend. Denn im Unterschied zum Scheidungsverfahren bestehen im Kindesunterhaltsverfahren keine Gegenforderungen der Eltern. Zudem stellt der Prozesskosten-vorschuss eine einmalige Unterhaltsleistung dar (oben D.IV.1.). Als solche ist er grundsätzlich – soweit nicht in das Existenzminimum eingegriffen wird – neben dem ordentlichen Unterhalt geschuldet.

Eine Anrechnung fällt daher nach hier vertretener Ansicht ausser Betracht.

140 Weitergehend wohl BGE 146 III 203 E. 6.4: «Sodann ist dem Obergericht zwar darin beizupflichten, dass die Pflicht zur Leistung eines Prozesskostenvorschus-ses an den Ehegatten in keinem Zusammenhang mit der ausgangsgemässen Kosten-verlegung im Scheidungsprozess steht.»

141 So etwa BGer 5P.419/2001 vom 12. März 2002, E. 1; BK-Bühler (Fn. 2), Art. 117 ZPO N 39; Weingart (Fn. 3), S. 680.