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8 Diskussion

8.2 Wirksamkeit des Therapieprogramms Tigertraining

Neben der inhaltlichen Darstellung des Tigertrainings sollte in dieser Arbeit die Überprüfung der Wirksamkeit der Intervention anhand der statistischen Analyse erfolgen. Im Selbsturteil der Kinder zeigten sich eine Reduktion für die Gesamteinschätzung der Angstsymptomatik sowie für die Subskalen Soziale Ängste und Angst vor Bedrohlichem und Unheimlichen nach der Teilnahme am Tigertraining. Die Eltern sahen eine Reduktion der Angstsymptomatik bzgl. der Gesamteinschätzung sowie für die Subskalen Trennungsangst und generalisierte Angst. Hingegen fand sich im Fremdurteil keine signifikante Veränderung der sozialen Ängste der Kinder. Die anfangs aufgestellte Hypothese konnte somit nicht für alle erfassten Symptome bestätigt werden. Es stellt sich die Frage nach der Diskrepanz im Fremdurteil der Eltern und Selbsturteil der bzgl. der sozialen Ängste. Möglicherweise erlebten die Kinder durch die aktive Teilnahme am Tigertraining und den damit verbundenen sozialen Herausforderungen (vergl. Kapitel 4.2.1.3) eine direkte Verbesserung der Symptomatik während die Eltern diese im Alltag noch nicht beobachten konnten. Die Zunahme der sozialen Ängste im weiteren Verlauf könnten Hinweise dafür sein. Zeitgleich

beurteilten die Kinder keine Veränderung in bzgl. der Sympomatik der Trennungsängste während die Eltern positive Effekte beschrieben.

Die anfangs aufgestellte Hypothese zur Stabilität der erzielten Effekte über die Zeit kann für die Beurteilungen der Gesamturteile der Eltern (DISYPS FBB ANZ) und der Kinder (PHOKI) bestätigt werden. Jedoch konnte nicht bei allen erfassten Symptomreduktionen eine Stabilität in der Verlaufsmessung bestätigt werden. So zeigte sich im Selbsturteil der Kinder bei den sozialen Ängsten eine leichte Zunahme der Symptomatik zum Zeitpunkt der Katamnese. Wie in Kapitel 1.2 beschrieben, werden soziale Unsicherheiten und Ängste durch Rückmeldungen aus der direkten Umgebung beeinflusst. Das Streben nach Gruppenzugehörigkeit nimmt zunehmend eine zentrale Rolle in der Alltagsgestaltung der Kinder ein. Je älter die Kinder werden, desto größer wird der Einfluss der kognitiven Verarbeitungsprozesse und Attribuierungen, die Sorge vor der Art der Zurückweisung wird differenzierter. Möglicherweise spielen hier Entwicklungsaspekte eine Rolle. Für die Überprüfung dieser Hypothese in der Stichprobe wäre eine differenzierte Erfassung der Symptome der sozialen Ängste wünschenswert.

Im Screeningurteil CBCL/4-18 zeigte sich zum Zeitpunkt der Follow-up-Untersuchung eine Abnahme der Gesamtsymptomatik. Ebenso konnte eine Symptomreduktion der internalisierenden Verhaltensauffälligkeiten ermittelt werden. Hingegen zeigte sich keine Veränderung in der Beurteilung der externalisierenden Verhaltensweisen. Dies könnte einen Hinweis auf die Wirksamkeit des Tigertrainings geben. Jedoch erfasst die Skala Internalisierende Verhaltensauffälligkeiten neben Ängsten auch den sozialen Rückzug, körperliche Beschwerden und depressive Symptome (Döpfner et al., 1994). Da keine weitere Überprüfung der emotionalen Symptomatik im Rahmen der Katamneseerhebung erfolgt ist, kann somit kein direkter Rückschluss auf die Effekte des Tigertrainings gezogen werden.

Die subjektive Wahrnehmung des Tigertrainings war bei den Teilnehmern insgesamt sehr positiv. Vor allem wurde ein deutlicher Wissenszuwachs bzgl. Angsterkrankungen nach Abschluss des Tigertraings beschrieben. Die Eingangshypothese kann somit bestätigt werden. Allerdings handelt es sich bei den Beurteilungen um subjektive Einschätzungen.

Eine Überprüfung von konreten Inhalten und faktischem Wissen der Teilnehmer ist nicht erfolgt, dies bzgl. fehlen objektivierbare Daten.

Von den teilnehmenden Kindern wurde vor allem die Gruppentherapie als positiv bewertet. Sie wurde als hilfreich beurteilt bzgl. des Wissensgewinns und bei der Überwindung von Ängsten. Diese Beurteilung deckt sich mit der Konzeption und den Zielen des Tigertrainings, da die Kernelemente der Gruppentherapie die Psychoedukation sowie die Expositonsübungen darstellen. Dadurch haben die Kinder Möglichkeit, ausreichend Wissen und Verständnis bzgl. des Störungsbildes zu gewinnen, um anschließend Expositionsübungen erfolgreich durchführen zu können. Diese unmittelbare Erfahrung kann die Selbstwirksamkeit der Kinder fördern und wiederum als Verstärker wirken, um weiteren Konfrontationsübungen zu stellen (Mohr & Schneider, 2015).

Trotz der positiven Bewertungen der Teilnehmer zeigten sich jedoch keine eindeutigen Effekte zur Wirksamkeit des Tigertrainings. Es stellt sich die Frage, wie diese Diskrepanz zwischem subjektiven Urteil und statistischen Daten erklärt werden kann. Wie in Kapitel 3 beschrieben, existieren bereits unterschiedliche Therapieprogramme in manualisierter Form für die Behandlung von Angststörungen im Kinder- und Jugendalter. Die meisten Manuale wurden als gezielte Intervention für die Behandlung einer spezifischen Angststörung entwickelt. Vor allem für die soziale Ängstlichkeit des Kindesalters und die soziale Phobie existiert eine Vielzahl von Behandlungsprogrammen. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde versucht, ein übergreifendes Behandlungsangebot für diese unterschiedliche Patientengruppen zu entwickeln. Hintergrund für diese Herangehensweise waren vor allem Erkenntnisse aus dem klinischen Alltag, da im voll- oder teilstationären Setting meist Patientengruppen mit unterschiedlichen Störungsbildern zeitgleich behandelt werden. Das Zusammenfassen von Patienten mit unterschiedlicher Angstsymptomatik in ein gemeinsames Training erwies sich daher bei der Umsetzung der Studie als sinnvoll bzw.

praxisorientiert, stellte jedoch eine Herausforderung dar. Es wurden daher vor allem die Elemente der Psychoedukation und Expositionen eingesetzt, welche sich bei der Behandlung von Angststörungen generell als besonders wirksam erwiesen haben (Ollendick, 2009; Mohr

& Schneider, 2015). Auch wurde versucht, mit den Kindern trotz der unterschiedlichen Angststörungen verschiedene Herangehensweisen im Umgang mit ihrer individuellen Symptomatik und dem konkreten Angsterleben zu erarbeiten. Dabei wurde der Schwerpunkt auf den gegenseitigen Austausch nach den Expositionsübungen und der anschließenden

Reflexion gelegt. Auch wurden Möglichkeiten besprochen, mit negativen Gefühlen, die im Rahmen des Angsterlebens auftreten, angemessen umzugehen. Die Fähigkeit zur adäquaten Emotionsregulation ist eine wichtige Voraussetzung für die Bewältigung psychischer Störungen im Allgemeinen sowie für die Reduktion von Angstsymptomen im Sinne einer aktiven Krankheitsbewältigung (Kullik & Petermann, 2015). Es wurden somit verschiedene Elemente in die Gruppentherapie des Tigertrainings integriert, damit auch unterschiedliche Patientengruppen von dem Angebot profitieren können.

Die Konzipierung eines Therapieprogramms zur Behandlung verschiedener Angststörungen innerhalb eines Interventionsprogramms kann jedoch kritisch hinterfragt werden. Auf Symptomebene existieren zwar viele Übereinstimmungen bei den unterschiedlichen Angststörungen, vor allem hinsichtlich der dysfunktionalen Gedanken, intensiven körperlichen Reaktionen und dem ausgeprägten Vermeidungsverhalten (vergleiche Kapitel 1.7). Nach bisherigem Kenntnisstand ist jedoch noch unklar, welche ätiologischen Modelle den einzelnen Angststörungen zu Grunde liegen bzw. werden unterschiedliche Prozesse bei der Aufrechterhaltung der Angst diskutiert. Während z. B. bei der sozialen Phobie besonders die kognitiven Bewertungsprozesse und der soziale Vergleich eine zentrale Rolle bei der Entstehung und Aufrechterhaltung der Angst einnehmen (Stangier & Fydrich, 2002), wird der Verlauf der emotionalen Störung mit Trennungsangst vor allem durch die Art der elterlichen Einbindung beeinflusst (Schneider & Blatter, 2009;

Mohr & Schneider, 2014). Aufgrund der Unterschiede der einzelnen Angststörungen in den auslösenden und aufrechterhaltenden Bedingungen, wird in der Literatur eine differenzierte therapeutische Herangehensweise empfohlen. Der Einsatz symptomspezifischer Interventionen für die einzelnen Angststörungen wird aktuell favorisiert (Pflug et al., 2012).