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5 KNA von Programmen zur Prävention des Alkoholmissbrauchs

5.2 Wirksamkeit der Alkoholprävention

Die durchschnittlich pro Kopf aufgewandten Mittel für die Information und Schulung der Bevölkerung (verhaltensorientierte Prävention) unterscheiden sich von Kanton zu Kanton erheblich. Wenn diese Präventionsmassnahmen wirksam sind, sollte eine statistische Beziehung zwischen dem Präventionsaufwand (durchschnittliche Pro-Kopf-Ausgaben von 1997 bis 2007) und der Entwicklung der Prävalenz in diesen Kantonen nachzuweisen41 und diese Beziehung im Ergebnis als Elastizitätskoeffi-zient darstellbar sein. Das von uns für die vorliegende Studie verwendete statistische Modell beruht auf genau dieser Annahme. Interessant ist, dass die von uns erarbeite-te Methode vergleichbar mit der in der australischen Studie zur Prävention des Ta-bakkonsums (Abelson et al. 2003) angewandten Methode ist, jedoch einem wesentli-chen Unterschied aufweist: Wir schätzten den Zusammenhang zwiswesentli-chen Prävention und Häufigkeit des exzessiven Alkoholkonsums anhand realer Werte, während die australischen Forscher einen hypothetischen Wert wählten. Die Regressionsanalyse zeigte, dass der Rückgang der Prävalenz in den Regionen grösser ausfällt, die mehr Ressourcen für die Prävention einsetzten42 (Tabelle 5.2). Der Koeffizient ist auf dem Standard-Konfidenzniveau von 5 oder 10% nicht signifikant. Die statistische Auswer-tung weist auf einen positiven Zusammenhang zwischen Präventionsaufwand und

41 Die Veränderungen der Prävalenz werden unter der Annahme eines unveränderten realen Alkohol-preises erfasst. Die Prävalenzniveaus, die bei unveränderten Preisen in jedem Kanton nachweisbar gewesen wären, wurden mit einem Elastizitäts-Preis-Verhältnis von -0,27 für die Prävalenz geschätzt (Clements et al. 1997; Fogarty 2004).

42 Daten zur Prävalenz des exzessiven Konsums und zu den Präventionsausgaben wurden in den sieben Grossregionen erhoben (Region Genfer See, Mittelland, Nordwestschweiz, Zürich, Ostschweiz, Zentralschweiz, Ticino). Zur Gewinnung von Abweichungsintervallen, die robusten Parameterschät-zungen entsprechen, wurde ein Resampling-Verfahren angewandt. Wir entschieden uns für eine Neugruppierung der Daten nach Grossregionen, da die von einem Kanton durchgeführten Präventi-onsmassnahmen auch Bewohnern benachbarter Kantone zugute kamen (Mobilität der Bevölkerung, regionale Printmedien etc.).

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Abnahme der Prävalenz hin, jedoch mit einem p-Wert von 14,4%. Das 10-%-Konfidenzintervall enthält daher 0. Bei Anwendung einer binären Entscheidungsregel signifikant/nicht signifikant würde möglicherweise ein Ergebnis übersehen, das in der Praxis bedeutsam wäre.43 Daher betrachten wir den statistischen Nachweis als einen Indikator der Kampagnenwirksamkeit, der durch weitere Argumente zu bestätigen ist, wie etwa durch die zeitliche Koinzidenz zwischen Massnahmen und alkoholbeding-ten Schäden (siehe Verkehrsunfälle) oder durch den Einfluss der Evaluation von Präventionskampagnen (Exposition von Botschaften, Erinnerungsquote, Bewusst-sein, Veränderung in Einstellung oder Absicht).

Tabelle 5-2 Regression (abhängige Variable: LnRes) Variable Koeffizient St.-Abw. p

LnDep 1,451 0,990 0,144

Konstante -0,879 0,605 0,146

R2 = 0,55 LnRes: Logarithmus der residuellen Abweichung in der Prävalenz

LnDep: Logarithmus der mittleren jährlichen Präventionsausgaben pro Kopf (1997-2007)

Zwischen 1997 und 2007 sank die Prävalenz des exzessiven Alkoholkonsums von 5,99 auf 5,14 (ein Rückgang von 0,85 Prozentpunkten bzw. um 55’000 Personen im Jahr 2007).44 Gemäss Regressionsmodell ist nahezu die Hälfte (47,3%) der Ände-rung der Prävalenz nach Berücksichtigung des Preiseffekts der Prävention zuzu-rechnen.

Es besteht kein signifikanter Zusammenhang zwischen strukturellen Massnahmen (ausser Preisänderungen) und dem Rückgang der Prävalenz in den Regionen, was auf den ersten Blick überrascht, da strukturelle Massnahmen bei den politischen Best-Practice-Optionen genannt werden, während Schulung und Information dort nicht erwähnt sind, mit Ausnahme von Kampagnen zur Eindämmung des Fahrens unter Alkoholeinfluss (Babor et al. 2003).45 Man sollte aus der statistischen Auswer-tung jedoch nicht folgern, dass die strukturellen Massnahmen keine Wirkung gezeigt hätten. Wir beobachteten tatsächlich, dass die Kantone mit substantiellem Informati-ons- und Schulungsaufwand eher stringentere strukturelle Massnahmen umsetzen.46 Bei Korrelation der beiden Variablen verschleiert dies möglicherweise die statistische Signifikanz der Variablen „strukturelle Massnahmen“. In diesem Zusammenhang ist

43 Gelman et al. (2006) merken an, dass „die meisten Statistiker und viele Praktiker mit dem Konzept vertraut sind, dass die automatische Verwendung einer binären Entscheidungsregel signifikant/nicht signifikant Praktiker dazu verleitet, möglicherweise bedeutende beobachtete Differenzen zu überse-hen“.

44 Der Rückgang liegt bei 0,91 Prozentpunkten, wenn die Prävalenz um die Änderungen des realen Alkoholpreises adjustiert wird.

45 Es liegen jedoch keine klaren Nachweise dafür vor, dass die Werbung Alkoholkonsum und Präva-lenz beeinflusst; siehe Nelson (2001).

46 Die Präventionsausgaben (verhaltensorientierte Massnahmen) wurden mit dem Indikator der struk-turellen Massnahmen korreliert (der Korrelationskoeffizient liegt bei 0,459).

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ebenfalls anzumerken, dass die Grössenordnung der strukturellen Interventionen in den Regionen schwer zu erfassen ist und dass die Vorschriften mehr oder weniger gut implementiert wurden. Das statistische Modell zeigt, dass eine Erhöhung des Präventionsaufwandes mit einer Verringerung des Anteils der Personen mit exzessi-vem Alkoholkonsum assoziiert ist. Die strukturelle Prävention hat sicher zu diesem Ergebnis beigetragen, selbst wenn dies statistisch nicht nachweisbar ist.

5.3 Sensitivitätsanalyse

die Sensitivitätsanalyse der Ergebnisse gleicht dem in der Tabakstudie verfolgten Ansatz. Der Schlüsselparameter, für den ein Konfidenzintervall berechnet wird, ist der Anteil der residuellen Abweichung in der Prävalenz, welcher durch die Unter-schiede der Pro-Kopf-Ausgaben für die Prävention erklärt wird. Aufgrund der kleinen Stichprobengrösse – in diesem Fall sieben Regionen – könnte das Konfidenzintervall übermässig durch Ausreisser beeinflusst werden. Um eine robustere Schätzung der Variabilität zu erhalten, wandten wir ein Resampling-Verfahren an („Bootstrapping“).

Die Variabilität des Koeffizienten – der Standardfehler – diente zur Berechnung einer Unter- und Obergrenze für den Schlüsselparameter (Anteil der residuellen Abwei-chung in der Prävalenz, der Präventionsprogrammen zuzurechnen ist). Der auf die Erhöhung des Präventionsaufwands zwischen 1997 und 2007 zurückzuführende Rückgang der Zahl der exzessiven Alkoholkonsumenten liegt zwischen 11’700 und 31’500. Es besteht eine Wahrscheinlichkeit von 68% dafür, dass der korrekte Wert innerhalb dieses Bereichs liegt.

Tabelle 5-3 Bandbreite der Parameterschätzungen Bandbreite der

Referenzschätzung 1,45 47,3 0,43 24’800

Obergrenze 2,44

(=1,45 + 0,99) 60,2 0,54 31’500

* Durchschnittlicher Schätzwert 1,45, Standardfehler 0,99; ** Residuelle Abweichung bezeichnet den Rückgang der Prävalenz, der nicht durch den Preis erklärbar ist; *** Prozentpunkte.

Präventionsprogramme auf Bundes- und lokaler Ebene führten zu einem Rückgang der Prävalenz.

Die möglichen Werte liegen im Bereich von 0,20 bis 0,54 Prozentpunkten, der Referenzwert ist 0,43.

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