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4. Wirkungsorientierung

4.3 Wirkindikatoren einer erfolgreichen Intervention

Eine weitere Unwägbarkeit liegt im originären Verständnis sozialer Dienstleistungen, die darauf ausgerichtet sind, das Leben von Menschen zu verbessern. Eine Veränderung hinsichtlich der Lebensqualität bedarf der Mitwirkung der betroffenen Person und kann damit als Co-Produktion beschrieben werden (vgl. Lob-Hüdepohl, 2021, S. 74). Folgerichtig begründet sich der Erfolg einer Intervention in der Wechselwirkung auf der Handlungs- bzw.

Kommunikationsebene zwischen Fachkraft und Leistungsberechtigtem. Zusätzlichen Einfluss übt die Umwelt des Betroffenen aus, die sich als für die Entwicklung hinderlich oder förderlich herausstellen kann. Eine eindeutige Zuordnung, was den Erfolg oder Misserfolg einer Intervention bewirkt hat, ist damit nur schwer auszumachen. Im Extremfall ist es sogar möglich, dass ein Klient ein Ziel trotz suboptimaler Unterstützung einer Fachkraft erreicht (vgl. Klauß, 2018, S. 54).

Jeder Erfolg oder Misserfolg einer Leistung lässt damit nur mittelbaren Rückschluss auf die Wirkung einer Intervention zu (vgl. Gromann, 2021, 138-139). Unter dieser Prämisse muss die ursächliche Wirkung von Leistungen beleuchtet und verstanden werden.

Um die Wirkungen sozialer Interventionen sichtbar machen zu können, bedarf es daher Indikatoren, die im Folgenden im Für und Wider diskutiert werden.

Grundlage einer Wirksamkeitsmessung könnten die im Gesamtplan formulierten Ziele sein (vgl. Boecker & Weber, 2018, S. 14). Die Wirksamkeit der Leistungen ließe sich von den erreichten Zielen ableiten, wenn andere Wirkfaktoren aus dem Umfeld ausgeschlossen oder als solche identifiziert werden können.

Im Rückschluss wären bei Nichterreichung des Ziels die Leistungen unwirksam. Infolgedessen würden Hilfen eingestellt oder verändert werden müssen. An dieser vereinfachten Wirksamkeitsprüfung bestehen Zweifel (vgl. Klauß, 2018, S. 54). Ist eine Leistung nur wirksam, wenn das Ziel erreicht wurde? Oder könnte es auch sein, dass gerade eine Neuausrichtung eines Ziels für die Wirksamkeit der Maßnahme spricht? Einem solchen Kurswechsel könnte zum Beispiel eine Befähigung in Richtung Selbstbestimmung vorausgegangen sein.

Das macht deutlich, wie wichtig bereits die Formulierung solcher Ziele ist. Im Mittelpunkt steht der Mensch mit seinen Bedarfen, Wünschen und Zielen, an denen die passgenauen Hilfen ausgerichtet sein sollten.

Diese Selbstbestimmung im Sinne des BTHG setzt voraus, dass die Menschen mit ihren Behinderungen fähig sind, Wünsche und Ziele äußern, bzw. Bedarfe in Worte fassen zu können (vgl. Eurich, 2021, S. 63). Untersuchungen zeigen jedoch, dass es gerade in diesem

Punkt häufig zu Problemen kommt. Der betroffene Personenkreis schafft es nicht oder nur unzureichend, für sich selbst bedeutende Ziele zu finden. Das birgt die Gefahr, dass andere Instanzen – konkret die Fachkräfte der Eingliederungshilfe auf Leistungsträger- bzw.

Leistungserbringerseite – diese Ziele, ausgerichtet an ihren eigenen Vorstellungen eines gelingenden Lebens, formulieren (vgl. Delgado, 2018, S. 50). Die Ermittlung der Wirkung von Maßnahmen, ausgerichtet auf die Erreichung fremdbestimmter Ziele, wäre damit schon von vornherein obsolet.

Möglich ist auch eine subjektive Wirkungsbewertung aus Sicht der Betroffenen (vgl. Lob-Hüdepohl, 2021, S. 84). Die Frage nach der Wirksamkeit der Leistungen kann sogar reflexive Prozesse auslösen, die selbst Teil einer Veränderungsdynamik werden können. An dieser Stelle sei angemerkt, dass es manche Ausprägungen von Behinderung unmöglich machen, eine solche Bewertung vornehmen zu können.

Eine Analyse der Lebensqualität unterliegt ähnlichen Bedingungen und ist als alleiniges Messinstrument wenig geeignet (vgl. Boecker & Weber, 2018, S. 12). Die subjektive Wahrnehmung von Lebensqualität muss nicht den Lebensumständen entsprechen. Die empirische Sozialforschung spricht entweder von einem Unzufriedenheitsdilemma oder im gegenteiligen Fall von einem Zufriedenheitsparadox. Darüber hinaus können, wie Rosemann am Beispiel der Anorexie darlegt, sogar gerade wirksame Leistungen zu einer gefühlten Verschlechterung der Lebensqualität führen (vgl. 2019, S. 24).

Weitere Messindikatoren, die den Kennzahlen aus dem Bereich des Controllings entliehen sind, lassen diese subjektiven Faktoren außer Acht. Beispiele dafür könnten Übergangsquoten von einer Werkstatt auf den ersten Arbeitsmarkt oder die Verweildauer in einer Unterstützungsmaßnahme sein (vgl. Boecker & Weber, 2018, S. 12). Diese Kennzahlen werden dem Anspruch der Personenzentrierung nicht gerecht, sondern dienen dem Einzelnen eher der Orientierung, um beispielsweise einen geeigneten Leistungserbringer auswählen zu können.

Ausgewiesene Qualitätsmanagementstandards einer Institution haben nur mittelbar mit der Messung von Wirksamkeit zu tun (vgl. Boecker & Weber, 2018, S. 8-9). Wie in Kapitel 6.2 dargelegt wird, begünstigen gute Struktur- oder Prozessqualität wirksame Unterstützungs-leistungen. Dennoch sind sie dem eigentlichen Sinn nach eher Kontrollinstrumente und Richtlinien zur Zurverfügungstellung passgenauer Hilfen in entsprechenden fachlichen Qualitätsstandards. Um als alleiniges Messinstrument dienen zu können, fehlt zudem die ursächliche Rückführung auf die Unterstützungsleistung.

Besonderen Bedingungen unterliegt das Merkmal der Ergebnisqualität, die wie die Wirksamkeit einer vertraglichen Definition auf Landesebene bedarf (vgl. Beyerlein, 2020, S. 5).

Damit ist auch die Ausprägung dieses Qualitätsstandards verhandelbar. Sie kann je nach Zielgröße entweder das Resultat wirksamer Leistungen sein – zum Beispiel die Steigerung der Lebensqualität, die Erreichung von Zielen oder ein Mehr an Teilhabe – oder, von der Perspektive des Klienten entkoppelt, die Darstellung betriebswirtschaftlicher Kennzahlen wie Übergangsquoten oder Verweildauern.

Für die Messung von wirksamen Leistungen auf gesellschaftlicher Ebene wurde der Social Return of Investment (SROI) entwickelt (vgl. Burmester & Wohlfahrt, 2018, S. 52-57). Der SROI soll Sozialinvestitionen plausibel machen und als solche legitimieren. Dabei geht der SROI auf verschiedene Perspektiven ein:

 SROI 1: Rückfluss der Investitionen von den Unternehmen in Form von Steuern oder Sozialabgaben

 SROI 2: Rückfluss der Investitionen von den Leistungsberechtigten

 SROI 3: Betrachtung der Alternative

 SROI 4: Nutzen der regionalen Wirtschaft aufgrund geleisteter Sozialinvestitionen

 SROI 5: Wirkung auf Lebensqualität der Leistungsberechtigen mittels Selbst- und Fremdeinschätzung

 SROI 6: Wirkung auf das Sozialklima

Nach Monika Burmester ist die gesellschaftliche Sicht auf Wirkung von Interventionen nicht geeignet. Die Leistungen sind auf den Einzelfall und nicht auf den Impact ausgerichtet (vgl.

2018, S. 56). Im Extremfall kann ein Teilhabeziel sogar einem gesellschaftlichen Nutzen entgegenstehen (vgl. Delgado, 2018, S. 50).

Bei genauerer Betrachtung der verschiedenen Indikatoren fällt auf, dass, je nach Art des Indikators, der Erfolg einer Maßnahme unterschiedlich bewertet werden kann. So könnte sich ein erreichtes Ziel (möglicher Indikator) ungünstig auf die Lebensqualität (möglicher Indikator) auswirken. Beispielhaft für eine solche Konstellation wäre das Ziel einer eigenen Wohnung.

Die Vorstellung, alleine zu leben, könnte sich in der Realität anders darstellen, sodass der mögliche Verlust von sozialen Kontakten letztendlich weniger Lebensqualität bedeutet.

Die Beurteilung eines Erfolgs oder Misserfolgs einer sozialen Dienstleistung ist somit ursächlich von der Art des Messinstruments abhängig.